Anastasius Grün
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Anastasius Grün

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Knospen.

        Sonnenglanz und Rosenduft,
Nachtigallgeschmetter!
Doch verirrt in Frühlingsluft
Flattern dürre Blätter.

Haben an den Zweigen lieb
Noch vom Herbst gehalten,
Doch der jungen Knospen Trieb
Drängt vom Platz die alten.

Junges Volk bei Tanz und Spiel
Jauchzt in grünen Hagen,
Doch ich seh' auch ihrer viel
Trauerflöre tragen.

Denn wie hier in Frühlingsluft
Welke Blätter stieben,
Sah ihr eigner Lenz zur Gruft
Welken teure Lieben.

Knospen sind sie selber auch!
Ohn' es selbst zu ahnen,
Drängen sie nach Knospenbrauch
Welkes aus den Bahnen.

Daß ihr eigner Lebensmai
Oben sich entfalte,
Daß er blüh' und klinge frei,
Muß hinab das Alte!

Und wie dürren Laubes dringt
Mir durchs Mark ein Knistern,
Zu der Seele Tiefen ringt
Sein unheimlich Flüstern;

Rings von Knospen weich und sacht
Fühl' ich leises Drängen;
»Lebewohl!« und »Raum gemacht!«
Tönt's aus Lenzgesängen.

Sonnenglanz und Rosenduft!
Nachtigallgeschmetter!
Und in solcher Frühlingsluft
Irre dürre Blätter!

Ja, mein Los ist ihrem gleich,
Da wir erdwärts sinken
Während ringsum freudenreich
Neue Lenze winken.

Sei ihr Trost der meine auch:
Daß im Niederwallen
Wir gewiegt vom Frühlingshauch
Nur in Blüten fallen!


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