Wilhelm Heinse
Düsseldorfer Gemäldebriefe
Wilhelm Heinse

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Rubens mit seiner ersten Frau, in Lebensgröße,
in einem Garten

Er Rubens, Rubens und Isabella Brant in der Geißblattlaube ist einer der wahrhaftig schönsten Männer, die man sehen kann. Sitzt, wie gelehnt, im Jugendstolze der ersten Mannheit, an einem schattenreichen Geländer von blühendem Geißblatt auf einer Bank; hat die linke Hand mit dem Daumen am Bügel seines gestutzten mit Brillanten besetzten Degens, und die rechte auf dem linken übergeschlagenen dicken Beine liegen, auf welche sein durch Ihn durch und durch frohes und freundliches und sittsames neben und unter ihm sitzendes schönes Weibchen die ihrige zarte mit der Fläche sanft auflegt.

Seine übervermögende Seele blickt unter dem freien Hut und unter der mutvollen sich an den kühnen Branen wölbenden Stirn, aus den lichtbraunen Feueraugen die Eigenliebe jedes Sterblichen darnieder, und fängt ihm seine Art und Eigenheit. Die Nase steigt, wie reine Stärke, gerad durchs Gesicht; seine Wangen sind von gesunder Röte durchzogen; und in den Lippen sitzt, zwischen dem jungen Eichstamm von Bart, Adlerliebe zum Auflug, wanns ihr gelüstet; so wie auf denen seines Weibchens die süße Huld und Traulichkeit. Sein Herz in der Brust scheint früh auf von einem Chiron mit Löwenmark genährt zu sein. Aus seinem ganzen Wesen strahlt sichfühlende Stärke, und man sieht an ihm augenscheinlich, daß er mehr ist als alles, was er gemacht hat, mehr als sein Gott der Vater, und Gott der Sohn, und Gott der heilige Geist, und seine Heiligen, Engel und Helden.

So sagt die Schrift, daß die Verklärten dereinst werden Gott schauen. O der unaussprechlichen Wonne, wenn unser Herz auf einmal ein Abgrund voll Entzücken von aller Welten Lebensquellen würde, die in einem Moment wie ungeheure Tiefen sich dahinein stürzten! Schwerer grenzenloser Gedank', ich erlieg unter dir. Welcher Sterbliche, welches Phänomen vermag ihn zu ertragen!

Rubens erscheint hier als ein großer Mensch, voll Leben und Verstand, voll Saft und Kraft, und frei von schwacher, vielleicht auch zarter Empfindung. Alles an ihm ungewöhnlicher Geist in seltner Mannheit und Wohlbehagen seines Zustandes, und doch geheimer Gedanke der Vergänglichkeit aller Lust der Jugend. Sie freut sich seiner Liebe, und seines Ruhms, und ist ganz in ihm, lebt bloß von seiner Seele. Ein liebliches Bild geistiger ehelicher Zärtlichkeit für den, ders fühlen kann, von Bescheidenheit und wahrer Grazie; welche letztere doch mehr im Zug als in Form zu sehen ist. Er sitzt da wie die Natur in frischer Fruchtbarkeit, und Sie wie eine Rose in der Morgensonne der Liebe. Beide sind ritterlich gekleidet, und Sie in Schmuck und Pracht, aber doch in leichten Faltenwürfen, und der Spanische Strohhut mit dem schönen Schlagschatten rechts der Stirn hin sitzt ihr lüftiger, als unsern Damen ihre Federn.

Das Kolorit ist so wahr, wie das Leben, besonders das Fleisch. Mit einem Wort: es gehört unter die Stücke, die er mit Lust gemacht hat.

Für diesmal genug, bester Freund. Ich bin des Beschreibens müde, wie Sie ohne Zweifel des Lesens. Ein andermal von Rubensens Art und Weise zu malen überhaupt, wovon ich noch nichts habe erwähnen können, da ich Ihnen bei dieser heißen Witterung von keinem seiner großen Gemälde etwas habe sagen mögen. Wir haben, außer den beschriebenen, noch vierzig Stücke unter seinem Namen; worunter nur ohngefähr dreißig echt, die meisten davon aber doch zuverlässig von ihm selbst ganz ausgemalt sind. Man könnt ihn am sichersten erkennen aus seinem wirklichen Tage, da seine Schüler und Kopisten meist einen geträumten haben, wo man gleichsam nur sich sehen läßt; wenn man ihn an seinem leichten, freien, ungeleckten, entschiedenen, auf den rechten Standpunkt gewiß würkenden Pinselstriche nicht zu erkennen wüßte.

Heinse.


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