Paul Hansmann
Altdeutsche Mären und Schwänke - Erster Band
Paul Hansmann

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Das warme Almosen

Dies ist eine Märe seltsam genug,
Von einem warmen Almosen klug.

Es war vor Zeiten ein geiziger Mann,
Der nahm fürwahr eine Sitte an,
Durch die er Freude wenig genoß:
Vor seinem Weibe er verschloß
Alles, was er je besaß;
Und früh und spät, ja, tat er das.
Er übte noch des Geizes Brauch,
Trug stets bei sich den Schlüssel auch,
Wohin er ritt und wo er ging.
Wieviel Eier er von den Hühnern empfing,
Das wußte er jeden Tag genau,
Verhehlen konnte ihm keins die Frau.
Die Zahl seiner Käse wußte er gut;
Er ließ keine Macht dem armen Blut
Über dieses noch über das.
Ihr ward zuteil kaum, was sie aß.
Einstmals mußt' er zur Mühle fahren
Und sie daheim das Haus verwahren;
Da hat ein Armer sich unterfangen
Und ist zu ihr ins Haus gegangen;
Er bat sie flehentlich,
Sie möge, bei Gott, erbarmen sich
Und ihn machen durch eine Gabe froh.
Die Fraue klagte ihm also,
Daß sie garnichts hätte,
Sonst sie es gerne täte.
Sie sprach: »Mir hat mein geiziger Mann
Alles Verschlossen, was ich han
An Fleisch und auch an Brot,
Sollt' ich vor Hunger liegen tot,
Ich könnte ihrer nicht gewinnen.
Wollet ihr meine Minnen,
Die gäb' ich euch um Gott!«
Er sprach:

»Frau, lasset solchen Spott,
Ich bin ein gar zu armer Mann,
Euer Spott tut mir nichts an.
Daß aber diese Märe
Euch wirklich ernsthaft wäre,
Es täte mir inniglich not.
Fleisch gibt man mir und Brot
So viel, daß ich den Leib ernähre
Und mich des Hungers gut erwehre!«
Die Fraue nahm ihn bei der Hand
Und führte ihn an des Bettes Rand;
In dieses legten sich beide dann,
Die Fraue und der gute Mann.
Seht, da spielte er ihr mit
Voll Freuden nach der Welten Sitt',
Und nahm sich das Almosen so,
Und sagte, daß ihm anderswo
Wurde nimmermehr
Geboten größere Ehr'.
Sie sprach:

»Was ich gegeben han,
Das hab' ich für das Brot getan,
Nehmt für das Fleisch dazu euch nun,
Wenn ihr's jetzt gerne wollet tun!«
Und es gewann der arme Mann
Nun abermals seine Freude daran;
Nahm das Almosen mit gutem Sinn,
Das sie voll Eifers ihm reichte hin. –
Er sprach:

»Mein Herre Sankt Michael,
Der vergelte es ihrer Seel';
Mir ward in all meinem Leben,
Solch Almosen nie gegeben.
Und was sie obendrein mir gab.
Das lohne ihr das heilige Grab!«
So sprechend, trat er vor das Tor;
Doch nun begegnete ihm davor
Ihr Mann und hörte sein Gebet,
Und auch sein Danken so beredt.
Drauf lief der Wirt dann unverwandt
Dorthin, wo er die Hausfrau fand.

»Frau,« sprach er, »saget mir jetzt an,
Was gabet ihr dem armen Mann,
Der eben vor die Pforte trat
Und euch so vielmals danken tat!«
Sie drauf:

»Nichts konnte ich ihm spenden:
Laßt ihr denn etwas in meinen Händen,
Das ich jemandem könnte geben?
Ich hab' eine Seele und weiß, wessen Leben!«
Da greift der Mann nach einem Scheit
Und schlägt die Frau bis zu der Zeit,
Wo sie die Wahrheit ihm bekennt,
Sie spricht, indem sie bitter flennt:
»Nun weiß ich wirklich alsoviel:
Wer in den Himmel kommen will,
Der muß Almosen geben.
Ich hab' eine Seele und will nicht leben
Wie ein Heidenweib;
Ich gab ihm meinen Leib
Zu meinem Seelenheil,
Weil mir nichts anderes war feil,
Für eure Sünden und meine desgleichen.
Der Lohn soll uns beiden zu Nutze gereichen.«
Als nun der gute Mann
Sich seines Lasters besann,
War es ihm leid und tat ihn schmerzen.
Und laut rief er voll Trauer im Herzen:
»O weh, daß je ich ward geboren,
Und du so deine Ehre verloren,
Und ich bin Schuld daran.
Vor dem Uebel, das du getan,
Hättest du dich wohl bewahrt,
Wenn ich nicht an dir gespart,
Wovon du sollest leben
Und armen Leuten geben.
Drum ist die Schuld, die meine,
So groß auch wie die deine!
Nimm hin nun alles, was ich han
Und alles, was ich je gewann,
Sowohl das Fleisch wie Brot;
Gib, was den Armen ist not.
Und gibst du der Dinge etwas mehr,
Gereicht es dir zu größerer Ehr'!«
So gewann die Frau ihrem Mann alsbald
Die Schlüssel ab und die Gewalt
Und führte drauf ein gar gutes Leben;
Sie hat das Almosen gerne geben.
Hier ist der Märe Schluß;
Ohne jeden Verdruß
Müssen Frauen immer leben,
Die solch Almosen gerne geben.


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