Carl von Holtei
Schwarzwaldau
Carl von Holtei

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Letztes Capitel.

Das Geständniß, welches Emil von Schwarzwaldau den beiden Rechtsgelehrten in Gegenwart seiner Gattin ablegte, war unumwunden und umfassend. Er verschwieg nichts und schonte sich durchaus nicht. Vielmehr gab er zu erkennen, daß es ihm Bedürfniß geworden sei, nach so langwieriger Lüge und Verstellung endlich einmal ohne Rückhalt zu reden. Bisweilen unterbrach er sich durch den Ausruf: »Ach, das thut wohl! Das erleichtert die Brust!« dann wieder hemmten Thränen den Fortgang seiner Berichte und diese kamen so unverkennbar aus dem innersten Grunde seines Herzens, daß sie auch der Hörer Herzen rührten und erschütterten.

Drei Stunden lang dauerten seine Bekenntnisse, seine erklärenden Auseinandersetzungen, die wörtlich zu Papier gebracht wurden.

Die beiden Richter waren vom Hören, der 217 Protocollführer, dessen Feder kaum folgen konnte, vom Schreiben ermüdet; Caroline lag in Haß und Liebe, in Zorn und Wehmuth, in Abscheu und Mitleid getheilt, einer Sterbenden gleich auf dem Divan . . . Er stand fest, aufrecht, ohne die geringste Erschöpfung; seine Stimme klang wohllautend und klar, seine Worte waren gewählt, sein Benehmen blieb verbindlich, und als man zu verstehen gab: er müsse nun in sichere Haft gebracht werden, wie es einem so schweren Criminalverbrecher gebühre und seine Ablieferung an das höhere Gericht könne erst morgen mit Tagesanbruch erfolgen, da sagte er: »Ihre Anordnung, Herr Rath, trifft mit meiner Bitte zusammen; ich wünsche selbst nicht, meine letzte Nacht in Schwarzwaldau in diesem Schlosse zuzubringen. Die Räume, worin Caroline mit – ihrem Kinde walten wird, sollten nicht entweiht werden durch das Geklirr meiner Ketten. Wir haben hier im Dorfe einen hübschen, festen Gefängnißthurm; ich selbst habe ihn, ›um einem längst gefühlten Bedürfniß abzuhelfen,‹ vor einigen Jahren errichten lassen. Meine Frau befand sich zum Besuche hier, da er eingeweiht wurde und seinen Namen empfing. Emil hieß auch der erste Insasse des freundlichen Stübchens; ›Storchschnabel‹ wurde der ganze Kerker nach Jenem getauft. 218 Dort bringen Sie mich unter, wenn es Ihnen gefällig ist.«

Kurz vor Mitternacht wurde der Besitzer von Schwarzwaldau in das durch ihn erbaute Dorfgefängniß geleitet.

Der Revierjäger, der Mühlbauer und ein dritter Mann aus dem Dorfe, erhielten den Auftrag, mit Schießgewehren bewaffnet, den Thurm zu bewachen und jeden etwaigen Fluchtversuch zu verhindern.

Sie besprachen in ihrer Weise die Ereignisse, deren eigentlicher Zusammenhang ihnen noch nicht klar wurde, da nur einzelne Bruchstücke des ganzen Geständnisses bis in's Vorzimmer und aus diesem in's Dorf dringen können; doch empfanden sie wohl den schauerlichen Gegensatz ihrer Stellung als Wächter eines Gefangenen, der bisjetzt ihr Herr gewesen. Sie vereinigten sich dahin, den Jäger Franz für den Urheber alles Bösen anzuerkennen.

Gegen ein Uhr fand sich die Gemalin des Mörders bei den Wachen ein. Sie stellte ihnen vor, daß es ihre Pflicht sei, vom Gatten Abschied zu nehmen und noch Manches mit ihm zu besprechen, bevor man ihn den Weg zur Stadt führe, von welchem er nie zurück kommen werde. Die drei Männer fanden das in der Ordnung. Aber Einlaß zu gestatten war 219 nicht in ihrer Macht; die Schlüssel hatte der Criminalrath an sich genommen.

»So schafft mir eine Leiter herbei, die bis an das vergitterte Fenster reicht. Durch die eisernen Stäbe vermag ich zu sprechen und zu vernehmen, was nöthig ist.«

Der Mühlbauer und der dritte Wächter gingen, eine solche Leiter aufzutreiben.

Kaum war der Revierjäger mit ihr allein, als er ihr zuflüsterte: »Soll denn unser Herr von Henkers Händen sterben, gnädige Frau? Kann er nicht – Sie verstehen mich schon! Wie wär's, ich schickte ihm meinen Hirschfänger hinauf?«

»Habt keine Sorge, Freund,« erwiderte Caroline; »ich bringe schon, was er braucht.«

Sie zeigte ihm den Dolch, den sie heimlich bei Seite zu bringen gewußt.

»Ist das derselbe?« fragte der Waidmann.

»Derselbe!«

»Desto besser: womit Du sündigest, damit sollst Du auch gestraft werden!«

Die Leiter wurde angelegt. Caroline bestieg sie. Fast eine Stunde lang verweilte sie oben.

Da sie herab kam, dankte sie den Wächtern und entfernte sich rasch. Vorher sagte sie aber noch: »Ihr 220 habt nicht nöthig, ein Geheimniß aus meinem Besuche zu machen; ich übernehme jede Verantwortung, die Euch treffen könnte.«

Sie hörten nachher verdächtige Töne, wie wenn Eisen an Steinen gewetzt und geschliffen würde.

»Was ist das?« fragte der Mühlbauer; »will er etwa ausbrechen?«

»Seid kein Narr,« sprach der Revierjäger; »ausbrechen soll er nicht, dafür stehen wir da. Sein Leib verbleibt der Justiz. Und seine Seele – mag die entweichen wohin sie will, ihrer Bestimmung entgeht sie doch nicht.«

Als der Tag angebrochen, erschien das Gericht.

Einige Wagen, von berittenen Bauern umgeben, fuhren vor.

Die Herren begaben sich hinauf. Hanns der Storch hatte sich dem Zuge angeschlossen.

Emil, seinen Dolch in der Brust, lag todt am Boden. Die Leiche war noch warm. Eine Wunde am Oberarme ließ vermuthen, daß er an ihr erst die Schärfe der neugeschliffenen Spitze geprüft, ehe er sie nach seinem Herzen geführt. Auf der weißübertünchten Mauer stand in dicken, festen Zügen, mit einem in Blut getauchten Finger geschrieben:

Vulnerant omnes, ultima necat.

 

Ende des zweiten und letzten Bandes.

 


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