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Das »Brechfest«

Es giebt zwei Arten »Brechfest«.

Wenn ein armer Knecht, dessen ganzes Vermögen aus einer Uhr und einer Truhe besteht, einer – die natürlichen Reize abgerechnet – ungefähr ebenso bemittelten Häuslertochter oder Dienstmagd, die treue, schwielige, mit Frostbeulen bedeckte Hand reicht, übernehmen sie gewöhnlich einen kleinen, steinreichen Waldhügel in der »Außenmark« von einem der Großbauern. Hat dort schon früher eine Tagelöhnerfamilie einen lebenslangen Kampf mit »dem Steine«, den Baumwurzeln und der von Zeit zu Zeit in die Thür blickenden, bleichen Not gekämpft, so steht oben auf dem Hügel eine kleine, verfallene Hütte, deren eingesunkenes Dach eine üppige Grasausbeute liefert, deren graue Wände halb vermorscht und deren kleine Fenster mit Streifen der ersten Jahrgänge des schwedischen Wochenblattes verklebt sind. Die Hütte wird für billigen Preis übernommen, und zwei junge Herzen ziehen dort ein, um in diesem pittoresken Rahmen die Morgenwacht des Ehelebens zu feiern, ein Idyll zwischen dreibeinigen, wackligen Schemeln und berußten Töpfen, das nur sechsmal in der Woche von einem 16stündigen Tagewerk bei dem Eigentümer des Hügels oder einem andern aus der glücklichen Klasse der Besitzenden ein wenig unterbrochen wird.

Es giebt allerdings auch junge Knechte, denen eine Häuslerei versprochen worden ist, falls sie sich verheiraten wollen, eine »wirkliche Häuslerei«, müßt Ihr wissen, auf der man zwei Kühe und vielleicht auch noch gar drei Schafe halten kann, und wo das auf den kleinen Ackerstücken wachsende Korn vielleicht bis Weihnachten reicht; und dies alles gegen zwei bis drei Tagewerke in der Woche. Doch es ist nicht der Mühe wert, von solchen Glückspilzen, die auf dem ländlichen Ehestandsmarkte ebenso selten sind, wie die sogenannten »guten Partieen« in den höheren Klassen, noch weiter zu sprechen.

Die Mama im Seidenkleide mit dem falschen Zopfe winkt ihre Tochter auf dem Balle zu sich heran, sucht mit den Augen den schon ein wenig bejahrten Großhändler, dessen blankpolierter Schädel anzudeuten scheint, daß der würdige Herr in seinen Mußestunden zu seinem Vergnügen auf einem rotierenden Schleifsteine Kopf steht, und flüstert ihrem Kinde liebevoll ins Ohr:

»Liebes Kind, sei doch ein bischen freundlicher gegen Herr Y.! Laß ihn Deine Augen ordentlich sehen und bewege die Hände ein wenig lebhafter, wenn Du mit ihm sprichst, damit die Ärmel weiter zurückfallen; er soll eine außerordentlich gute Partie sein.«

Die Mutter im Wergleinenrocke mit der Kattunschürze giebt ihrer Tochter, die auf dem Gute während der Ernte binden soll, folgende Ermahnung:

»Dirn'! richte es so ein, daß Du nach Per Nilssons Jaenas Johannes bindest und springe gleich in den »Schnitt«, damit er sieht, daß Du die tüchtigste Dirn' in der ganzen Gemeinde bist; der Herr hat ihm zum Spätherbste die Seehäuslerei versprochen.«

Doch manchmal hat gerade kein alter Häusler »seinen Löffel zum Trocknen hingelegt«, wenn ein junges Paar sich verheiraten will, und dann bleibt weiter nichts übrig, als mit unglaublichen Mühen und Entbehrungen und einer bisweilen ein wenig zudringlichen Bettelei bei Freunden und Nachbarn eine neue Hütte zu bauen. Doch die neue Hütte steht dann so einsam, als wäre sie mitten in den Wald hineingeschneit, und das Auge entdeckt zwischen den Wachholderbüschen nicht einmal ein so großes Stück urbaren Bodens, daß man eine Kartoffel setzen könnte.

Das geht ja natürlich nicht an, und da der junge Ehemann ebenfalls nicht in den Verhältnissen lebt, daß er sich beim Urbarmachen eines Bodens, »wo Gestein Regel und Erde Ausnahme ist« gegen Bezahlung fremde Hülfe nehmen kann, so wird den Freunden und Bekannten mitgeteilt, daß es, wenn sie an dem und dem Tage mit Spieß und Hacke kommen und eine Strecke urbar machen wollen, weder an Branntwein, Preßkopf und Pfannkuchen fehlen soll, und es, wenn sie sehr fleißig sein wollen, sehr wahrscheinlich ist, daß die Freundinnen der jungen Frau auch kommen und man ein Tänzchen machen kann, wenn es dunkel wird.

Und so kommt denn der große Tag des »Brechfestes«.

Zuerst giebt es Kaffee, wirklich guten Kaffee versteht sich, ein Drittel getrocknete und gestoßene Brotkrusten, ein Drittel gerösteter Roggen und ein Drittel gebrannte, am liebsten verbrannte Kaffeebohnen. »Thut ein ›Göck‹ hinein, Jungens!« ermuntert der Wirt. Und echter, unverfälschter Fusel wird in die dampfenden Tassen gegossen.

Dann geht man hinaus, um mit dem Erbfeinde des Såmländers, dem Granit, einen Strauß zu bestehen. Er ist ein schlimmer Widersacher, der Granit, und doch verdankt der Småländer ihm einen großen Teil der zähen Ausdauer, die einer der Hauptzüge seines Charakters ist.

Mit Lust und Leben, unter Lachen und Scherzen, schreitet die Arbeit vorwärts. Steine rollen und Wachholderbüsche fallen. »Opfer der Kultur,« würde der Schriftsteller Professor Pontus Wikner sagen, aber Jöns von Hästhagen ermahnt den Wirt nur, sie aufzuheben und davon Streu für die Ferkel zu hacken.

Allmählich haben sich auch die Mädchen, deren Fertigkeit im Polka- und Hopsertanzen den Burschen als das äußerste Ziel, der Lohn für die Mühen des Tages vorschwebt, eingefunden. »Ja, Ihr sollt, hol' mich der Böse, jede zwei Semmeln, einen Kringel und einen Zweistüberzwieback haben!« versichert die freundliche Wirtin, die schon wieder mit dem Kaffeekessel unterwegs ist.

Und dann müssen die Dirnen den Burschen beim Steinbrechen zusehen.

Wohl klopft das Herz der jungen »zur Gesellschaft gehörenden« Dame fortissimo, wenn sie auf dem Balle tanzt, und in der Pause sich eine Woge verstohlen über die Korallenküste der Lippen mit einem »Lieutenant Z. tanzt göttlich!« schmiegt, doch was ist das gegen die Begeisterung, mit der das einfache Landmädchen errötend beteuert: »Gustav vom Nachbarhofe haut doch ins Gestein wie ein richtiges Vieh!«

Doch die Sonne ist hinter den Föhren auf der Hügelspitze zu Thal gegangen, der Auerhahn begiebt sich mit schwerem Flügelschlage ins Nachtquartier, hinten im Hagen hört man »Komm meine Kuh! komm meine Kuh!« rufen, die beiden Hühner haben schon ihre Stange unter der schützenden Aegide des Ehebettes ausgesucht (die junge Frau hat ihren Freundinnen anvertraut, daß »das Bunte« morgen legen wird), die lockenden Töne, die der Orpheus des Kirchspiels Kalle aus Lyckan der Harmonika entlockt, nähern sich immer mehr, die Grütze steht auf dem Tische und daneben prangt ein so großer Pfannkuchen, daß niemand sich erinnern kann je einen solchen Riesen gesehen zu haben.

Ob man auch die üblichen Grützreime macht?

Ja, bisweilen, ich erinnere mich von einem »Brechfeste« folgender Reime:

»Vielen Dank dafür, daß wir hier konnten brechen.
Mög' es Euch nie an Brot und Fleisch gebrechen!
Großen Dank für alles, was wir verzehren,
Möchte der neue Acker Euch gut ernähren!
Ist das Brot auch hart, das der Arme verzehrt,
Stolz kann er dennoch sein, daß er's gebrochen
Für sich und die Seinen aus Smålands Erd',
Die selten hält, was sie der Müh' versprochen.
Und tritt die bleiche Not auch in des Armen Thür,
An seinem Herde sie nicht lang' darf weilen,
Denn rasch wie allzeit geht die Arbeit hier
Und mit ihr auch schwere Gedanken eilen.
Und ist das Dach auch niedrig über dem armen Zelt,
Tragen die schwarzen Bretter auch nur ein niedrig' Dach,
So steigt doch seine Seele leicht aus dem armen Zelte
Auf Flügeln des Gebetes ins Blaue jeden Tag
Zu Ihm, der allzeit kleidet die Lilien auf dem Felde.«

Wenn es einen künftigen Litteraturforscher interessieren sollte, zu wissen, wer die Grützesser waren, die solche »Gedichte« zu stände brachten, so will ich ihm nicht verhehlen, daß Nr. 1 jetzt Oberknecht in Westbo, Nr. 2 Stallmagd in Värend und Nr. 3 Redakteur der Smålandspost in Wexiö ist.

Dann wird getanzt, was »mit Lust und Leben bis nach Mitternacht dauert«, wie es in den Zeitungsreferaten über feinere Bälle heißt.

Vielleicht wird da, bei den lauten Akkorden der Harmonika, den Staubwirbeln und dem harmonischen Klingen der Kaffeetassen in der Spülwanne, von zwei jungen Herzen ein Entwurf in der Welt der Hoffnung zu einer neuen Hütte, einem neuen Brechfeste und einem neuen Tanzvergnügen gemacht.

Die Gäste gehen nach Hause, und das junge Ehepaar bleibt allein in der kleinen Hütte. Und dort vergeht nun ein Jahr nach dem andern in stiller, todesruhiger Einförmigkeit. Die Kinder kommen zur Welt, werden mit ihrer Milchflasche und einem Stück Brot zur Schule geschickt, lernen die fünf Hauptstücke des Katechismus und als sechstes das Viehhüten. Dann werden sie eingesegnet, müssen bei fremden Leuten dienen, und die beiden Gatten sind wieder allein, nur mit dem Unterschiede, daß die Zeit die Illusionen, die sie sich beim Brechfeste machten, zerstört hat.

»Aber sagt mir, in aller Welt, was können solche Leute für Illusionen haben?«

Nun ja, groß sind dieselben grade nicht; von einer »Stellung in der Gesellschaft« haben sie sich gewiß nie etwas träumen lassen, und sich in ihren Phantasiegebilden als »Halbbauern« zu sehen, würden sie selbst für einen strafwürdigen Übermut angesehen haben. Doch sie hatten vielleicht gedacht, mit der Zeit soviel zurückzulegen, daß sie sich – eine Kuh kaufen könnten, und als die Hälfte der Summe erspart war, erkrankten vielleicht die Kinder, oder Vater verlor seinen Verdienst beim Holzfällen – und dann schweifen die Gedanken oft wehmütig in die Vergangenheit, jene Zeit vor dem Brechfeste, als die Zukunft noch so hell erschien. – Ja, lacht nicht, die Zukunft ist ihnen wirklich einmal im hellen Lichte erschienen.

Lieben sie einander?

Oh ja. Nicht grade wie Salami und Sulamith, die sich von Stern zu Stern sehnten, aber doch wie zwei alte Arbeitsgäule, die immer an eine Deichsel gespannt worden sind.

Ich war einmal bei der Beerdigung eines Häuslers zugegen. Der Sarg war vor die Thür gebracht worden, und die kleine »Folge« stand auf dem Holzplatze, sang ein Sterbelied und machte ein Leichenbittergesicht. »Mutter« selbst stand auch dabei, wischte sich mit dem Schürzenzipfel die Augen, warf einen eigentümlichen Blick auf den Sarg und sagte:

»Ach, Herr Gott, nun steht mein Johann auf derselben Stelle wie vor vierzig Jahren, als er auf unserm Brechfeste Branntwein einschenkte.«

*

Die andere Art »Brechfest« wird angestellt, wenn der mühsam gewonnene Flachs mit Hülfe der Freunde und Nachbarn in der Hitze der Badestube gebrochen wird. Als man vor einigen Jahren in einem Modebriefe aus Paris las, daß ein revolutionärer Geist innerhalb der Modenwelt auf die Idee verfallen sei, die leinene Damenwäsche durch – schwarze Seide zu ersetzen, entstand ein entsetzliches Wesen bei uns in Schweden und viele verschiedenartige Urteile wurden darüber gefällt.

Ein Lehrer redete von den elektrischen Eigenschaften der Frauen, von guten und schlechten »Leitern« und meinte, daß das Seidenzeug ein guter Panzer gegen alle zärtlichen Gefühle sein würde.

Ein alter Hauptmann, der seiner Alten erst kürzlich sowohl ein neues farbiges, wie ein neues schwarzes Seidenkleid hatte kaufen müssen (!), war derselben Ansicht.

»Schwarz auf Weiß,« witzelte der Hauslehrer und warf einen vielsagenden Blick auf den Schwanenhals der Erzieherin.

Die alte Tante Barbara aber schlug mit der Schnupftabaksdose auf den Tisch und rief aus: »Ich glaube, straf mich Gott, die koketten Frauenzimmer wollen ihre armen Männer durchaus ruinieren; welch eine entsetzliche Verschwendung.«

Die Verschwendung dürfte jedoch wohl kaum so groß sein, wie Tante Barbara glaubte, denn, wenn man bedenkt, daß der Flachs den allerbesten Boden verlangt und ihn gründlich aussaugt, daß er gewöhnlich mit Aufopferung einer unglaublichen Anzahl Tagewerke mühsam mit der Hand gereinigt wird, daß die Ernte dieser »Gespinnstpflanze« trotz aller Fürsorge oft fehlschlägt, daß beim Brechfeste die besten Vorräte des Hauses aufgegessen werden – und den Mädchen von den Nachbarsbuben der Kopf verdreht wird, daß viel Feuerung und manche Badestube beim Trocknen des Flachses verbrennt, und daß der gute Ruf der ganzen Gegend und eine Menge Kaffee, Zucker und Weizenbrot dabei draufgeht, wenn die Frauen auf der Vordiele zusammenkommen, um die gebrochenen Stengel zu klopfen und zu brechen, samt dem, was dann noch das Hecheln und Spinnen kostet, so ist das großes weißgraue Hemd, unter dem das von Ibsen und Kielland unberührte Herz des Värender Mädchens bei dem Gedanken an den Herbstmarkt klopft, gewiß nicht viel billiger als ein Stück Seidenzeug von derselben Große.

Doch auf dem Lande wird nicht so genau gerechnet. Es ist »Mutters« Stolz, vor den Augen des Besuches eine Lade des Leinenschrankes nach der andern aufzuziehen, und ihre verschieden gemusterten Gedecke zu zeigen, Tischtücher mit Hirschen, deren Geweih auffallende Ähnlichkeit mit Rosenbüschen hat, mit Schafen und Lämmern, für deren lebendes Gegenstück Barnum sicher Millionen bezahlen würde.

Es ist übrigens ein schönes, stimmungsvolles Bild, wenn man sieht, wie an einem warmen Juniabende die flinken Landmädchen, in möglichst leichter Kleidung, scharenweise auf dem Flachsfelde liegen, und, auf den linken Ellenbogen gestützt, mit der Rechten eifrig Ackerkohl, Disteln, Quecken und wie die Parasiten der Felder alle heißen, ausjäten, während der kleine Mund eifrig damit beschäftigt ist, die Tageschronik der Nachbarschaft durchzunehmen oder ein Liedchen, gewöhnlich die alte Weise mit dem bekannten Refrain:

*

Bist Du mir treu wie ich Dir,
Bin ich so glücklich wie's Vögelein,
Das dort singet im Sonnenschein!

zu summen.

Glaubst Du aber, lieber Leser, daß niemand zur Hand ist, der die malerische Situation recht zu schätzen versteht, so bist Du sehr im Irrtum. Dort hinten auf dem Acker läßt Kalle die Ochsen sich verschnaufen, während er selbst lauschend am Grabenrande steht. Er ist so hingerissen von dem Gesange, daß es anfängt in seinen eigenen Mundwinkeln zu zucken. Er ist gewiß auf dem besten Wege, in stille Schwärmerei zu versinken, oder er hat – einen größeren Priem als gewöhnlich in den Mund gesteckt.

Doch in der Ferne taucht der Bauer auf, und er darf Kalle nicht müßig stehen sehen. Die knochigen Hände greifen in das Hinterende des Pfluges, der rechte Zugochse erhält einen scharfen Peitschenhieb und Kalle verleiht den verschwiegensten Gedanken seines Herzens auf folgende Weise Ausdruck:

»Eine verfluchte Dirn! Wie fein sie trillern kann, die Anna Karin … was Satan, willst Du Dir das Joch abwerfen, Du Racker!«

Am Abende liegt der Flachs auf der Erde, als wäre eine Walze über ihn hingegangen; doch am nächsten Tage steht er wieder aufrecht und üppig da, als wollte er für die gute Hülfe danken und zeigen, was sie für ihn gethan hat: ein treues Abbild des zähen, ausdauernden Charakters und der unerschöpflich guten Laune des Småländers.

Doch jetzt ist es Herbst. Der Flachs ist »ausgerissen,« geröstet und in der Badestube getrocknet worden, und die Jugend der Nachbarschaft kommt in Arbeitskleidern zum Brechfeste, das mit einbrechender Dämmerung beginnt. Da giebt es zuerst einen kleinen Imbiß, bestehend aus Weihnachtsbier Julõl == Weihnachtsbier == süßes Braunbier, das nur zu Weihnachten gebraut wird. Branntwein, Pfannkuchen von Gerstenmehl und von Quark, Butterbrot, Kaffee und Kaffeebrot. Dann geht es mit den Säcken unter dem Arm und der Laterne in der Hand nach der Badestube. Die Laternen sind notwendig, denn die Oktobersonne hat sich schon an die andere Seite des atlantischen Ozeans begeben, um den dorthin ausgewanderten Lieben, für die das Brechfest jetzt nur noch eine frohe Erinnerung ist, zu leuchten.

Eine schon etwas bejahrte Frau, deren Teint und Nerven annehmbarer Weise ziemlich unempfindlich gegen eine Hitze von 45 Grad sind, wird zur »Badestubenfrau« ernannt. Ihre Aufgabe besteht darin, daß sie, sobald die Brechenden frisches Arbeitsmaterial haben müssen, in die heiße Badestube eilt und einen Arm voll dampfenden Flachs herausholt, von dem jeder Arbeiter, je nach Kraft und Vermögen, eine größere oder kleinere »Locke« erhält. Natürlich will keiner der Schlechteste sein, jeder der jungen Burschen will zeigen, was er kann, denn einerseits ist die physische Kraft ja das einzige Kapital eines armen Knechtes und die Eigenschaft, womit er sich am meisten brüstet, und andrerseits beteiligen sich auch angesessene Bauern an dem Brechfeste, Bauern, die sich selbst Knechte halten, und darum muß man sich als tüchtiger Brecher zeigen. In diesem Bestreben liegt unbewußt etwas von Überlegung des Buben, den der Dichter sagen läßt:

»Wenn einen neuen Dienst ich nähm
Und folgt der Mutter Rat,
Vielleicht zu einem Herrn ich käm',
Wo Roggenbrot man hat!«

Roggenbrot findet man heutzutage wohl überall im småländischen Bauernheim, aber mit der Zuspeise ist es bisweilen schwach bestellt, denn vielen unserer Schweine geht es wie Egyptenland, sie werden von den Engländern »eingenommen«, weil der Bauer oft gezwungen ist, alles, was er kann, in Geld zu verwandeln. – Der Lärm, der beim Brechen gemacht wird, ist ohrenbetäubend. Die beiden gezähnten, an dem einen Ende mit einem Nagel aneinander befestigten Holzstücke, mit denen der Flachs gebrochen wird, klappern höchst unmusikalisch, und ein Ausländer, der diese einfache Art »häuslichen Gewerbes« nicht kennt, würde einen richtigen Hexentanz in der lustigen Scenerie auf der Vordiele der Badestube sehen, wo die trübe, an der Decke hängende Laterne eine Menge bestaubter, schlecht gekleideter Gestalten beleuchtet, welche unter Schreien und Lachen mit ihren primitiven Werkzeugen auf und niederhüpfen.

Dann wird kritisiert. Johann hat allerdings große Locken genommen, sie aber schlecht gebrochen; »die Schäben« sitzen ja noch überall daran. Kalle hat nicht aufgepaßt, als er seinen Flachs bekommen hat, er hat versäumt, ihn zu schütteln und ihn gleichmäßig zu ziehen, »die Locken sind ja so lang wie Hornaryd-Stinas Nase.« Bengt hat beim Brechen einen Teil des feinen Flachses mit den Schüben fallen lassen, wofür er einen strengen Verweis erhält.

Nun ist jedoch aller Flachs zum ersten Mal gebrochen worden und wird wieder zum Erwärmen in die Badestube gelegt. Unterdessen hat eine der Töchter des Hauses wieder einen kleinen Imbiß bereitet, Pfannkuchen, Brot, Honig und Schwachbier, und alle begeben sich vor die Thür, um im Freien zu essen. Zolldicker Staub liegt auf den Kleidern und bedeckt das Gesicht. Waschwasser giebt es nicht, und wäre ein Thermometer vorhanden, so würde das Quecksilber wohl einige Striche unter dem Gefrierpunkte stehen, aber mancher reiche Mann würde diese Pfannkuchenbissen wohl gern mit Gold aufwägen, wenn er sie so »mit Gefühl und Überzeugung« verzehren könnte, wie die einfachen Landkinder, die in der kalten Nachtluft auf ihren Arbeitsgeräten sitzen und wacker drauf los essen.

Dann wird der Flachs noch einmal gebrochen, doch nun geht es damit bedeutend schneller, und bald trägt man die großen, mit dem Arbeitsprodukte des Abends gefüllten Säcke auf dem Rücken nach Hause. Zu Hause wird das Resultat mit dem verglichen, »was sie auf dem Nachbarhofe bekommen haben«, und stets stellt es sich heraus, daß derjenige, der gerade an dem mit vielen derben Gerichten besetzten Tische das Einschenken besorgt, also der Gastgeber ist, den meisten und besten Lein bekommen hat.

Der Hunger ist eine Majestät, der achtungsvolles Schweigen gebietet, doch wenn man ihm seinen Tribut gezahlt hat, sprüht es förmlich von lustigen Einfällen und Anekdoten.

Es ist nun aber leider einmal so, daß wir Schweden keine eigentlichen Humoristen sind, wir verhöhnen, wo wir amüsieren wollen, und wir werden boshaft, wenn wir versuchen witzig zu sein.

Doch der kleine humoristische Anflug, den unser Temperament möglicherweise hat, ist unzweifelhaft bei dem eigentlichen Volke, den sogenannten ungebildeten Leuten am besten vertreten. Wenn diese zusammenkommen und in die rechte »Stimmung« geraten, hört man »Ideen und Einfälle«, die sogar die Lachmuskeln des Schwerfälligsten reizen können. Es ist nur Schade, daß sie stets so enge mit den Verhältnissen, die dem Fernerstehenden unbekannt sind, verknüpft sind und sich daher nur ausnahmsweise zur Veröffentlichung eignen.

Wenn sich alle satt gegessen haben, die kleinen Tagesneuigkeiten hinreichend besprochen und die Konjunkturen für die Viehpreise in der nächsten Zeit gründlich erörtert worden sind, nehmen die Teilnehmer des Brechfestes Abschied; »der gelbe Flachs« aber giebt den Frauen und Mädchen noch den ganzen Winter hindurch Arbeit, bis er im Frühlinge auf die Bleiche kommt.

Sobald unser Volk ein wenig besser rechnen gelernt und den Wert der zeitersparenden Maschinen eingesehen haben wird, werden manche alten Sitten, darunter gewiß auch das Brechfest, verschwinden oder, um bei dem Bilde zu bleiben, auf dem grünen Rasen der Erinnerung, »zum Bleichen ausgebreitet« werden, wo ein kulturhistorischer Schafbock sie vielleicht einst in ferner Zukunft findet.


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