Karl Gutzkow
Der Zauberer von Rom. III. Buch
Karl Gutzkow

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

144 14.

Während nun Thiebold vorläufig, d. h. mit der ihm eignen »selbstverständlichen Discretion«, aber doch »stark auf Enthüllung« wartend, durch das geöffnete Schiebfensterchen des Wagens eine glühende Schilderung der Sehnsucht nach diesem Sonntag, eine Schilderung der Spannung seiner Gefährten, der Enttäuschung, daß das ganze Begegnen mit den Stiftlerinnen und vorzugsweise mit Armgart scheitern mußte, entwarf; während er ihr, oft durch das Schleudern des Wagens im Redestrom unterbrochen, die Versicherung gab, daß sie dieser Wagen, wenn sie danach Verlangen trüge, bis ans Ende der Welt fahren könnte – die Phrase: »vorausgesetzt, daß ich Sie begleite«, verlor sich in einem Wurf in die Sitzecke –; während er mit jener ihm ganz eigenthümlich angehörenden Lebhaftigkeit der Demonstration, theils auf die Wege wetternd, theils dem Kutscher commandirend, theils seinen Hut von den Folgen der Räderung herstellend, mimoplastisch auseinandersetzte, daß nur an jeder Station neue Postillonspferde nöthig wären, um mit ihm kuriermäßig bis an die Pforten des Himmels oder der Hölle zu reisen; während er endlich mit allen Zeichen damaliger Telegraphik schilderte, daß seine verblüfften Freunde entweder in Drusenheim übernachten oder auch vom Wirth anspannen lassen könnten, waren sie jetzt bei der Stelle angekommen, wo im Schilfe Armgart ihr 145 Bündel geborgen hatte. Weithin trieb schon der Kahn auf die Höhe des Stromes zu –

Mit der Versicherung, er gäbe, wenn der Kahn nach Holland schwämme, was nicht vorauszusetzen, der lindenwerther Schifferinnung zum Ersatz eine Bark mit zwei Masten, mit Vorder- und Hinterdeck, mit Bramsegel, Reffsegel, mit u. s. w., stieg Thiebold aus, um das vielbesprochene, wenn ihm auch noch völlig räthselhafte Bündel mit Gefahr seiner, heute trotz des Regens in bequemen Wirthsstuben geschont gebliebenen Lackstiefel herbeizuholen –

Darüber hatte Armgart einige Minuten Zeit, ihrer Lage nachzudenken – Mit Thiebold sollte sie weiter reisen? Mit ihm so allein hinaus in die Welt –? – O Gott –! Aber Thiebold kommt schon zurück – Schon schleppt er das Bündel, das er höchst federleicht findet, das ihn aber keuchen läßt wie bei Cyklopenarbeit – Er bittet um Entschuldigung, wenn sich vielleicht in dem Bündel vom Schilf her einige Frösche eingenistet hätten – Er wagt die leise Frage, ob das vielleicht die Wäsche des Instituts wäre, die Armgart nach klösterlicher Sitte in dieser Woche zu besorgen und noch spät in die Sieben Berge, vielleicht zu einer dort »vielleicht etablirten Wäscherin« zu transportiren hätte, in Begleitung eines »vielleicht zufällig eben ertrunkenen Schiffers« – er gesteht, »nicht begreifen zu können«, warum sie bei soviel Sinn für Wirthschaft und Reinlichkeit soviel Angst hätte, selbst vor harmlosen Wanderern, die eben des Weges daherkamen – und wie denn überhaupt, mein Fräulein, wenn ich mir die gehorsamste Bitte erlauben dürfte um ein klein wenig mehr Gas als Mond. d. h. Aufklärung über Wie? Wo? Warum? Und was nun et caetera?

Jetzt aber ereignete sich eine jener Fügungen, die uns zuweilen noch das Weltverhängniß zum holden Kindermärchen 146 machen können. Der liebe Vater im Himmel sitzt uns dann trotz unsers Skepticismus immer noch mit einem langen Barte auf den Wolken und fügt die Schicksale der Menschen mit sichtbarer Hand, ja er greift persönlich hinein mit überall liebevoll nachhelfendem Finger. Von hundert Menschen, die da schon gegen zehn Uhr Abends, während der Mond nunmehr ganz und voll aufgegangen war, noch am Ufer hätten stehen und sich nach einem Nachen umschauen können, der sie so spät noch übersetzte, muß gerade der Eine daherkommen, der zwar nicht mit melodischem Wohllaut das Lied vom Ritter Toggenburg intonirt hatte, dem es aber, nach dem Kloster zu Lindenwerth hinüberschauend, mit der ganzen Sehnsucht seines Herzens tiefinnen klang. Hatte es doch – für Benno, heute sogar am Sonntag, diesseit des Stromes »Aufnahmen« gegeben hier und dort! Aufnahmen, die an Ort und Stelle zu machen waren! Die süßeste Hoffnung, die von gestern auf heute sich erfüllen sollte, vom Abschied beim Einsteigen in den Nachen bis zu einem Wiedersehen im Enneper Thal oder auf der Insel selbst oder heute irgendwo und irgendwie, hatte scheitern müssen am Wetter und den verschlimmerten Wegen, theils auch an der gegen alles Erwarten sich herausstellenden Bedeutung der Aufträge, die er zu vollziehen vorfand. Nun aber trieb ihn noch ein anderes gegebenes Wort wenigstens für den Abend zur beschleunigten Eile. Nück hatte ihm beim Abschied gesprochen: Herr von Asselyn! Sie sind ein junger unterrichteter und für die praktische Auffassung des Lebens, die nur allein eine Zukunft hat, disponirter Mann! Aber in vielem sind Sie noch völlig Tabula rasa! Ich will Ihnen wünschen, daß das Leben bessere Zeichen auf Sie schreibt, als zehnjährige Seufzer bis zu einem Assessorat in Schöppenstädt mit fünfhundert Thalern Gehalt! Sie kennen unsere gespannte Lage mit der Regierung! Sollten Sie vielleicht im Roland bei Joseph Zapf 147 oder sonstwo Leute finden, die uns nicht eher geholfen glauben, bis nicht alle die aus dem Lande gejagt sind, die nicht an die sieben Sakramente glauben, so lassen Sie sich mit den dummen Leuten in keine philosophischen Erörterungen ein, sondern schonen Sie menschliche Schwächen! Ich höre, bei Zapf gehen Narren aus und ein, die sich einbilden, es brauchte nur 24. August im Kalender zu stehen und man könnte sogleich die Sainte-Barthelemy auch einmal bei uns aufführen! Klären Sie diese Leute nicht philosophisch auf! Geben Sie ihnen nur ein wenig mehr Einsicht in die Gesetze! Verweisen Sie sie auf das, was unter allen Umständen als Anlehnung Stand hält, wenn wir uns gegen die Neunmal-Weisen anstemmen müssen, auf das Edict vom 28. Germinal des Jahres X der fränkischen Republik, das Besitzergreifungspatent von 1813, die Bulle De Salute animarum von 1821. Denn darüber, denk' ich, sind wir einig, daß bei uns Kirche und Gemeinde darauf halten sollen, »nach ihren eigenen Gesetzen zu leben«. Lieber ein Weltbrand, als ewig unter der Herrschaft der Achselklappen mit den numerirten Knöpfen! Lieber zum Frühstück fricassirt von französischen zu Marschällen avancirten Köchen, als zerrissen von russischen Wölfen! Zwei Alternativen hat die Welt nur: Czernebog, den Großen, oder Rom –! . . . Alles das fühlte Benno anders, doch wollte er nicht fehlen unter Leuten, die von Sturmglocken sprachen und das Wort: »Von Berg zu Berg die Feuerzeichen anzünden« schon aus gedruckten fliegenden Blättern, aus Liedern und laut gesungenen Reimsprüchen wiederholten. Auch dem in der That damals wirklich »beschränkten« und von Ministern beinahe mit Recht verhöhnten »Unterthanenverstand« wollte er die Thorheit der Sensen und Aexte verweisen, mit denen die Bauern verlangten in die Städte geführt zu werden. Es gefiel ihm sogar, daß Stephan Lengenich übernehmen sollte, einen großen Rath- und 148 Hülfsverein im ganzen Lande zu begründen, einen Bund von Meistern und Gesellen, einen Handwerkerverein, wie sie damals aller Orten im deutschen Vaterland und zur Anbahnung besserer Zeit auftauchten und von denen der Severinusverein nur erst ein schwaches Vorbild war. Schon sah Benno mit scharfem Auge im Roland drüben die Fenster des zweiten Stockes erleuchtet. Er verwünschte seine Verspätung bei der ihn wie ein Verhängniß lockenden Erörterung. Einen Nachen suchte er jetzt und war, da er keinen fand, gerade im Begriff, schnellen Schritts auf einige Schifferhütten zuzueilen, die noch einige tausend Schritt zu Berg entfernt lagen. Da sieht er einen Wagen daherjagen und so dicht dem Ufer zu, als sollte ihn eine Fähre aufnehmen. Diese Fähre sucht' er nun mit. Wie mußt' er erstaunen, als jemand von dem Bedientensitz des Wagens springt, am Ufer im Röhricht krebst, dann mit einem großmächtigen Bündel zurückkehrt und endlich vollends, als er sieht, daß dieses, wie es schien, Schmuggel treibende Individuum niemand anders war als sein närrischer Freund Thiebold de Jonge!

Ja, aber ums Himmels willen! Was haben Sie denn da vor? rief er ihm schon aus der Ferne zu.

Thiebold, vollkommen wissend, daß ganz gut Benno in der Nähe sein konnte, und darum auch schnell sich zurecht findend, antwortete sogleich mit einem Bedeuten um geheimnißvolle Stille und mit dem Winke, das »federleichte« Bündel mit aufladen zu helfen.

Mit den langgezogenen, völlig noch ungewiß tastenden Worten: »Aber – Sie sonderbarer – Schwärmer –!« trat Benno näher. Nun sieht er in den Wagen und sieht Armgart und Armgart sieht ihn, erkennt ihn und ruft: Jesus! Benno –! Benno steht sprachlos. Thiebold klärt auf, soweit er kann, stopft das Gepäck hinein, ruft dem Kutscher den Namen eines Ortes zu, 149 als den der ersten Poststation, und steigt windschnell wieder hintenauf. Er scheint vorauszusetzen, daß Benno, dem allem wie etwas Unglaublichem zustaunend, dem tolldreistesten aller Menschen in die mondhelle Nacht hinaus die Königin seiner Träume wie zur Entführung überlassen soll.

Ein Augenblick jedoch – und auch Benno sitzt oben dicht neben Thiebold und der Roland und die Kirche und der Staat und der 28. Germinal und die Bulle De Salute animarum sind vergessen.

Armgart sieht alles voll Seligkeit und hätte nun am liebsten alle beide zugleich hereingerufen. Sie hätte Benno die Hand drücken mögen vor Freude über die doppelte Hülfe. Aber schon flogen die Rosse zur Chaussee hinauf und auf dieser dann funkenstiebend weiter und weiter. Der Kutscher merkte schon, daß hier Romantik im Spiele war, und dem Drusenheimer allein hatte auch er nicht zugesprochen.

Endlich hatte sich Armgart gesammelt und machte bereits, wenigstens durch das Schiebfenster, so viel Geständnisse, als nöthig waren, um von Benno nun Vorwürfe und ernste Ermahnungen zu erhalten. Darüber drängte ihn Thiebold, als »unerträglichen Pedanten«, vom Schiebfenster weg und klagte über Mangel an Raum. Und als dann Benno mit »Vernunft und Besonnenheit« nicht enden wollte, verwies ihn Thiebold vorn auf den Kutscherbock, worüber beide jetzt unter sich in einen freundschaftlichen Hader geriethen.

Am Ufer aber hinfahrend hatte Armgart alles drüben auf der Insel still gefunden und im Geiste der guten Angelika gedankt, die ihre Flucht sicher nicht verrathen, sondern gewiß zur suchenden Mutter von einem Versteck auf der Insel selbst gesprochen hatte.

So fuhren sie schon unterhalb des Geierfelsen dahin. Je 150 weiter aber die Insel und der Fluß verschwanden, desto mehr verlor sie die Besinnung und alle ihre Gedanken fingen an ihr zu vergehen.

Was sie von dannen trieb, glaubte Benno jetzt zu errathen – Die Mutter war angekommen –! Er theilte Thiebold seine Vermuthung und seine Auslegung der ihm so nur erklärlichen Flucht mit.

Als Thiebold, der natürlich die Rechte des Vaters, seines »Lebensretters«, weit über die der Mutter stellte, sich in Armgart's heroischer Herzensthat staunend zurecht fand, wurden sie plötzlich von Pferdehufen und von Säbelklappern aufgeschreckt. Vier bis fünf Gensdarmen ritten an ihnen vorüber. Benno erkannte Grützmacher und Schulzendorf; diese erkannten ihn.

Herr von Asselyn! hieß es mit harmlos überraschtem Ton. Wo wollen Sie denn so spät noch hin?

Thiebold, zwar vorlaut wie immer, jetzt aber etwas eingeschüchtert, nannte die nächste Station.

Major Schulzendorf blickte in den Schlag des Wagens. Er sah eine junge Dame. Auf Damen lauteten die Ordres nicht. Paschol, Herr Freiwilliger! rief Grützmacher mit einem jener der Herrschaft des großen Czernebog angehörenden und 1813 in Deutschland zurückgebliebenen Kosackenworte und erinnerte mit dieser Anrede den jungen Demagogen daran, daß er seine Gesinnung schon neulich als auf »Anno Köpenick« deutend befunden hatte.

Der Wagen fuhr von dannen. Und an einem der Kreuzwege hielt wiederum ein berittener Gensdarm.

Was geht denn hier vor? fragte Thiebold höchst erstaunt und von großer Sammlung und Vernunft plötzlich.

Benno ahnte, daß er einer Gefahr entronnen war. Diese Zusammenziehung von Bewaffneten stand ohne Zweifel in 151 Verbindung mit jener geheimnißvollen Versammlung drüben im Roland. Seine Empfindungen über diese Vermuthung schloß er stumm in sein bewegtes Herz.

Die jungen Männer beschlossen, den räthselhaften Flüchtling die Nacht über zu begleiten, bis sie irgendeine der Postrouten erreichten, wo Armgart die Diligence besteigen konnte, um an den mehrfach von ihr genannten Ort ihrer nächsten Wünsche zu kommen, ins Stift Heiligenkreuz bei Witoborn oder nach Westerhof zu Paula.

Als es dann immer höher und höher ins Gebirge hinein ging, lag die Gegend den Rückblickenden im Mondlicht so geisterhaft und märchenhaft, wie ihnen ihre eigene Stimmung. Der Strom, die Berge, die Ortschaften, alles wie verklärt. Ein einziger stiller Friede ausgebreitet über soviel Leidenschaft, soviel Haß, Kampf und Gefahr. Dabei stiegen dann noch Raketen auf aus den Weinbergen, wo man frühzeitig die Weinlese begonnen – alles so harmlos, wie zu Lust und Freude.

Immer lauschiger wurde es am Wege ringsum und dunkler wurde der Wald zum Gebirge zu. Eine Abtei lag in zertrümmerten, von Buschwerk überwucherten Rundbogen, wie ein Zufluchtsort mitternächtiger Geister. Wie schlummernd ragten ringsum die Tannen. Nur die Fledermäuse huschten auf und die kleinen Schlangen eilten, über den Weg hinwegzukommen, fliehend vor den jetzt langsam bergauf ziehenden Rossen. Aus dem Walde tönten so seltsame Laute, wie vom Fuchs auf dem Raube, wie von der Eule, die nur des Nachts die Augen öffnet. Ein großer dunkler Vogel flog quer über den Weg, so mächtig, so weitausgeflügelt, als wär' es ein Adler –

Da kam ein neues Piket von Gensdarmen. Es umringte ein offenes Wägelchen, das rasch an ihnen, niederwärts, vorüberglitt. Erst als sich Benno über diese neue Begegnung mit den 152 Wächtern der öffentlichen Sicherheit gesammelt hatte, fiel ihm die Gestalt auf, die auf dem Wägelchen gesessen. Zusammengekauert, im bloßen Kopfe, eine Pferdedecke über die Schulter geworfen, hatte jemand dagesessen und vor sich hingeblickt mit stieren Augen, wie die Augen der Hyäne leuchten mögen beim nächtlichen Raube, wenn sie vom Wege, die Löwen schon am Platze fürchtend, angstvoll zur Seite schleicht. Vor und neben dem Gefangenen saßen zwei Männer in bürgerlicher Tracht, fest und aufrecht.

Anfangs glaubte Benno, nur seine Phantasie spiegelte ihm die Entdeckung des Mörders der Frau von Buschbeck in Jodocus Hammaker vor. Indem trabte ein Reiter an ihnen vorüber, in grauem Militärmantel mit rothem Kragen. Der Mantel schlug im schnellen Vorüber auf. Der Reiter war ein Bürgerlicher. Assessor von Enckefuß! rief Benno ihm nach . . .

Der Reiter hörte nicht.

Thiebold war schon lange in eigenthümliche Gedanken versunken und schien für jeden äußern Eindruck abgestorben. In größter Aufregung fuhr Benno fort: Nun, mein Freund, da sehen Sie, wie »diese Menschen«, wie Sie sie neulich zu nennen beliebten, die Augen offen haben und am rechten Platz Muth und Kraft in Muskeln und Adern!

Wie so?

Bemerkten Sie denn nicht eben –?

Was?

Keine Täuschung! Man holte den Mörder der Buschbeck ein –

Wovon sprechen Sie?

Sahen Sie denn nicht –?

Wen?

Den Assessor von Enckefuß –

Ich glaube, Sie träumen!

153 Eine eiserne Zeit wird kommen! Nicht sechs Wochen ins Land –

Sechs Wochen, glauben Sie, daß diese Reise –?

Ich begreife – was Dante zu den Ghibellinen zog!

Und während jetzt Thiebold, völlig unfähig, den Gedankengängen Benno's zu folgen, seine in solchen Fällen gewöhnliche Wendung: »Warum haben Sie nur ewig die Malice, in meiner Gegenwart gelehrt zu sein! Wer war dieser Dante? Wer sind die Ghibellinen?« heute wie abwesend und wie über den Sänger der Hölle und des Fegfeuers und des Paradieses durchaus unterrichtet unterdrückte, klopfte Armgart von drinnen an das Fenster und bat mit zagender Stimme, da es draußen gewiß bitter kalt sein würde, die Freunde möchten doch hereinkommen.

Benno und Thiebold fühlten, daß diese von Armgart gesprochenen Worte nur so auffallend leise tönen konnten vor Thränen. Der Wagen hielt an. Schweigend stiegen die Freunde von ihrem Sitz und begaben sich zu Armgart. Thiebold mit der Entdeckung, die er erst seit einer halben Stunde gemacht: Armgart wird auch von Benno geliebt –! Benno in einer Aufregung, die mit mächtigster Gewalt plötzlich alle seine Gedanken mitten in die Erörterungen zurückversetzte, die von ihm kürzlich mit Bonaventura gepflogen wurden beim abendlichen Wandeln am Stromesufer.

Und wer weiß, ob nicht auch Bonaventura jetzt noch stand und in demselben Nachthimmel seine Zukunft suchte und, durchschauert von bangen Ahnungen, der Worte des alten Kirchenvaters gedachte: »Steh' auf um Mitternacht, blick' in das Heer der Sterne und deute dir die tiefe Stille!« Wenigstens wohnte er, ein Leichenbegleiter in jeder Beziehung, nachdem er dem großen Conduct der endlich zur Nachtruhe gekommenen »Frau 154 Hauptmännin« am Sonnabend gefolgt war, auch Sonntag Nacht dem Officium und den Vigilien bei, die in der kleinen Kapelle neben dem Kreuzgang der Kathedrale am kerzenerleuchteten Katafalk des verstorbenen greisen Domherrn unausgesetzt bis zum Montag Morgen gehalten wurden, wo dann erst sein Vorgänger, in dessen Stelle er nunmehr einrücken sollte, mit seinen »gesammelten Origenes-Lesarten« unter die steinernen Fliesen des Kreuzgangs eingesenkt werden durfte; denn der Sonntag ist – in der katholischen Kirche allein »des Herrn« und hat mit den Gräbern nichts zu schaffen. Für Benno und Thiebold war er diesmal ganz gewiß ein solcher, ein Tag des Glücks und der Freude.

 

Ende des dritten Buchs.


 << zurück