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Eilftes Capitel.

Thomas a Kempis.

Wie kann ich mich ohne dich zurecht finden, Freund, sagte Egon auf's zuvorkommendste und von einem Halbschlafe gestärkt. Wie diese Menschen, die mich hier umgeben, alle so gierig lauern auf meine Winke! Die kleinste Arbeit vergrößern sie durch die Umständlichkeit ihrer Art, sie anzufassen; Alles ist bei ihnen spielendes Riesenwerk. Jeder will seine Nothwendigkeit bezeugen und geht laut, statt leise, klappert mit einem Teller, statt ihn ruhig hinzusetzen, frägt zehnmal über eine Auskunft, die er sich bei gesunder Vernunft selbst geben kann. Der Alte mit dem gewichsten Schnurrbart ist geradezu ein Hanswurst! Es thut mir seines Alters und der Erinnerung an meinen Vater wegen leid, daß ich ihn so lächerlich finden muß. Schon drängte sich die älteste seiner Töchter an mich und will die Befehle über meine Wäsche in Empfang nehmen. Wie ich sagte, ich liebte Dies oder Jenes zur Hand zu haben und mich selber zu bedienen, verspricht sie, in meinem gewöhnlichen Zimmer sogleich diese Anordnungen selbst zu treffen. Ich lese etwas aus den Blättern in den aufgehäuften Zeitungen. Kaum seh' ich auf, so ist die älteste Schwester mit den beiden jüngeren beschäftigt, an den Schubkästen zu poltern und zu ordnen. Ich sehe hin. Sie thun, als merkten sie's nicht. So dienend, so unterwürfig gebehrden sie sich! Die zweite gefällt mir mehr als die jüngste. Diese ist zwar hübscher, jene hat jedoch pikantere Augen. Ich habe das Fenster geöffnet, um nicht nach diesen Geschöpfen sehen zu müssen. Kaum lehn' ich mich da hinaus, so nimmt das Verbeugen und Grüßen kein Ende. Koch und Stallknecht, Küchenmagd und Kehrfrau, Alle machen sich zehnmal auf der Straße zu thun, nur um knixen und grüßen zu können... Von Vorübergehenden werd' ich angestaunt. Ich schlage das Fenster zu. Da ekeln mich aus den Zeitungen, die ich mir allerdings selbst bestellte, diese dummen politischen Verwickelungen an. Ich bin die Herrschaft der Phrasen so müde, daß ich lieber eine Abhandlung über den Dünger lesen möchte, als diese Verhandlungen des Ehrgeizes und der Intrigue. Ich werde mich über Grund und Boden zu unterrichten suchen und dann nach Hohenberg gehen, dort wohnen, dort mit Ackermann Ökonomie treiben.

Louis antwortete nicht auf diesen Erguß der Langenweile und des erwachenden Lebensreizes. Er sah auf dem Tisch zwei Gegenstände, die ihm wichtiger schienen als diese polternden Ausbrüche der Ungeduld eines Kranken, der, endlich genesen, sich in das Geräusch der Welt zurücksehnt und von Einsamkeit spricht! Er sah den für die Gräfin d'Azimont bestimmten Brief und das schwarze Büchlein von der Nachfolge Christi, das durch seine Mithülfe in das Bild der Mutter gekommen war.

Über Letzteres sprach sich Egon, während man in dem Zimmer nebenan das Serviren der Mittagstafel hörte, umständlich und weitläuftig aus.

Was ich bis jetzt in diesem wunderlichen Testamente meiner bemitleidenswerthen Mutter gelesen habe, sagte er, misfällt mir durchaus nicht. Dieser alte Mönch Thomas a Kempis war ein feiner Kopf und hat etwas Vornehmes, das ihn der Bildung zugänglicher macht, als die gewöhnliche ascetische Phraseologie. Er schreibt vortrefflich. Seine Sätze sind kurz und in Antithesen gefaßt, wie bei Montaigne. Er scheut sich nicht, zuweilen einen alten Heiden zu citiren und weiß ihn zweckmäßig mit einer christlichen Vorschrift in Einklang zu bringen. Dabei hat er etwas Weltkluges, ja sogar Etwas, was an den Spruch erinnert: Schicket euch in die Zeit; denn es ist böse Zeit! Oder wol gar an den andern: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben! Ich lese seine Vorschriften mit Vergnügen. Nicht etwa, daß ich dem Willen meiner Mutter gemäß daran denken könnte, nach ihnen zu leben, sie verlangen eine unmögliche Entsagung und mönchische Christlichkeit. Aber sie sind ein System, das an sich nichts Geschmackloses hat. Es liegt eine so gefällige Abrundung in dieser Auffassung des Lebens. Sie ist dabei nicht ohne Heiterkeit und muß es sein, da sie den Namen des Heilandes so leicht, so ohne viel Aufhebens bekennt, wie wir etwa in unserer Zeit von der Vernunft oder, wenn man noch richtiger urtheilen will, von einem großen Genius sprechen, von Schiller und Goethe. Ich kann mir den beispiellosen Erfolg dieses Buches erklären. Es ist in alle gebildete Sprachen übersetzt und vieltausendmal gedruckt worden. Es ist so klar, so rein wie die Luft. Es lehrt die Weisheit, die Demuth und die Bescheidenheit. Man erstaunt freilich, daß darin die Unwissenheit gepriesen wird im Gegensatz dünkelhafter und nur die Zweifelsucht regemachender Gelehrsamkeit. Aber man läßt sich diese Polemik gegen die Bildung schon gefallen, da es doch selbst ein so feiner, gebildeter Geist ist, der mit uns spricht. Dieses Buch, richtig aufgefaßt, müßte kindlich reine Gemüther bilden, besonnene frohe Weltweise voll Demuth und Vertrauen. Leider liegt darin auch ausgesprochen, daß dies Buch ein glänzendes Aushängeschild der Heuchelei und jener vornehmen religiösen Abspannung werden mußte, die man Frömmigkeit und Erleuchtung nennt. Und zuletzt noch Dies: Der Verfasser dieses Buches war ein Communist, lieber Louis!

Ein Communist? fragte Louis erstaunt.

Wohl! sagte Egon lächelnd. Er gehörte einer jener halbgeistlichen Brüderschaften an, die sich im Mittelalter auch unter den Laien bildeten. Thomas aus Kempen, einer holländischen Stadt, war selbst ein Mönch in einem kölner Convicte, aber man kann ihn umsomehr einen mittelalterlichen Communisten nennen, als er außerdem zu einem Vereine gehörte, der sich die Brüderschaft vom gemeinsamen Leben nannte.

Vom gemeinsamen Leben? wiederholte Louis noch überraschter.

Nicht wahr? Das ist ja eure vollkommene Commünauté?

Man sollt' es fast glauben, sagte Louis erröthend. Aber ich begreife wohl, daß darunter nur das gemeinsame Leben in Gott und dem Heilande zu verstehen ist...

Das ist's! sagte Egon. Aber wer sich vom Laienstande ihr anschloß, mußte doch wol die Ansprüche seiner weltlichen Titel und Würden aufgeben, und wenn man sich in eine Art von Phalanstère begab, das man im Mittelalter Convict oder Kloster nannte, so geschah es doch fast unter solchen Bedingungen, wie Ihr communistischen Ikarier es Euch denkt! Man aß aus einer Schüssel, hoffentlich mit mehren Löffeln. Allons donc, Monsieur! Nous sommes servis!

Damit setzte sich der junge Prinz mit Louis zu Tisch.

Er hatte die letzten für Louis so bedeutsamen Worte sehr heiter ausgesprochen. Egon war kein reiner Anhänger der communistischen Ideen seines Freundes und gerieth jedesmal, wenn dies Thema in Anregung kam, mit ihm in einen oft sehr lebhaften Hader. Auch heute bei Tische wurde diese Saite wieder berührt; jedoch viel mäßiger und mit fröhlicheren Tönen als sonst in Paris oder Lyon, wo diese Saite trotz aller Freundschaft oft auch recht brummende Töne von sich gab. Egon hatte, wie wir schon aus seiner Reise mit Dankmar wissen, selbstgewonnene Begriffe vom Staatsleben und der Gesellschaft, und wenn seine Ideen, die er mit vielem Scharfsinn zu entwickeln wußte, auch nahe an gewisse demokratische Lieblingsvorstellungen der Zeit streiften, so war er doch nichts weniger als Communist.

Das Mahl war lange nicht so einfach, als es für Egon's noch mannichfach zu schonenden Körperzustand hätte sein sollen. Auch eine gewisse ihm eigene Sparsamkeit billigte diese Überzahl von Schüsseln nicht. Er gab sehr ernste Verweise über die gemachte Auswahl und erklärte rundweg, er würde künftig jeden Abend vorher sagen, was er morgen essen wolle... Wandstabler verneigte sich bis tief zur Erde und schielte zu Louis hinüber, den er auch in diesem Punkte als einen wahren Dorn im fürstlichen Fleische, als den Störenfried aller standesmäßigen Etikette und gehofften Wiederherstellung der alten herrschaftlichen Zustände betrachtete... und eigentlich mit Unrecht.

Nach dem Essen ruhte Egon ein wenig aus und Louis las im Thomas a Kempis, der ihm plötzlich bedeutsam geworden war... Louis hatte es sehr weit im deutschen Sprechen und Verstehen gebracht. Er mußte ja seinen Ursprung halb von Deutschland und Polen und nur halb von Frankreich herleiten... Thaddäus Kaminski war im Jahre 1794 in der polnischen Insurrection bei Maciejowice verwundet worden. Glücklicher als sein Bruder Stanislaus Kaminski, der in Gefangenschaft fiel und nach Sibirien geschleppt wurde, rettete er sich, in der Flucht von seiner Schwester Jagellona unterstützt, mit Kosciuszko erst nach Deutschland, wo er im Württembergischen Pflege und ein Weib fand, eine Deutsche, Namens Anna Oleander. Verfolgt von dem Einflusse Rußlands floh Thaddäus Kaminski nach Frankreich und ließ sich mit seiner Schwester Jagellona und seinem Weibe in Lyon nieder. Ihr Loos war Armuth. Früh starb Thaddäus an seiner Wunde. Die Schwester Jagellona heirathete einen Industriellen, bei dem sie gastfreundliche Aufnahme gefunden hatten, Namens Armand. Jagellona war nicht mehr jung, als sie, eine gebildete Polin, der Dankbarkeit dies Opfer brachte und weit unter ihrem Stande sich vermählte. Die Revolution hatte die Standesunterschiede hier nicht so sehr verwischt wie das Gefühl der Erkenntlichkeit für den Schutz und die Pflege, den die armen polnischen Flüchtlinge bei den Lyoner Freunden fanden. Jagellona's Sohn hieß, ihrem in Sibirien schmachtenden Bruder zu Ehren, Stanislaus. Stanislaus Armand heirathete die Mutter unsres Louis, eine Französin, und gebar ihrem Gatten diesen Sohn im Jahre 1825, die Tochter Louison ein Jahr später. Diese aus so kosmopolitischen Mischungen zusammengesetzte Familie – gälische, germanische, slawische Elemente begegneten sich hier – stand unter dem patriarchalischen Einflusse der uralten Polin Jagellona Kaminski und der deutschen, ihren Gatten lange überlebenden Großtante Anna Oleander, einer Schwäbin aus dem weiland württembergischen Gebiete der Grafschaft Mömpelgard oder Montbelliard. Die polnische Sprache war in diesem Kreise verschwunden, aber aus Rücksicht auf die Großtante, die des heldenmüthigen Thaddäus Kaminski wegen tief verehrt wurde, hatte sich neben der französischen die deutsche erhalten, die auch Jagellona, wenngleich mit polnischem Accente sprach. Louis Armand, der einzige noch lebende Enkel dieser nun ausgestorbenen Familie, verbesserte sein halbangeborenes Deutsch durch den Umgang mit Egon. Aber mit den deutschen Buchstaben hatte Louis Armand, den neben der Liebe für Egon auch der Trieb nach Anknüpfungen an seinen deutschen und polnischen Ursprung hierhergeführt hatte, mit diesem Druck hatte er seine Noth. Diese kleinen gothischen Buchstaben unsrer Schrift, im Geschriebenen und Gedruckten, waren ihm peinlich. Es wurde ihm schwer, in dem frommen Buche weit zu kommen und zu forschen, ob sich wirklich schon damals ein Anklang der modernen Commünauté, eine mehr als nur geistige Brüderschaft vom gemeinsamen Leben, darin finden lasse...

Gegen vier Uhr hörte er aus dem Hofe den eleganten Landau des Prinzen an die große Aufgangstreppe der untern Flur anrollen und die Bedienten meldeten die beiden andern Theilnehmer nach Solitüde, die Brüder Wildungen...

Louis wollte Egon's Schlummer nicht stören und empfing die Angemeldeten. Siegbert hatte er seit Wochen nicht gesehen, Dankmar war ihm eine ganz neue Erscheinung...

Das Bild, das aufgeschlagene Buch gaben sogleich eine Anknüpfung vertraulicherer Verständigung. Dankmar hatte schon lange ein Vorurtheil, das er anfangs gegen Louis Armand hegte, abgelegt und freute sich seinerseits schon, wie sehr es ihn befriedigen würde, wenn Siegbert an dem Fürsten soviel Gefallen finden würde, wie er schon an Louis gefunden hatte..

Siegbert war auffallend gewählt und fein gekleidet. Beide Brüder gingen in schwarzem Frack, weißen Westen, jenem Costüme, das die Mode erfunden hat, um einem Höheren zu huldigen; weiße Halsbinden, helle Handschuhe fehlten nicht. Ihr guter Takt hatte durchaus nicht die Absicht, in der Vertraulichkeit, die ihnen der junge Fürst gestattete, irgend etwas von jenen Rücksichten aus dem Auge zu lassen, die man unter so nahen Verhältnissen dem geringer in der Welt Gestellten gern erläßt, aber doch immer anerkennt, wenn man sie nicht vergißt... Dankmar war ohnehin mistrauisch. Er konnte sich noch nicht in Egon's aufrichtige Meinung finden. War hier etwas Zufälliges oder Nothwendiges zu so eigenthümlicher Erscheinung gekommen? Er prüfte und legte manchen Dämpfer auf Siegbert's glühende Erwartung.

Denn Siegbert hatte gleich das vollste Vertrauen. Sein gutes Herz ging immer mit ihm durch. Wir kennen ihn genug, um uns zu vergegenwärtigen, was Siegbert empfand, als Dankmar zur Fürstin Wäsämskoi kam und den Bruder aus einem der sonderbaren têtes-à-têtes aufschreckte, die er seit einiger Zeit zwischen der Fürstin und der immer reizender sich entwickelnden Olga beobachten mußte... Siegbert Wildungen war seit jenem Abende, wo er zum ersten male im Garten sich der Fürstin Adele hatte vorstellen lassen, der tägliche Freund jenes Hauses. Sonderbar genug! Anfangs war die Fürstin so kalt, so theilnahmlos gewesen, daß ihr Rudhard darüber sogar einige mürrische Vorwürfe gemacht hatte. Später trat nun das Gegentheil ein und weckte sogar Rudhard's Besorgnisse. Der strenge Richter sah scharf. Gleich am Abend, als Olga die Blumen auf Siegbert niedergeworfen hatte, kam das Kind wie verändert in den Garten zurück. Sie hatte jene halbe Knabentracht abgeworfen, die sie bisher trug, und verlangte in einer ihr eigenen kurzen und fast schneidenden Art eine neue Garderobe. Alle ihre Kleider wären ihr zu kurz. Sie schäme sich so zu gehen, wie sie sich heute in der Reitbahn gezeigt hätte. Sie wolle nicht nur ein langes Reitkleid, wie alle Damen zu Pferde, tragen, sondern auch für das Haus und die Gesellschaft die Tracht der andern jungen Mädchen. Schon hatte sie sich ihre langen Zöpfe zu einer sonderbaren, phantastischen Tracht aufgebunden, die das Gelächter ihrer Mutter und den Spott ihrer Geschwister erregte. Sie hatte die Zöpfe mehrmals wie Ammonshörner oder Schneckengehäuse gewunden und sie halb im Nacken, halb hinterm Ohr festgesteckt. Rudhard fand die Idee allerliebst und geschmackvoll, die Mutter aber abscheulich. Mit einem verächtlichen Blicke, den Olga auf die Mutter warf, als wollte sie sagen: Du bist nur neidisch, daß ich so schöne Haare habe! wollte sie in's Haus gehen. Die Kinder lachten hinter der Schwester her. Da ergriff diese eine Scheere, die von den weiblichen Handarbeiten der Mutter auf dem Gartentische lag, faßte den einen aufgewundenen Zopf und war schon im Begriff ihn herunterzuschneiden, wenn ihr Rudhard nicht den Arm ergriffen, die Scheere entwunden und die heftige und übereilte Zerstörung eines so schönen Schmuckes verhindert hätte. Am folgenden Tage mußten Schneider und Modisten kommen und aus Olga ein andres Wesen formen. Rudhard billigte diese Metamorphose vollkommen, nur die Mutter gerieth darüber in eine eigenthümliche Reizbarkeit. Diese sonst passive Frau schien von der plötzlichen Emancipation ihres Kindes zu einem jungen blühenden Mädchen und den dabei vorkommenden Beweisen eines plötzlich gewachsenen Selbstgefühles so gereizt, daß sie in einen Zustand gerieth, den sie selbst nicht erklären konnte. Sie wurde unruhig, das Kleinste verdroß sie und weder Rudhard's ruhige Beschwichtigung, noch die Anerkennung, die doch ihr Kind bei jedem der zahlreichen Besuche, die sie empfing, erntete, konnte die Mutter zur Selbstbeherrschung bringen. Nur Siegbert's Eintreten in den Familienkreis that ihr wohl... Dieser hatte mit Rudhard gleich am Morgen nach der Beschlagnahme des Bildes und der Untersuchung ihrer Wohnung mit dem darüber höchlichst erstaunten Manne eine lebhafte Unterhaltung. Man berieth Mittel und Wege, um sich vor ferneren Gewaltthaten dieser Art zu schützen. Man kam auf bedenkliche Vermuthungen, erwog die Verlegenheit und das Befremden Egon's, wenn das Bild ihm würde übergeben werden und Dinge enthielte, die ihn vielleicht nur aufregten und störten. Erst zwei Tage später kam man zu der Entdeckung, daß das von Schlurck übergebene Bild die Papiere gar nicht mehr enthielt! Gesteigertes Erstaunen. Hier war ein Geheimniß, eine Intrigue. Rudhard gab sich die größte Mühe, hinter Entdeckung einer bösen Absicht zu kommen. Er hatte Anzeichen, die ihn auf eine sicher scheinende Erklärung führten. Er gelobte sich, sie streng zu verfolgen. Einstweilen rieth er zum Ersatze durch den Thomas a Kempis.... Der Eifer bei allen diesen Verhandlungen nicht nur, sondern auch die Theilnahme, die Siegbert den künstlerischen Studien der Mutter und Olga's schenken sollte, veranlaßte, daß er täglich im Hause war. Und nun ergab sich dadurch eine neue Spannung in dem Gemüthe der Fürstin. Siegbert war ihr nothwendig geworden. Sie lebte zurückgezogen, nicht aus Princip, sondern aus Bequemlichkeit. Sie wollte ihre Schwester vermeiden, von der sie wußte, daß sie überall die schlimmsten Dinge von ihrer Bildung, ihrem Verstande, ihrem Herzen sagte. Die Trauer gebot ihr, sich von der Gesellschaft fern zu halten. Rudhard war streng, einsilbig, oft mürrisch, pedantisch sogar und durch sein sicheres Auftreten ihr fast unbequem. Siegbert Wildungen aber, der gefeierte junge Künstler, Das war eine ideale Vermittelung mit der Welt! Wenn er kam, bot er den süßen Reiz der Gewohnheit. Wenn er ging, ließ er eine Lücke zurück. Er war so ruhig bewegt, so still glühend, so schweigend beredtsam, er wirkte so angenehm; es strömte, wenn er sprach, ein solcher Wohllaut von seinen Lippen; jede Idee, die er äußerte, schmeichelte sich schon durch den Vortrag ein und wenn er eine Meinung aussprach, so verband er die sicherste Männlichkeit und die Wärme der Überzeugung mit liebevoller Duldung und Schonung der Andersdenkenden. Ganz abweichend von Rudhard, der sogleich verurtheilte, keinen Irrthum anders entschuldigte als durch das verletzte Interesse oder die mangelnde Bildung Derer, die ihn hegten, von Rudhard, der das Gemüth wol einen Edelstein nannte, der aber nur klar und durchsichtig sein müsse, nichts Trübes und Unklares enthalten dürfe... Siegbert hatte ihn bei der Fürstin vollkommen verdrängt. Rudhard merkte es wohl, war aber ohne Empfindlichkeit darüber. Er wünschte sich Glück, einen jungen Mann von so heilsamer Wirkung für diesen kleinen Familienkreis gefunden zu haben und war nur bedacht, daß in Olga keine gefährliche Regung entstand und in Siegbert nichts, was diese Regung nährte. Darüber kamen ihm denn nun freilich Zweifel. Nicht, daß etwa Siegbert Veranlassung zur Verletzung der Convenienz gab. Rudhard mußte vielmehr sich selbst sagen: Was kann der junge Mann dafür, daß er mit einer fast überirdischen Anbetung hier still verehrt wird! Siegbert that nichts, als er gab sich selbst. Um seine Herrschaft über diese beiden Frauengemüther zu entkräften – von dem eigenthümlichen Verhältniß, das sich hier zwischen Mutter und Tochter ergab, hatte Rudhard schon eine besorgte Ahnung – um einen Versuch zu machen, ob denn nicht das Eintreten eines andern Elementes in diesen Kreis der drohenden Einseitigkeit dieser Herzen – Liebe nannte Rudhard eine Einseitigkeit der Herzen – steuern konnte, veranlaßte er Siegbert, Freunde einzuführen, vor allen Dingen seinen Bruder Dankmar. Dankmar wurde eingeladen. Er kam auch. Olga erinnerte sich seiner von der Lasally'schen Reitbahn. Aber es war fast, als hätte sie ihr Ideal in dem lebhaften, feurigen Dankmar nur vorgeahnt und es in Siegbert verschmolzen mit alle Dem, was dem kecken Dankmar doch zu fehlen schien, wiedergefunden. Auch die Mutter fand Dankmarn interessant, unterhielt sich, da überhaupt ein neuer reger Geist über sie Alle gekommen war, außerordentlich lebhaft mit ihm, aber wenn man an die Ausströmungen des Magnetismus im innigeren Verkehr der Gemüther glauben darf, so wirkte Dankmar's feuermagnetische Kraft fast schmerzhaft auf diese lebhaften Naturen, die wiederum selber, um musikalisch zu sprechen, mehr in Dur als in Moll gesetzt waren. Siegbert führte auch Max Leidenfrost ein. Der unterhielt sie Alle, belustigte die Kleinen, interessirte die Großen; aber es blieb bei den Frauen für die Phantasie kein Eindruck zurück, von Reichmeyer und Anderen ganz zu schweigen. Nur Heinrichson hatte etwas Glattes, das für ihn einnahm. Seine Tournüre, sein Witz, seine große Welterfahrung blendete. Da aber die Fürstin gehört hatte, daß Heinrichson bei ihrer Schwester eingeführt war und dieser bei Zeichnungen, die sie in ihrer, wie die Fürstin es nannte, koquetten und frivolen Trauer um den Prinzen Egon, entwarf, behülflich war, so lud sie ihn nicht wieder ein. Siegbert blieb demnach das waltende, regierende Princip und da Rudhard im Stillen sich freute, daß bei dieser Neigung in der Fürstin doch auch ihr rein sittliches Princip im Spiele war und durch Siegbert's edle, taktvolle Natur nicht gefährdet wurde, so ließ er zur Zeit noch diese Dinge gewähren und versparte sich nur eine Rücksprache mit Siegbert auf günstige Gelegenheit... Siegbert war täglich in jenem Gartenhause und arbeitete sogar dort. Die Welt sagte vorläufig, daß er ein Freund des Predigers Rudhard war. Dankmar aber zog den Bruder täglich auf, nannte ihn Heinrich Frauenlob, den Sänger, den Frauen zu Grabe trugen, den im Venusberge gefangenen Tannhäuser und scherzte nicht wenig darüber, als er die Verlegenheit der Fürstin und den Ärger der kleinen Olga, die ihm selbst hätte gefallen können, bemerkte, als es sich darum handelte, ihnen für heute Nachmittag ihren getreuen Siegbert zu entführen. Komisch schien es ihm, als Rudhard den Vermittelungsweg einschlug, beide Brüder wenigstens zum Diner dazubehalten, denn auch dieser Vorschlag hatte für die beiden Rivalinnen doch immer die Folge, daß Siegbert ihnen nicht ganz gehörte und die Unterhaltungen über den Prinzen Egon, an dem Rudhard soviel gelegen war, mochten sie vollends nicht leiden. Die Fürstin und Olga, Beide unterstützten Rudhard's Vorschlag nur unter der Bedingung, daß sie erst um dreiviertel auf vier Uhr mit dem Wagen, den sie anspannen lassen wollten, abfahren und von dem Prinzen nicht reden durften, auf dessen Bekanntschaft sich Siegbert für sie viel zu sehr freute! Sie lehnten diesen Vorschlag ihrer Toilette wegen ab, gossen aber damit nur Öl in's Feuer. Olga war sogar auf die Idee schon eifersüchtig, daß sich die Brüder für den Prinzen Egon, der ein so abscheulicher Mensch sein sollte, nur überhaupt prächtig ankleiden wollten. Zu uns, sagte sie, kommt Ihr, wie es Euch gerade einfällt! Wer ist denn dieser Prinz, daß Ihr Euch um seinetwillen in kostbare Kleider werfen wollt, in denen wir Euch nie gesehen haben! In der Art, wie Olga zankte und, als beide Brüder wirklich nicht wenigstens zum Essen blieben, sondern um zwei Uhr sich entfernten, weinte, während die Fürstin ihre gleiche Empfindung unter Lächeln und den heftigsten Vorwürfen gegen die Narrheiten Olga's versteckte, sah Dankmar denn doch, daß dies Mädchen mit dem bleichen Teint und den schwarzen Flechten trotz ihrer glühenden Augen noch ein halbes Kind war und ließ diese wirren Dinge umsomehr gelten, als sich sein guter Siegbert in dieser träumerischen Existenz zu gefallen schien... Zu Hause hatten Beide dann noch einen herzlichen lieben Brief von der Mutter gefunden, die über Dankmar's Projekte erklärte in einer ewig fieberhaften Aufregung zu leben, und so waren sie nach einem bescheidenen Mittagstische bei einem Restaurant an die sorgfältige Wahl ihrer Kleidung und zuletzt in's Hotel des jungen Prinzen gegangen.

Louis öffnete die Thür, weckte Egon von einem leichten Halbschlummer und führte ihn den Freunden entgegen.

Siegbert und Egon gefielen sich auf die erste Begrüßung und waren bald so vertraut wie alte Bekannte.

Ist der Wagen vorgefahren? hieß es.

Man bejahte.

Also nach dem Schlosse Solitüde!

Man rollte durch die Straßen, durch die Plätze. Man kam an die Thore.

In dem Wirrsal der Meinungen, bei dem immer mehr beengten Gebiete der materiellen Begründung seines Daseins, ist die wahre Freude unter den Menschen der Civilisation ein seltener Gast geworden. Einige Stunden so glücklicher Anregung, wie sie die eigenthümlich zusammengesetzte Gesellschaft, die da eben im Wagen aus dem großen Portale des Palais fuhr, zu genießen hoffte, gehören zu den Weihemomenten, wie sie dem in seine Pflichten so eingepferchten Menschen des neunzehnten Jahrhunderts selten geboten werden. Ein junger Fürst, ein Rechtsgelehrter, ein Künstler, ein Handwerker saßen hier auf den weißseidenen, großgeblümten weichen Polstern, Egon und Siegbert im Fond, Dankmar und Louis auf dem Rücksitze. Sie konnten in ihrer Lebensstellung nicht verschiedener sein. Aber Alle fesselte das Band gemeinsamen Vertrauens und jeder Einzelne war froh gestimmt. Egon durch die erfrischende Luft und das Vollgefühl der Genesung, ja im Stillen, ohne sich es merken zu lassen, auch durch die Spannung auf das Wiedersehen Helenen's, die, er mußte es sich leider gestehen, gerade auf das wiedererwachte Gesundheitsgefühl und die erhöhte Glut seiner Phantasie durch ihre hingebende Liebe bezaubernd wirkte. Dankmar erregt von seinem vielleicht sich günstig wendenden Processe, Siegbert von den gleichen Hoffnungen, die den Bruder belebten und von der angenehmen Befriedigung seines nach Liebe und Anlehnung schmachtenden Gemüthes in der Wäsämskoi'schen Familie; Louis endlich sehr glücklich gestimmt, sowol durch die Aussöhnung seines Glaubens an das liebreizende Fränzchen Heunisch, wie durch die Erinnerung an seine Selbstbeherrschung in der Scene auf seinem Zimmer. Hätte er sich stürmisch erklärt gehabt, Hoffnungen geboten, die er sich mühen mußte, zu erfüllen, er würde nur mit Beklommenheit an die glückliche Mittagsstunde zurückgedacht haben.

Zu gleicher Zeit mit dem Wagen ging ein Bedienter aus dem Portal des Palais, um den kleinen Brief zu der Gräfin d'Azimont zu tragen... Egon verfolgte ihn, so lange er konnte.

Es war ein Donnerstag. Das Wetter so einladend. Die Luft stärkend. Die Sonne goldgelb. Der Himmel tiefblau. Einige Wolken in weiter Ferne konnten Regen bringen. Sie waren noch nicht da. Man ahnte das drohende Herannahen des entblätternden Herbstes. Noch hatte ihm aber die Natur den Eintritt nicht gestattet, nicht in den Wald, nicht auf die Wiesenflur.

Anfangs, innerhalb der Stadt, sprach man über mancherlei Unwesentliches. Es war nothwendig, daß diese vier Genossen erst den Ton der gegenseitigen Stimmung erkannten. Wer ist der Sprecher, der Zweifler, der Schweigende, der Witzige, der Praktische, der z. B. den hinten aufstehenden Bedienten diesen oder jenen Wink gibt, der Geographische, der gern von der Gegend spricht... Das Alles stellt sich erst im Verlaufe der Unterhaltung zurecht. Von dem Vergangenen wurde noch Dieses und Jenes erörtert und bestaunt und belacht... Dankmar's Verhältnisse kannte Egon noch nicht klarer und nahm sie, wie sie sich ihm an den beiden strebsamen Brüdern von selbst boten. Auch Louis wußte nichts von dem Proceß, über den sich Dankmar gern ausgesprochen hätte... Egon aber war der Redner. Egon führte fast allein das Wort oder bestimmte wenigstens die Gegenstände der Unterhaltung. Dies lag weniger in seinem Naturell, als in seiner Stellung und in dem glücklichen Gefühle, sich genesen zu wissen, dem Leben wieder gegeben, von Augenblick zu Augenblick sich stärker fühlend.

Draußen vorm Thore, wo man, und zwar nicht zu rasch, unter einer Allee von vollen, schwertragenden hier und da gestützten Äpfelbäumen hinfuhr, kam durch eine zufällige Wendung das Gespräch wieder auf den Thomas a Kempis zurück.

Bei der Nennung dieses Namens wurde der schüchterne und Wahrheit liebende Siegbert blutroth... Dankmar spielte mit seinem leichten Stöckchen und kniff es zuweilen oben am Knaufe zwischen seine blendenden Zähne. Er konnte ganz meisterhaft die Miene der Gleichgültigkeit annehmen... Louis dachte schon gar nicht mehr an die Art, wie das berühmte Buch von der Nachfolge Christi in Egon's Hände gekommen war. Seine Gedanken waren mit der »Brüderschaft vom gemeinsamen Leben« beschäftigt.

Egon hatte in der Allee zwischen den würzig duftenden Äpfelbäumen gesagt:

Vor einigen Stunden las ich in dem Testamente meiner Mutter – du weißt, lieber Wildungen, daß ich die Mausgeburt des kreisenden Berges, den Thomas a Kempis, meine – und fühle nun recht, daß Das eine Lectüre für Menschen ist, die nur zu Fuß wanderten, selten über ihren Klostergarten hinaus kamen und alle ihre Anschauungen durch die vier Wände ihrer Zelle und den an ihnen aufgehängten Heiland regelten. Wäre ein solcher Bußprediger rasch im Wagen gefahren, hätte er eine Ahnung von der windschnellen Bewegung einer Eisenbahn gehabt, dies trübsinnige Kleben an den mageren und kahlen Bedingungen des Lebens würde ihm nie möglich gewesen sein.

Dankmar erinnerte den Prinzen an Das, was er ihm im Plessener Thurm über die Bigotterie der reformirten Erziehung in der französischen Schweiz gesagt hatte. Da wären doch die Gouvernanten, Bonnen, Erzieher, Geistlichen immer unterwegs und durch ganz Europa zerstreut und überall trügen sie doch die eigenthümliche Auffassung ihres Le Bon Dieu, wie sie ihn nennen, mit sich herum...

Weil dies Heuchler sind, lieber Dankmar! sagte Egon. Ein Thomas a Kempis war ehrlich und liebte die Welt nur in dem düstern Nebelkleide, das er über das Schöne, Frische, Lachende zog. Diese Erzieher aber, die mit wenigen Ausnahmen von ihrer Einseitigkeit ein Geschäft machen, verschließen absichtlich ihr Auge jedem Dinge, das Farbe hat, und jedem Dinge, das angenehm tönt, absichtlich ihr Ohr. O welche Heuchler! Ich erinnere nur an jenen Rafflard, von dem ich dir so oft sprach, Louis...

Rafflard, wiederholten die beiden Brüder. Doch nicht Sylvester Rafflard? setzte Dankmar hinzu.

Sylvester Rafflard! Ganz recht! sagte Egon.

Der ist hier, fiel Dankmar ein.

Hier? Wieder in Deutschland? Und in welcher Eigenschaft? fragte Egon.

Er bereist die Gefängnisse, sagte Dankmar und verstand den Wink nicht, den ihm Siegbert zuwarf... Siegbert war nämlich durch Rudhard davon unterrichtet, daß Rafflard in manche Verwickelung mit Egon's früheren und späteren Begegnissen gerathen war. Louis kannte ihn durch Egon als einen Jesuiten und hatte Siegbert schon erzählt, daß er ihn auf seiner Herreise an der Eisenbahn, die vom Rheine abführt, erkannt hätte. Der Name Sylvester fiel ihm nicht weiter auf.

Er bereist die Gefängnisse? fragte Egon erstaunt und lachte über die Unverschämtheit eines Mannes, den er zu gut kannte, um ihn nicht auch in dieser Mission als einen Heuchler zu nehmen.

Im Auftrag einer philanthropischen Gesellschaft in Paris, sagte Dankmar, die sich die Verbesserung des Looses der Gefangenen zum gemeinschaftlichen Zwecke gewählt hat. Man rühmt ihn in allen Blättern.

Egon lachte und schüttelte ungläubig den Kopf.

Glaubt doch Das nicht! sagte er. Ich kenne diese Gesellschaft, sie ist sehr ehrenwerth; ich kenne aber auch Rafflard und weiß, daß er von ihr kein Mandat empfing.

Er besucht die Gefängnisse, bestätigte Dankmar. Ich bin ihm selbst begegnet, wie er von unserm Criminaldirektor höchst gewissenhaft umhergeführt wurde und sich die sorgfältigsten Notizen machte, vor denen die Beamten zitterten.

Das muß ich gestehen! sagte Egon lachend. Dieser Rafflard ist aus Meudon im Canton Lausanne gebürtig, war erst reformirter Geistlicher, spricht Deutsch und Französisch und übernahm eine Erzieherstelle in unsern östlichen Provinzen, wo er im Hause einer Baronin von Osteggen sich ziemlich lange zu behaupten wußte.

Siegbert blickte bei Nennung dieses Namens nieder, weil ihn Dankmar spottend ansah.

Von da, fuhr Egon fort, vertrieb ihn mein früherer Erzieher, ein braver Mann, Namens Rudhard, der jetzt entweder an den Ufern des Schwarzen Meeres lebt oder verschollen ist oder todt...

Egon's Begleiter wandten sich ab, um zu verbergen, daß sie wohl wußten, wo Rudhard war. Sie würden gern von ihm gesprochen haben, wenn ihnen nicht bekannt gewesen wäre, daß Rudhard wegen der Gräfin d'Azimont seinem Zögling zürnte und aus Achtung vor der Wäsämskoi'schen Familie eine Wiederanknüpfung mit ihm nicht zu eifrig suchte.

Von Rudhard, fuhr Egon fort, aus der Nähe der Familie Osteggen vertrieben, kam Rafflard wieder zu meiner Mutter nach Hohenberg. Dort zwar freundlich aufgenommen, fand er die Stellung, die er zu erschleichen suchte, besetzt. Der neue Pfarrer Guido Stromer übte schon einen großen Einfluß auf die Entschließungen meiner Mutter und Rafflard's Pläne mislangen. Er kehrte in die Schweiz zurück, benutzte aber von da aus die Bekanntschaft meiner Mutter zu einer sehr lebhaften Correspondenz, deren Endziel die glänzend vorgespiegelte Möglichkeit war, mir am Genfersee eine Erziehung zu geben, die ihres Gleichen suchte. So kam ich in das Institut des Herrn Monnard, bei dem Rafflard Lehrer war, und Rafflard wurde mein Specialerzieher. Während die äußeren Formen der geistigen Appretur, die man mir zu geben trachtete, streng kirchlich blieben, spekulirte Rafflard anders. Er dachte, die reifere Natur eines höher gestellten Adeligen wirft doch wol mit der Zeit diese künstliche Hülle eines orthodoxen Mechanismus ab, und weit besser ist es für deine Zukunft, du wirst der Vertraute, als der Richter deines Zöglings!... Er buhlte auf die widerlichste Art um meine Freundschaft, hob mich weit über meinen Bildungsgrad empor, verspottete im vertrauten Umgange Das, was er öffentlich vor den andern Mitschülern gelehrt, gutgeheißen, empfohlen hatte. Anfangs glaubt' ich armer befangener, an Gewissensskrupeln leidender Knabe, diese Methode des Professors Rafflard, meines Specialerziehers, sollte mich nur prüfen. Ich lächelte über ihn, ich schauderte, ich erschrak. Aber immer sicherer machte er mich und trug mir völlige Freundschaft an, ein Mann von damals wol fast vierzig Jahren einem Knaben von funfzehn oder sechszehn! Als diese Schändlichkeiten den höchsten Grad erreicht und fast mein sittliches Gefühl untergraben hatten, wurden sie entdeckt. Man fand einen Band des Casanova in meinem Bett und ich gestand, daß ihn Rafflard mir geliehen. Er wurde sogleich aus der Anstalt entfernt und mußte Genf meiden. Von Annecy schrieb er mir einen zärtlichen Brief, worin er mir Vorwürfe machte, daß ich die Pflichten der Freundschaft verletzt hätte. Dieser Brief machte mir großen Kummer, doch wagte ich nicht, ihn zu beantworten. Später schien Rafflard verschollen. Ich hörte, daß er nach Turin gegangen war. Manche behaupteten schon da, er wäre katholisch geworden. Ich verließ Genf, studirte in Bonn, Göttingen und führte ein sehr verkehrtes Leben, bis es mich nach dem schönen Genfersee zurückzog. Ein Vierteljahr mocht' ich in Genf gelebt haben, als nach einer wol vierjährigen Abwesenheit Rafflard wieder auftauchte. Er behauptete, mit reichen Engländern in Italien als Hauslehrer gereist zu sein, wollte Rom, Neapel und sogar den Berg Athos in Griechenland gesehen haben. Andere behaupteten aber, er hätte in dem Jesuitenstifte zu Turin alle Weihen empfangen und sich einer langen Vorbereitung auf eine künftige Wirksamkeit unterworfen. Sogleich suchte er mich auf und weinte über das Vorangegangene... Es ist die katzenartigste Natur, die ich je in meinem Leben gekannt habe. Denkt Euch, wie gefährlich ein solcher Mensch ist, wenn er wirklich jenem Bunde dient, woran kaum ein Zweifel! Er spricht vollkommen drei Sprachen, kann überall wirken, in Deutschland, Frankreich und in Italien. Er kennt alle Länder nach ihren Sitten und geographischen Bedingungen. Die Gründe, warum er aus Monnard's Anstalt entfernt war, kannte man nicht. Es lag zu sehr im Interesse eines solchen in allen Ländern bekannten Pensionats, daß über die inneren Vorgänge das größte Geheimniß obwaltete. So konnte Rafflard wagen, in Genf wieder aufzutreten. Der alte Monnard, ein schwacher, pedantischer Mann, war gestorben. Rafflard lebte wie ein reformirter Heiliger, besuchte alle Kirchen und mischte sich in alle religiöse und politische Streitigkeiten des kleinen Freistaates. Doch erregte er überall Mistrauen und stand so wenig sicher, daß er gleich nach einem Streite, in den ich mit ihm an der Mittagstafel des Syndikus Lhardy verwickelt wurde, sich nicht mehr länger zu behaupten wagte. Ich hatte nämlich vor seiner Tartüfferie den größten Abscheu und lehnte alle seine Vertraulichkeiten ab. Als an jener Tafel das Gespräch auf den alten Monnard kam und er die Frechheit hatte, die reine reformirte Gesinnung des Verstorbenen in Zweifel zu ziehen, brach ich mit der Äußerung hervor: Es ist freilich sehr wenig rechtgläubig von dem alten Monnard gewesen, daß er einen Lehrer aus der Anstalt entfernte, der seinen Zöglingen den Casanova zu lesen gab! Ich hatte viel von dem guten Côte d'or des Syndikus getrunken, das rothe Traubenblut war mir in den Kopf gestiegen und so entfuhr mir die Äußerung, die plötzlich auf die ganze zweideutige Erscheinung des Professors Rafflard ein erläuterndes Licht warf. Rafflard schoß mir einen Blick wie ein Basilisk zu und verschwand bald. Ich ging, überdrüssig meiner leeren, nichtssagenden und mannichfach gehemmten Existenz, nach Lyon, kam von da nach Paris und habe Rafflard dann im Hause der Gräfin d'Azimont, seiner früheren Schülerin, wiedergetroffen. Er wurde aber auch von dort entfernt, weil er sich in die Familienangelegenheiten mischte. Nur die alte Gräfin d'Azimont, eine hochfahrende und den Jesuiten ganz ergebene Dame, behielt ihn für sich und intriguirt mit ihm gemeinschaftlich nach allen nur möglichen Richtungen hin. Wenn er hier ist, sollte es mich gar nicht wundern, daß er den Auftrag hat, mich und die Gräfin d'Azimont zu beobachten, zu trennen, zu entzweien, sie nach Paris zurückzuführen, mich zu umspioniren, mir in meinen Freunden wehzuthun, mir zu schaden wo er kann. Wenn er vorgibt, die Gefängnisse zu studiren, so ist Das eine Maske für andere Pläne. In Paris hält man ihn für einen Jesuiten und ich kann wohl begreifen, daß dem Orden die Verwickelungen und Wirren im Herzen Europas auf unserer deutschen Erde keineswegs gleichgültig sind!

Als Egon geendet hatte, fuhr der Wagen gerade über den Einschnitt einer Eisenbahn und bog zur Seite ab, einer Gegend zu, die immer anmuthiger und gefälliger wurde. Es war ein Thal, das sich dem in der Ferne blitzenden Strome zu abwärts senkte und an seinen äußersten Grenzen, über den Strom hinaus, wieder von der blauen Erhöhung eines Bergrandes geschlossen wurde. Links und rechts weideten Heerden auf den gemähten Stoppelfeldern und dem noch üppigen, lachenden Grün der Wiesen, die in ein schimmerndes Birkengehölz sich verloren. Dies Vorgehölz ging zuletzt allmälig in eine dunklere Waldung über. Der Charakter der Gegend war einfach, aber außerordentlich belebend und anregend.

Louis fühlte über die leichte Art, wie Egon von der d'Azimont sprach, einen tiefen Schmerz... Siegbert ergriff diese Erzählung Egon's als Mittel, um sich über des Prinzen Charakter klarer zu werden. Auch er kannte die Geschichte Louison's und konnte es vor seinem Herzen nicht ganz gerechtfertigt finden, daß Egon etwas leicht über so schwierige und delikate Beziehungen hinwegging... Dankmar aber haftete an einer andern Gedankenreihe fest, die sich bei ihm durch die einfachen, vor sich hingesprochenen Worte kundgab:

Diese Jesuiten!

Ja, die Jesuiten! wiederholte Egon und zu Armand sich wendend, sagte er:

Ja Das sind die rechten Brüder vom gemeinsamen Leben, von denen wir heute sprachen, Louis, und zu denen Thomas a Kempis auch gehörte.

Thomas a Kempis ein Jesuit? sagte Louis verwundert und verrieth nun einmal auch ein wenig stark seine historischen Mängel.

Nein, Louis! antwortete Egon lachend. Ich kenne, da ich in Genf viel mit der Kirchengeschichte geplagt wurde, sehr gründlich manche Dinge, die mir später von geringem Werthe wurden. Thomas a Kempis gehörte zu einer Brüderschaft vom gemeinsamen Leben. Mein guter Louis erklärte ihn darauf frischweg schon für einen Communisten...

Lachen mochten die Brüder nicht, weil sie fürchteten, den wenig unterrichteten, ihnen aber ehrenwerthen Handwerker zu verletzen.

Es gab, fuhr Egon fort, im Mittelalter eine Menge von halbgeistlichen, halbweltlichen Genossenschaften, die den Mönchs- und Ritterorden nachgebildet waren. Sie hatten oft so eigenthümliche Formen, daß sie in den Ruf der Ketzerei kamen. Da waren die Beguinen, die Begharden, die Brüder und Schwestern vom freien Geiste, die Apostelbrüder, die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben. Sie gehörten Alle der Welt an, vereinigten sich aber zuweilen zu ausschließlich religiösen Übungen. Ihr innerer Zusammenhang war der der gegenseitigen Unterstützung, der Wohlthätigkeit. Manche vereinigten sogar offenbar politische Zwecke mit ihrem nächsten Berufe. Sie unterstützten die öffentliche Sicherheit. Wie es in Deutschland einen Vehmbund gab, der die Gerechtigkeitspflege in bekannter eigner Art förderte, so gab es in Spanien ähnliche Brüderschaften, die dort aus freien Stücken und Fanatismus leider der Inquisition dienten und förmlich deren Handlanger waren. Die Gewerke traten zusammen und schützten sich wechselseitig gegen die Gefahren der Gesellschaft. Die Bauhütten, aus denen der Freimaurerbund entstanden sein soll, hatten kaum einen andern Zweck; denn gerade die Maurer, Zimmerleute, Steinmetzen reisten damals von Ort zu Ort, um bei den großen Bauten des Mittelalters mitzuwirken, und bedurften einer solchen auf gemeinschaftliche Erkennungszeichen begründeten Erleichterung einer überall leicht aufzuschlagenden Heimat. Dieser Trieb zur Vereinigung ging soweit, daß die Kalandsbrüder fast nur zur Erheiterung und gesteigerten Geselligkeit zusammentraten und auch bei einer so reinweltlichen Bestimmung vom Papste keine Bestätigung mehr fanden. Es ist dies ganze Wesen der Anfang der Freimaurerei und des Jesuitenordens, der beiden größten Genossenschaften, die sich in ähnlicher Art in unserer Zeit erhalten haben.

Siegbert bewunderte diese reichen Kenntnisse...

O, sagte Egon, mein Gedächtniß ist mit vielem alten Wust beschwert und ich freue mich, daß man Gelegenheit findet, so etwas manchmal doch an passender Stelle loszuwerden.

Louis behauptete, daß die Gütergemeinschaft von den Aposteln selbst wäre gepredigt worden, mußte sich aber gefallen lassen, daß Egon ihm scharf entgegnete.

Mein lieber Freund, sagte er, es ist ein Unterschied, wenn eine kleine christliche Gemeinde, die in der großen, unermeßlichen Römerwelt sich bildete, sich entschließt, um ein gleiches Interesse und gegenseitige Unterstützung zu haben, zusammenzutreten und aus einem Topf zu essen, als wenn diese unermeßliche Römerwelt selbst damals ihr Eigenthum hätte zusammenbringen und mit Durchführung der langweiligsten Art zu rechnen und zu leben die Besitzquote des Einzelnen verwalten wollen. Wenn Das Communismus sein soll, daß drei arme Familien sich entschließen, statt auf drei Heerden Feuer zu machen, es nur an einem zu thun, so bin ich sehr für den Communismus. Und in diesem Sinne bin ich überzeugt, hatten die Brüder vom gemeinsamen Leben einen sehr respektablen Mittagstisch und Thomas a Kempis war ein Communist, der es sich sehr gut konnte schmecken lassen.

Egon, der immer wieder zu der eigenthümlichen Sicherheit und unvertilgbaren aristokratischen Haltung emporwuchs, die Dankmarn auf der gemeinschaftlichen Reise nach Hohenberg schon aufgefallen war, gab darauf Louis die Hand und bat ihm seinen Spott ab.

Ich liebe das Volk und die Arbeit, sagte nach einer Pause der unterrichtete, denkgewandte Fürst. Aber die falschen Lehrer sind, um im biblischen Stile zu bleiben, die wahren Versucher, die ihre Teufelsgestalt ablegen, um uns zuzumuthen, man könnte ganz Jerusalem gewinnen, wenn man niederfällt und sie anbetet oder sich einbildet, Steine könnten in Brot verwandelt werden... He! Louis, was grübelst du?

Daß ich morgen anfangen werde zu arbeiten! sagte dieser ruhig.

Und ich werde gleichfalls irgend etwas ergreifen, sagte Egon, um das Recht zu haben, so sprechen zu dürfen.

Siegbert kannte die Gedankengänge seines Bruders und ermunterte ihn, sich doch einem so klaren und unterrichteten Kopfe, wie diesem jungen Fürsten Egon gegenüber, der ihnen zu einer immer bedeutenderen Erscheinung heranwuchs, über seine Idee von einer eigenthümlichen Abkürzung unserer Geisteskämpfe auszusprechen.

Mein Bruder, sagte er, beneidet sehr oft die Jesuiten um ihre Organisation. Er behauptet, der Jesuitenorden in seiner Form, aber mit einem edlen Inhalte, könnte die Welt erlösen.

Egon und Louis horchten auf.

Ich meine, sagte Dankmar, daß denn doch aus allen Beispielen, die uns unser Freund Egon da von vergangenen Tagen angeführt hat, ein tiefes und altes Bedürfniß der Menschheit sich ergibt, sich von den zufälligen Bedingungen der Existenz, in der ein Jeder leben muß, zu befreien. Wir sind hineingeschleudert in diese Welt ohne Schutz, ohne Führer. Wir müssen ringen, auf eigene Hand unsern Antheil an, ich will nicht sagen Glück und Lebensfreude, sondern nur an der Möglichkeit zu existiren, zu gewinnen. Wir sind wie hungrige wilde Thiere, fallen ohne Schonung über die Beute her, die wir erreichen können und mäßigen uns nur durch jenes Quantum von Religion, Sittlichkeit, Gewissenhaftigkeit und gemüthlichem Temperamente, das wir entweder schon bei unserer Geburt mitbekommen haben oder in der Luft, in die wir versetzt wurden, gewinnen konnten. Ein Mensch zu sein, ist das große allgemeine Band, das uns umschließt; aber gewährt uns dieses Menschenthum irgend einen andern Vortheil als den der Race, den der veredelten Potenz des Thieres? Wo hab' ich denn Brüder, die stolz sind, in mir sich selber wiederzufinden? Wo liegt denn irgend eine Bürgschaft, daß wir die großen Zwecke des Lebens auf die einfachste, sicherste, kürzeste und glückliche Weise erreichen? Da ist es nicht zu verwundern, daß die Menschen zu allen Zeiten gedacht haben, sie müßten sich durch Verabredung und Gesinnung noch in eine zweite moralische Welt einkaufen, die enger, umgrenzter ist als die große sichtbare, aber die Ihrigen auch liebevoller und wärmer hegt und beschützt. Die Religion, das Christenthum vor allen Dingen, sollte einst diese zweite Welt sein, wo wir als Glieder einer unsichtbaren Kirche uns zu lieben haben. Aber die unsichtbare Kirche wurde leider zu früh eine sichtbare und ihr großer Bau wurde wieder die Welt selbst, die Niemanden schützt. Es sonderten sich nun Stiftungen, Klöster, Orden von ihr ab; Confessionen zerbröckelten diesen riesigen Tempel. Er ist Denen nur noch eine Heimat, die irgendwo einen kleinen von verfallenen Säulenschaften eingefriedigten, mit dunklem Gebüsch überwucherten Seitenhof in ihm finden, wo sie in ihrer Weise Christen sind und im Abendschimmer, von Nachtgevögel erschreckt, zu dem Geist, der in diesen Trümmern lebte, beten. Der Staat ist kein Bund der Menschheit, die Gesellschaft ist grausam und lieblos, die Fürsten behandeln die Völker wie ererbtes Eigenthum, wie ich meinen ererbten Garten behandeln würde, ich säe und ernte auf ihm und lass' ihn mir wohlgefallen. Das Leben ist eine große Gefahr! Wie schützt man sich anders vor ihr, als daß man zusammentritt, sich verabredet und durch gemeinschaftliche Kraft die Kraft des Einzelnen stärkt? Ein jeder Bund dieser Art sollte die Aufgabe haben, einst der Bund der ganzen Menschheit zu werden. Ich sehe keine Möglichkeit, daß die Hebel der Geschichte, die jetzt im Großen und Offenen wirken, das Glück der Erde fördern können. Wohin sollen diese Staatenumwälzungen, diese Intriguen der Parteien, diese Leidenschaften führen? Nirgends eine Verständigung über das Princip des Streites, nirgends eine freie, freudige Unterordnung des Einzelnen unter das Allgemeine. Ich sehe nicht ab, was uns anders retten kann, als gerade mitten in dieser Epoche der breitesten Verallgemeinerung, wo Alles erkaltet auseinanderfällt, das enge, die behaglichste Lebenswärme ausströmende Isoliren.

Das hast du vortrefflich gemacht, Dankmar, sagte Egon, als Dankmar mit seiner begeisterten Rede zu Ende war. Ja, ja, so ist's! Aber da müßte ein neuer Messias kommen!

Ein einzelner Mensch kann in unsern Tagen nicht mehr ein Messias sein, sagte Dankmar. Die Ideen sind es, die jetzt als Erlöser und Propheten auftreten. Die Menschheit selbst muß sich Messias sein. Die Menschheit als Menschheit ist verloren, sie kann nur durch einen Bund wieder sich selbst gerettet werden.

Einen Geheimbund? fragte der Fürst zweifelnd.

Durch einen Geheimbund! sagte Dankmar.

In der Form des Jesuitenordens? rief Egon. Nein, nein! Ich hasse Alles an den Jesuiten, ihr Inneres und ihr Äußeres. Doch sag' uns, was du denkst.

Louis und Siegbert hörten mit großer Spannung.

Dankmar rüstete sich seine ganze Meinung zu sagen.


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