Paul Heyse
Andrea Delfin
Paul Heyse

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Noch eins, sagte er, indem er ein Kästchen aufschloß, das auf dem Tische stand. Tretet heran und betrachtet den Dolch in diesem Kästchen. Es sind große Waffenfabriken in Brescia. Entsinnt Ihr Euch, dort irgend eine ähnliche Arbeit gesehen zu haben?

Andrea blickte, mit letzter Kraft sich bezwingend, in den Behälter, den ihm der Sekretär entgegenhielt. Er erkannte die Waffe nur zu wohl. Es war ein zweischneidiges Messer, der Griff, ebenfalls stählern, in Kreuzesform. Auf der Klinge, vom Blut noch nicht gereinigt, standen die Worte eingegraben: «Tod allen Staatsinquisitoren».

Nach einer längeren Prüfung schob er mit fester Hand das Kästchen zurück. Ich entsinne mich nicht, sagte er, einen ähnlichen Dolch in den Kaufläden von Brescia gesehen zu haben.

Es ist gut.

Der Sekretär verschloß das Kästchen wieder und winkte ihm mit der Hand, zu gehen. Langsam schritt Andrea hinaus. Die Hellebardiere ließen ihn passieren; wie im Traum ging er den hallenden Korridor entlang, und erst als er auf der dunkeln Treppe war, gönnte er sich's, einen Augenblick auf einer der Marmorstufen niederzusitzen. Seine Kniee drohten einzubrechen; der kalte Schweiß bedeckte seine Stirn, die Zunge klebte ihm am Gaumen.

Als er ins Freie hinaustrat, atmete er tief auf, richtete den Kopf mutig in die Höhe und nahm seine entschiedene Haltung wieder an. Am Portal draußen, das sich nach der Piazetta öffnet, sah er einen Haufen Volkes dicht beisammen stehen, vertieft in die Lesung eines großen Anschlages, der an eine der Säulen angeheftet war. Er trat ebenfalls hinzu und las, daß vom Rat der Zehn mit hoher Bewilligung des Dogen eine Belohnung von tausend Zechinen und die Begnadigung eines Verbannten oder Verurteilten demjenigen verheißen werde, der über den Mörder Veniers Auskunft zu geben wisse. Das Volk strömte vor der Säule ab und zu, und nur einige lauernde Gesichter tauchten beharrlich immer wieder unter den Arkaden auf und bewachten die Mienen der Lesenden. Auch Andrea entging ihnen nicht. Aber mit der Gleichgültigkeit eines völlig unbeteiligten Fremden machte er, nachdem er das Blatt überflogen, anderen Neugierigen Platz und stieg ruhig am großen Kanal in eine Gondel, die ihn nach dem Hotel des österreichischen Gesandten bringen sollte.

Als er nach einer längeren Fahrt vor dem ziemlich abgelegenen Palast ausstieg, der den doppelköpfigen Adler über dem Eingang trug, bewegte gerade ein hochgewachsener junger Mann den Klopfer am Tor. Er sah sich nach der Gondel um, und seine ernsthaften Züge erheiterten sich plötzlich. Ser Delfin, sagte er und bot Andrea die Hand, begegnen wir uns hier? Kennt Ihr mich nicht mehr? Habt Ihr den Abend am Gardasee schon vergessen?

Ihr seid es, Baron Rosenberg! erwiderte Andrea und schüttelte herzlich die dargebotene Rechte. Seid Ihr für längere Zeit in Venedig, oder holt Ihr schon Euren Paß hier ab zur Weiterreise?

Der Himmel weiß, sprach der andere, wann mich mein Stern je von hier wegführt, und ob ich ihn dann willkommen heißen oder verwünschen werde. Um meinen Paß jedoch brauche ich niemand zu bemühen, da ich ihn mir selbst visieren kann. Denn Ihr müßt wissen, werter Freund, daß Ihr mit dem Sekretär Seiner Exzellenz des österreichischen Gesandten sprecht, was ich wahrlich nicht etwa sage, um eine diplomatische Wand zwischen mich und meinen werten Reisegefährten von Riva zu schieben, sondern in Eurem Interesse, Bester, da es nicht jedem Venezianer erwünscht ist, für einen alten Bekannten von mir zu gelten.

Ich habe nichts zu fürchten, sagte Andrea. Wenn ich Euch nicht lästig bin, trete ich einen Augenblick bei Euch ein.

Ihr wolltet zu mir, ohne mich zu kennen. Was Euch der Gesandtschaftssekretär zu Gefallen tun sollte, wird Euch nun der Freund umso williger tun, falls es in seiner Macht steht.

Andrea errötete. Zum ersten Male empfand er jetzt alles Demütigende der Maske, die er trug, einem freien Manne gegenüber, der ihm nach einer flüchtigen Begegnung vor mehreren Jahren so freundschaftlich wieder entgegenkam. Der Paß des Triestiners, den er in der Tasche trug, drückte ihn wie ein bleiernes Gewicht. Aber die Übung, seine inneren Kämpfe zu beherrschen, ließ ihn auch diesmal nicht im Stich. Ich wollte nur eine Erkundigung einziehen über ein deutsches Handelshaus, sagte er, denn ich bin hier in Venedig in der sehr bescheidenen Stellung eines Schreibers, der sich von seinem Herrn Notar zu mancherlei kleinen Diensten gebrauchen lassen muß. Da ich aber in Brescia nicht viel Besseres war und Ihr dennoch mich nicht zu gering hieltet, mir Eure und Eurer Mutter Gesellschaft zu gönnen, so trete ich auch hier dreist mit Euch ein; Ihr müßt mir vor allem sagen, wie es der trefflichen Frau ergeht, deren ehrwürdiges Bild, ihre rührende Liebe zu Euch, ihre große Güte gegen mich, mir noch in lebendigster Erinnerung stehen.

Der Jüngling wurde ernsthaft und seufzte. Kommt in mein Zimmer, sagte er. Wir plaudern dort vertraulicher.

Andrea folgte ihm hinauf, und der erste Blick, den er in das behagliche Gemach tat, fiel auf ein großes Pastellbild, das über dem Schreibtisch hing. Er erkannte die leuchtenden Augen und das reiche Haar Leonorens. Aller verführerische Schmelz der Jugend und des Übermutes lag auf diesen lächelnden Lippen.

*

Der Jüngling rückte zwei Sessel an das Fenster, durch welches man den ziemlich breiten Kanal, die malerische Brücke und zwischen den Häusern drüben die Chorseite einer alten Kirche übersah. Kommt, sagte er, macht es Euch bequem. Soll ich Wein kommen lassen oder Sorbette? Aber ihr hört nicht. Ihr seid in dieses unglückselige Bild vertieft. Wißt Ihr, wen es vorstellt? Kennt Ihr das Urbild, von dem es nur ein blasser Schatten ist? Doch wer in Venedig kennte es nicht? Sagt mir nichts von diesem Weibe. Ich weiß alles, was man von ihr sagt, und glaube alles, und dennoch versichere ich Euch in allem Ernst, daß Ihr selbst, wenn Ihr vor ihr ständet, an nichts von alle dem denken, sondern Gott danken würdet, wenn Ihr Eure fünf Sinne so leidlich beisammen behieltet.

Ist dieses Gemälde Euer Eigentum? fragte Andrea nach einer Pause.

Nein; es hat einem Glücklicheren gehört, einem schönen jungen Venezianer, der, wie sie mir selbst gestand, ihr Abgott gewesen. Der Unvorsichtige ließ sich einfallen, mir seine Freundschaft anzutragen. Er büßt dieses Verbrechen in der Verbannung, und meine Strafe ist nun, daß er mir dieses Bild vermacht hat, und daß ich die Augen des Originals um ihn habe weinen sehen.

Er stand, während er dies sagte, vor dem Bilde und betrachtete es mit einem schwärmerisch-traurigen Blick. Andrea beobachtete ihn mit der tiefsten Teilnahme. Er war nicht schön von Gesicht, nur anziehend durch die Mischung von jugendlicher Sanftheit der Formen und männlichem Ernst und Feuer seines Mienenspiels. Auch in den Bewegungen der hohen Gestalt offenbarte sich Adel und Energie. Unwillkürlich entfuhr Andrea der Ausruf: Daß Ihr, auch Ihr dieses Weib lieben könnt, das Euer so wenig wert ist!

Lieben? erwiderte der Deutsche mit einem seltsam düsteren Ton. Wer sagt Euch, daß ich sie liebe, wie ich einst in Deutschland geliebt habe und wie es allein den Namen verdient? Sagt, daß ich von ihr besessen bin, daß ich mit Knirschen und Stöhnen ihre Fesseln trage, und nehmt mein Geständnis hin, daß ich mich dieser Schwäche schäme und doch in ihr schwelge. Ich habe es nie vorher gewußt, wie alle irdische Wonne nichtig ist gegen das Gefühl, sich den Nacken von einem selbstgewählten Joch wund drücken zu lassen und den gesamten Mannesstolz um ein Lächeln solcher Augen in den Staub zu werfen.

Sein Gesicht hatte sich gerötet; er bemerkte jetzt erst, daß Andrea längst von dem Bilde wegsah und ihm tief bekümmert zuhörte.

Ich langweile Euch, sagte Rosenberg. Sprechen wir von etwas anderem. Wie ist es Euch indes ergangen? Warum habt Ihr Brescia verlassen?

Ihr habt mir von Eurer Mutter noch nichts erzählt, lenkte Andrea ein. Welch eine Frau! Der Fremdeste fühlt das Verlangen, sie wie eine Mutter zu verehren.

Redet weiter, sagte der andere. Vielleicht befreien mich Eure Worte von dem bösen Zauber, dem ich hier verfallen bin. Nicht, daß Ihr mir etwas Neues sagtet. Aber es von Euch zu hören, welch eine Mutter sie ist, und welch ein undankbares Kind sie an mir großgezogen hat, bringt mich vielleicht zu meiner Pflicht zurück. Werdet Ihr es glauben, daß ich schon den dritten Brief von ihr habe, in welchem sie mich beschwört, Venedig zu verlassen und zu ihr nach Wien zu kommen? Sie träumt, daß mir hier Unheil bevorstehe. Das größte, dem ich verfallen bin, ahnt sie nicht; und doch hält mich sonst nichts hier fest, als ein Weib, das ich um alles in der Welt nicht in ihre reine Nähe zu bringen wagte. – Aber nein, fuhr er fort, damit ich mir nicht selbst zu viel tue: Es wäre in der Tat schwer zu machen, daß ich in diesem Augenblick mir Urlaub auswirkte. Mein Chef, der Graf, hat sich eingeredet, daß ich ihm unentbehrlich sei, und gerade jetzt gibt es mancherlei zu tun, was ihm selber lästig wäre. Es ist Euch nicht unbekannt, daß wir hier unliebe Gäste sind. Man will die Augen nicht öffnen nach der Seite hin, von der eine wirkliche Gefahr drohen könnte, und hätschelt das Vorurteil, als hätte die Macht, die wir vertreten, die Hand im Spiele bei allem Feindseligen, was in Venedig geschieht. Ist man doch so weit gegangen, uns für die Ermordung Veniers verantwortlich zu machen, eine Tat, die ich von Grund meines Herzens ebenso verabscheue, wie ich ihre Anstifter für kurzsichtige Politiker halte. – Denn sagt selbst, werter Freund, fuhr er mit rückhaltlosem Eifer fort, vielleicht nicht ohne die Absicht, einen Fürsprecher mehr in Venedig zu gewinnen, sagt selbst, ob die geringste Aussicht ist, das Ziel, den Sturz des Tribunals, auf diesem verbrecherischen Wege zu erreichen? Setzen wir die moralische Seite für einen Moment aus den Augen: Ist es irgend denkbar, daß ein so weit verzweigter Anschlag hier, in Venedig, so lange geheim bleibt wie er müßte, wenn der Zweck der Einschüchterung erreicht werden sollte?

Es ist undenkbar, erwiderte Andrea gelassen. Was drei Venezianer wissen, weiß der Rat der Zehn. Umso wunderbarer, daß er diesmal so schlecht bedient wird.

Und nun setzt den Fall, es gelänge den Verschworenen nach Wunsch, Mord auf Mord, worauf es ja abgesehen scheint, erreichte die Inquisitoren trotz des Geheimnisses, das sie umgibt, und endlich fände sich niemand, der sein Leben an eine so gefährliche Würde wagte – was wäre damit erreicht? Eine Aristokratie von so ungeheuerlicher Organisation, wie die venezianische, bedarf, um zu bestehen, um sich gegen die drohenden Wogen des Volkswillens zu sichern, des festen Dammes einer immerwährenden Diktatur, die in sanfteren oder härteren Formen immer wieder aufgerichtet werden müßte. Denn wo sind die Elemente, aus denen eine echte Republik mit freien Institutionen sich bilden könnte? Ihr habt eine herrschende Kaste und eine beherrschte, Souveräne zu Hunderten und Pöbel zu Tausenden. Wo sind die Bürger, ohne die ein freies Stadtwesen ein Unding ist? Eure Nobili haben dafür gesorgt, daß der geringe Mann nie zum Bürgersinn, zum Gefühl der Verantwortlichkeit und des wahren bewußten Opfers für große Zwecke herangereift ist. Sie haben den Plebejern nie erlaubt, sich um Staatsinteressen zu bekümmern. Aber weil das Regiment von achthundert Tyrannen zu schwerfällig, zu uneinig und schwatzhaft ist, um eine mächtige Wirkung nach außen oder innen zu üben, knechteten diese Herren sich lieber selbst und beugten sich unter das Joch eines unverantwortlichen Triumvirats, das wenigstens aus ihrer Mitte hervorgegangen war. Sie zogen es vor, ihre eigenen Mitglieder ohne Gesetz und Recht diesem dreiköpfigen Götzen zum Opfer fallen zu sehen, als unter dem Schutz von Gesetzen und Rechten zu leben, die sie mit dem Volk gleichstellen würden.

Ihr sagt diese Sachen, wie sie sind, warf Andrea ein. Aber müssen sie so bleiben?

Bleiben – oder sich verschlimmern. Denn seht, Bester, wie furchtbar sich die Schneide ihrer Waffe gegen sie selbst gekehrt hat. Solange die Republik eine Aufgabe hatte unter den Völkern Europas, solange war der Druck dieser stehenden Diktatur im Innern durch die Erfolge nach außen aufgewogen. Niemals wäre Venedig ohne dieses Zusammenfassen all seiner Kräfte in der Hand unerbittlicher Tyrannen zu der Blüte politischer Macht und unermeßlichen Reichtums gediehen, wie wir sie bis ins vorige Jahrhundert noch im Wachsen finden. Sobald die Zwecke wegfielen, die so gewaltsame Mittel allein rechtfertigen konnten, blieb die nackte Tyrannei in all ihrer Unförmlichkeit übrig und begann, um nicht müßig zu gehen und sich selbst für überlebt zu halten, nach innen zu wüten. Eine Diktatur im Frieden, mag sie von einem oder dreien ausgeübt werden, ist immer eine Lebensgefahr für jeden großen oder kleinen Staat. Hier aber ist die Krankheit zu alt geworden, um noch Heilung zu finden. Die Keime des wahren Bürgertums, aus denen jetzt für die Republik ein neues Leben erwachsen müßte, sind verfault, durch ein jahrhundertelanges Schreckenssystem, durch das Netz der ausgesuchtesten Spionenkünste ist alles Vertrauen, alle Geradheit, Sicherheit und Freiheitsliebe erstickt, und das Gebäude, das so künstlich und dauerhaft aufgeführt scheint, würde zusammenbrechen, sobald der Kitt der Furcht aus den Fugen verschwände.

Eure Gründe mögen gut sein, erwiderte Andrea nach einer Pause, aber es sind Gründe eines Fremden, den es nichts kostet, diese Republik für ausgelebt und dem Untergang verfallen zu erklären. Einen Venezianer möchtet ihr schwerlich überzeugen, daß die Krankheit seiner alten Mutterstadt nicht wenigstens den letzten Versuch einer Heilung wert sei.

Ihr aber seid kein Venezianer.

Ihr habt recht, ich bin nur aus Brescia, und meine Stadt hat schwer unter Venedigs Geißel geblutet. Dennoch kann ich mich eines tiefen Mitgefühls mit diesen verzweifelten Männern, die das fressende Geschwür der geheimen Schreckensherrschaft mit dem Messer auszuschneiden versuchen, nicht ganz erwehren. Ob sie ihr Ziel erreichen, steht in den Sternen geschrieben. Meine Augen sind schwach, ich verzichte drauf, diese Schrift zu lesen.

Beide Männer schwiegen und sahen eine Weile durch das Fenster auf den Kanal. Ihre Sessel standen dicht nebeneinander. Die Sonne brannte herein, ohne daß sie der lästigen Glut auswichen.

Ihr seht, begann endlich lächelnd der Jüngere, daß ich für einen Diplomaten, und einen, der in Venedig sich die Sporen verdient, noch viel zu wenig Vorsicht gelernt habe. Wir haben uns nur einmal gesehen, und heute sage ich Euch ohne Umschweife, was ich von den hiesigen Dingen halte. Aber freilich traue ich mir hinlängliche Menschenkenntnis zu, um zu wissen, daß ein Geist wie der Eure sich nicht in den Sold dieser Signoria begeben kann.

Andrea reichte ihm stumm die Hand. In demselben Augenblick wandte er das Gesicht und sah wenige Schritte hinter ihnen in unterwürfiger Haltung seinen Amtsgenossen, Samuele, mitten im Zimmer stehen. Er hatte die Tür leise geöffnet und war auf den Teppichen des Zimmers unter vielen Verbeugungen ungehört herangetreten. Euer Gnaden, sagte er jetzt zu Rosenberg gewandt, indem er sich gegen Andrea fremd stellte, ich bitte zu verzeihen, daß ich bin eingetreten unangemeldet. Der Herr Kammerdiener war nicht im Vorzimmer. Ich bringe die bestellten Juwelen; Sachen, Euer Gnaden, wie sie die schönste Esther hätte tragen können.

Er holte aus seinen Taschen Schachteln und Kästchen hervor und breitete seine Waren sorgfältig auf dem Tisch aus, wobei er sichtlich den jüdischen Händler, den er sonst in seinem Wesen nach Kräften verleugnete, hervorzukehren suchte. Während der Deutsche die Schmucksachen musterte, warf Samuele einen Blick des Einverständnisses nach Andrea hinüber, der ihm den Rücken kehrte und an das Fenster trat. Er begriff, was der Besuch des Juden zu dieser Stunde bezweckte. Der Spion sollte den Spion im Auge haben, der alte Fuchs den Neuling bei seinem Probestück überwachen.

Indessen hatte Rosenberg eine Halskette mit einem Rubinschloß ausgewählt und bezahlte den Preis, den der Jude forderte, ohne zu handeln. Er warf ihm die Goldstücke hin, nickte ihm, ohne weiter auf sein Geschwätz zu antworten, seine Entlassung zu und trat wieder ans Fenster. Ich sehe es an Eurer Miene, sagte er, daß Ihr mich bemitleidet und für einen Wahnsinnigen haltet. In der Tat, ich handelte klüger, wenn ich dieses blitzende Geschmeide in den Kanal würfe, statt es um Leonorens weißen Nacken zu legen. Aber was hilft mir alle Klugheit gegen diesen Dämon?

Ich bin überzeugt, antwortete Andrea, daß Eure Entzauberung nicht lange auf sich warten lassen wird. Aber eine andere Warnung bin ich Euch schuldig. Kennt Ihr den Juden näher, der uns eben verließ?

Ich kenne ihn. Er ist einer von den Spionen, die der Rat der Zehn in unserem Hause besoldet. Er ißt sein Brot mit Sünden. Denn unser ganzes Geheimnis ist, daß wir ehrlich sind. Und weil sie dies für ganz unmöglich halten, gelten wir ihnen für die Gefährlichsten und Verstecktesten. Nur um Euretwillen ist es mir unlieb, daß der Schleicher gerade jetzt hier eintrat. Er hat gesehen, daß Ihr mir die Hand gabt. Ich bürge Euch dafür, daß Ihr, ehe eine Stunde vergeht, im schwarzen Buch des Tribunals stehen werdet.

Andrea lächelte bitter. Ich fürchte sie nicht, mein Freund, sagte er. Ich bin ein friedfertiger Mensch und mein Gewissen ist ruhig. – –


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