Wilhelm Heinse
Düsseldorfer Gemäldebriefe
Wilhelm Heinse

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Der Regenbogen, eine Landschaft

Bilden Rubens-Werkstatt, Landschaft mit Regenbogen Sie sich in Gedanken die schönste und fruchtbarste Flammändische Gegend ein, über die an einem Sommernachmittag ein warmes schwüles Gewitter mit Blitz und Strahl und Schlag und Regenguß gezogen, in dessen letzten electrischen Wolken ein Regenbogen mit einem Streif Widerschein rund herum entsteht, der an dem einen End in einen lustigen Wald steigt, in welchem das Wetter vorüber gegangen: Wovon linker Seite des Gemäldes noch ein Trüppel Bäume auf einer moosigten Anhöhe zu sehen ist, hinter welcher dazwischendurch krumm herum ein klarer Fluß hervor sich wässert, woran ein Hirt, der, wie der Himmel wieder heiter wird, seine Rinder hervorgetrieben, die herum stehen, und hineingehen, und darin auf ihre Furcht trinken und sich abspiegeln; und an dessen Ufern an der Krümme weiter her in Schilf und Rohr und Beergesträuch Enten den Regen von den Flügeln schütteln, und flattern, und schreien, und sich gütlich tun. Dann kommen ein Paar Dirnen, die den Leuten Essen aufs Feld gebracht, mit leeren Töpfen, und in deren Mitte ein junger Pursch mit einer Heugabel, der liebkosend der Schönen linker Hand etwas gesagt hat, worüber sie lächelnd stilleschweigen und wo anders hinsehen muß; und seitwärts her ein Fuhrmann mit einem Heuwagen, der auf dem einen seiner zween Gäule wohlgemut dasitzt, und das verliebte Pärchen als ein Schalk betrachtet. Darneben eine in voller Frucht stehende Saat. Weiter jenseits Heuhaufen um einen vielschössigen schlanken Erlenstamm, wovon zwei Mädchen und ein junger Kerl auf einen Wagen laden. Und endlich hinan die herrlichste Ebene voll Buschwerk, Gartenfeld, und Dorfschaften in die blaue Ferne, welche nach und nach noch im Regennebel sich verliert.

Die wiederkommende Helle, die Frische, der aufsteigende Duft über Gras und Blatt, das Naß auf den herabsinkenden Zweigen, der Segen des Herrn in Saat und Feld, der stärkende Geist der aufgetanen Fruchtbarkeit, spricht und lebt einen an, der des Gemalten nicht unkundig ist, wie aus wirklicher Natur.

Außer diesem herzlichen Gefühl im Ganzen, das alles so warm in sich hegt, und womit vielleicht nur wenig Claudiusse, Salvator Rosas, Poußins und Teniers, wenige von meinen himmlischen Freuden zu vergleichen sind, ist diese Landschaft noch ein Meisterstück von Pinsel, ob er gleich schwerlich länger als einen Tag daran gearbeitet hat, und die Farbe so leicht und dünn aufgetragen ist, wie Buchstabe. Jeder Maler, der sich etwas einbildet, mag da stille stehen, und die Zauberei betrachten, ohne sich von dem unausgemalten Regenbogen stören zu lassen, mit dessen Farben Rubens keine Schülerspielerei zu treiben hatte. Die Bäume sind keine von Bott, das Laub nicht Blatt von Blatt aufgefasert, aber doch so erkennbar in Stamm und Zug und Laub und Bewegung, so lebendig und ungemacht in ihrer Grüne, als die seinigen nur immer sein können. Die Saat reift allmählich heran, und steht in dichten Halmen vom Regen geschwängert; und wenn mans am Holze sieht, ists weiter nichts als grüner und gelber Strich; weswegen nun freilich auch die EingeVanderWerftierten sie mit scheelem Aug mögen ansehn. Perspectiv gehört darin unter das fürtrefflichste, was man in dieser Art sehen kann. Kurz, es ist eine Gegend, so voll frischer Wärme und Fruchtbarkeit, daß jeder Reisende seinen Postillion da Halt zu machen befehlen müßte; denn so was lebt man wenige Tage seines Lebens; und eigentlich das, was ich lediglich von der Malerei verlange, Genuß und Täuschung.


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