Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Prinz Proxymus und Lympida
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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DER ACHTE THEIL.

TOrpeus vnd seine Cammerrathen waren gantz übel zufriden auß Myrologi Behaußung abgeschieden; sie neideten zwar einander als Mittbuhler / aber jetzt / als ein jeder vermeinte er wäre von Proximo in Gegenwardt der Lympidæ im kurtzweilen mit den stumpffen Waffen beschimpft worden / gedachten sie auff eine einhellige Rache; diser Kerl / sagten sie / hat gut fechten / und eine ohngewöhnliche Geschwindigkeit / die er villeicht von einem Taschenspiler oder Gauckler gelehrnet / zuweisen / wo er weiß das er nicht beschädigt wirt; solte er aber irgents wo die schärpffe des Schwerdts zuförchten haben / so würde ihm wol die newe Ardt seiner Fechtkunst fehlen: vergehen: und wenig Früchten: zwischen Ernst und Schertz ist ein grosser Underscheid! Kinder wann sie nur den Vortel ein wenig wissen / könden sich gleich wie in einer Comœdi zusehen mit plosen Degen genug heroisch stellen / sintemahlen sie wissen das es nur alsdan gespilt: vnnd im geringsten keine Gefahr vorhanden ist / solten sie aber einen Ernst vermercken / so werden sie auch gleich vor dem geringsten Birckenreiß / daß ihr Præceptor zu ihrer Betrohung in Händen trägt / erzittern / es wirt vonnöten sein / disem kahlen Sönderling zuweisen vnnd ihn zulehrnen / das er ein andermahl vnser Gew vermeyden unnd sich vnder die ansehnliche Compagniæ vnserer Gesellschafft immermehr einmischen soll.

Mit solchen vnnd dergleichen Worten verhetzten sie sich selbst vndereinander / einen Anschlag zumachen / dessen Vollziehung vnnd Ende des tapfferen Proximi Todt sein solte / sie besetzten alsobalden so wol durch ihre Diener als andere hierzu erkauffte / alle Weg unnd Strassen außzuspehen wo er hingieng / damit sie ihm vnderwegs auffpassen: unnd ihn auffopffern könden ehe er mehrmahlen durch Myrologum ihnen vorgezogen würde / unnd dem einen oder dem andern dardurch der Lympidæ Gunst hinweg rauben möchte.

Weilen herentgegen Proximus denselben Tag sein gewohnlich Gebett verabsaumet / wolte er solches wider einbringen / und gieng den geraden Weg auß Myrologi Behausung in die Kirch / warinnen er auch in seiner Andacht verharrete biß die Salve gehalten worden / seine Feinde spühreten ihn bald auß / besetzten den Weg gegen seiner Behausung unnd griffen ihn an / als er bey der Abent demmehrung heim gehen wolte; Torpeus war noch so ehrlich / das er zu ihm sagte / er solte sich wehren unnd jetzt weisen was er könde / es dorffte nicht viler Ermahnung beym Proximo / dann als er den Ernst / unnd so vil plose Degen wider sich sahe / zog er schnell von Leder / wickelt den Mantel in eihl vmb den lincken Arm / ihn an statt eines Schilts zubrauchen und thät seinem Gegnern solchen unglaublichen tapffern Widerstandt / das er deren im ersten Angriff unnd ehe sichs einer einbilden möge zwen zuboden fällete / vnder welchen der berühmte Torpeus der erste war; kein Hercules / kein Sambson / kein Horatius hat jemahls besser gefochten als jetzunder der vnvergleichliche Proximus! seine Schläg fielen so geschwind auffeinander wie der Plitz! so vil Straich er thät / so vil gab es auch Wunden / und so vil Wunden er machte / so vil tödtet er! so / das in kurtzem / ehe man hät vermeinen sollen / das sich das Gefecht recht angefangen / acht Kerl auff dem Platz vmb ihn herumber gestrewet lagen / deren sich noch theils in ihrem aignen Blut waltzten / die vbrige / als sie sahen was es vor Cappen setzte / sprachen ihren Füssen zu / vnd fanden ihr Heil in der Flucht / welchen es Proximus auch gern gedeyen liesse; Modestus war nicht bey disem Handel / sonder hatte sich bißher bey seiner Mutter der Basiliæ auffgehalten.

Under disen Todten waren drey berühmte Cavallier vnd Laquayen / Proximus liesse sie ligen / und als er die Benachbarte und das zugeloffene Volck zu Zeügen erbetten hatte / das sie ihn ohne einige gegebene Ursach und Wortwexlung angegriffen / gieng er den negsten Weg nach Hauß / ohne das ihn einiger auß den enttronnenen fernere anzuwenden erkühnen dörffen; als aber dise Metzlung ruchbar worden / und deß andern Tags vor den Kayser kam / ohne das mann gewist hette wer der Thäter gewesen / in massen der erschlagenen überblibene und entflohene Gesellschafft sich schämbte / zu offenbaren / das sie vom einem einzigen solcher gestalt bewilkombt und zerstöbert worden / sihe so gab sich Proximus für den Kayser selbst vor den Thäter dar / welchen nach Erkundigung der Sachen Umbstände vnd wahren Beschaffenheit Proximo den Beschaid gab / er hette recht gethan / das er so ritterlich seines Lebens erwehret; wär ein ehrliche Ader in ihnen gewesen / so hetten sie ihn so türckischer Weise nimmermehr angegriffen; es wäre ein schlechter Schad vmb sie / dann wären sie etwas nutz gewesen / so hetten ihrer so vil einen allein entweder nicht angegriffen / oder sich nicht von einem allein erschlagen lassen / wann er der übrigen Verwandten auß Kayl: Gnad nit schonete / so wolte er sie gar auß dem Adelichen Standt werffen / und aller Ehren ämbter entsetzen.

Myrologus befandt sich eben damahls beym Kayl: Hoff / vnd als Proximus seinen Bescheid empfangen / nam er ihn abermahl mit sich nach Hauß / daß Mittag Jmbs bey ihm einzunemmen / so sehr ihn nun Myrologus liebte / so ohngern sahe Hapsa seinen werten Gast / welche ohne das denselbigen Morgen die Lympidam vnder den Sporen gehabt / unnd ihr dessen grosse Armut abgemahlet unnd gantz bewöglich zu Gemüt geführet / mit disem Anhang unnd außtrucklicher Erklärung / das sie ihn zwar nit hassete / ihne aber gleichwol deßwegen unnd weil er darumb von jederman verachtet würde / zu keinem Tochterman weder wissen noch haben wolte / unnd solte sie sich auch / wan villeicht ihr Eheherr das Gegentheil ins Werck zustellen bedacht sein würde / so sie doch noch nicht hoffen wollete / demselben alles Ernsts widersetzen müssen / mit was vor einer Bestürtzung die verliebte Lympida solche Wort angehöret / kan jeder der jemahls verliebt gewesen / und solcher gestalt so gähling bestürmbt worden / seine gefaste vngezweiffelte Hoffnung einmahls fallen zulassen / von sich selbst leichtlicher erachten als ich beschreiben / Lympida zwang sich zwar zu Enthaltung der Thränen / als sie ihrer Mutter mit stillschweigen zuhören muste; empfandt aber in dessen einen solchen hertzbrechenden Stoß der sie aller Empfindung beraubte / und sie in eine Ohnmacht nidersenckte der Schrecken hette Hapsam beynahe neben sie gelegt / dafern die Begirde ihre Tochter wider zulaben unnd zu sich selbst zubringen / denselbigen nicht überwunden / Basilia lieffe nach Hertz erquickenden Materialien / unnd alles Frawenzimmer bemühete sich mit schüttlen unnd andern Mittlen biß die Lympida widerumb Athem zuschöpffen begunte / welches eben geschahe / als Myrologus mit seinem newen Gast Proximo vom Kayl: Hoff nach Hauß kam / unnd also die seinige in selbigem Lermen fande.

Da er sich nun in der Lympidæ Zimmer bey seiner Liebsten unnd ihrer Tochter befande / sein vätterliches Mittleyden bezeügte / und vmb die Ursach dises vnversehnenen Zustandt lang vergeblich fragte / weil so wol die schamhaffte Lympida als die rigorose Verfahrung der kargen Hapsæ ihre gewisse Ursachen hatten / die Wahrheit zuverhölen; sihe! da offenbahret in dessen Basilia dem Proximo in einem Beyzimmer der Lympidæ gegen ihme tragende Liebe / und das solche nit auß Geilheit oder Leichtfertigkeit sonder auß Liebe zur Tugend und Gottseeligkeit ihren Ursprung und Anfang genommen / erzehlet ihm auch alles mit kurtzen Worten und so vil in solcher geringen Zeit sein könden / was sich seithero mit ihr zugetragen / das sie seinetwegen alle andere verschmähe und das ihres darvor haltens Myrologus ihren Heürath gern sehe / Hapsa solchen auch nicht verhindern würde / dafern er mir bey grösserer Hab: und in einem hohen Staadt wäre; hat also für dißmahl die gute Affection der Basilia die sie gegen Proximo trug / die Trew und Verschwigenheit die sie gegen Myrologo und dessen Hause zuüben schuldig / überwunden; wardurch Proximus nunmehr vmb alles besser wuste / als Myrologus selbst.

Er hatte die verwichene gantze Nacht ohne das des gestrigen Tages Begebenheit nachgesonnen und der Lympidæ Reden / Geberden / Sitten / Gestalt und über irrdische Schönheit betrachtet; darneben aber auch seine geringfügigkeit erwogen / warbey ihm seine eigene Tugent die Demut gerathen / seine Gedancken an keinen solchen hohen Ordt zustellen / sonder mit ihrer getrewen Hilffe den auffgefangenen fewrigen Liebes Pfeil außzulöschen und dessen Glut vnder die äsche seiner Niderträchtigkeit zuverscharren deren er dann mit einer gottseeligen Gelassenheit zufolgen entschlossen; aber sihe! jetzt da er der vnvergleichlichen Frewlin seinetwegen bißhero getragenes schmertzliches Leyden verstanden; da risse sein hertzliches Mittleyden die empfangene unnd durch Demut zusammen geheffte Liebeswunden widerumb von newen auff / unnd machte denen in der Aschen verborgenen Flammen einen solchen Außgang / Platz und Raum / das sie eben so hell vmb sich strahleten / als edel das Hertz war / das sie bißhero in sich selbst eingesperret und gefangen gehalten hatte: was? Hapsa! sagt er zu sich selbsten / ist dirs vmb ein hohen Stande zuthun? darinnen dein Tochterman leben: vnd vmb grosse Reichthumb die er besitzen: sich selbst unnd dein Kind aber damit quällen solle? mir wirts leicht sein / vermittelst göttlicher Gnaden beydes zuerhalten / die Pfordten zu dem jenigen das du und deines gleichen unbesonnene so hoch affectirn / stehet mir offen; es stehet zu meiner Willkuhr die Kayserliche allergnädigste Offerten anzunemmen: und alsdan über sein gantzes Asiatische Kriegsherr zugebieten / in welchem hohen Stande ich wol die Gelt- vnnd Gutsbegirige Augen dein Gemüts zuersättigen getrawte; aber es geschehe diß Ordts gleich was da wolle / so wisse das ich deinetwegen weder den gewohnten Tugent Weg? mich zum Geitz neigende verlassen: noch die Lympidam zulieben auffhören werde / also nun liesse sich der edle Proximus in den Orden der beständigen unnd getrewen Liebhaber disen Augenblick völlig einschreiben / das allein auff Gott gerichtes Hertze anderer gestalten von der aller vortrefflichsten Schönheiten der gantzen Welt nit hette überwunden werden mögen.

Als vnderdessen Myrologus der Ursach wegen seiner Tochter vnversehenen Zustandts nicht weiters nachfragte / erzelet er hingegen der Hapsa unnd Lympidæ vor eine newe Zeitung / was sich gester Abent zwischen Proximo und Torpeo / unnd dessen Gesellen zugetragen / dann was die Kayl: Mayt: deßwegen vor einen Außspruch zu Proximi Vortel vnd grosser Befürderung seiner Ehr gegeben; welches Hapsa mit hefftigem Schrecken: Lympida aber mit hertzerquickender Frewd anhöret / sonderlich als beyde vernahmen / das er wider vorhanden wäre mit Myrologo zuspeyssen; es fehlete wenig das der Hapsa nicht widerfuhr was Lympida bereits überstanden / doch enthielte sie sich noch / unnd verabfaste zu ihrem damahligen besten Trost den gäntzlichen und festen Schluß bey ihr / nach aller Müglichkeit zuverhindern das Proximus und Lympida nimmermehr zusammen heürathen solten / hingegen brachte der Lympida innerliche HertzensFrewd ihre zerstöberte Lebens Gaisterlin alsobald widerumb ordenlich zusammen; so / das sie denen Mittag Jmbs an ihres Herren Vattern Taffel / ob gleich wider ihrer Fraw Mutter Zufridenheit / einnemmen konde die damahls wegen Mangels ihrer gewöhnlichen und täglichen Besucher zimlich lähr von Persohnen erschine / weil Proximus theil auß ihnen das lieben vnd essen zugleichen vertriben / die andere aber sich schämbten von den jenigen zuerscheinen / die sie wegen schändlichen That vnnd Flucht verachten würden.

Aber eben als sie sich setzen wolten / langte ein Comitat von dreyen Gutschen unnd vilen beylaüffenden Dienern und reittenten Persohnen bey Myrologi Pallast an / welche auch vor dessen Thor stillhielten / beydes Menschen unnd Pferdt waren auff griechische Manier in trawr Gewandt bekleydet / und weil niemand auß ihnen wissen konde was es war / zumahlen mann den jungen Modestum bey ihnen sahe / der Sie dorthin begleitet hatte / als bildeten sich Myrologus unnd Proximus ein / diser trawrige Auffzug möchte villeicht (zu was End aber konden sie nicht errathen) von deren verwichne Nacht erschlagenen Verwandten sich an dem Thäter durch List zu revangiren / angestellt worden sein; weswegen dann Proximus seinen Degen / auff welchen er sich allein negst Gott vor dißmahl verliesse / wol in acht nam / allein Modestus würde von der Wacht ein- vnnd vor Myrologum gelassen / biß nun solcher die Windelstege hinauff in den Eß-Sahl kam / sorgte Lympida / die leidige Erscheinung der Ankömlinge profeceyete beydes dem Proximo und ihrer Liebe einen traurigen Ausgang! Hapsa tröstet sich hingegen es möchte villeicht durch dise vnvorsehne Begebenheit etwas setzen / das der Lympidæ Liebe schwächen oder gar auffheben: unnd sie selbst also ihrer Sorg entledigen möge; Myrologi vnbewöglich Gemüt aber verharrete zuvernemmen / was Modestus vorbringen würde.

Derselbe / als er in den Saal getretten / und seine Ehrbezeügung gegen jedtwederen abgelegt / zohe ein Creditif hervor so ihm die ankommene geben / in welchen die Thessalische Landtstände deß Fürstenthumbs Larissa Proximum vnderthänigst ersuchten den überbringen / ihren abgeordtneten Mittglidern / beliebige Audientz zugestatten / und dem jenigen was sie mündlich vorbringen würden / gnädigen Glauben zuzustellen / dasselbe Credentz Schreiben war ohnargwohnig / und mit dem grösten Sigill der gantzen Landtschafft Thessalia bekräfftigt / Proximus überraichte es / nach dem ers durch sehen / auch Myrologo / der befahl alsobalden / so fern es anders Proximo gefällig / das die Principalen der Gesandtschafft absteigen vnd ihr Anbringen ablegen sollen / welches auch so gleich in Gegenwart der Hapsæ vnd Lympidæ geschahe / es waren vier besagte unnd zwen junge Cavallier / ansehenliche Leüthe / auß welchen ein Alter das Wort thät / unnd sehr kläglich vorbrachte / waßmassen ihre durchleüchtigste Fürstin Eudoxia nach dem ohnveränderlichen Willen des höchsten von diser Welt durch den zeitlichen Todt verhoffentlich auß dem irrdischen: in das ewige himlisch Reich abgefordert worden / die vor ihrem Ende Krafft bey ihnen habenden fürstlichen Testaments ihren negsten anverwandten öhm Proximum zum einigen Erbprintzen aller ihrer Länder vnnd Verlassenschafft ernant vnd bestettiget: welche auch die gesambte Landts Stände mit einhelliger Verwilligung ihrer aller zu ihrem Fürsten angenommen vnd sie die Gesandte abgefertigt hetten / ihme Printzen Proximo solches alles zu notificirn vnnd gehorsambst zubitten / das er fürderlichst die Kayl: allergnädigiste Bestättigung zu erhalten: unnd eyligst zu ihnen zukommen gnädig belieben wolte vmb von seinen getrewen Underthanen / die seiner Ankunfft mit hertzlichen Verlangen erwarteten / die Ablegung der Huldigung gnädig zuempfahen / unnd sich selbsten in Possession deß vor dißmahl verwaisten Landts Thessalia zusetzen.

Proximus andwortet / er hette seiner Frawen Mummen der durchleüchtigsten Fürstin Eudoxiæ seeligen Hintritt von diser Welt auß ihrem Anbringen vernommen; weil es nun nach dem vätterlichen Willen des allerhöchsten geschehen / so müste man es auch demselbigem heimgestelt sein zulassen / seines Ordts wolte er morgenden Tags die Kayl: allergnädigste Approbation und Genehmhaltung wegen dero letzteren Willens und der Landtständen Entschliessung gebührent suchen / und als dan ihren begehren / nach Müglichkeit / schleünigst willfahren / sich deren zu ihme tragenden Affection vnnd bereiter Willfärtigkeit in dessen bedanckende.

Dise Werbung der Gesandten gabe der Lympida so vil Stich ins Hertz als sie Wörter in sich hielte / dann sie gedachte / weil sie bißhero noch wenig Zeichen der Liebe von Proximo verspührt / so würde er nun mehr wol nimmer (sich selbst so in einem hohen Stande sehende) auff sie gedencken / Hapsa erkandte ihren groben Fehler / unnd wurde so bestürtzt darüber das sie nicht wuste was sie gedachte oder gedencken solte / Proximus aber verwunderte sich über die gütige Vorsehung des allmächtigen mit hertzlich Dancksagung / das sie ihme so unversehens eine Thür geöffnet / durch welche er ohne alle fernere Difficultet zu seiner allerliebsten Lympida gelangen könde / und Myrologus wünschte Proximo vil Glück und Heil zu der negst einstehenden Regierung / welcher ihn hingegen gebetten / das er die Gesandte vor dißmahl bey der Mittags Mahlzeit zu tractiren ohnschwer belieben wolte / warzu Myrologus ohne das geneigt war / selbige auch in seinem Hause vnderhielte / biß sie widerumb von Constantinopel in Thessaliam verraisseten.

Demnach setzten sich die Gesandte an der jenigen Stelle bey Myrologi Taffel / die Proximus den vorigen Abent darvon abgeschafft; gleichsamb als hette das Verhängnus mit Fleiß versehen / das ihnen durch Proximi Waffen an disem Ordt (weil er sie selbst in seinem Pallast der Gebühr nach zu tractirn nichts im Vorrath hatte) bequemer Platz gemacht werden sollen / über wehrender Mahlzeit wurde wegen der Trawr / so nun Proximum auch angieng / nichts frölichs: sonder nur etwas wenigs von Staadts Sachen geredet / bey welchem Discurs sich abermahl Proximus wie den gestrigen Tag verhielte; so / das er seiner Vasallen Augen vnd Ohren allein auff sich zoch / welche sich im Hertzen erfreweten / das sie Gott mit einem solchen höchst ruhmwürdigsten Fürsten begabet; gegen der Lympidæ / Hapsæ vnnd Myrologo selbsten / erzeigte er sich im geringsten nit anderst als den vorigen Tag / er war bey so grosser Veränderung seines Standts weder stöltzer noch demütiger worden; so konde mann an ihm auch weder mehr oder weniger auß seinem Angesicht und dessen Blicken verspühren / ob er seith gester in seiner Liebe gegen der Lympidæ zu oder abgenommen / so gar vermochte er in Glück und Unglück / es gienge ihm gleichwol oder übel / einerley gestalt vorzustellen

Myrologus hatte die Gewohnheit / so fern er nicht angelegene Geschäfften zuverrichten / jeder Zeit nach dem Mittags Jmbs in seinen Lustgarten zuspatzieren und sich vnder den schönen Schatten gängen zuerlustiren er hette gleich Gäst bey sich gehabt oder nicht / das geschahe auch jetzt / dann er prangte mit dem Garten selbst ohne den Kayserlichen Garten alle andere in Constantinopel übertraff und eben damahls auch mit den florirenden so frembten als heimischen Gewächsen zum höchsten prangte; Myrologus führte seine Hapsam an der Hand vnd gab damit Ursach oder gleichsamb eine stillschweigende Erlaubtnus / das des Proximi Höfflichkeit gegen der Lympidæ auch dergleichen thun möchte; denen Gesandten wurden durch Myrologi Hoff meister Zimmer eingegeben / darinnen ihrer Commoditet nach zurasten / und biß zu ihrer wider Hinwegraisse zu logiren / wie dan auch einem jeden auß den bedienten widerführe / Modestus gieng jhnen neben besagtem Hoffmeister an die Handt / und als die Gesandte ihres Printzen gedachten / unnd sich über seine vortreffliche Qualiteten verwunderten / lobte iener ihnen dessen ihm allein bekandte GOttes Forcht und auffrichtig Wesen / diser aber seine unglaubliche Tapfferkeit / und verschwig nicht / was sich den verwichenen Abent zugetragen.

Nunmehr mißgönnete Hapsa dem Proximo gar nicht / sich der Lympidæ zuzugesellen; diß Fürstenthumb Larissa hat ihr alle Widerwertigkeit auß dem Hertzen: unnd dem Proximo alle Verhinderung auß dem Weg geraumbt / hingegen aber ihr eine Sorg eingesteckt / er würde jetzunder ihrer Tochter wenig achten / beyde vngeübte verliebte aber konden keinen Anfang finden / im geringsten etwas von ihrer Liebe zusprechen / weil keins auß ihnen noch so gar nichts in der Schul Amoris studirt hatten; ihr Discurs war bißhero vom Gottes Dienst / das war eine Anzeigung das ihre Hertzen mehr von göttlicher als aigner und zusamben tragenden Liebe angefüllet wären / aber gleichwol waren bede Arten inbrünstig / demnach aber allen beliebte sich in das Grüne zusetzen / kam Myrologus widerumb von dem Thessalischen Fürstenthumb Larrissa zureden / welches aber Proximus so wenig achtet und sich dessen so gar nichts überhube / das er schiene / als wäre er der jenige nicht / dem das vnversehene Glück die Beherrschung darüber gegeben: Myrologus gönnete ihm solchen hohen Standt von Hertzen / unnd sagte es erfrewe ihn so sehr / das er seine Tugenden und Meriten dergestalt belohnet sehe / als wann ihm selbst ein grosses Heil zugestanden / und in solchem Gespräch sagte Hapsa schertzent / sie schätzte auch die jenige Dame vor mehr als glückseelig / die er durch seine Wahl ihme zum Ehegemahlin auserlesen: und sie beydes mit der zugestanden Ehr und Hochheit: vnd mit einem solchen allertapffersten Printzen zubegaben belieben würde; ihres theils wolte sie mehrers nicht wünschen / als die Ehr zuhaben selbige zukennen; es müste sie weder Mühe noch Arbeit vertriessen ihro gehorsamblich auffzuwarten / Proximus beredet sich in etwas in seinem Angesicht und andwortet / ich habe weiß Gott bißhero deßwegen die wenigste Sorg und Gedancken gehabt / sonder alles der göttlichen Vorsehung heimgestelt / so fern aber der milten Güte Gottes gefällig / meine bißherige Dörfftigkeit (welche auch der allerliebtesten unnd tugentlichsten Persohnen zusamen Heüratung zu verhindern pflegt) mit volliger Possession des angetragenen Thessalischen Fürstenthumbs Larissæ zu ersetzen / so würde die Fraw Mutter wenig Mühe vonnöten haben die jenige können zulehrnen / deren ich ererst gester mein Hertz geschenckt / als ich sie das erste mahl gesehen / gleich wie auch ich (Gott wolle andere Verhinderungen so eingestrewt werden möchten / gnädlich abwenden) keiner Dispensation hingegen vonnöten / wan meiner gegenwürtigen allerliebsten Frewlin Schwester beliebt / mich vor ihren Ehegemal anzunemen.

Nun war das keüsch-verliebte: bißhero noch allerdings zwischen Forcht unnd Hoffnung gepreste Hertz der Lympidæ allerdings unnd gemündlich erquickt! welche bey Anhörung disen letstern Wort die Schönheit ihres zarten Antlizes mit einer schamhaften höhern Röde verdoppelte / keins auß Vatter / Mutter vnd Tochter konde das allergeringst auß übriger Frewde andworten / biß endlich Myrologus sagte / wan gleich ihme das Thessalische Fürstenthumb nicht zu gestanden wäre / so hetten doch sein Herkommen seine aigne Tugenden / seine Tapfferkeit / ein andere Frewlin als Seine Tochter wäre / meritirt; dafern er auch ehebevor an ihme einige Naigung zur Lympidæ verspührt haben solte / sie zu seiner Gemahlin zuwürdigen / so würde er nicht die lobwürdige Dörfftigkeit deß begehrenden (als welche er mit dem seinigen reichlich genug ersetzen mögen) sonder neben seiner Tugent auch die vnvergeltliche Dienstleistung seiner Tapfferkeit / wardurch er ihn als seinen Leibaignen verbunden / angesehen: und ihme seine Lympidam nicht versagt haben / ob gleich / wie bekandt damahls die aller vortrefflichste Cavallier ihr nachgestrebet; beliebe aber ihme jetzunder als einem Printzen zuschertzen / das wolle er gern von seinem Lebens Erhalter gedulten.

Proximus betewrete darauff den wahrhafften Ernst seiner gethanen Rede / unnd damit es ihme vor keine Leichtfertigkeit zugerechnet werden möchte / das er sich so gleich im ersten Anblick in ein Frawenzimmer verliebt (welches zwar nichts news war sonder allen den jenigen widerführ / so die Lympidam zu fürwitzig anschaweten) so erzehlet er seinen die vorige Nacht gehabten Traum / vnd darauff erfolgte Begegnus / auff welche vertrewliche Communication Myrologus Proximo gleichsfals entdeckte / was in eben derselbigen Nacht zwischen ihme / seiner Gemahlin vnd Tochter abgeredet und beschlossen worden / vnd weil solches alles mit dem was er albereit von der Basilia vernommen / übereinstimbte / sihe so hielte er die Vermählung zwischen ihme und der tugentvollen Lympida vor ein unfehlbare Schickung Gottes / Myrologus und die seinige glaubten desgleichen / erhuben sich auch von derselben Stell nit ehender / biß beyde Verliebte einander das Jawordt gegeben.

Kaum war solches geschehen / als Modestus in Garten kan, und Proximo im Namen der Gesandten vorbrachte / waß massen sie auß der Fürstlichen Cammer zu Larissa ein namhafftes Stück Gelt mit sich genommen / solches zu notwendigen Behulff ihrer Her: und ihres Printzen hin Raisse zugebrauchen / mit vnderthänigster Bitt / dafern er etwas darvon zu Erhalt- und Außfertigung der Kayserlichen Ratification und seiner aignen Außrüstung anwenden wolte / das er solches gnädig empfahen lassen möchte / Proximus befahle / Modestus solte seinetwegen den Gesandten vmb die verspührende getrewiste Vorsorg der Thessalischen Landt Stände dancken / wan etwas von dem mitgebrachten zuverwenden vonnöten sein würde / wolte er ihnen solches zeitlich notificirn / nachgehents redete er mit Myrologo / wie die Sach anzugreifen / das er zum fürderlichsten die genehmhalt: unnd Bestettigung des Kaysers über seiner Mumen Testament unnd dessen Vollziehung zuwegen bringen: vnd dann auch zugleich seine Ehe Verlöbtnus durch die Copulation werckstellig machen möchte / nachdem er zuvor Modesto befohlen / vor sich / wie auch Modestum selbsten und ihre bede Diener alsobalden gewöhnlich trawr Gewandt noch selbigen Tag unnd Nacht verfertigen zulassen.

Denselben Tag unnd Abent wurde nichts sonderlichs mehr abgehandelt; die Herren Thessalische Abgesandten rasteten auß; Myrologus machte sich gefast mit den seinigen auch die Trawr anzulegen / die haüßliche Hapsa liesse ihr angelegen sein / ihre Gäste auffs beste zu tractirn / und dem vnvergleichlichen jungen paar gonnete nun mehr das Glück die Zeit und Gelegenheit / einander ihre getrewe Liebe zubekennen / sich zutrösten vnd die Geschichten so sich deswegen mit ihnen zugetragen / zuerzehlen; der Nacht Jmbs aber wurde wegen der leidigen Trawr nicht frölicher: aber wol Fürstlicher als die Mittags Mahlzeit eingenommen / unnd also derselbe Tag nach empfuntener Abwexlung viler Veränderung beschlossen.

So bald aber die liebe Sonne den Thracischen Theil des Erdtbodens widerumb anzublicken begunte / erschiene Proximus mit Myrologo und den Thessalischen Gesandten begleitet / an dem Kayl: Hoff; welchem der freye Zutritt Myrologi stracks Audientz verschaffte; die Notturfft wurde vorgebracht der verstorbenen Fürstin Eudoxiæ Testament eröffnet / unnd dasselbe alsobalden ohne einige deßwegen gehaltene Deliberation oder Difficultet vom Kayser gutgesprochen unnd approbirt / massen Proximus so gleich das Lehen empfieng / unnd den aid der Trew ablegte / vnnd als der Kayser nach disem vollendten Actu von Myrologo die zwischen Proximo unnd seiner Tochter beschehene Eheverlöbtnus vernam / wurde er dermassen darüber erfrewet / das sich seine aller tapfferste Helden so nahe miteinander befreündten / das er befahl / noch denselben Tag / ohnangesehen der Trawr / mit der Copulation Fürzufahren / er verehrte Proximo eine Gutsche mit sechs Pferdten / unnd was seiner Kayserlichen Cammer wegen der Jnvestitur heim gefallen wäre / schenckte er dem jungen par zur Ehestewr / es ist sich aber vber deß Kaysers diß Ordts erzeigte Miltig: und Freündlichkeit nicht so hoch zuverwundern / dan Myrologus wurde die vornembste Saül gehalten die seinen Thron vnderstützte; so war er auch so gewaltig / das er auch wider deß Kayser Willen seinen Tochterman in Thessaliam einsetzen mögen.

Dergestalt wurde Proximus innerhalb 24. Stunden zu einem Fürsten vnd Ehe-mal / der zuvor lange Zeit mit heiliger Gedult / höchster Armut unnd Verachtung gelebt und sich von jederman vmb Gottes vnd des lieben Fridens Willen geduckt und geschmuckt hatte / aber sihe! jetzt war der Tag der Widergeltung! es war eine Zeit / in welcher der allmächtige Gott der gantzen Welt zeigte / das er seine Diener erhohen vnnd beseeligen könde wann er wolte / vnnd hervor bringen möchte was gleichsamb albereit durch menschliche Vernunfft vorlängst in eine vermeintliche ewige Vergessenheit begraben worden / dann als sich seine Hochzeit Gäste kaum gesetzt hatten / da tratte ein schöner adelicher Jüngling in einem trawr Habit herrein / der / so bald er Proximum sahe / vor ihme mit wainenden Augen auff die Knie niderfiele / unnd den Todt seines Herren Vattern Orontæi verkündigte / der allergütigste Proximus nante ihn seinen lieben Vettern vnd hiesse ihn auffstehen / aber der Jüngling bate vnderthänig vmb Verzeihung und entschuldigte sich / das er Krafft seines Herren Vattern letstern Willens vor dißmahl seiner Schuldigkeit nach nicht gehorsammen dörffte / sonder das was ihm anbefohlen worde / knihent verrichten müste / biß er von Proximo völlige Vergebung erlangte / Proximus andwort / alles was ich vergeben kan / unnd so fern anders einige Vergebung vonnöten / das sey eüch vnd eweren Herren Vattern verziehen und vergeben; vnd wan einig Verbrechen vorgeloffen wäre / welches mit ewerer Niderknihen oder andern Bußwercken außgesöhnet werden sollen / so sey eüch dasselbe gleichfahls nachgelassen und geschenckt hube demnach den Jüngling selbsten auff / trüstet ihn über seines Herren Vattern seel: Todt / und liesse ihn als einen nahen Verwandten an die Taffel setzen; da er zwar weder essen noch trincken wolte / biß er die ihne von seinem verstorbenen Herren Vattern anbefohlene Commission abgelegt.


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