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Geschlechts-Größenwahnsinn

Es war einmal Mode, an der Geliebten einzig die schönen Augen zu besingen. Das Auge galt als Mittelding zwischen Leib und Geist, als unmittelbare Verkörperung der Seele, und anders als von Seele zu Seele zu lieben, hielt man damals eines feingebildeten Menschen, und nun gar eines Dichters, für ganz unwürdig. Zweifellos empfinden wir heute diese Lyrik als sentimental, unnatürlich.

Von einer Modernen, die sich überflüssiger Weise »Hans« nennt, lesen wir:

»Durch die strenge Wolle (!) ihres blauen Rockes fühlte er ihre Beine, diese feinen, langen, weichen und so stahlfesten Beinchen, die er anbetete.«

Die Moderne schlägt uns Männern also vor, statt der Augen lieber die Beine anzubeten.

Die schwerbeladenen Stützen unseres Leibes in allen Ehren, aber angebetet werden sie nicht, es sei denn in einer außer Rand und Band geratenen Weiberphantasie.

Die Feder einer andern rast also über das Papier:

»Selige Frau! Wie hat Gott doch seine ganze Allmacht in Deine Hände gelegt! Wenn Du Ja winkst (!!) kommt das Glück und krönt die Stirne Deines Liebsten mit dem Kranz des Siegers. Wenn Du verneinend Dein Haupt bewegst, so ist er zum Tode verurteilt. Wahrlich, ihr Frauen, ihr seid Schicksalsgöttinnen.«

Der Sinn dieser Verzückung ist: Sie hat einen schwindsüchtigen Professor geheiratet. Während der ersten Monate ihrer Ehe sind sie nicht so recht – hm – verheiratet. Endlich aber »winkt sie Ja«, und der Professor, der sich bis dahin, eingedenk seiner Stellung als Angehöriger des minderwertigen Geschlechtes, in Geduld gefaßt hat, wird gesund.

Dergleichen Fälle kommen vor, sagen die Aerzte. Eine »Schicksalsgöttin«, unter der man sich natürlich eine ganz Moderne vorzustellen hat, braucht aber nicht darum bemüht zu werden; ein gesundes Landmädel ist sogar sehr viel sicherer.

Der Gatte lallt zu der Jawinkerin: »Dein Haar ist wie reifes Korn, Dein Mund wie junge Mohnblüten, Deine Augen gleichen zwei schwarzen Waldseen, auf denen verstohlene Sonnenlichter tanzen. Ueber Deine ganze hohe, schlanke Gestalt geht ein Wiegen und Wogen. Geheimnisvoll schmiegen sich Deine Gewänder an Dich an. Selbst wenn ein Windstoß sie bewegt, flattern sie nicht, sondern schließen sich enger um Dich.«

Weshalb der Herr Professor über diese Eigentümlichkeit der Kleider – ich denke mir, es sind Seidenstoffe – so außer sich gerät, ist nicht recht einzusehen. Daß ihm das Anschmiegen der Kleider an den weiblichen Körper geheimnisvoll erscheint, könnte man als lobenswerte Unerfahrenheit deuten, wenn man nicht gelesen hätte, daß er in seiner Jugend der beste Bruder gar nicht gewesen ist. Aber es ist ja begreiflich, daß der tägliche Umgang mit einer Schicksalsgöttin dem Professor die Sinne durcheinander geworfen hat.

Einer, dem sie einen Korb giebt, meint gar: »Marie Therese Du tötest siebenmal an einem Tag.« Und in so starrer Höhe thront sie über menschlichen Dingen, daß sie diesen Aermsten gleichmütig laufen läßt, statt einen Arzt zu holen.

Die Dritte im Bunde, die Türkengattin, veröffentlichte einen Roman »Halbtier«. Das Halbtier ist die Frau, richtiger die Sklavin, eines angesehenen Schriftstellers, der trinkt und liebt und dem armen »Halbtier« überläßt, wie es mit dem kümmerlichen Haushaltsgelde auskommt. Der Sohn, ein Gymnasiast, kommt sinnlos betrunken nach Hause; seit diesem Abend wird er vom Vater als gleichberechtigter Kamerad behandelt.

Ein Mädchen wird durch die Schuld dieses Sohnes unglücklich und stirbt qualvoll; er wird grob, als ihn seine Schwester am Morgen nach dem Tode daran erinnert, er will sich das Frühstück nicht verderben lassen.

Ein Schwiegersohn ist ein großer Maler, aber ein gemeiner Schuft, indessen keiner der gewöhnlichen Art, sondern zu einer besondern Varietät gehörend, die besonders in Berlin gezüchtet wird. Nur ein kleiner Zug: seine Frau, ein liebes, sanftes Geschöpf, macht eine sehr schwere Entbindung durch. Da erklärt er, daß er sich »ästhetisch beleidigt« fühle, und unternimmt eine Vergnügungsreise.

Die Verfasserin muß wirklich vom Mißgeschick verfolgt sein, daß sie in ihrem Leben – abgesehen jedenfalls von ihrem Harun – keine anderen Männer, als Trottel und Hallunken kennen gelernt hat.

Ueber diesen Männern – man möchte sagen Halbaffen – thront ein Ueberweib. »Sie gehören zur Masse!« ruft sie dem Maler zu, als er sich auch ihr gegenüber schuftig benimmt, und unter dem Donnerwort zuckt sogar dieser Schurke zusammen. Das junge Ueberweib – darf man vielleicht kürzer sagen das Uebermädchen? – zeigt sich in ihrem Zorn als das, was in den Augen der Verfasserin eine »Natur« ist: sie geht in ihre Kammer und beißt in den Bettpfosten.

Am Schlusse benimmt sich der Herr Maler doch wieder unpassend gegen das Uebermädchen – seine Schwägerin – worauf es ihn kurz und bündig totschießt. Die Verfasserin hält das offenbar für ganz in der Ordnung.

Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich in diesen, durchaus typischen Fällen vom Geschlechtsgrößenwahnsinn spreche. Zweifellos ist der Trieb, der den Mann zur Frau zieht, neben dem Hunger der stärkste in der Natur. Indessen so paßt es den Damen nicht. Die Natur redet ja in beiden Teilen gleich deutlich. Sie aber sehen in sich Wesen von einer anderen Art, Ueberweiber oder Göttinnen, zu deren Füßen entweder Teufel sich krümmen oder Marienpriester verzückte Gebete lallen.

Wem haben sie diese Selbstvergötterung nachgemacht?

Wem anders, als ihrem Idol Friedrich Nietzsche. Bei ihm ist's umgekehrt. Da sind die Frauen Geschöpfe, die ein rechter Kerl mit der Peitsche in der Hand regiert. Natürlich drehen seine weiblichen Schüler das Verhältnis um.


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