Paul Hansmann
Altdeutsche Mären und Schwänke - Erster Band
Paul Hansmann

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Der betrogene Ehemann

von Herrant von Wildonie

Herr Ulrich war von Lichtenstein,
Des Ritterehre allzeit rein.
Der Künder dieser Märe,
Daß da ein Ritter wäre
Einst zu Friaul gesessen;
Und hat er sein vergessen,
Daß er ihn mir nicht hat benannt,
So lass' auch ich ihn unbekannt.
Nun hatte dieser Mann ein Weib,
Die hatte solchen schönen Leib,
Daß man sie gerne blickte an;
Dabei war hochbetagt der Mann.
Sein Schloß in einer Plane lag.
Dahinter war ein schöner Hag;
Nach diesem Hag ein Erker ging,
Wo nächtens ihn die Ruh umfing.
Nun wohnte aber nahehin
Ein Ritter, welcher seinen Sinn
Gerichtet auf dies schöne Weib.
Und diesem Ritter war der Leib
Zu solchen Dingen wohlgeraten;
Dies half ihm dann bei seinen Taten.
Nun diente er ihr so genau,
Daß ihm die Weisung gab die Frau,
Wie sie ihm endlich lohnen wollte.
Der Ritter hohe Freude zollte
Der Runde, weil er hörte nie
So frohe Botschaft noch wie die.
Der Bote sprach: »Es ist der Wille
von meiner Fraue, daß Ihr stille
Hin nach dem Haus geht und im Hage
Dort wartet; und dann vor dem Tage
Schleicht leise zu dem Erker her,
Da findet Ihr nach dem Begehr
An einer Schnur ein Ringelein,
Die aber hat die Fraue mein
Gebunden fest um ihren Fuß.
Zieht nun daran; gewißlich muß
Sie merken, daß Ihr dort verweilt,
Und kommt drauf schnell zu Euch geeilt!«

Der Ritter schleicht denn hin zur Nacht,
wie es die Frau sich ausgedacht,
Er fand die Schnur und auch den Ring,
Der dort nach ihrem Willen hing.
Da griff er zu und zog daran.
Nun ward gewahr der Ehemann
Der Schnur, weil sie sein Bein berührt,
Und er darüber Sorge spürt.
Nicht wecken wollte er sein Weib,
Doch sehn, was über seinen Leib
Dahinglitt; stille griff er zu;
Da ward er denn gewahr im Nu,
Woran die Schnur befestigt war.
Als er sie aufhob ganz und gar.
Am andern End' in seiner Hand
Er da das Fingerringlein fand.
Darob erschrak sein alter Leib,
Er dacht', es will nicht wohl mein Weib.
vor Leid fiel ihm der Fingerring
von selbst aus seinen Händen flink.
Er aber sprang vom Bette auf
Und lief nach jenem Türlein drauf,
Das er zum Hag sich öffnen wußte.
Der Ritter, der dort warten mußte,
Der denkt bei sich, es ist die Frau,
Als er die kleine Tür genau
Sich auftun hört, und eilt dorthin.
Beim Haar erwischt der Ehmann ihn
Und schreit nach dem Gesinde laut.
Der Gast denkt: wehr' ich mich der Haut,
So kommt die Frau in Red' und Spott
Und ich bin meiner Ehren tot;
Ich mache schnell mich von dir los;
Du bist von Schwert und Messer bloß.
Ich habe bei mir meine Waffen,
Drum machst du mir nicht viel zu schaffen.
Doch durch des Mannes Ruf erschrak
Die Frau, die tief im Schlummer lag.
Sie warf sich über schnell die Kleider
Und dachte sich: mein Mann hat leider
Den Ritter mein gefunden hier.
Nicht fröhlich eilte sie zur Tür
Und sprang zu beiden in den Hag,
wo oben der, der unten lag.
Sie sprach: »Wie nun, was soll das sein?
Viellieber Mann, bedarfst du mein?«
Der sprach: »Da wüßt' ich gerne, wer
Hier dieser ist, der kommen her,
Um an der Ehre mir zu schaden!«
Sie sprach: »Das wirst du leicht erraten;
Gib mir ihn her und hol' ein Licht;
Bewahre ich dir aber nicht,
was du mir legst in meine Hand,
So nimm mein Haupt, ich geb's zum Pfand!«
Der Mann, der denkt: laß ich sie gehn
Dorthin, wo Männer mehr denn zehn
Zur Ruhe liegen, um ein Licht,
Mir dorten Schaden mehr geschieht,
Glaub' ich, als durch den einen hier.
Er sprach: »Nehmt hin und merkt Euch mir,
Daß ich Euch gebe diesen Mann.
Und laßt Ihr ihn, so seid Ihr dran
In Schuld, daß er hierhergekommen.
So wisset, dann Euch wird genommen
Das Leben hier an seiner Statt!«
Die Frau darauf gesprochen hat:
»Ich will Euch wahrlich wiedergeben,
was Ihr mir laßt; sonst gilts mein Leben!«
Er gab ihn ihr und lief dahin,
Nach einem Lichte stand sein Sinn.
Der Ritter sprach: »Bin hergekommen,
Frau, leider nicht zu Eurem Frommen!«
Darauf die Frau: »Geht, wartet mein
Im Hause drin!« »Das mag nicht sein,«
Der Ritter sprach, »o schönes Weib,
Für mich nun habt Ihr Euren Leib
Gesetzt; eh' Ihr den sollt verlieren,
will lieber ich den Tod erküren!«
Sie sprach: »Ach, sorgt Euch nicht um mich!«
Er küßte sie: »Gott segne dich!«
Was sie da tat, das weiß ich wohl
Und weiß, wie ich's euch sagen soll:
Denn einen Esel, den sie fand,
Nahm sie statt seiner schnell zur Hand,
Und faßt' ihn bei den Ohren hart.
Nun ist dies Tier von solcher Art,
Daß es ihm gar nicht wohlgefällt,
wenn man es an den Ohren hält.
Der Esel wich in seinem Schrecke
Zurück und zwang in eine Hecke,
Die undicht war, sich voller Wut.
Sie dachte: Faß ich dich nicht gut.
So bin ich schuldig ihm den Mann,
Drum will ich dich zur Ausflucht han. –
Bei Dorn und Nesseln, manchem Ast,
war da die gute Frau zu Gast;
Und weil sie nah bei ihnen stand,
Zerfetzten sie ihr das Gewand.
Da ward die Frau gar nackt und bloß;
Ihr Blut vom schönen Leibe floß. –
Indessen lief der Ehewirt,
Nicht lang ist er umhergeirrt,
Und brachte eine Fackel groß.
Die brannte. Doch die Frau verdroß,
Daß er solange fortgewesen.
Und kreischte: »Nie werd' ich genesen,
Ihr ungetreuer Mann, im Leben,
Von dem, was Ihr mir habt gegeben!«
Als er sein Weib in Nöten sah,
Stand er bald hustend vor ihr da
Und wollte helfen; doch da fand
Er solch ein Tier in ihrer Hand.
Und er in seinem Schrecken schrie:
»O, daß ich Euch gesehen nie!«
Er sprach: »wohin kam jener Wicht?«
Sie drauf: »Seht, halte ich hier nicht,
was Ihr mir gabt, in meiner Hand,
So wahr Ihr seid des Teufels Pfand!«
Er sprach: »Geht schlafen, ich weiß wohl,
Ihr seid der bösen Listen voll!«

Der Mann ging schlafen; und sein Weib
Stand vor dem Bett. Schnell war sein Leib
Entschlafen; doch die Frau voll List,
Da sie des Haders müde ist,
Eilt spornstreichs nach dem Hofe hin
Und bat dort die Gevatterin
Und sprach: »Geht hin zu meinem Mann
Und setzt Euch an sein Bett heran;
Spricht er mit Euch, so schweiget still.
Glaubt, bald ich wiederkommen will!«
Die sprach: »Was habt Ihr denn gemacht,
Daß Ihr nicht selber bei ihm wacht?«
Die Frau sprach drauf: »Ein kleiner Zwist
Ach, zwischen uns entstanden ist.
Wenn er Euch schlägt, so ist es viel,
Und ich vergelt' es Euch, seid still;
Ich gebe Euch ein halbes Pfund!«
Die andre denkt: schlägt er mich wund,
wird das vom halben Gelde heil,
Das übrige wird mir zuteil. –
Sie ging dahin und saß hinfür
Und machte leise zu die Tür.
Die Frau dem andern Gutes bot,
was sie da taten, tut nicht not,
Daß ich es mache je bekannt.

Der Mann erwachte. Da er fand
Sein Weib nicht liegen in dem Bette,
Sprach er: »Dien' ich Euch zum Gespötte?«
Sie schweigt, Er spricht: »Nun legt Euch her!«
Sie schweigt. Da schloß den Riegel er
Und legt' sie vor sich hin und schlug
Sie, bis ihm fehlt der Atemzug.
Er keucht und legt sich nieder drauf;
Doch abermals begehrt er auf:
»Geht Ihr nicht her, soll euch geschehn,
was Ihr nicht gerne möchtet sehn!«
Die Arme denkt: verrat ich mich,
Ist ganz und gar umsonst, was ich
Des bittren Leides hier erlitt;
Ich bin dann meines Nutzens quitt,
Den man mir gibt; mein böser Stern
Hat mich geführt zu meinem Herrn,
Er sprach: »Wollt Ihr nicht her zu mir,
Dann komm' ich so zu Euch, daß Ihr
Mich gerne wüßtet anderswo!«
Dann griff er zu dem Riegel roh
Und schlug ihr manchen derben Schlag.
Er sprach: »Wenn nun erscheint der Tag,
So sagt, ich hab' Euch nicht geschlagen;
Ein Zeichen sollt Ihr darum tragen,
Das soll mich vor dem Mann bewahren,
Den Ihr voll Tücke ließet fahren!«
Und schleudert sie zehn Fuß nun weit.
Und zieht ein Messer, lang und breit;
Schnitt drauf ihr ab das schöne Haar
Bis zu den Ohren ganz und gar.
Er sprach: »Nun bin ich bar der Sorgen,
Daß Ihr Euch ander Haar bis morgen
Macht, wie Ihr aus dem Mann voll List
Den Esel schuft, der Disteln frißt!«
Nun hatte sich so sehr erregt
Der Mann, daß, als er hin sich legt,
Er niederfiel, wie wenn er tot.

Die Frau dem Freund viel Gutes bot.
Und gab ihm Urlaub dann und schritt
Zur Kammer ein mit sachtem Tritt.
Sie sprach: »Gevatterin, geht jetzt,
Daß auch mein Herzen ihn ergötzt!«
Die Arme sprach: »Das Herzen mein
Wird wohl bei ihm verloren sein.
Ich weiß nicht, was Ihr ihm getan,
Denn Buße habe ich empfahn
Für Euch, der stets ich denken mag.
So manchen, ungeheuren Schlag
Hat, glaub' ich, nie ein Weib erlitten;
Dazu hat er mir abgeschnitten
Mein schönes Haar!« Die Fraue sprach:
»Wer nie erleidet Ungemach,
Dem ist die Ruhe nimmer süß.
O, ich vergelt' Euch sicher dies!«
Es ging zu ihren Kindern wieder
Die Arme; doch sie duckt sich nieder
Zu ihrem Manne leise gar.
Vor Schwäche ward der nicht gewahr,
Daß ihn das listig arge Weib
Sehr nahe zwang an ihren Leib
Und ihre Wange an die seine.

Als alles lag im Sonnenscheine
erwacht der Mann und sieht sie an.
Sprach: »Wenn Ihr früher so getan,
Dann lägt Ihr ruhig fort und fort!«
Sie sprach: »Mein Herr, was soll dies Wort?«
»Ich meine, daß Ihr, böses Weib,
Mir habt beleidigt meinen Leib!«
»O, sagt mir, Herr, mit welchem Ding?«
Er sprach: »was sollt' der Fingerring,
Der da an Eurer Schnure hing.
Die bis ins Gras hinunterging
Und die geknüpft um Euern Zehen?
Nun soll mich rühren Euer Flehen,
Daß ich vergesse solche Tat,
Die Euer Leib begangen hat!«
Sie: »Wozu hätt' ich das getan?«
»Da hießt Ihr einen fremden Mann
Sich schleichen in den finsteren Hag.
Die Schnur auf meinem Beine lag;
Da er zu ziehen sie begann,
Da kam ich auch; denselben Mann
Packt' ich beim Haar nach meinem Willen.
Am Ohr, um meinen Zorn zu stillen!«
Sie sprach: »was tatet Ihr dem Mann?«
»Ihr nahmt aus meiner Hand ihn dann,
Also, daß Euren falschen Leib
Ich immer hasse, böses Weib!«
»Und als ich ihn Euch abgewann,
was hab' ich da mit ihm getan?«
»Da gabet Ihr, viel falsches Weib,
Den Esel mir für seinen Leib,
Den hieltet ihr bei seinen Ohren.
Halt't Ihr mich denn für einen Toren?
Dazu bin ich Euch doch zu grau!«
»Was ward mit mir?« frug da die Frau.
»Auf Eurem Rücken ist's zu sehn!«
Sie drauf: »Wenn dorten Schläge stehn.
Dann glaub' ich, daß es so geschah!«
Sie deckt sich auf. Nun stand er da.
Sie: »Ist mein Rücken unversehrt,
Hat alles Euch der Traum beschert!«
Er sprach: »So zeigt mir Euer Haar!«
»Warum?« »Das hab ich ganz und gar
Euch abgeschnitten!« »Ha, Ihr höhnt.
Sagt, habt Ihr Euch nach mir gesehnt,
Damit Ihr von mir träumen könnt,
Daß meine Ehre Makel fänd'?«
Er sprach: »Ihr laßt's nicht gerne sehn!«
Sie sprach: »Und ist es nicht geschehn,
So seid Ihr des Verstandes bar,
So wisset, daß ich immerdar
In Haß bin und es lauten Worts
Der Sippschaft klage allerorts!«
Er: »Ihr gebärdet Euch so toll,
Auf daß ich Euch verzeihen soll.
wißt, wär's auch nimmermehr geschehn,
Ich muß Euch schön gestrählet sehn!«
»Wenn Ihr denn nicht verzichten wollt,«
Sprach sie, »Ihr gern es sehen sollt:
So strählt ich mich in Eitelkeit
Für ihn, mit dem Ihr nun mich zeiht!«
Sie riß den Schleier sich vom Haupt
voll Zorn, »Wär' ich des Haars beraubt,
So tät's ihm weh, für den ich's tragen
Will an den nächsten Feiertagen!«
Nun war der Frauen Haar so lang,
Daß es bis auf die Hüfte sprang.
Der Mann erschrak und dacht': ich bin
Unselig ganz und ohne Sinn;
Wes habe ich geziehn mein Weib?
Es wäre billig, daß ihr Leib
Mir nie mehr schenkte seine Huld,
Nur solches sühnte meine Schuld.
O weh, was ist mit mir geschehn;
Denn hätte selbst ich nicht gesehn
Den heilen Leib, ihr schönes Haar,
Ich wähnte doch, es wäre wahr,
Er sprach: »Vielliebe Fraue mein,
Laßt Euer großes Zürnen sein,
Weil heiter ich mit Euch tat spaßen!«
Sie sprach: »Ihr sollt es bleiben lassen,
Daß solchen Scherz Ihr mit mir spielt,
Der mir auf meine Ehre zielt.
Jetzt sucht Euch nur ein ander Weib,
Der solche Späße Zeitvertreib!«
Er sprach: »Aus Samt und Goldbrokat
Geb ich, vielliebe Frau, zum Staat
Euch einen Mantel, schön und gut,
Auf daß Ihr laßt den Zornesmut!«
»Um Euretwegen will ich ruhn.
Doch lasset fürder solches Tun!«

Nun möchten wir es wissen nicht
In welcher Weise die Geschicht'
Sich zugetragen; doch das Weib,
Der da zerschlagen ward der Leib,
Erzählte sie, weil sie in Wut,
Daß ihr die Frau nicht gab das Gut,
was sie ihr damals fest versprach;
So kam die Märe an den Tag.
Der dies Geschehen euch genannt
von Wildonie ist er der Herrant.


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