Paul Hansmann
Altdeutsche Mären und Schwänke - Erster Band
Paul Hansmann

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Frauentreue

Ein Ritter und ein stolzer Degen,
An Sinn und Tapferkeit verwegen,
Der richtete all seinen Mut,
wie es manch wahrer Ritter tut,
Auf edle Frauenminne und
Empfing darum manch blutige Wund'
Mit grimmer Bitterkeit. Es ließ
Er wahrlich deshalb doch nicht dies.
Er stand in Frauendiensten stark
Mit Ritterschaft und Kraft und Mark,
Mit seinem Speer und mit dem Schilde,
Mit hoher Tugend und mit Milde.
Darum ward er gar weit bekannt.
Und wo sich eine Fraue fand,
Der gern er mochte dienstbar sein,
Mit großer Kraft trat für sie ein
Der edle Ritter unverdrossen.
So hat er Minne oft genossen;
Doch schließlich er sie noch entgalt
Und mit dem Leben gar bezahlt'.
Nun dieser Ritter kam geritten
Auf Abenteuer nach seinen Sitten
In Ritterschaft in eine Stadt,
Aus der sein Fuß nie wieder trat.
Das Volk dort war ihm unbekannt;
Nur einen Bürger er dort fand,
Den hat er vordem schon geschaut,
Und nähert sich ihm ganz vertraut
Er spricht mit ihm behende,
Und fragt ihn, wo er fände
Die allerschönsten Frauen.
»Held,« sprach der, »wollt Ihr schauen
Die schönste Fraue, die hier ist,
Zeig ich sie Euch zu dieser Frist.
Es ist hier morgen Kirchentag,
wo leichtlich es geschehen mag,
Daß Ihr seht Frauen ungezählt.
Die Euch am besten dann gefällt.
Die zeiget mir mit Winken
Oder mit Augenblinken!«
Der Ritter hört's mit frohem Sinn;
Sie traten vor die Kirchtür hin.
Derweilen Pfaffen sangen,
Sind Frauen vorbeigegangen.
Der Ritter eine Frau erspäht,
Er seinem Herren da gesteht,
Daß er gesehn kein Bild so klar
Jemals; er nahm der Frauen wahr,
Sie setzte sich zur selben Stund'
Inmitten seines Herzens Grund,
Aus dem sie nimmer wieder schied,
Bis ihn der Lebensodem flieht.
Sie hat ihn ganz des Sinns beraubt.
Die Fraue trug auf ihrem Haupt
Ein Haar, gesponnenem Golde gleich,
Es glänzte gar sehr warm und weich,
Die Wimpern braun, ihr Antlitz fein,
Die Augen funkeln Sternenschein,
Die Lippen rosenfarbig, wie
wenn Rosenblätter über sie
Gestreut, und brannten gar vor Röte;
Sie schufen unserm Helden Nöte.
Ihr Hals war weiß so wie ihr Kinn;
Das alles zeugte süße Minn'.
Schmal die Gestalt und maßvoll lang,
Sie hatte edlen Frauengang.
Daß sie die Augen nimmer
Erhob, das schwör' ich immer,
Zu Blicken ohne Maß und Ziel.
Der Ritter seufzte schwer und viel,
Schaut' an sie unverdrossen.
Und wie aus Erz gegossen,
Vollkommen war ihr süßer Leib.
Ja, wer sah je ein schöner Weib!
Auch ihr Gewand war angemessen
Der Schönheit, die sie hat besessen.
Es war mit Milde und mit Tugend
Geziert so ihre süße Jugend,
Daß, soll ich volle Wahrheit sagen,
Sie müßte des Reiches Krone tragen.
Der Bürger hub zum Ritter an:
»Nun, welche dünkt Euch, edler Mann,
Die Schönste? Ihr müßt's mir gestehn;
Ich weiß es gut, Ihr habt gesehn
Gar manchen schönen, stolzen Leib!«
Da zeigte er dem sein eigen Weib.
Der Bürger fing zu lachen an
Und hatte seine Freude dran;
Er lud den Ritter ein,
Er möchte sein Gast doch sein.
Der Rittersmann versagt ihm das;
Sein Herz war ohne Unterlaß
Der Frau ergeben Tag und Nacht.
Und wenn er trank, aß, schlief und wacht'
Und stand und ging und lag und saß.
Der Frauen nimmer er vergaß.
Er kehret daran seinen Sinn,
Daß, wo die Frau schritt immer hin,
Er stets an ihr vorübergeht,
Mocht' es nun früh sein oder spät,
Auf daß sie freundlich ihn begrüße
Und ihm dadurch den Schmerz versüße;
Ohn' Argwohn und in strenger Zucht
Grüßt sie den Ritter, der sie sucht,
Dem alle Freuden sind verleidet,
Wenn ihn die reine Fraue meidet.
Der unverzagte, kühne Mann
Sich eine Herberg' schnell gewann
Sehr nahe bei der Frauen,
Auf daß er sie erschauen
Dann um so öfter möchte,
Was ihn von Sorgen brächte,
Es merkte bald die Fraue gut,
Daß er zu ihr trug holden Mut,
Und er von Liebe war entfacht;
Da gab die Frau wohl auf sich acht,
Ihr war's im Herzen leid genug,
Da sie zu niemand Liebe trug
Wie nur zu ihrem Ehemann.
Den Ritter quälte die Minne dann;
Und es geschah darnach nicht lang'
(Die süße Lieb' ihn dazu zwang),
Daß er ließ künden überall
Im Städtchen drin mit lautem Schall:
wer kämpfen möge wider ihn,
Dem wolle er mit tapferm Sinn
Im Seidenhemd entgegengehn,
wie ich vernommen habe denn.
Die Rede hörte ein Dummer,
Der brachte dem Ritter Kummer,
Indem er nach dem Ritter stach
So, daß der Speer in ihm zerbrach;
Dieweil er grausam nach ihm hieb,
Das Eisen in ihm haften blieb.
Man sah ihn bleich, der vorher rot:
Man hob den Wackren auf für tot
Und trug ihn in die Herberg' dann.
Und einen Arzt man ihm gewann,
Wie man's für wunde Leute tut.
Es griff der Tod ihn an mit Wut,
Mit Schmerzen auch gar bitter.
Ingrimmig sprach der Ritter:
»Die nur soll machen mich gesund,
Um derentwillen ich ward wund;
Läßt sie mich so verderben.
Dann will ich gerne sterben!«
Manch edle Fraue zu ihm kam,
Die seiner tröstend sich annahm,
Und mancher edle Mann erschien,
Nur seine Traute kam nicht hin.
Drum litt sein Herz an Jammerqual,
Und seine Jugend wurde fahl.
Da tat der edlen Frauen Mann,
Was später er bereute dann:
Hub an zu bitten und zu flehen
Die Fraue, daß sie möge gehn
Hin vor des Wunden Angesicht.
Sie sprach: »Ich kenne ihn doch nicht;
Weiß nicht, was ich dort tuen soll,
Und ohne mich genest er wohl!«
Sie wußte, daß er litt den Schmerz
Um sie, daß ihr gehört sein Herz.
Der Wirt setzt' seiner Frauen zu:
»Was ich dir sage, Weib, das tu',
Und gehe zu dem Manne hin,
Dieweilen ich doch sicher bin,
Daß er es mir verübelt hat,
Denn niemand wohnt in unserer Stadt
Wohl außer mir, den er kennt mehr.
Er wähnt vielleicht, daß ich's verwehr'.
Will seine Freundschaft nicht entbehren;
Mußt meine Bitte mir gewähren!«
Aus Höflichkeit tat sie es dann,
Auch weil gebeten sie ihr Mann.
Rannte der Herr des Ritters Mut,
Hielt er sein Weib in guter Hut!
Sie sträubte sich denn länger nicht
Und trat hin vor sein Angesicht.
Wie zu ihm kam die Frau also,
Da ward der Held von Herzen froh,
Als ob er ohne Schwere
Im Paradiese wäre.
Sehr liebreich er die Frau empfing
Und ihre Magd, die mit ihr ging.
Bat, daß sie bei ihm sitze;
Sie glühte in Schameshitze,
Und wie in einem Brand sie saß.
Vor Mitleid sie beinah' vergaß
Zum wunden Mann zu sprechen;
Sie glich nicht Weibern, frechen.
voll Zagens sie da zu ihm sprach:
»Mich dauert Euer Ungemach.
Wie fühlt Ihr Euch?« Er sprach zu ihr:
»O Fraue, was geschehen mir,
Geschah um Euch, die Ihr so hold;
Ich fühle mich, wie Ihr es wollt.
Ihr helft mir, wollt Ihr's, von der Not;
Und tut Ihr's nicht, bin ich bald tot!«
Sie sprach: »Daß wieder Ihr gesund,
Wär' mir gar lieb. Doch da Ihr wund,
Euch nötiger ein Arzt jetzt ist,
Als ich's sein kann, daß Ihr es wißt!
Auch bin ich der Sohn Gottes nicht,
Lebendig macht der, wenn er spricht,
Die Toten; Gott, der reine,
Hat die Gewalt alleine
Und mag sich über Euch erbarmen!«
Er sprach drauf: »Fraue, wollt mich Armen
Ihr von dem Tod befreien
Und von des Jammers Schreien,
So nehmt von mir der Marter Band
Und zieht mit Eurer süßen Hand
Das Eisen aus der Seite mein,
Denn sonst muß ich des Todes sein!«
Da schämte sich die Fraue fürwahr;
Sie, die so süß und Makels bar,
Vor Scham ward rot, vom Schweiße naß.
»Was schadet,« sagte die Magd, »Euch das?«
Und setzte zu ihr unentwegt,
Bis auf die Wunde die Hand sie legt
Und zieht heraus das Eisen.
Darum will ich sie preisen
Mehr denn als eine, die bereit
Dazu ist aus Fürwitzigkeit.
Die Frau nahm Urlaub, ließ ihn dann;
Der Ritter einen Arzt gewann,
Der machte ihn zu kurzer Stund'
Durch Tränke heil und ganz gesund.
Die Fraue ihm sehr im Herzen lag,
Und er bedachte Nacht und Tag,
Wie er es wohl begönne,
Daß er die Fraue gewönne.
Gedanken kamen ihm gar viel;
Sein Leben setzte er aufs Spiel.
Zum Fenster ist er eingestiegen,
Kam hin, wo er die Fraue fand liegen
Bei ihrem guten, lieben Mann;
Ans Bette trat er sachte heran,
Beruhte sie gelinde.
Der Wirt und das Gesinde
Die schliefen einen tiefen Schlaf;
Den Ritter freut's, daß sich's so traf.
Die Reine, Süße gar erschrak;
Als ob ein schwerer Donnerschlag
Mit Macht betäubt sie hätte.
Lag sie in ihrem Bette.
Ganz kalt vor Furcht war da ihr Leib;
Als sich das minnigliche Weib
Besann: »Wer bist du?« fragte sie da.
Der Ritter darauf ihr ganz nah':
»Ich bin es,« sprach er, »Fraue zart,
Der wund um Euretwillen ward!«
»Weh',« sprach sie, »daß ich je geboren,
Das Leben haben wir verloren!«
»Frau,« hub er an, »was nutzt mein Leben?
Soll ich voll Jammer also streben
Nach Euch in Sehnen und in Not,
Will ich viel lieber liegen tot!«
Vor Leid rauft sie das Haar sich; dann
Legt sie ein seiden Hemdlein an;
Schlich fort mit ihm vom Bette,
Weil sie von dieser Stätte
Mit List ihn gern hätte fortgebracht.
Erst küßte er die Liebe sacht,
Dann zog er heiß sie zu sich hin
In Liebe: das ward sein Ungewinn.
Die strenge Minne ganz gewiß
Die Wunde auseinanderriß,
wie er die Fraue heiß umschloß;
Das Blut in Strömen aus ihr floß,
Daß er in Ohnmacht niedersank.
Das Blut so aus der Wunde drang,
Daß seine Seele sterbend lag
Und ihm das Herz im Leibe brach.
Die Fraue trug viel Leid,
Das sag' ich auf meinen Eid.
Ihr ward so weh' vor Jammersnot,
Sie wäre gerne mit ihm tot.
Der Jammer tat ihr Herze pressen;
Doch dachte sie daran indessen,
Wie sie ihn könnte von hinnen tragen;
Dem Gatten wagte sie's nicht zu sagen.
Doch künden uns die Weisen,
Daß Not bricht hartes Eisen:
Ein Brett sie an das Fenster schafft,
Trägt schnell den Ritter fort mit Kraft
Und legt ihn auf sein Bette nieder.
Zu ihrem Manne schlich sie wieder
Und schlüpfte zu ihm solcherart,
Daß er es gar nicht inne ward.
Alsdann die Frau bei sich bedachte,
Welch' große Liebe doch entfachte
Den Ritter, der so treu und stet;
Da war es leider viel zu spät.
Des Ritters Knechte frühmorgens dann,
Die riefen ihren Herren an,
Der Kämmerer ihn oftmals rief,
Den langen Schlaf er leider schlief.
Sie sah'n den Herren liegen tot,
Da weinten sie in bittrer Not
Und waren freudenleer;
Sie wunderten sich sehr
Und wußten nicht, was ihm geschehn.
Und einen Purpur nahm man denn,
Den toten Ritter legt man drauf
Und bahrt ihn, wie's ihm zukommt, auf.
Er ward mit allen Dingen,
Mit Lesen und mit Singen
Versehn nach seinem Rechte,
Und seine treuen Knechte
Sie trugen ihn zur Kirche hin.
Jetzt höret, wie mit gutem Sinn
Ihm seine Treue lohnte das Weib.
Gott müßte ihrem treuen Leib
Die Himmelskrone gar verleihn
Und ewigliches Beiihmsein!
Zu ihrem Wirt die Fraue ging,
Den sie gar inniglich umfing
(Ihr Herze war verletzt;),
Daß sie dem Toten jetzt
Nach Herzenswunsch dürfe opfern gehn,
Bat sie; er tat ihr's zugestehn,
Auch daß sie nach ihrem Willen täte,
Worum sie ihn so herzlich bäte.
Die Frau des Ritters nicht vergaß;
Der Wirt und keiner wußte, was
Wollt' tuen dort die Reine;
Nur ihrer Magd alleine,
Die vordem mitgewesen
Bei ihm (wie ich gelesen),
Der tat die Frau gestehen,
Was nächtens ihr geschehen.
Ihr reines Herz in Jammer rang;
Die Süße schritt zum Opfergang.
Den Mantel und das Oberkleid
Gab sie als Opfer hin bereit.
Ihr Herze prüfte Jammersqual;
Sie opferte zum andernmal
Das Kleid, daß sie im Rocke stund;
Bleich ward ihr rosenfarbener Mund.
Zum drittenmal sie opfernd kam,
Vor Leid vergaß sie ganz der Scham.
Sie trat hin, wo der Ritter lag,
Sie schaute ihn an, ihr Herz erschrak,
Und ihre Blässe mehrte sich.
Und sie stand da gar trauriglich.
Im Jammer sie die Hände faltet,
Ihr Herze sich im Leibe spaltet,
Die Fraue hin zur lkroe sank.
Und um sie scharte man sich bang;
Es war das eine schwere Not.
Die Süße war vor Leide tot,
Der Helfer sonst, half ihr also.
Der Frauen Mann kam her nicht froh,
Vor Gram riß er sich aus sein Haar;
Er sprach: »Ich weiß es gut fürwahr,
Daß nie und nimmermehr ein Mann
Auf Erden je ein Weib gewann,
Das ohne Falsch und bar der List,
Wie sie zur Welt gekommen ist!«
Da legte man sie beide
In Jammer und in Leide
In eine Gruft, die Holden.
So hat sie ihm vergolten
Und offenbaret ihre Treu'.
Damit ist diese Märe vorbei.


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