Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Capitel.

Alte Bekannte.

Egon suchte aber die Menschen nur, weil er den Moment, nun wirklich das von ihm mit so vielen Abenteuern gesuchte Bild zu besitzen, nicht ertragen konnte. Das Bild öffnen, nach seinem Inhalte forschen, er hätte es jetzt nicht vermocht. Er bedurfte eines Anhaltes an etwas, was ihm erst Beruhigung bot. Er glich in diesem Augenblicke jenen Menschen, die nicht im Stande sind, ein Gefühl mächtig und voll auf sich wirken zu lassen; Menschen, die weinen, wo sie lachen, lachen, wo sie weinen sollten; Menschen, die einen geliebten Freund, das Theuerste auf Erden, das ihnen lange entrissen war, nicht sofort wieder zu sehen vermögen, sondern in einen Winkel flüchten, wenn Alles dem Ersehnten schon in den Armen liegt, ihn herzt und küßt; in dem Winkel still für sich weinen, weil ihr Herz nicht im Stande ist, eine so furchtbare Erschütterung wie ein der menschlichen Kraft Mögliches zu erleben und das Unglaubliche wie wirklich zu ertragen.

Nur um sich von dem Schrecken, das Bild zu sehen, es wirklich überschwer zu finden, das Geheimniß seiner Mutter nun, er wußte nicht wie, in Händen zu haben, zu sammeln, riß Egon die Thür auf und rief:

Wer begehrt nach mir?

Der Erste, der eintrat, war ein schlichter gesundblickender, heiterer, frischer Naturmensch. Aus diesem Auge strömte Waldluft, strömte Erkräftigung. Freude und Treuherzigkeit, die sich zwar mit einer gewissen Überwachung mischte, lachten Egon an und mußten dem kranken, jungen Fürsten innig wohlthun.

Wir erkennen an seinem gesunden, vollen Gesicht, dem fuchsblonden Barte und der ruhigen Treuherzigkeit seines zahmen Löwengesichtes den Förster Heunisch aus Hohenberg.

Ich kenne Euch, Heunisch, sagte Egon, als der Förster seinen Namen genannt hatte und die lebendigste Erinnerung ihn an das Bild und was mit ihm zusammenhing jetzt fast folterte; ich hab' Euch gesehen. Bringt mich nur auf die Spur; wo? Wo?

Durchlaucht, vor Allem meinen herzlichsten Glückwunsch zu Ihrer Genesung! sagte etwas zaghaft der Förster, schlug aber mit waidmännischer Biederkeit seine mit weißen waschledernen Handschuhen zierlich geschmückte kräftige Hand in die magere des Prinzen.

Jetzt weiß ich, Heunisch, wo wir uns gesehen haben! rief Egon, rieb sich jedoch noch zweifelnd die Stirn...

Heunisch lachte, kratzte sich hinter'm Ohr und sagte:

Der Tausend! Wohl haben wir uns schon gesehen, Durchlaucht... aber... mein Seel', Der sind Sie doch nicht, Durchlaucht, der ich gemeint habe, daß...

Daß ich wäre? Wer denn? Wer bin ich denn?

Sieh! sieh!... fing Heunisch zu grübeln an und blinzelte mit seinem scharfen Auge unter den langen, weißen Augenwimpern prüfend zum Fürsten hinüber.

Er trennte sich offenbar von der Vorstellung, die sich auch ihm eingeprägt hatte, daß Dankmar Wildungen Prinz Egon gewesen wäre, mit großer Mühe. Noch lag ihm im Ohre, was im Gelben Hirsch der junge, gefällige Mann ihm über das Anlegen des Zeck'schen Goldes gesagt hatte, und nun fand er einen Andern, den er aber auch zu kennen glaubte.

Halt! sagte er. Wär' es nur möglich!

Ja, ja, Heunisch... Ihr seid der Jäger –

Welcher Jäger?

An dem Vormittag...

Ei wie könnt' ich denn die Dreistigkeit haben, Durchlaucht, zu glauben, daß...

Ja, ja, habt sie nur...

Der Handwerksbursche? Im Gelben Hirsch?

Der! Der bin ich –

Durchlaucht machen Eins confus!

Der Handwerksbursche bin ich!

Der mich gefragt hat, wo der Weg nach Plessen geht und in der Sägemühle übernachten wollte?

Der aber auf dem Kirchhof schlief am Grabe seiner Mutter, die Ihr hier in dem Bilde seht...

O weh! rief Heunisch und schlug sich mit den Händen an den Kopf und gedachte sogleich seiner gewagten Anekdoten über die Fürstin Amanda.

Damals, sagte Egon, botet Ihr mir von Eurem Imbiß an und heute müßt' Ihr nun bei mir vorlieb nehmen. Louis, ein Glas Madeira! Ein Frühstück! Allons donc!

Durchlaucht, ich habe gefrühstückt! sagte Heunisch aufrichtig, ohne verbergen zu können, daß ihm ein solcher Empfang neuen Appetit machte.

Louis war schon auf dem Sprunge gewesen, fast noch ehe Egon den Befehl gab, eine solche Idee auszuführen. Er klingelte und lief selbst; halb Herr, halb Diener. Er wollte, daß man ihm schon auf halbem Wege entgegenkam. Wie froh war er, jetzt bessere Menschen zu sehen, die zu des alten Fürsten Verlassenschaft gehörten und denen er seinen Freund zurückließ, wenn er nach Frankreich wieder heimkehrte! Wie gefiel ihm dieser treuherzige Förster im grünen Leibrock mit goldenen Knöpfen und mit den waschledernen Handschuhen! Vor Vergnügen war er nahe daran, für sich hin ein polnisches Liedchen zu trällern, das er von der alten Jagellona oft hatte summen hören...

Nun setzt Euch, Heunisch, sagte Egon, nehmt Platz! Ja ich bin der Handwerksbursch vom Gelben Hirsch! Ich wollte Hohenberg sehen, wie die Gauner dort wirthschaften! Legt den Hut ab, Heunisch! Setzt Euch! Man bringt uns zu frühstücken. So war's bei meiner Mutter auch, wenn der grimmige Marzahn kam. Sacre bleu! Der war schlimm! Der hatte Zähne wie ein wilder Eber, aber er fing sie auch am Messer auf... aus freier Hand, ein Teufelskerl!

Können wir auch, Durchlaucht; aber die Eber kommen nicht mehr.

Aha! So ist gewirthschaftet worden?.. Jetzt, bester Freund, sagt mir doch einmal...

Hier unterbrach der Förster plötzlich den glückseligen Egon, der aber schon über seine eigene Gemüthlichkeit innerlich lächelte und sie den vielen Freuden und Überraschungen des Morgens zuschrieb.

Durchlaucht, sagte er mit leiser Stimme und zeigte auf die Nebenthür, nehmen Sie's nicht übel, aber es wartet da draußen noch Jemand...

Wer denn?

In Egon erwachte die lebendigste Erinnerung an Dankmar. Schon hoffte er, der Förster würde diesen Namen aussprechen, als er sagte:

Der Herr Pfarrer aus Plessen, Herr Stromer...

Der Pfarrer aus Plessen? wiederholte Egon und besann sich auch auf diesen. Aha! sagte er vor sich hin. Stromer... der fromme Stromer?

Na – fromm! – meinte Heunisch und kratzte sich hinter'm Ohr...

Der die Blumen band – sprach Egon für sich hin.

Als die selige Fürstin eingegangen war zu ihres Herrn Freude, da...

Als sich der Zank erhoben hatte Abends...

Einer hörte jetzt auf den Andern nicht. Heunisch brach seine einmal aufgezogene Gedankenreihe nicht leicht ab. Das Denken hüpft bei solchen Menschen nicht so behend hin und her wie bei den Dialektikern der Bildung und der Lüge.

Er sagte, fuhr er fort, ich sollte nur vorerst gehen. Ich würde doch gleich absolvirt werden und da wolle er lieber nach mir kommen. Und nun, Sapperlot, nun – fangen wir hier ordentlich zu frühstücken an. Was wird der Pfarrer denken!

Die Thüren gingen auf.

Zwei Bediente sprangen hinzu und deckten.

Der alte Wandstabler leitete diese Unternehmung wie eine große Staatsaufgabe. Er wackelte vor Seligkeit, daß nun etwas kam, was an die alten Zeiten erinnerte, setzte die Stühle und warf so schmachtende, thränenverklärte Blicke auf den jungen Fürsten, daß diesem himmelangst wurde über den Umstand wegen eines kleinen Frühstücks! Das lärmende Bedienen hatte er nie geliebt. Doch blieb er bei guter Laune und sagte zu Heunisch:

Der süße Schleicher, der so rasch von Eurem kurzen Empfang urtheilte, soll nun gerade warten und hören, wie hier die Teller und die Messer und Gabeln und Gläser klingen.

Ach! Durchlaucht, entgegnete Heunisch ängstlich und mit bittender Gebehrde. Ne... ne! Das nicht! Lassen Sie den Herrn Pfarrer doch lieber auch gleich hereinkommen. Geheimnisse hab' ich Ihnen keine zu erzählen und der Herr Pfarrer möchte gar meinen, der Förster Heunisch erlaubte sich etwas Despectirliches, wenn Der hier wie in Abraham's Schooß sitzen wollte.

Auf Euer Fürwort will ich ihm diese schmeichelhafte Vergleichung ersparen, sagte Egon und rief:

He, Wandstabler!

Der Haushofmeister und Vater der drei Huldgöttinnen des Hohenberg'schen Palais wußte nicht, wie ihm geschah. Angerufen von der jungen Durchlaucht! Berücksichtigt! Geduldet! Wandstabler gerufen aus seinem eigenen gnädigsten Munde!

Kaum noch hatte er sich umgewandt, die starke, schnurrbärtig gewichste Figur auf dünnen beschuhten Beinchen, um die Befehle zu vernehmen, als Egon schon sagte:

Vier Couverts!

Vier Couverts! keuchte der Haushofmeister und schnurrte dabei, wie wenn seine Sprachwerkzeuge an einer innern Rolle abliefen, asthmatisch oder zu einem Kropf disponirt. Vier Couverts! Mit dieser Losung schwankte Wandstabler aus der Thür und umarmte fast seine lauernde älteste Tochter, die schon in voller Thätigkeit war, sämmtliche Schränke, alle Weißzeugkisten öffnete, Gläser, Messer zählte, doppelt für jeden Gang, und die Bedienten in Galopp brachte... Wandstabler! Vier Couverts!... Mit dem Vollgewicht dieser ersten errungenen Berücksichtigung mußte sich der Haushofmeister an der großen Treppe über den Strohdecken auf einen der dort befindlichen Wartesessel niedersetzen und seinen glänzendgewichsten Schnurrbart mit einer Thräne anfeuchten, die das in einem ewigen, wie man es in der Volkssprache nannte, »Thran« schwimmende, gedunsene Wein- und Liqueurgesicht immer bereit hatte.

Egon aber öffnete nun die Thür und ließ den zweiten Besuch auch herein. Er war dabei in seinen nun mit ganzer Macht hereingebrochenen Erinnerungen an Dankmar und in seinem mit Gewalt niedergekämpften Gelüsten nach dem Bilde so ergriffen, daß es ihm war, als spränge ihm der Kopf...

Hätte Louis ahnen können, was Alles jetzt mit wunderbarer Gewalt auf seinen so gütig herablassenden Freund eindrängte, er würde nicht so schüchtern bei Seite getreten sein und wol das gemüthliche, Wichtigeres verdrängende, weitläuftige Frühstück mit den Hohenberger Gästen hintertrieben haben. Er vergaß, daß Egon Reconvalescent war, der Schonung bedurfte, und von Egon selbst galt die Erfahrung: Was muthet sich nicht Alles der Mensch an Kraft zu, wenn sein Herz bewegt ist!

Der höfliche und mit vielen Verbeugungen Eintretende war in der That Guido Stromer, der Pfarrer von Plessen.

Guido Stromer mit dem zurückgestrichenen graublond-gelben Haare, der hohen Stirn, dem aufgerissenen Auge, der zwar hervorspringenden doch etwas stumpfen Nase und dem ganzen unruhigen, gespannten, überreizten Wesen, war gewählt gekleidet, trug schwarzen Frack, schwarze Beinkleider, Kamaschen an den Schuhen, eine weiße Piquéeweste und Halsbinde und die feinsten Glacéehandschuhe. Das lange Haar war nicht so sorgfältig gehalten, wie ohne Zweifel zu Zeiten der Fürstin Amanda oder wenn seine Gattin für die Ordnung dieses schon in's Graue spielenden blondgelben Wulstes sorgte. Es war nur von der hohen, breiten Stirn mit einer leichten genialen Tournüre zurückgestrichen. Man glaubte einen Dichter, einen Künstler, eine inspirirte Persönlichkeit zu sehen, die sich mit Wohlgefallen in die leichte Form der Mode geworfen hatte, ohne indessen den starken Geist ganz unter ihre strengen Gesetze beugen zu können. Ein kleines weißes Bändchen, das hinten am Halse vorguckte, verrieth, daß dieser jedenfalls vor einem Spiegel gemachten Toilette doch die letzte weibliche Revision fehlte. Es war eine übertünchte Eleganz, in welcher Eitelkeit, Dorftournüre und wirklich geniale Formverachtung zu einem sonderbaren Gemisch zusammenliefen.

Zwei Boten aus Hohenberg! rief Egon dem Eintretenden entgegen, und auf den durch den Pfarrer nun gedrückten Heunisch deutend setzte er hinzu: der Wald und die Kirche grüßen mich!

Und dem Schöpfer, der in Beiden wohnt, fiel Guido Stromer sogleich mit der ihm eigenen Geistesgegenwart und Wortfülle ein, danken wir die Genesung unsres geliebten, jungen, uns doppelt neugeschenkten Fürsten und Herrn.

Da sich Louis sehr zurückgezogen hatte, stellte ihn Egon anfangs nicht vor.

Nehmen Sie Platz, Herr Pfarrer, sagte Egon. Wir wollten eben den Göttern ein Opfer bringen, eine Libation des Dankes und hoffentlich auch allenfalls einen Hahn, den man jawol im Alterthum opferte, wenn man von einer Krankheit genas... nicht wahr?

Stromer erwog den Ton, den Vortrag, sozusagen die Tonart, aus der der junge räthselhafte, nun endlich entschleierte Fürst zu ihm sprach und setzte mit seiner leise bedeutsamen Art, in dem Streben, einen Accord zu erzeugen, forschend und fast lauernd ein:

Sokrates befahl einen Hahn zu opfern als er den Todesbecher trank. Er verstand darunter eine andere Genesung, deren bittern Kelch die Götter uns erspart haben; denn Ew. Durchlaucht leben!

Egon schwieg, erschreckt von der Manier des Pfarrers... Aber Heunisch, der auch sein Wort darein geben wollte, sagte:

Götter, Herr Pfarrer? Götter?

Guido Stromer wandte sich mit gehobenen Nasenflügeln um und sah den Sprecher von oben bis unten an.

Heunisch biß sich auf die Lippen, wie Einer, der zu sich spricht: Herr Gott, was hast du da gesagt!

Egon vermittelte mit freundlicher Bonhommie die beiden ungleichen Gesellschaftsstellungen seiner Gäste und meinte, der Herr Pfarrer könnte sich freuen, ein Beichtkind zu haben, das so fest an dem Gebote hielte: Du sollst nicht andre Götter haben neben mir!

Beim Beichtkind vollends klappte Heunisch wieder mit den Fingern, als wollte er sagen:

Ach, liebe Zeit, Beichtkind!

Richtig, sagte Egon, diese Ablehnung wohl verstehend. Jetzt besinn' ich mich vom Gelben Hirsch, daß Ihr ja ein recht schlimmer Heide seid, Heunisch! Meine gute Mutter und der Herr Pfarrer waren Euch viel zu heilig.

Heunisch wurde vor Verlegenheit blutroth. Er gedachte der vielen argen Spottreden, die er in Gegenwart des Handwerkers in der Blouse gesprochen hatte. Stromer aber horchte hoch auf und begriff nicht, was »zuvörderst« die Erwähnung des Gelben Hirsches sollte?

Zu schweigen aber und lange eine Antwort schuldig zu bleiben, war seine Sache nicht.

Mein guter Heunisch, sagte er, sein Staunen über den Gelben Hirsch unterdrückend, hat schon, wie ich einzutreten die Ehre hatte, vernehmen können, daß ich der Kirche den Wald an die Seite stelle. Die Gottheit wohnt nicht, predigte ich oft, in Tempeln, von Menschenhänden gemacht. Das Rauschen der Blätter im Waldesgrün ist auch eine Offenbarung. Wohl Dem, der sie versteht! Mein guter Nachbar Heunisch machte sich diese Wahrheit immer zu Nutz. Er gehörte nie zu meinen fleißigeren Kirchenbesuchern.

Heunisch konnte nichts dagegen einwenden, schüttelte aber den Kopf und brummte erst das kostbare, sylbengezählte, in Tonschwingungen vorgetragene Wort »fleißigeren« nach und sagte dann:

Es ist doch wahr! Sieh! Es ist doch wahr!

Was ist denn wahr? fragte Egon, der zwischen den beiden Männern nicht klar sah...

Die Gottheit! Die Gottheit! betonte Heunisch.

Nun, Heunisch, meinte Egon, was haben Sie denn gegen die Gottheit? Sind Sie ein Atheist geworden?

Atheist? Was ist Das, Durchlaucht... ich meine nur: Gottheit! Wissen Sie, Herr Pfarrer, vor neun Jahren... es war Reformationsfest... vor neun Jahren war ich einmal bei Ihnen in der Kirche und da ging's recht über die Gottheit her. Wissen Sie? Sie sagten, Herr Pfarrer: Eine Gottheit gäb's gar nicht, sondern blos einen allmächtigen Herrn des Himmels und der Erde, der da heiße: Herr, Herr Seligmacher und Friedensfürst! Fürstin Durchlaucht... Lieber Heiland, da steht ihr Bild... zweimal, dreimal... das ist sie auch; ja, ja! Tausendmal steht sie da drinnen in unsern Herzen!... Fürstin Durchlaucht nickten Ihnen sehr gnädig aus dem vergitterten Stuhl oben, quer über's Schiff weg, auf die Kanzel zu, als Sie sagten: Es gäbe blos einen Gott, Namens Seligmacher und Friedensfürst, aber keine Gottheit! Wie?

Stromer lächelte.

Anschauungen, die auf einem bestimmten Standpunkte ihre Wahrheit haben! sagte er und nahm nun von den inzwischen aufgetragenen Speisen ein halbes kaltes Rebhuhn auf seinen Teller, während Egon Louis herbeirief und ihm, während er selbst nichts genoß, den vierten Teller anbot und Heunischen selbst vorlegte.

Herr Louis Armand, sagte Egon dabei, ein Freund aus Paris, er versteht hoffentlich sehr gut, was deutsche Rebhühner sind. Iß, lieber Freund!

Egon machte sehr gefällig den Wirth und schenkte aus Krystallflaschen Madeira ein, ohne selbst davon zu genießen.

Louis setzte sich zögernd und verbeugte sich vor den beiden Andern.

Ziehen Sie doch Ihre Handschuhe aus, Herr Pfarrer, sagte Egon, nicht merkend, daß der Pfarrer von überwundenen Standpunkten sprechen wollte, und erzählen Sie uns, was Sie herführt, und auch Heunisch soll sagen, was ihn gerade jetzt von seinem Walde trieb, wo es: Hab' acht! heißt. Ich hoffe, ein Jeder von Ihnen bringt mir noch einige Nachrichten, wie es in Plessen, Randhartingen, Schönau aussieht.

Stromer merkte hier wirklich, daß man noch nicht mit der Art bekannt war, wie er sich bei Auseinandersetzungen zu ergehen pflegte. Man hatte kein Ohr für dieses stille Aufschnurren seiner Gedanken, sprach in seine Vorbereitungen zu einer Rede ohne Weiteres hinein und hätte sich eigentlich sagen müssen, daß er in Plessen die Zeisel's, die Sänger's, die Sengebusch's, die Bensheim's und andere Herrschaften schon ganz anders zum Cultus seines Genius abgerichtet hatte.

Ja, ja, ergriff Heunisch das Wort; Das wäre nun wol mit Verlaub des Herrn Pfarrers die Hauptsache...

Hat Schlurck schon die Ernte eingetrieben? fragte Egon mit einer Miene, die sich etwas verdüsterte.

Schlurck? sagten beide Gäste einstimmig und blickten verwundert auf.

Sie vergessen Prinz, sagte Louis mit höflichem und sich völlig unterordnendem Ton, daß sich alle diese Dinge geändert haben.

O, o –! fiel Egon ein und bezog seine ablehnende Ausrufung auf die Rolle, die Louis plötzlich in Gegenwart der Andern wechselte...


 << zurück weiter >>