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Zehntes Kapitel.
Eine Teufelsbeschwörung


Bei Meister Schwörer war es noch herkömmlich, daß, so viele von den Gesellen Platz hatten, mit ihm unter einem Dache wohnten; dabei war dieses unter dem Dache wohnen wörtlich zu verstehen und hatte unter andern Vortheilen noch den Nutzen, daß keiner der Gesellen ein Barometer brauchte; denn wollten sie wissen, ob draußen schönes Wetter sei, so durften sie nur in die Höhe blinzeln und brauchten nicht lange zu suchen, um irgend einen mitleidigen Stern aufzufinden, der zu ihnen hereinflimmerte. Ahnete ihnen aber etwas von Regenwetter, so brauchten sie nur die Hand nach den Dachplatten auszustrecken, und der größere oder geringere Grad von Feuchtigkeit, der an diesen herabtropfte, ließ sie zur Genüge erkennen, ob es ein kleiner Sprühregen sei oder ein festes Regenwetter. Ja, sogar woher der Wind blies, war hier oben deutlich zu unterscheiden; denn wenn er aus Westen kam, so seufzte der alte Dachladen in seinen Angeln, blies er aber aus Norden, so klapperten die Dachplatten wie ein Pochwerk.

In einer Nacht, wo, dem unaufhörlichen Gewinsel des Dachladens nach zu urtheilen – derselbe machte nämlich die verzweiflungsvollsten Anstrengungen, sich von einem Schließhaken loszureißen, und wenn das nicht gelang, so pfiff und heulte er wie ein Hund an der Kette – der Wind aus Westen kam und ein tüchtiges Regenwetter zwischen die Dachplatten hereinjagte, wo der alte Schornstein des Hauses sich mit in das Gespräch der wilden Geister draußen mischte, aber feierlich, beruhigend im Vergleich zu dem tollen Gezänk der andern, wo sämmtliche Bretter-Verschläge auf dem Dachboden knarrten und stöhnten und wo der Klang der Glocken, wenn sie hoch vom Thurme die Stunde anschlugen, vom Sturmwind zerrissen wurde, so daß sie nur noch in zitternden Tönen weiter hallen konnten, in einer solchen Nacht lag der Elberfelder in seinem Bette, und da er zufälliger Weise nicht schlafen konnte, so ließ er vor seinem inneren Gesichte die Erlebnisse der vergangenen Tage vorübergehen. Der Elberfelder hatte bei ziemlich zerrütteten Nerven eine außerordentlich regsame Phantasie. Er war einer von den Menschen, denen es als eine pure Unmöglichkeit erscheint, still und zufrieden ihrem Berufe nachzugehen; er hatte vielmehr die unglückliche Neigung, diesen Beruf immer nur als Nebensache zu betrachten und ihn so weit als thunlich seinen Leidenschaften unterzuordnen. Schon als Lehrling war ihm die Erlernung seines Handwerks Nebensache gewesen, und wenn er davon etwas erlernte, so. brauchte er das nur, um seine Schelmenstreiche auszuführen. Er besaß damals eine außerordentliche Fertigkeit, Katzen wegzufangen, ihnen den Balg abzustreifen, diesen präpariren zu lassen und alsdann, zu Pelzdecken verarbeitet, zu verkaufen. Als er Geselle wurde, warf er sich auf das liederliche Leben, namentlich auf den Tanz ohne Maß und Ziel, und da war der Elberfelder eine genannte und bekannte Persönlichkeit. Zu seinem Bedauern reichten aber seine Körperkräfte für ein solches Treiben nicht lange aus, der Elberfelder wurde schwach im Kopf und wackelig in den Beinen, und wenn ihn auch der Ruf zur Schlacht, das heißt die Geige zum Galopp, noch immer unwiderstehlich mit fortriß, so war das doch nur noch wie ein Schattentanz, und er mußte die Kränkung erleben, daß ihm eine seiner Geliebten, die handfeste Köchin eines stillen Hauses, bei mehreren Gelegenheiten und mit voller Indignation sagte: »Elberfelder, ich kenne Ihn gar nicht mehr, Er kann ja gar nichts mehr leisten!«

Dieses Wort der Köchin schnitt tief in sein Herz, und es war ihm wie jene Schrift, die dem hochseligen König von Babylon auch an einem solch wilden Abend erschien und ihn ebenfalls zur Buße mahnte. Der Elberfelder beschloß, einen anderen Menschen anzuziehen, und da vom Erhabenen zum Lächerlichen, so wie auch umgekehrt, nur ein kleiner Schritt ist, so warf er sich in die Arme seiner jetzigen Glaubensgenossen und wurde aus einem liederlichen Schneidergesellen ein gnadenerfülltes Werkzeug seiner Partei. Doch bewies sich auch dieses Geschäft im Laufe der Zeiten nicht so lucrativ, wie der Bekehrte gedacht. Für eine äußerst angenehme Condition bei einer gesinnungstüchtigen Damen-Kleidermacherin, die aber bei ihrem Geschäft der männlichen Hülfe sehr benöthigt war, zeigte er sich nicht gewandt und ausdauernd genug und mußte entlassen werden. Er hatte es darauf versucht, den unverschuldet Herabgekommenen zu spielen und sich, als unverschämter Hausarmer, vermittelst des außerordentlich fleißigen Besuchs aller möglichen Betstunden zu ernähren; aber hier war die Concurrenz zu groß, und so wurde er denn von einem wohlwollenden Mitgliede dem Meister Schwörer empfohlen, der, obgleich er damals noch ein tüchtiger und gesuchter Meister war, doch schon gelinde Anwandlungen von Heuchelei zeigte und bereits begann, seine sichere irdische Kundschaft zu vernachläßigen, auf die unsichere Hoffnung eines Gnadendurchbruchs hin, der ihn ohne Müh' und Arbeit mit allen Glücksgütern dieser Erde überschütten sollte.

Aber auch im Hause des Meisters Schwörer hatte der Elberfelder nicht das gewünschte stille und behagliche Asyl gefunden; die Meisterin war ein hartes Gemüth, eine Ungläubige, die den frechen Satz aufstellte: zuerst heiße es arbeiten, und dann erst könne man sich zur Erholung ein Gebet gönnen; eine Frau, die lieber dafür sorgte, daß ihre Kinder ein gutes Hemd auf dem Leibe hatten, als daß nackte Negerknaben Gott weiß, wo, in Hinterindien, von sanft gesinnten Missionären in christliche Behandlung genommen wurden; eine Frau, die das Missionswerk in ihrem eigenen Hause beginnen wollte, und deßhalb Subjecte, wie den Elberfelder über alle Berge wünschte, eine Frau, die verstockt genug war, ihrem Mann eine Scene zu machen, weil sie nicht zugeben wollte, daß er, statt die nothwendigen Schulbücher für seine Kinder zu kaufen, sich mit dem sauer verdienten Gelde bei einer Gesellschaft zur Verbreitung von Tractätlein beteiligte, – kurz, eine brave und rechtschaffene Frau. Aber eben deßhalb war sie dem Gesellen ein Dorn im Auge, und er dachte schon seufzend daran, sich eine andere Condition zu suchen. Da kam ihm die Teufelsgeschichte des Meisters Schwörer, um uns eines unziemlichen Ausdrucks zu bedienen, wie ein gefundenes Fressen. Daß er den Meister Schwörer aus allen Kräften in seiner Ansicht bestärkte, er habe wirklich den Teufel, gesehen, versteht sich von selbst; er erzählte ihm schaudervolle Geschichten von ähnlichen Visionen, die er selbst gehabt, und hoffte dabei zuversichtlich, dieser erste Besuch des Bösen habe nur den Zweck gehabt, das Terrain zu sondiren, um sich im Hause irgend einer armen Seele zu bemächtigen. Darauf hatte der Elberfelder also gesprochen: »Meister, Ihr seid Familienvater, ein würdiger Mann und eine feste Stütze der Gemeinde,« hatte auch mit vieler Sachkenntniß fortgefahren: »Ich bin doch ein ganz miserabler Sünder, und wenn sich der Teufel mit der Seele eines armen Schneidergesellen begnügen wollte, so würde ich mich gern seinen Angriffen bloßstellen, in der festen Ueberzeugung, daß es einigen unter den Freunden baldigst gelingen würde, den Teufel aus mir zu bannen und ihn dahin zurückzuweisen, woher er gekommen.«

Darauf war der Geselle wie tiefsinnig geworden, und ob Alles bei ihm vollkommene Heuchelei war, oder ob sein Verstand wirklich durch fortgesetzten schlechten Lebenswandel einiger Maßen gelitten, wissen wir nicht genau anzugeben, glauben aber das Erstere; genug, als er in jener Nacht, wo der Sturm heulte und der Regen auf den Dachplatten rasselte, wachend auf seinem Lager ruhte, begann er sich einzubilden, derselbe Teufel, der dem Meister erschienen, sei nun wirklich in ihn selbst gefahren, und spielte demgemäß seine Komödie ganz vortrefflich. Er stöhnte so laut und vernehmlich, daß er seinen Mitgesellen und auch den neuen Lehrjungen ein paar Mal aus dem Schlafe weckte und alsdann über ein unerklärliches Leiden klagte, das mit irgend einer gewöhnlichen Krankheit durchaus keine Aehnlichkeit habe. Am andern Morgen ließ er den Meister herausbitten, und was die Beiden dabei verhandelt, wäre vielleicht tiefstes Geheimniß geblieben, wenn nicht der andere Geselle aus übergroßer Sorge für den von ihm gehaßten heuchlerischen Kameraden an der Bretterwand gehorcht hätte.

Meister Schwörer erschien nach einiger Zeit ziemlich verstört wieder in der Wohnstube, seufzte tief und zog seinen schwarzen Rock an, um das unerhörte Ereigniß einigen seiner gläubigen Freunde mitzutheilen. Zu gleicher Zeit aber berichtete, der zweite Geselle der Meisterin, der Eberfelder, der droben in der Kammer liege, habe behauptet, denselben Teufel im Leibe zu haben, der dem Meister Schwörer in jener Nacht erschienen. Wir können hier nicht verschweigen, daß dieser neue Spektakel im Hause Madame Schwörer so alterirte, daß sie dem zweiten Gesellen und dem Lehrjungen vollkommen freie Hand ließ, um ihrerseits den Versuch anzustellen, ob es nicht möglich sei, den Teufel aus dem Elberfelder auch ohne die gewöhnlichen Mittel auszutreiben. Obgleich sich die Verfahrungs-Art der freundlich gesinnten Kameraden – sie wurde angewandt vermittelst eines Eimers Wasser, eines nassen Handtuchs und eines Paars elastischer schwerer Pantoffeln, mit welch letzteren er zur Linderung seiner Leiden auf einem unaussprechlichen Theile seines Körpers frottirt wurde – bei der Hartnäckigkeit des Besessenen als vollkommen unwirksam erwies, so hatten sich doch die Teufels-Austreiber für die Unterbrechung ihrer nächtlichen Ruhe und für vielerlei sonstige Unbill gerächt. Der Elberfelder aber litt Alles ganz geduldig und stimmte sogar während der Procedur einen Lobgesang an, der nur zuweilen durch ein Geheul unterbrochen wurde, wenn ihn einer der Pantoffeln zu heftig traf, welches Geheul aber nach der Versicherung des Besessenen von dem Dämon herrührte, den er im Leibe hatte.

Uebrigens hatte der Elberfelder in Betracht der windigen Und kalten Dachkammer vollkommen richtig spekulirt; denn schon am ersten Tage seiner Krankheit wurde er, freilich nach einer heftigen häuslichen Scene zwischen Meister und Meisterin, in einer Stube des ersten Stockes warm und behaglich untergebracht und dort von theilnehmenden und gleichgesinnten Freunden eifrig befragt und untersucht. Die ganze Geschichte hatte dem Meister Schwörer, als sie ruchbar wurde, ein außerordentliches Ansehen gegeben, und es fanden sich fromme Seelen genug, die den Versuch machten, den Teufel aus dem Schneider hinweg zu beten. Aber mehrere Tage lang war das alles vergeblich. Die Sache nahm ihren wohlbekannten Verlauf. Der Teufel zeigte sich in dem Besessenen bald nachgiebig, bald widerspänstig, und wenn er gut gelaunt war, so erzählte er von den Freuden und Leiden der Hölle, wobei er eine unglaubliche Phantasie entwickelte; hatte er dagegen seine schlechten Augenblicke, oder waren verdächtige Personen in der Nähe, so erging er sich in sehr unzarten Redensarten und geberdete sich überhaupt so unanständig, wie sich ein Teufel nur geberden sann.

Bei allem dem lebte der Schneider herrlich und in Freuten, und der Teufel war wirklich im Hause des Meisters Schwörer eingekehrt. Dieser konnte sich gar nicht mehr von dem Lager trennen, auf welchem der Elberfelder den größten Theil des Tages ruhte; er vernachläßigte seine Kundschaft immer mehr, die Werkstätte verödete, die Gesellen und der Lehrjunge spielten auf dem Schneidertische Solo oder sangen Lieder, die zu den Gesängen im unteren Stock durchaus nicht passen wollten. Das Haus war in zwei feindliche Theile gespalten, und die kleinen Plänkeleien, die früher schon zwischen Meister und Meisterin herrschten, waren jetzt zu einem Krieg entbrannt, mit großen Schlachten, Belagerungen und nächtlichen Ueberfällen. Wenn der Meister aus dem Hause ging, so mußte er Sorge dafür tragen, daß das Zimmer im ersten Stock, wo sich der Elberfelder befand, sorgfältig verschlossen war; denn die Kameraden des letzteren wollten nun einmal zum Heile des Besessenen nicht ablassen, ihr Mögliches zu versuchen, um den Teufel aus ihm zu treiben. Da sich ihnen auch noch ein freundlicher Schlossergehülfe beigesellt hatte, so nützte es dem Meister nichts mehr, die Thür sorgfältig zu verschließen, und die Verschworenen drangen trotz aller Vorsichtsmaßregeln bei ihrem Kameraden ein, um die Procedur mit Wassereimer, nassem Handtuch und Pantoffeln zu erneuern.

Endlich hatten die Freunde des Meisters den Mann gefunden, der es unternehmen wollte, den Teufel auszutreiben, und es war dies ein alter verlumpter Weinhändler, der in seinem Geschäft das Unglück gehabt hatte, selbst sein bester Kunde gewesen zu sein, und der sich darauf aus Rache an dem Weine dem Schnappstrinken ergeben hatte. In schwachen Augenblicken hätte er merkwürdige Visionen, trieb auch Schatzgräberei, und da er nebenbei von der Natur mit einem guten Maulwerk begabt war, auch beständig vom Geist inspirirt, so verstand er es, so salbungsvolle Reden zu halten, daß er in großes Ansehen kam und endlich so weit unterstützt wurde, um das einträgliche Geschäft eines Betsaalhalters gründen zu können, bei welchem er sich außerordentlich wohl befand. Die scheinheilige Versammlung fand sich in diesem Saale ein, neben dem er in einem Nebengelasse schlief.

Bevor aber die Austreibung des Teufels vor sich gehen konnte, stellte der Weinhändler, Herr Quabbler, noch einige unerläßliche Bedingungen, von denen die hauptsächlichste war, daß ihm von der Hand des besessenen Schneiders ein neuer schwarzer Anzug gefertigt würde, den er bei der feierlichen Handlung zum ersten Male tragen wollte. Das Tuch zu diesem Anzuge sollte von schwarzen Böcken gewonnen sein, im Fall dies aber nicht leicht aufgetrieben werden könne, so dürfe man sich auch mit der Wolle von weißen Schafen behelfen. Nur müsse das Tuch unmittelbar in der Wolle gefärbt sein und müsse die zu einem so feinen Geschäft nothwendige Feinheit haben. Die Kosten dieses Anzuges trugen natürlich die Freunde, welche sich für die Austreibung des Teufels interessirten. Zwar machte der Schneidergeselle Einwendungen gegen die Selbstanfertigung dieses Kleides, wobei er den triftigen Grund anführte, der Teufel habe dann, als in ihm sitzend, ja auch notwendiger Weise Theil an diesem Geschäfte, wurde aber überstimmt, nahm endlich Herrn Quabbler das gehörige Maß und begab sich seufzend an die Arbeit.

Daß er sich hierbei nicht übereilte, brauchen wir eigentlich nicht zu sagen; aber trotzdem wurde die Kleidung eines schönen Abends fertig, und am anderen Tage sollte das Haus und der Elberfelder von dem Teufel befreit werden.

Daß diese absonderlich wichtige Handlung nicht ohne Ausschmückung mit Speise und Trank vor sich gehen konnte, versteht sich von selbst. Wenn es auch nicht in der Macht des Schneidermeisters lag, hiermit ein Zweckessen zu vereinigen, so bemühte er sich doch, einen Zweck-Kaffee zu veranstalten, was ihm aber nicht ohne große Schwierigkeiten gelang.

Madame Schwörer hatte nämlich feierlich erklärt, wenn sie auch nicht im Stande sei, diesem Unfug in ihrem Hause zu steuern, so wolle sie doch nichts dazu beitragen, daß droben gejubelt und geschlemmt werde, während sie mit ihren Kindern drunten kaum das schwarze Brod habe. Dabei hatte sie mit den ziemlich rostigen Schlüsseln von Speisekammer und Porzellankasten gerasselt und nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß der Weg dorthin nur über ihre Leiche gehe.

Sie war im Allgemeinen eine brave und ruhige Frau, und, abgesehen von unumgänglich nothwendigen häuslichen Scenen, auch nicht besonders erregbaren Gemüthes; je näher aber der Tag des Zweck-Kaffee's und der Teufelsaustreibung kam, desto unruhiger wurde Madame Schwörer; es litt sie lange Zeit weder in der Stube, noch in der Werkstatt, sie schien eine Lust daran zu haben, ihre Nägel zu betrachten oder große, starke und biegsame Stöcke; und später versicherte der benachbarte Schuster, Madame. Schwörer habe ihn um jene Zeit mit seltsamen Gefühlsausdrücken gefragt, was er für schmerzhafter und wirksamer halte, den Schlag mit einem buchsbaumenen Ellenmaße oder mit einem Knieriemen.

Unter solchen Umständen wäre der Zweck-Kaffee wahrscheinlich in die Kohlen gefallen; doch hatte Meister Schwörer eine Schwester, die ebenfalls sehr viel auf Betstunden und noch mehr auf Kaffeegesellschaften hielt. Sie übernahm es, das Ganze zu arrangiren, und traf ihre Maßregeln auch so gut, daß an dem bestimmten Nachmittage der Tisch in zierlichster Ordnung eine mächtige Kaffeekanne zeigte, auch Rahm, Zucker, Bretzeln, Anisbrod, Mannheimerlen, und wie alle die schönen Sachen heißen, die zu einem vollkommenen Kaffee so nothwendig sind, wie der Wind zum Orgelspielen. Zur Feierlichkeit waren einige fromme Seelen eingeladen, die in Langer Erwartung umhersaßen und es für eine glückliche Idee hielten, daß vorher der Körper mit Kaffee und Mannheimerlen erquickt werde, bevor der Geist sich anschicken müsse, vielleicht allerlei Erschreckliches und Grauenhaftes zu sehen.

Herr Quabbler war eine fette, untersetzte Persönlichkeit mit doppeltem Doppelkinn, einer röthlich braunen Gesichtsfarbe, beständig grinsenden Mundwinkeln, die ein Maul einrahmten, welches wie eine weitklaffende Wunde aussah und alles zu verschlingen drohte, was in seine Nähe kam. Dabei glänzten die Lippen beständig von Fett und Saft, und wenn sie sich schlossen, so brachten sie fortwährend ein unwillkürliches Schmatzen hervor. Die Nase des Herrn Quabbler war äußerst gering und zeichnete sich unterhalb nur durch eine bedeutende Ablagerung von Schnupftabak aus. Augen waren so gut wie gar keine vorhanden, wenigstens verschwanden sie fast gänzlich unter den vorquellenden Backen, und da der Besitzer noch obendrein die Gewohnheit hatte, sie, wenn er sprach oder aß, häufig zu schließen oder zu verdrehen, so blieb, wie gesagt, von ihnen nichts mehr übrig, was der Rede werth gewesen wäre. Auf seinem dicken Kopfe hatte er ein schwarzes, grau melirtes, starkes und struppiges Haar, welches in beneidenswerther Fülle hinten hinabreichte bis zu einem stierähnlichen Halse; um diesen Eindruck zu schwächen, pflegte sich derselbe aber meistens in Falten zu legen, wie der eines kleinen, wohlgenährten Kindes.

So stand Herr Quabbler in dem neuen Anzuge, festlich anzuschauen, vor dem Kaffeetische, und während er beide Hände auf diesen stützte, hatte er das Gesicht gegen die Zimmerdecke erhoben, den abwärts gekehrten Augen zum Trotz, die so in den Reizen von Bretzeln und Brod wühlten, daß seine Mundwinkel fett gesalbt erschienen.

Die Schwester des Meisters Schwörer war eine ziemlich große, starke Person mit finsterem Blicke und einem sehr bösen Maule. Sie war die Wittwe eines kleinen Beamten, der ihr neben einer Pension noch ein ziemliches Vermögen hinterlassen hatte, so daß sie ganz sorgenfrei leben konnte. Ihre Zeit theilte sie ein in Betstunden-Besuchen, Kaffeetrinken und Schreiben von anonymen Briefen. Im letzteren Punkte bedachte sie namentlich junge Paare, die in der nächsten Zeit vor den Altar treten wollten. Da schrieb sie alsdann den Eltern der Braut, wie man nicht begreifen könnte, daß eine geordnete Familie einen so leichtsinnigen und liederlichen Menschen in ihr respektables Haus aufnehmen möge. Dabei sprach sie durch die Blume von armen verlassenen, von Thränen der Verzweiflung, von unschuldigen Würmern, und unterzeichnete sich: »Jemand, der es gut mit der Familie meint.« Der Mutter des Bräutigams dagegen schrieb sie ungefähr Folgendes: »Ist es denn möglich, daß Sie, eine so umsichtige und kluge Frau, noch nichts erfahren hätten von dem Verhältnisse der Braut Ihres Sohnes mit dem Lieutenant N, – ein Verhältniß, das in seinen Folgen hätte schrecklich werden können, wenn – – – – Doch,« fuhr der Brief nach diesen Gedankenstrichen fort, »gibt es Leute, die mehr Glück als Verstand haben. – Glauben Sie einer wohlmeinenden Freundin,« schloß sie alsdann, »und bedenken Sie wohl, was Sie thun. Noch ist es Zeit.«

In gleicher Weise bedachte sie Braut und Bräutigam direkt und besuchte nicht selten die Häuser, welche diese anonymen Briefe erhalten, um sich an den Thränen ihrer Schlachtopfer zu ergötzen.

Zu der Beschwörung hatte Frau Wendeling – so hieß die eben Erwähnte – eine Freundin mitgebracht, die durch Verkettung seltsamer Umstände eine alte Jungfer geblieben war und es nun liebte, eine Trauerweide oder geknickte Lilie zu spielen. Ihr Kopf hing beständig demüthig nach der einen Seite, die Unterlippe, um ein Gleichgewicht herzustellen, nach der anderen, Arme und Beine schlotterten ordentlich, und so sah der ganze Körper gerade so aus, als ob sie, nach Art gewisser Marionettenpuppen, an einer unsichtbaren Feder hinge. Dabei pflegte sie fortwährend den Mund zu öffnen und, ehe sie sprach, nach Luft zu schnappen, wobei dann der überflüssig eingezogene Athem, in der jungfräulichen Brust zu einem Seufzer verwandelt, hinter jedem Worte wieder erschien.

Frau Wendeling liebte die Jungfer Schlapperbach wohl dieses Contrastes wegen, und auch, damit die Leute sagen möchten, sie, die Wendeling, müsse doch, trotz ihres bösen Maules, ein gutes, umgängliches Gemüth haben, denn wie könnte sie sonst so harmoniren mit einem sanften Wesen, wie die Schlapperbach?

Die weiteren Assistenten bei der Feierlichkeit waren ein Herr Müller, ein Herr Meier und ein Herr Fischer, drei fromme, verkannte Männer; denn vom Ersten sagte die böse Welt, er leihe gegen wucherische Zinsen auf Faustpfänder; das Spezereigeschäft des Zweiten nannten schlimme Zungen ein Spitzbübereigeschäft, bei dem alles Maß zu klein und alles Gewicht zu leicht sei, wo Wasser unter die Butter geknetet, Sand und Steine unter die Rosinen gethan und wo falsche Gulden- und Kronenthalerstücke nicht auf den Ladentisch genagelt würden. Was den Dritten, den Bäcker Fischer, anbelangte, so war es ihm eigentlich noch nie bewiesen worden, daß sein Brod zu naß und seine Semmeln zu klein seien; doch klagte man ihn mit vollem Rechte großer Unterlassungssünden an, welche darin bestanden, daß er als Hauptgauner am Tage vor dem Brodaufschlage es unterließ, das nothwendige Brod backen zu lassen, um alsdann am anderen Morgen das über Nacht theurer gewordene Mehl besser verwerthen zu können.

Herr Quabbler hatte also die Hände auf den Tisch gestützt, wobei seine Finger aussahen wie zehn dicke Würstchen, die, wo sich die Gelenke befanden, kunstreich unterbunden schienen. Obgleich sein Gesicht noch immer nach oben gekehrt war, so blicken doch seine Augen nach wie vor auf den dampfenden Kessel, und während er seinen Mund zuweilen leise schmatzend schloß, schien seine Nase sehr beunruhigt zu werden von den aufsteigenden süßen Düften.

Herr Quabbler wollte sprechen, denn er bewegte seine rechte Hand feierlich über die aufhorchende Versammlung.

»So sind wir denn hier bei einander,« sagte er mit einer fetten, etwas heiseren Stimme, »um im Namen des Himmels ein segensreiches Werk zu vollbringen. Daß wir arme, niedrige Sünder sind, wird keiner von uns Allen bezweifeln, und eben weil wir arme, niedrige Sünder sind, voll Selbsterkenntniß und Bewußtsein unserer Schwäche, so wird Niemand in seinem Herzen anders fühlen, als ich, wenn ich nun hiermit sage: Es ist die wahre und aufrichtige Selbsterkenntniß, welche uns arme, geringe Sünder antreibt, zu erklären, daß es nothwendig ist, zuerst den gebrechlichen, irdischen Leib zu stärken, damit sich alsdann der Geist frei erheben kann über die befriedigte, traurig materielle Masse. So langet denn zu, Brüder und Schwestern, und Jeder stärke sich mit einem heimlichen Gebete, daß es ihm gelingen möge, den Geist zu erheben, daß es ihm ermöglicht sei und daß er sich wappnen könne mit den Waffen des Glaubens gegen die Idee des Anundfürsichseins und Andersseins.«

Darauf nun scharten sich die Brüder und Schwester um den Tisch, und Jeder aß und trank an und für sich so viel, als möglich war, und stopfte in sich hinein, daß es nicht anders sein konnte, als sie lebten wirklich des festen Glaubens, miserable Sünder zu sein, die sehr vieles Kaffee's und sehr vieler Bretzeln und Mannheimerlen bedurften, um die Materie wie einen bösen Kettenhund zu bändigen, damit das gefesselte Thier nicht schnappe nach den Waden des aufsteigenden Geistes.

Den Helden des Tages besorgte Jungfer Schlapperbach und brachte ihm viel süßes Getränk und mürbes Backwerk, wobei sie erschrecklich seufzte bei dem Gedanken, daß der zarte junge Mensch mit den anmuthig glühenden Augen wirklich vom Teufel besessen sei. Da sie aber eine rege Phantasie hatte und als alte Jungfer berechtigt war, immer noch zu hoffen, so hoffte sie allerlei und erging sich in Möglichkeiten und verlor sich so in Muthmaßungen, daß sie, als Frau Wendeling, ihren stieren Blick bemerkend, sie fragte: »Woran denk Sie, Schlapperbachin?« – verwirrt zur Antwort gab: »Ach, wie kann man einem jungen Mädchen so verfängliche Fragen thun!«

Nachdem nun Kaffee und Backwerk ziemlich verschwunden, auch der Bäcker Fischer mehrmals auf seine Uhr geschaut, wischte sich Herr Quabbler sein großes Maul ab und erhob nun nicht nur das Gesicht, sondern auch die Augen von den leeren Tellern nach der Zimmerdecke.

Wir halten es für überflüssig, die Rede, die er nun hielt, aufzuschreiben. Doch steigerte er sich in eine solche Begeisterung hinein, malte auch die Hölle mit ihren Strafen und der ewigen Verdammniß so fürchterlich aus, indem er namentlich aufs erschrecklichste einen beständig unbefriedigten Durst hervorhob, daß Müller, Meier und Fischer in wahre Zerknirschung verfielen und glühende Faustpfänder, umhertanzende zu leichte Gewichte und Teufel zu erblicken glaubten, die hohnlachend grinsten und heulend ausriefen: Zu leicht ist das Brod, zu leicht, zu leicht! Als sich nun hierauf gar der Elberfelder, wie vom bösen Geiste emporgeschnellt, vom Sopha erhob, in die Reden des Beschwörers einfiel und mit außergewöhnlichem Unsinn und schrecklichen Erzählungen dessen Reden zu bekräftigen anfing – dabei bediente er sich zuweilen der für Uneingeweihte gänzlich unverständlichen Sprache der Dämonen, welche mit dem Tuten eines Hornes Tu-ta-ti-te-tu oder mit dem Bellen eines Hundes Wa-we-wi-wo-wau die frappanteste Aehnlichkeit hat, während sich zu gleicher Zeit sein Haar ordentlich emporsträubte und sein Mund schäumte – da begann selbst das harte Gemüth der Frau Wendeling nach und nach weich zu werden, und sie hatte eine Vision, als sei sie gestorben und werde an der Himmelsthür zurückgewiesen, wobei Petrus ihr kaltblütig versicherte, sie sei ein anonymer Brief und in den himmlischen Räumen nicht bestellbar.

Die arme Schlapperbach seufzte, daß es herzbrechend war. Sie seufzte über ihre verlorene Jugend und ganz im Geheimen darüber, daß sie sich nur Unterlassungssünden vorzuwerfen habe. Nur ein einziges Mal erschien in ihrer düsteren Phantasie, wie ein zuckender Blitz, ihr eigenes weißes Nachtgewand, das ein junger Mann mit profanen Blicken betrachtet hatte, aber ein junger Mann von oberflächlicher Gemüthsart, denn er hatte sich nur. um die äußere Hülle bekümmert, ohne dem innewohnenden Kern auch nur einen Blick zu schenken. Vorbei, vorbei!

Unterdessen nahte sich der große Augenblick. Der besessene Schneider bekannte sich zu der Idee, es sei ihm in diesem Augenblicke gerade zu Muthe, als würde ihm eine Katze, die in den Hals hinabgekrochen sei, rückwärts am Schwänze wieder herausgezogen. Herr Quabbler war groß in diesem Augenblicke. Seine braunrothe Gesichtsfarbe spielte ins Bläulich-Violette; er schloß seinen Mund gar nicht mehr, ja, die sich immer mehr steigernden Beschwörungsformeln schienen unmittelbar aus seinem Bauche aufzusteigen. Er hob die Hände gegen den zuckenden Schneider, und als er nun das große Wort aussprach: Praecipio in nomine Domini, vade, Satana! da – – sprang die Thür auf, und Madame Schwörer erschien in sehr unlieblicher Gestalt. Ohnehin durch das Treiben in ihrem Hause aufgeregt, hatte sie vor dem Zimmer Einiges von dem gesprochenen Unsinn erlauscht und geberdete sich allerdings etwas auffallend. Ihre Haube hatte sich durch das hastige Eintreten verschoben und saß ihr auf dem Kopfe, wie der Hut einem betrunkenen Handwerksburschen; den linken Arm hatte sie in die Seite gestemmt, und in der rechten Hand trug sie das oben erwähnte buchsbaumene Ellenmaß. Zu ihrer Erheiterung trug es gerade nicht bei, daß sich im Augenblicke ihres Erscheinens die Jungfer Schlapperbach ängstlich an den Meister Schwörer anschmiegte, vielmehr las sie sich diese arme alte Jungfer als erstes Opfer ihrer Wuth aus, faßte sie hinten am Genick, schwang sie wie einen Haderlumpen und schleuderte sie gegen das Sopha, wo sie zusammenknickend auf den befreiten Elberfelder niederfiel.

Darauf nahm Madame Schwörer eine gute Portion Athem, blickte die überraschte Versammlung an und schrie mehr als sie sagte: »So, ihr Teufelspack, ihr wollt böse Geister austreiben? Und weder dazu, noch zu eurem höllischen Kaffee wurde ich, die Hausfrau, eingeladen! – Nun, dann wird es euch auch nicht wundern, wenn ich ungeladen erscheine, sehr ungeladen, und euch einlade, euch nach Hause oder meinetwegen zum Teufel zu scheren.«

»Weib!« rief Meister Schwörer, der sich wunderbarer Weise am ersten aus seiner Erstarrung erholt hatte, – »Weib, du wagst es?«

»Was wage ich, sauberer Zacharias? Freilich wage ich viel, eine einzelne Frau gegen eine solche Teufelsbrut! Aber ich sage dir, mein Ellenmaß hält aus, und wer obendrein mit meinen zehn Fingern zu thun bekommt, der wird ein paar Tage an mich denken! – – Ist es nicht eine Schande von euch allen?« fuhr sie in erneuter Wuth nach einem festen Rundblicke fort. »Da ist der Herr Meier!« schrie sie mit gellender Stimme, und machte dabei einen tiefen und sehr komischen Knix; »und der Herr Müller!« – abermaliger Knix – »und da Herr Fischer?« – dritter Knix. – »Habt ihr Scham im Leibe? Aber was spreche ich mit euch? Nichts habt ihr im Leibe und in euren Gedanken, als Wucherei und zu leichtes Gewicht. Du Mehldieb!« wandte sie sich speziell an Herrn Fischer.

Nun war diese letzte Aeußerung dem also gekränkten Bäcker doch etwas zu stark. Es schien ihm in den Fingern zu zucken, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn nicht in diesem merkwürdigen Augenblicke Herr Quabbler, alle Gefahr, die ihm von Ellenmaß und Nägeln drohte, gering achtend, mit aufgehobenen Händen vor die Wüthende getreten wäre, in die Höhe gerichtet, ruhig, groß, erhaben! – –

Geneigter Leser! Hast du den Propheten gesehen? Wir meinen den Meyerbeer'schen. Erinnerst du dich einer ähnlichen Scene aus dem vierten Acte, wo der Prophet seiner Mutter gegenüber tritt, mit aufgehobenen Händen, ebenfalls ruhig, groß und erhaben, wie Herr Quabbler? Dort spricht Ian von Leyden: »Rührt nicht an das Haupt jener Frau; seht ihr nicht, daß Wahnsinn ihren Geist umflort?« Hier sprach Herr Quabbler: »Zieht euch zurück, ihr Gläubigen, seht ihr denn nicht, daß der Teufel, welcher siegreich beschworen, in den Körper dieses unglücklichen Weibes gefahren ist?«

»Ja, ja,« rief der Bäcker Fischer, indem er einen Schritt zurücktrat, »sie hat den Teufel im Leibe.«

Und der Meister Schwörer schlug die Hände vor das Gesicht und klagte jammervoll: »O, meine Ahnung! Das habe ich lange vermuthet! – –«

Nun gibt es aber bei den schwersten Gewittern Augenblicke, wo nach furchtbarem Wüthen und Toben der Himmel erschöpft zu sein scheint, wo die blaßfarbene Masse des schweren Gewölks bewegungslos über den Häuptern der ängstlichen Menschheit droht, wo der Wind nicht mehr im Stande scheint, die Bäume in seinem Grimm niederzubeugen, sondern wo die armen erschreckten Blätter sich nur zitternd an ihren Stielen bewegen, etwas Entsetzliches befürchtend nach dieser unverhofften, unheimlichen Ruhe in der Natur. – –

Auch im Zimmer des Meisters Schwörer stand Alles wie erstarrt. Das Gesicht des Herrn Quabbler war anzuschauen wie die bleifarbene, röthlich angestrahlte Wolke; in den Mienen der Madame Schwörer zeigte sich etwas, das einen neuen furchtbaren Ausbruch des Sturmes prophezeite, und die Schlapperbach auf dem Sopha zitterte in den sie schützenden Armen des Elberfelders, wie ein Blatt an seinem Stiele.

Da fuhr ein jäher Blitz hernieder auf das Haupt des unglücklichen Schneidermeisters. Denn in der hinter Madame Schwörer offen gebliebenen Thür zeigte sich jetzt plötzlich eine lange, finstere Gestalt in schwarzem Mantel, unter dem es feuerfarben hervorstrahlte, einen röthlichen Hut auf dem Kopfe, und blickte mit schwarzen, glühenden Augen und einem Zug unbeschreiblicher Verachtung um die zusammengekniffenen Lippen auf die sonderbare Versammlung. Meister Schwörer war in diesem Augenblicke krampfhaft hinter Herrn Quabbler gesprungen, hatte ihn am Rockkragen erfaßt und so heftig nach hinten gerissen, daß dieser Edle das Gleichgewicht verlor und sich nur auf den Beinen zu erhalten vermochte, indem er nach dem Arme des Bäckermeisters Fischer griff und selbst diesen um ein Haar mit zu Boden gerissen hätte.

»Da, da, da ist er!« schrie Meister Schwörer, »in leibhafter Gestalt, wie er mir neulich Nachts erschien! O, nun sind wir alle verloren!«

Dabei stierte er mit entsetzt aufgerissenen Augen so nach der Gestalt an der Thür, daß alle Anwesenden diesen Blicken folgten, erschrocken davor zurückwichen, und daß selbst Madame Schwörer, die doch nicht an Uebernatürliches glaubte, etwas vor der fremden Erscheinung zurücktrat. Diese machte einen langen Schritt in das Zimmer hinein, und als sie die auffallende Verwirrung auf allen Gesichtern bemerke, lächelte sie und nahm als höfliches Phantom den Hut vom Kopfe. Auch war die lange Gestalt im Begriff, den Mund zu öffnen, um über ihr plötzliches Hereintreten einige passende Worte zu sagen, als an diesem Nachmittage der Ereignisse sich ein neues begab, welches den gewiß freundlichen Gesinnungen des Eingetretenen plötzlich eine ganz andere Richtung gab.

Weiß der Teufel, welcher Teufel plötzlich in die Schlapperbach hineingefahren war – genug, sie erhob sich zitternd vor Alteration vom Sopha, und als sie den Ausruf des Meisters Schwörer gehört, dies sei der leibhaftige Teufel, der ihm neulich erschienen, rief sie kreischend aus: »Alle Gläubigen sind berufen, sich mit der Hölle in einen Kampf einzulassen! So will ich denn siegen oder untergehen!«

Mit diesen Worten schnellte sie mit einer größeren Energie, als man ihr je zugetraut hatte, auf den Eingetretenen los, und ehe dieser seinen langen Mantel zurückwerfen konnte, fuhr sie ihm mit allen zehn Fingern in das Gesicht, und wo diese seine Wange oder seine Nase berührten, da rieselte augenblicklich das Blut herab. Daß die Schlapperbach nach diesem Attentate wie ein Flederwisch zu Boden und in Ohnmacht fiel, versteht sich ganz von selbst; man achtete auch in diesem furchtbaren Augenblicke nicht weiter auf sie, und sie wäre vielleicht bei der nun erfolgenden Scene unter die Füße getreten worden, wenn nicht der dankbare Elberfelder sie wie ein Kleiderbündel ergriffen und in einen Winkel geschleppt hätte.

Daß die lange Gestalt nach diesem mörderischen Angriffe auf ihre Nase im ersten Augenblick an dieser herunter schielte, versteht sich von selbst; doch hielt Meister Schwörer dieses Schielen für einen Anfang höllischer Wuth und verbarg sich hinter Herrn Quabbler. Dieser, dem das Bluten des vermeintlichen Teufels doch etwas sonderbar vorkommen mochte, hätte sich ebenfalls gern aus dem Bereich von dessen langen Armen zurückgezogen, konnte aber wegen des hinter ihm befindlichen Schneiders, der krampfhaft seinen Rock gefaßt hatte, keinen Schritt rückwärts machen und erwartete deßhalb mit aufgehobenen Händen die Anrede des Fremden.

»Ist das eine Art, ihr Lumpenpack,« rief dieser im höchsten Zorn, »einen harmlos Eintretenden zu behandeln? Und hat Keiner von euch, die ihr wie Männer ausseht, den Muth, ein verrücktes Weibsbild festzuhalten? Was den Ausruf jenes tollen Schneiders, der sich jetzt feige verkriecht, anbetrifft, so kam ich ja eben hieher, um ihm in aller Güte zu beweisen, daß ich weder ein Teufel, noch ein Phantom bin. Und wer es nicht glauben mag, daß ich anzufühlen bin, wie jeder andere ehrliche Mensch, der komme in meine Nähe, und es soll mich freuen, seine genaue Bekanntschaft zu machen.«

Madame Schwörer hatte mit richtigem Blicke diesen Retter in der Noth erkannt, und da sie sich von der langen Gestalt einen kräftigen Schutz versprach, so zauderte sie nicht einen Augenblick, sondern drang auf ihre verhaßte Feindin, die Wendeling, ein, riß ihr die Haube vom Kopfe, schlug sie ihr ein paar Mal um die Ohren, und als sie sich hierbei umwandte und nun zufälligerweise in die Nähe des Herrn Quabbler kam, führte sie einen so mächtigen Streich nach dessen dicker Wange, daß es laut patschte und der Geschlagene unwillkürlich nach der erzürnten Frau griff.

Dies war nun der Moment, wo die lange Gestalt zum Schutze der Frau eintreten zu müssen glaubte und seinerseits nach der Halsbinde des Herrn Quabbler griff, um ihn zurückzuhalten. Dabei rief er aus: »Ein Teufel bin ich in der That nicht, aber ihr scheint mir alle den Teufel im Leibe zu haben; und da es wohl nichts schaden kann, ihn aus euch zu vertreiben, so will ich mit Hülfe meines spanischen Rohrs an diese Arbeit gehen, ihr unsauberes Volk, ihr!«

Alsbald hob sich auch der Stock der langen Gestalt und fiel so kräftig auf den breiten Rücken des Herrn Quabbler, daß dieser laut aufschrie und zurückfahrend den Meister Schwörer so heftig gegen Herrn Meier andrückte, daß dieser, um sich vor dem gewaltigen Stoß zu retten, auf die Seite fuhr. Doch verlor er dabei das Gleichgewicht, stürzte auf Herrn Müller, der sich nun nicht halten konnte und den Kopf voran auf die lange Gestalt losschoß. Herr Müller war dabei ein Mann von ziemlichem Muthe, und da es ihn in tiefster Seele schmerzte, seinen Propheten so behandelt zu sehen, so machte er aus der Noth eine Tugend und ergriff den Eingetretenen am Kragen, um wenigstens den schwachen Versuch zu machen, ihn zur Thür hinaus zu werfen. Herr Larioz aber stand anfänglich wie eine Mauer, ja, wir müssen gestehen, daß sein Auge wie verklärt aussah, als er nun sein langes spanisches Rohr wie ein Schlachtschwert gebrauchte und dabei mit kunstgerechten Hieben die ganze Versammlung der Reihe nach bedachte. Doch war er am Ende nicht im Stande, den gewaltigen Anprall der fünf Männer aufzuhalten, weßhalb er sich fechtend zur Thür zurückzog. Dies gab den Andern Muth, ihm mit Stößen und Schlägen hastiger zu folgen; so wurde er allmälig an die Treppe hingedrückt und fühlte mit einem Male, daß es hinter ihm hinabging. Mit großer Geistesgegenwart warf er sich in diesem Augenblicke wieder einen halben Schritt vorwärts, erfaßte glücklicherweise die Halsbinde des Herrn Quabbler, und da er diesen kräftig festhielt, der Prophet aber in keiner Weise einen rechten Halt gewährte, so riß er ihn mit sich die Treppe hinab, nicht ohne daß Meister Schwörer gefolgt wäre, der den rettenden Rock seines Vormannes nicht loslassen wollte.

So polterten alle Drei ins Haus hinab, glücklicherweise ohne sich besonderen Schaden zu thun; doch hatte sich Herr Larioz etwas an der rechten Hüfte verletzt. Herr Quabbler kam mit einem leichten Erstickungsanfalle davon, veranlaßt durch die zugedrehte Halsbinde, und nur Meister Schwörer hatte das Unglück, mit dem Kopfe gegen den Treppenpfosten zu fallen, so daß er einen Augenblick wie besinnungslos liegen blieb.

Droben war es indessen nach dem gewaltigen Gepolter todesstill geworden.

Müller, Meier und Fischer dachten schaudernd an drei gebrochene Hälse, und selbst die beiden Weiber vergaßen ihren Zorn; ja, Madame Wendeling, als die Besonnenere, lief ans Fenster, um dort Ausschau zu halten, ob sich keine Polizei blicken lasse; Madame Schwörer aber eilte, nachdem ihr erster Schrecken vorüber war, die Treppe hinab, um nach ihrem Manne zu sehen, der unterdessen von dem herbeigekommenen zweiten Gesellen und dem Lehrjungen wieder auf seine zitternden Beine gestellt worden war. Er bot einen gar kläglichen Anblick, er hielt den Kopf gesenkt, von seiner Stirn tropfte das Blut herab, und sein Gesicht war mit einer erschreckenden Blässe bedeckt. Dadurch verschwand aller Zorn aus dem Herzen der Frau, sie nahm ihn mit dem Ausruf: »Ach, Zacharias, was sind das für schreckliche Sachen!« in ihre Arme; und Zacharias ließ sich nehmen, wie ein kleines unbeholfenes Kind.

Daß Undank der Welt Lohn ist, erfuhr Herr Larioz. In nichts weniger als freundlichen Ausdrücken versicherte ihm die Meisterin, er habe Unglück Über ihr Haus gebracht, seit seinem ersten Erscheinen an jenem denkwürdigen Abend und dann heute wieder, da er schuld sei, wenn ihr Mann von dem Treppenfall, wie das schon häufig vorgekommen, zeitlebens ein Simpel bleibe.

Nur mit Mühe konnte der von Jungfer Schlapperbach Zerkratzte wieder zu seinem Hute gelangen, den ihm der Schneiderlehrling wie eine werthlose Sache die Treppe hinab warf. Im Hausflur wischte er sich nothdürftig das Blut von der Nase und den Wangen und bedurfte des kräftigen Stützens auf das spanische Rohr, um nicht gar zu auffallend hinkend nach seiner Wohnung zurückzukehren.

Meister Schwörer wurde zu Bette gebracht, und statt daß er wie früher die Ermahnungen seiner Frau, er solle doch einmal von jenen traurigen Geschichten, die das ganze Hauswesen zu Grunde richten, ablassen, mit den kräftigsten Gegenreden zurückgewiesen hätte, nicke er heute stumm mit dem Kopfe, ja, zuweilen fuhr ein Lächeln über seine trüben Züge, wenn er vor sich hin murmelte: »Also war es wirklich kein Teufel, und so hat er auch den Gottschalk nicht geholt!«

Die Kaffee- und Beschwörungsgesellschaft droben verlor sich lautlos. Wer zuerst und zuletzt ging, wird man nie mit Bestimmtheit angeben können. Müller, Meier und Fischer, sowie auch der Elberfelder müssen die Stiege hinabgeschlichen sein, wie begossene Hunde, ebenso Madame Wendeling und Jungfer Schlapperbach. Aus der Treppe hatte sich auch nicht der leiseste Tritt vernehmen lassen, und als Madame Schwörer nach einer halben Stunde droben nachsah, fand sie wohl Kaffeetassen, Kannen und Teller zerbrochen am Boden, aber im Uebrigen war die Luft wieder rein von allen unsauberen Geistern.


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