Georg Heim
Heitere Geschichten
Georg Heim

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5 Der erste Glaubenszweifel

Ich war gerade in die ersten Elementarkenntnisse durch einen alten, liebenswürdigen Jugendbildner eingeweiht worden, als ich das erstemal mit den furchtbaren Qualen des Zweifels Bekanntschaft machte. Unvergeßlich ist mir der eben erwähnte Lehrerpatriarch als Religionslehrer. Er verstand es meisterhaft, uns Kinder mit Gottesfurcht und Gottesliebe vertraut zu machen. Eine vorzügliche Ergänzung war die Art, mit der uns ein junger Kaplan, ein kleines, zartes Männchen, voll Herzensgüte und Liebe zu den Kindern, uns mit Katechismus und Biblischer Geschichte bekannt machte. Besonders zartfühlend und geschickt war die Vorbereitung auf die erste Beichte.

Und so kam dieser Beichttag, an dem wir kleinen Sünder, noch nicht einmal zehn Jahre alt, das erstemal in unserm Leben unser Schuldbekenntnis ablegten. Fünf Priester saßen in den Beichtstühlen, und jeder von uns konnte sich wählen, wen er wollte. Der Mann meines Vertrauens war der kleine Kaplan.

Ich hatte mir mein Sündenregister aufgeschrieben. Alles ging glatt vonstatten bis zu der 6 Stelle, wo ich mich des Zweifels am Glauben beschuldigte. Während er meine übrigen Sünden ruhig hingenommen hatte, gebot er mir, hier erstaunt, Halt und frug mich: Ja, Schorschl, wie meinst du das? Woran hast du denn gezweifelt? Und da erzählte ich denn: Ja, Sie sagten einmal, man solle Gutes tun, und wer Gutes tue, dem werde doppelt wiedergegeben werden. Nun habe ich vor Weihnachten wegen meiner guten Noten von einem Nachbarn einen Groschen geschenkt bekommen. Da habe ich mich an Ihre Zusage erinnert und habe den Groschen in die Kapuzinerkirche getragen zur Krippe, wo der Negerknabe mit den gefalteten Händen auf dem Kästchen zum Einwerfen von Geld kniet.

Da habe ich meinen Groschen hineingeworfen und der Negerknabe hat sein Dankkompliment gemacht. Dann bin ich schnurstracks aus der Kirche gesprungen und habe fest darauf vertraut, daß ich jetzt einen Sechser bekomme. Und siehe da: Ich erhielt diesen Sechser für einen Brief, den ich in ein Haus tragen mußte. (Was ich damals nicht verstand und auch nicht sagte: Es war ein geheimer Liebesbrief, den ich im Auftrag eines bei meinen Eltern wohnenden Studierenden der 7 Forsthochschule der Tochter eines Nachbarn bringen mußte.) Da ich meine Botschaft gut besorgte, gab mir der »Forstpolack« einen Sechser. Den habe ich schleunigst wieder in die Kapuzinerkirche getragen und der Neger machte wieder sein Kompliment. Ebenso rasch bin ich wieder aus der Kirche heraus und habe fest vertraut, daß mir im nächsten Augenblick irgend jemand einen Zwölfer schenkt.

Es war gerade Weihnachtsjahrmarkt, und das höchste Ideal für uns Buben war der Kauf einer Zuckerstange oder von türkischem Honig. Im Vertrauen auf die Lehre des Herrn Kaplan habe ich auf die süßen Genüsse verzichtet. Und nunmehr passiert das Furchtbare: Kein Mensch gab mir einen Zwölfer, und die sechs Kreuzer waren futsch. Und da habe ich Zweifel bekommen an der Richtigkeit dessen, was der Herr Kaplan uns gesagt hatte.

Es war wohl nur die Rücksicht auf den Ort, die den Kaplan abhielt, in helles Gelächter auszubrechen. Denn das sonst so stille Männchen kicherte und brauchte lange, bis es diese Erzählung überwunden hatte. Die Geschichte hatte ihm offensichtlich einen Riesenspaß gemacht, und er meinte: 8 Nun, Schorschl, wegen dieses Glaubenszweifels bekommst du keine Buße.

Aber mein Sechser war fort.


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