Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Prinz Proxymus und Lympida
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

DER DRITTE THEIL.

WEilen Modestus jelänger je mehr merckte / daß sich die langewünschte Stund bald nähen würde in dern seine Gott liebende Seele den Leib quittiren vnd sich jrem Schöpffer vorstellen solte / empfande er eine vil grössere innerliche Frewd als sonsten; die auch zimlicher massen herauß brach / ohnangesehen die Leibs Schmertzen genugsamb gewesen wären / selbe gäntzlich zu nidertrucken; er bezeiget sich als der Schwan welcher wie man sagt / vor seinem End lieblich singet! er frewte sich das die Zeit bald vorhanden / in deren seine Seele das gantze himmlische Heer / alle Chör der H. Engel / vnd die seeligen Seelen sehen: sie grüßen: ihnen zugezehlt werden: Und mit ihnen GOTT in Ewigkeit anschawen vnd denselben ohne End loben solte! Ach mein Sohn / sagte er zu Proximo / es ist dir ohnmüglich zuglauben mit was vor einem frölichen Willen ich dise Zeitlichkeit verlasse! zwar gar nicht / daß ich meiner Kranckheit vnd LeibsSchmertzen müd sey vnd deren ein End wünschte / dan wan es der göttliche Will wäre / so wolte ich solche vmb seinetwillen noch wol biß an den jüngsten Tag hertzlich gern gedulten; sonder darumb / dieweil ich alsdan an ein Ordt versetzt werde / alwo nicht mehr gesündigt noch Gott erzörnet wirdt: wo man seine Heilige Mayestät immer ehret / lobet / preyset vnd anbettet; wo man kein vnrecht sihet auch selbst nichts vnrechts begehet sonder vor dem Thron der allerheiligsten göttlichen Mayestätt ein ewigwerendes Sanctus vnd Alleluja singet! Sihe mein Sohn / dise Begirde auch dort zusein / vnd meinem GOtt mit vnd neben allen Heiligen Englen vnd Außerwöhlten Gottes immer vnd ewiglich zuloben / zeücht mich hin ehe ich sterbe / vnd mein dorthin entzuckt Gemüt ist gleichsamb wie ein Forier / mir daselbsten ein Quartier zubestellen! so / daß ich gleichsamb noch in disem ellenden Leben die himmlische Frewd in meinem Hertzen empfinde.

Aber ach mein Sohn / eins ist noch / daß mir die Vollkommenheit solcher meiner Frewde beschneidet / vnd daß ich besorglich nicht mit recht völligem Contentament dise Welt verlassen werde können / ein Anligen quälet mich noch / vnd wan ich dessen mich vor meinem Ende entübrigt sehen solte / so wolte ich vmb so vil desto frölicher sterben / hierauff schwig Modestus still vnnd sahe Proximum mit einem Seüfftzen so steiff vnd unbeweglich an / als wan er verzuckt gewesen wäre.

Demselben giengen hingegen seines Herren Vattern Reden so zu Hertzen / das ihme den ersten Paß zu antworten ohnmüglich war: er kondte nicht ersinnen was immermehr vor ein Anligen dessen auffrichtiges Gewissen solte betrüben können / vnd in dem ihme anfänglich ein mitleidenlicher Schmertz den Gebrauch der Rede benahm / siehe! so antworteten seine Augen mit Thränen! zu letzt erholete er sich widerumb vnd sagte / Ach mein Herr Vatter / ihme beliebe doch solch sein Anligen mir seinem einigen vnd getrewen Sohn zu offenbaren; wäre mirs nicht möglich zu helffen / so wird doch meines Herrn Vattern Gemüht erleichtert wann er dessen Hertz außlähret vnd mir part von seinem Anligen gibt: vnd werde ich mich glückseelig schätzen wann ich mit ihme etwas zu leiden würdig geachtet wurde / auffs wenigst hab ich die Gnad denselben zu trösten / dafern ich anders dessen Anfechtung nicht völlig auffheben kan / warzu ich dann das heilige Gebett vor die Hand nehmen will damit mir der liebe GOTT wo nit das letzte doch das erste verleyhet.

Mein Sohn antwortet Modestus / du bist der / welcher mich quälet! du bists / vmb welchen ich mich bekümmere! die Sorg vmb deine Zeitliche vnd ewige Wolfahrt bringt mir Schmertzen / weßwegen mir dann offt ein Stich durchs Hertz gehet so offt ich dich ansehe! mich so offt ein Grausen ankombt so offt ich an dich gedencke? sintemahl ich dich als eine liebliche Rosen vnder den Dörnern in dieser argen Welt hinderlasse / die / ach leider! in Gefahr stehet von denselbige in deiner zarten Jugend erstickt zu werden; ich will sagen deine Jugend ist mit all zuvilen Reichthumben überladen / die dich wie den guten Samen im Evangelio besorglich ersticken werden / ehe du weist wie die von GOtt bescherte zeitliche Mittel anzulegen? ich habe dir zwar vermittelst Göttlicher Gnaden den Weeg gen Himmel gezeigt / vnd mit Worten vnd vorgehenden Exempeln gewisen wie du darauff fortwandlen sollest; aber ach! auß den Augen auß dem Sinn! wann meine Augen zu seyn / so wird dich die Welt zu ihrem schandlichen / nichtigen / vnd zergänglichen Wollüsten locken / der Versucher darzu anreitzen; Meine Verlassenschafft die erforderte Spesen darzu anbieten / vnd deine Jugend wird durch solche mächtige vnd starcke Feind leichtlich zur Einwilligung zubewegen sein / biß du endlich zum Fall geratest / vnd wie in einer stinckenden Cloac darin unversehen vnd unvermerckt ersäuffst / stirbst vnnd (ach das es GOtt gnädiglich verhüten wolle) beydes am Leib vnd Seel verdirbest?

Ach mein Kind / was vor ein Schmertz würd mirs alsdan sein / wan ich solches in meinem Grab gewar werden solte? würde sich alsdan mein vermoderter Leib nicht in seinem Rhubeth vmbkehren? oder / (wan anders einige Betrübtnus in dem seeligen Leben statt fünde) mit was vor einem Hertzen vnd Gemüt / vermeinestu wol / würde ich als dan daselbsten nach deinem vnseeligen Abschid auß diser zergänglichen Zeitlichkeit / von deinem getrewen Schutz-Engel die erschreckliche Bottschafft vernemmen können / wan er gantz trawrig referirte / da du durch meine hinderlassene Reichtumb von der Himmelstras geführt: Und in die ewige Verdamnus gestürtzt worden wärest? Würde mir solches meine von Gott gnädigst designirte himlische Frewde nicht verbittern? Wann ich nemblich mich ewiglich zuerinneren hette / da du eben durch das jenig wärest in die Hölle zu den Teüfflen gefördert worden / dardurch ich dich gleich andern irrdisch gesinnten: aber warhafftig ohn besonnenen Vättern den grossen gleich machen: Und wie die gröste in der Welt hinder mir lassen wollen? O mein Sohn diß ist mein Anfechtung / diß ist mein Anligen / diß macht mir ein Eckel vor dem sterben / nach welchen ich doch ohne diß so hertzlich verlange / ich habe zwar einen grossen Trost zu deiner guten Art; ich setze ein gutes Vertrawen auff deine Aufferziehung; mir verspricht ein bessers / das du niemahlen auß den Schrancken der Tugenden geschritten bist; vnd über diß alles bin ich der zuversicht der getrewe Gott werde mein: ob gleich unwürdigs: doch emsigs Gebett erhört haben / darin ich so inbrünstig gebetten / er wolle dich vor allem übel: vnd sonderlich vor dem allergrösten übel / nemblich dem ewigen Verderben behüten; aber wan ich deine Gewaltige Feinde anschawe mit denen du künfftig zu kämpffen hast / vnd darneben erwäge / das ihnen meine hinderlassene Reichtumb Waffen an die Hand geben / dich desto ernstlicher zubestreitten / Sihe? so erschrick ich! Und meine gute Hoffnung bildet sich ein / sie stehe auff schlüpfferigen Füssen;

O wie manchen reichen Sohn hab ich gesehen / dem nach Antrettung seiner Eltern Verlassenschafft vil erträglicher gewesen wäre / er hette die allerärmbste Bettler zu Vatter vnd Mutter: Und nur einen Bettelsack zum Erbtheil gehabt? Und du selbst wirst dergleichen Exempel erleben; dahingegen Gott nach seinem allerheiligsten Willen die demütige erhebt / vnd die dürfftige neben die Fürsten zusetzen vermag;

Proximus wuste nicht wo sein Herr Vatter hinauß wolte / noch wo die Meinung seiner Rede hinzihlete? er war aber für sich vnd von selbsten geneigt / die zeitliche Reichtumber eben so sehr zuverschmähen als die Einsidler in der Ægyptischen Wildnus / die damahls deswegen durch die gantze Christenwelt in einem besonders grosen Ruff waren; derowegen antwortet er / meine gehorsambe vnd angelegneste Bitt ist / mein hochgeehrter Herr Vatter wolle nach seinem belieben disponirn / vnd dardurch so wol mit mir als seiner Verlassenschafft solche Anordnung verfügen / die dessen Anligen abhilfft gleich wie sie auch ohne allen meinen zweiffel allein zu Gottes Ehren angesehen sein: Und gereichen wird; ich bedarff negst GOTT nunmehr nichts mehrers / als meines Herren Vattern hochweisen Raths / dem ich auch in allem gehorsambe Folg leisten werde ich / ewer vnwürdiger Sohn bin so wol ewer / als ewer zeitliches Vermögen / selbigs zwar beliebe eüch anzulegen vnd zuverwenden nach ewerem gutbefinden / meinthalben sorge ich nicht / das mein hertzgliebtester Herr Vatter etwas anders thun vnd ordnen werde / als war zu ihne zuvorderist der Will Gottes vnd die Liebe zu ihme: Und dan disem nach die Vatterliche Trew zu mir reitzet vnd gleichsamb ansporet vnd treibet / man pflegt auß vnderschidlicher Erfahrung zusagen / die liebe der Eltern gegen den Kindern ubertreffe beyweitem die Liebe der Kinder gegen ihren Eltern; wan nun solchem also ist / massen meiner Jugent diß orts so viler alten Schluß und Erfahrnheit zuglauben gebürt / so kan ich bey meiner geringen: gegen meinem hochgeehrten Herren Vattern tragenden Liebe leicht schliessen. Wie hertzlich mich derselbe liebt / wan ich solches gleich auß aigner Erfahrenheit nit wiste oder niemahl gespürt hette; in dem ich nun solche deß Herren Vattern beydes gegen Gott vnd mir tragende Liebe behertzige / kan ich nichts anders glauben / als das alle dessen Anstalten und Abhandtlungen die er verfügen wirt nicht nur allein zu Abhelffung seines sorglichen Anligens: sonder auch zu Gottes Ehr und meinem Nutzen und frommen gereichen werde.

Wie? antwortet Modestus / wan aber meine vorhabende Handtlung in deinen und meniglichs Augen allem eusserlichen ansehen nach einen Schein hette / ob thät ich wider den Heiligen Willen Gottes? Wider dessen geschribenes Wort? Wider die weltliche Gesätz / Ordtnungen und Gewohnheit? Ja gar wider die natürliche Vatterlieb und Trew?

Mein hochgeehrter Herr Vatter / sagte hierauff Proximus / wan gleich solches meniglich darvor hielte / auch der Versucher mir selbst solches einbilden wolte / so werde ichs gleichwol nicht glauben. Als der ich mich ohn allen zweiffel versichert halte / das mein hochgeehrter Herr Vatter nichts anders thun kan und wirt / als was er eigentlich waiß / das es Gott angenehm und gefällig: mir aber zu deß Leibs und vornemblich zu der Seelen Heil und Wolfart nutzlich und ersprieslich sey; ich habe von Jugent auff ohne Rhum: auch ohne Vorruck- oder Auffhebung zumelden / mich jederzeit gegen meinem hertzgeliebten Herren Vattern gehorsamb zu sein beflissen; wie wolte ich ihme dan nun bey seinem seeligen Hintritt in Sachen die dessen Seelen Ruhe betreffen / seine himlische Frewde verdopplen und Gott lieb vnd angenehm: mir aber nutzlich sein werden / widersprechen kommen?

Nun dancke ich dir mein Gott (schrihe Modestus vor Frewde gleichsamb über vermögen auff) das du mich mit dem Beyspil meines Proximi gegen mir bezeügenden kindlichen Gehorsambs in meinem allerletzten Anligen der gestalt tröstest / vnd mich beynahe versicherst / er werde auch dir nach disem mir gezeigtem Exemplar biß in sein End gehorsam vnd getrew verbleiben? Ach allerliebreichster Gott? deine ohnendliche Barmhertzigkeit vnd Liebe / die du selber bist / geruhe ihm Beständigkeit zuverleyhen vnd ihn auff dem Weg der Tugent in deiner Liebe also zu regiren / zuleiten vnd zuführen / damit er nach diser ellenden Zeitlichkeit neben mir vnd allem himlischen Heer dich erfrewlich anschawen vnd ewiglich loben / ehren vnd preysen möge / Amen! vnd du mein Sohn ich wünsche dir solchen göttlichen Seegen von Gott dem allmächtigen / welchen er weiß / daß er dir nutzlich vnd gut zur Seeligkeit sey; ich wünsche dir das wolergehen auff Erden / welches Gott allen den jenigen im vierten Gebott versprochen / die ihre Eltern ehren; Sihe! ich hab Gott vor dich gebetten in allem meinem Leben und werde ihn vor dich zubitten nicht vnderlassen / wan ich meiner zuversichtlichen Hoffnung gemäß vor seinem allerheiligsten Angesicht erscheinen werde.

Dieweil du dan nun mein Sohn / deinen Willen dem meinigen gleichförmig zumachen dich erkläret / ich aber mich je vnd allweg dahin beflissen das mein Will dem göttlichen Willen nach aller Müglichkeit ähnlich sein möge / der da nichts anders Will vnd begehrt als vnser Seeligkeit / Sihe so bin ich entschlossen mein Testament zumachen vmb mich vnd dich in demselbigen nach Gottes Willen zuversorgen; hoffe derowegen du werdest nachmahlen in solchen meinen letsten Willen consentirn / vnd zu solchem Ende genugsame zeügen erbitten vnd herbey bringen / in deren gegenwardt ich meinen vorlängst gehabten Vorsatz ins Werck stellen möge:

Hierauff verfügte sich Proximus hin / wo er hierzu taugliche vnd bekante Leüth fande vnd als er solche erbetten vnd zu seinem Vatter gebracht / thät derselbe erstlich nachfolgende Rede an sie:

Geehrte liebe Herren vnd gute Freünd / sagte er / es ist eüch allen mehr als genugsamb bekant / vnd welchem es nicht bekant wäre / dem bezeügt es doch der Augenschein genugsamb / wasmassen die Güte des allmächtigen Gottes beliebt / mich auff diser Welt mit Zeitlicher Hab vnd Narung also gnädiglich zusegnen / das mein vermögen die Reichtumb der allerreichsten in Constantinopel wo nit übertrifft jedoch denenselben gleich geschätzt werden mag; welchen überflüssigen Gottes Seegen ich auch bishero verhoffentlich also besessen / genutzt / genossen / gebraucht vnd darvon verwendet / das ichs vor dem Verleyher vnd Geber aller guten Gaben zuverantworten getrawe demnach sich aber nunmehr die Zeit nähert / das ich nach dem Heiligen vnd unveränderlichen Willen Gottes die Schult der Natur bezahlen vnd den Weg aller Welt gehen solle; zumahlen Niemand hinder mir verlasse als gegenwärtigen meinen hertzgeliebten Sohn Proximum / so habe ich mit seinem als meines eintzigen Erbens Gehell / Consens vnd Einwilligung beschlossen / ein Testament zu machen / vnd meine Haab vnd Güter zu Trost meiner Seelen / zu Nutz meines Proximi: zu Hilff vnd Erquickung der Armen: zuvorderst aber zur Ehr GOttes noch bey lebendigem Leib nicht allein zuvermachen / sonder auch gleich hin vnd wider an die bestimbte Orth vnd End / allwo ich vermeine daß es nothwendig / GOtt angenehm vnd vnsern Nebenmenschen nutzlich seye / zuvergaben vnd außzuspenden; weßwegen dann ihr meine geehrte Liebe Herren vnd gute Freünd durch gemelten meinen Sohn auff mein Begehren als Gezeügen erbetten worden / vnd darob halten zuhelffen / damit diser mein letzter: vnd meines Proximi mit einstimmenden Will punctualiter gehalten vnd vollzogen werde.

Orontæus ein geborner Antiochener / welcher auß Modesti Mütterlichen Herkommen vnd Geschlecht entsprossen / vnd dannenhero dem Testator vnd seinem Sohn verwandt / auch jetzunder vnder der erbettener Versamblung der vornehmbste vnd ansehenlichste war / ob er sich gleich damahls wegen der Saracenen Einfall in Syriam nach Constantinopel geflehnet / vnd gleichsamb wie ein Exulant lebte / antwortet hierauff im Namen der andern Anwesenden / daß sie Modesti Anbringen vnd Meynung verstanden hätten / wolten auch ferners gern vernehmen / was sein eigentlicher letzter Will sey / vnd welcher gestalten er seine Verlassenschafft zuvertheilen entschlossen; ohnangesehen er seines wenigen orths vermeinte / seine divitiæ solten indivisibilis verbleiben / weil ihme GOtt einen so tapffern jungen Sohn zum eintzigen Erben bescheret.

Aber Modestus erzeigte mit etwas Kopffschüttlen ab solcher letzter Rede seines Oehms ein Mißfallen; Antwortet auch Oronteo / was wir zuthun vorhabens / das haben wir bey gesunder Vernunfft vnd mit gutem reiffen vorbedacht verlangen zuthun entschlossen / werden vns auch nicht darvon abwendig machen lassen / dieweil wir mit andern Menschen das gemeine Recht zugeniesen haben / das ein jeder mit dem seinigen thun möge was er will; darauff führ er ferner fort vnd sagte erstlich will: verschaffe vnd ordne ich / das mein Leib / nach dem ihn meine Seele verlassen vnd wider zu ihrem Schöpffer (dem ich selbige zuvorderist vermacht: vnd in seine liebreiche barmhertzige Hände befohlen haben will) gekehret sein wirt / zu meiner Gemahlin auff der Haffner Zunfft Kirchhoff gelegt: vnd ohne allen fürstlichen Pomp vnd Pracht / der mir sonst der Welt eitelem Gebrauch nach zukäme / begraben werden soll.

Zweitens vermache ich vnd übergebe zum Aigenthumb Modesto meinem Diener vnd Tauffpatten vmb seiner Getrew geleisten Dienste; vnd seiner frommen Eltern willen / mein Adeliches Rittergut so oben an dem Fluß Athira gelegen / solches vor sich / vnd seine Erben als ander sein Aigenthumb in zuhaben / zunutzen zuniesen / zubesitzen vnd damit zuschalten vnd zuwalten / in aller maß vnd form wie ich solches biß her gehabt vnd besessen ohne Eintrag meniglichs.

Meinem lieben Sohn Proximo aber hinderlasse ich drittens vnd verschaffe jm zum Eigentumb neben der Behausung die ich hier bewohne / mein ander Rittergut vnden an besagtem Fluß dem Meer warts zu gelegen / welches ich gleich zu meiner hieher Kunfft an mich erkaufft habe; neben denen Mobilien so sich in disem Hause befinden; solches alles ebenfals sambt Pferten / Wehr vnd Waffen vnd was zu meinem Leib gehöret / zuererben vnd als sein Aigentumb zubehalten.

Betreffend viertens alle meine vbrige Haab vnd Güter wie die Namen haben / ligent vnd fahrent / soll von denselben zuvorderist der zehente Theil den Gaistlichen zugestellt: alles vbrig aber versilbert: den Armen außgetheilt: vnd mit solchem Werck noch heüt oder so bald immer möglich der Anfang gemacht werden

Dieweilen aber zum fünfften vnd letzten mein lieber Sohn Proximus (welcher dises meines Testaments vnd letzten Willens Executor vnd Vollzieher sein soll) angesehen wirt / ob werde er hierdurch gravirt / seiner rechtmässigen Erbschafft beraubt / sein Herkommen vnd hoher Stand dardurch geschändt vnd er selbsten gleich dem allerärmsten vom Adel in verächtliche Armut gesetzt; Sehet! so verordne ich ihm zu einem Vormünder vnd Pfleger Christum unseren einigen HErren vnd Heyland / ihne in allen seinen Nöten zuretten / zubeschirmen / zuschützen / zuverpflegen / zuvertätigen / zu regiern / zulaiten vnd zuführen; allermassen gedachter mein geliebter Sohn ihme albereit solcher Gestalt zu einem Pfleger angenommen / sich ihme ergeben / von seinetwegen in dise meine Vermächtnus consentirt vnd seine gebürende gleichsamb vberfürstliche Erbschafft hindan gesetzt; auch vmb solcher Vormundtschafft willen noch mehrere zuthun: ja Leib vnd Leben vnd die Ehr vnd den Adel so ihme von seiner Herkunfft wegen zustehen möchte / darzu strecken entschlossen.

Obenermeltem Orontæo wolte dise Vermächtnus / Meinung vnd letzter Wille deß Modesti durchauß nicht gefallen / ohnangesehen sie der einige rechtmäsige Erb Proximus als ein gehorsamber Sohn von Wort zu Wort gutsprach vnd darmit in allen Puncten vnd Artickeln zufriden war; jehner hingegen protestirte darwider in bester Form /vnd sagte: das er als ein naher Verwandter Proximi solche vmb so vil desto weniger gutheissen könde: dieweil sie nicht allein wider alle Billichkeit / wider alles Herkommen / wider die Geist vnd weltliche Rechte vnd wider das Gesätz der Natur lieffe / sonder auch seinen jungen öheim der den Handel noch nicht recht verstünde / aller Mittel beraubte / seinen wolhergebrachten hohen Stand künfftig der Gebür nach zuführen; Ja ihn gar in Armut vnd Verachtung vnder die Bettler setzte / gieng auch so bald hin vor die Kayserliche Mayestät / das vermeinte ungeschickte Vorhaben Modesti zu Proximi besserem Vortel gäntzlich zuhindertreiben / null vnd nichtig zumachen; dem aber der edle Jüngling Proximus auff dem Fuß nachfolgte ihme zuwiderstehen / vnd zubehaubten / das seines Herren Vattern letster Will würcklich vollzogen werden möchte.

Daselbst brachte nun Orontæus die Sach mit den allerbewöglichsten Worten vor / die er immer ersinnen konde; alle seine Gründe waren vernünfftig / raisonabel vnd vnwidertreiblich den Kayser zupersuadirn / das Proximus bey seines Herren Vattern völliger Verlassenschafft gehandhabt werden möchte / er sagte: es wäre niemahl erhöret worden / das jemahl ein Vatter sein einig Kind vnd zwar einen so tapfferen Sohn so gar vergessen / in Wind geschlagen / vnd dessen was ihm von Gott vnd rechts wegen gebürte / so gäntzlich ohne alles Verschulden zuberauben gedacht: geschweigen gethan hette; es wäre bey den grausamben Barbaren ein grösere Trew gegen ihren Kindern: Ja bey den unvernünfftigen Thiern ein grösere Liebe zu ihren Jungen: als bey dem Modesto gegen seinem Sohn zufinden; endtlich henckte er auch daran / ihr Kays: Majestät wolten allergnädigst considerirn / das durch dise des Modesti ohnrechtmässige ja recht ohnbesonnene Procedur in seinem Sohn eins auß den vornembsten Geschlechten des Röm: Reichs / das ehemahlen in des Kaysers vnd allgemeinen Wesens Diensten gantze Legiones wider die Feinde auff seinen Kosten ins Felt geführt / nidergetruckt: vnd also ein starcke Saul des Vatterlandts zerschmettert vnd vertülget würde / die er der Kayser doch ehemahlen selbe nach dem sie Phocas vmbgeworffen gehabt / in Modesto so hochrühmlich widerumb auffgerichtet; grausamer / sagte er / hette Modestus wider den löblichen edlen vnd tapffern Jüngling Proximum nicht verfahren könen noch dörfen / wan er durch übel verhalten zum Bößwicht: oder durch vngehorsamb seinen Herren Vattern widerspendig worden wäre / vnd also sich selbsten beydes seines Herkommens vnd seiner Vätterlichen Erbschafft ohnwürdig gemacht hette; derowegen die Kays: Majestätt allerundertänigst bittent / si wolten allergnädigst geruhen / vilgemelten seinen öhm Proximum vermittelst Kayserlicher Macht vnd Autoritet in der rechtmässigen Possession seiner Vätterlichen gantzen Verlassenschafft zu manutenirn / vnd ihne wider seines Vattern vmbillich procedere zuschützen; sintemal solches wansinnige beginnen ohne das in allen rechten ohnbündig vnd nichtig; ich sage wahnsinnig! als an welchen ein jeder: vnd an den Früchten die darauß entspringen möchten / ohnschwer erachten könde / das der Testator beydes vor Alter vnd langwüriger Kranckheit am Verstandt abgenommen / vnd als ein hinziehenden / dem nach seinem absterben die gantze Welt todt sein mag / sich wenig mehr vmb das jenig bekümmert / was seiner Posteritet / seinem Vatterland dem Reich vnd allgemeinen Wesen nutzlich vnd anständig sey.

Von der Wiegen an biß hieher hatte Proximus noch niemahl erfaren noch empfunden was der Zorn vor ein Ding sey ausser das er ihn etwan nennen: vnd als ein hefftige GemütsBewegung beschreiben hören! aber jetzo als er Orontæum wider seinen Herren Vattern vnd dessen Gott allerwolgefälligstes Vorhaben so reden: vnd ihn noch darzu der Vnbesonnenheit beschuldigen: vnd als einen wahnwitzigen der seinen Verstandt verlohren / beschreiben: vnd dem Kayser dargeben höret; ergrimbte sein Gemüt in einem rechtmässigen zulässigen: Ja heiligen Zorn dermassen / das sein rosenfärbigs Angesicht erblaste / seine Corallen rothe Lippe verblichen: die Gall überlieffe / vnd sein gantzer Leib einer ohngewöhnlichen Veränderung gewahr wurde! Sihe! also machten etliche empfindtliche Wort Orontæi das sonst allersanfftmütigste Geblüt Proximi schaumen vnd auffwallen! der Eyffer wegen seines Herren Vattern verstelte dises edlen Jünglings englisches Angesicht / darin man doch zuvor weder Runtzlen noch einige Anzeigung der geringsten bösten Affect oder Naigung: vil weniger ein Merckmal etwelcher Laster oder Bosheit wahr genommen? hier bebette das aller adelichste Gemüt vor Liebe vnd zorn; da zitterte der jenige tapffere Held vor Grimm / der doch ehemahlen ohne alle dergleichen Gemüts zustände gantze Squadronen Feinde gejagt / vnd gleichsamb mit lachendem Mund vnd Hertzen / als wie nur spielende / manchen geübten starcken vnd entzürnten Feind überwunden vnd getödtet hatte!

Beydes der Kayser vnd Orontæus merckten solche änderung / diser vermeinte zwar / sein junger öheim entrüstete sich so hefftig über seines Herren Vattern beginnen / als welches er gar abschewlich abgemahlet; aber jehner gab Proximo mit einem Wunck Befelch zureden / vnd seine Meinung mündtlich zueröffnen / deren Wichtigkeit er zwar auß seinen Geberdten abgenommen / aber die Jntention selbsten nit vmbständlich genug darauß vernommen oder wie auß einem offnen Buch lesen mögen.

Proximus war damahls von denen zusamen stürmmenden Affecten der Liebe / des Eyffers vnd des Zorns in seinem Gemüt dermassen bewegt vnd in seinen Sinnen verwirret / das er beynahe nit wuste was er sagen solte oder auff die Bahn bringen solte: demnach er sich aber wider erholet seine gebührende Referentz gegen der Kays: Majestät gethan / wandte er sich gegen Orontæe vnd sprach: mein öheim! ewer der Kays: Mayt: vermeindtlich zu meinem besten gethanes Vorbringen hat zwar so feste Gründe vnd rechtmässig scheinende Vrsachen / das es leichtlich ihrer Kays: Majest. vnsers allergnädigsten Herren Beyfall erlangte; aber eüch wolle ohnschwer zuvernemmen belieben / das ihr der Sachen gründtlichen Beschaffenheit noch lang nicht gründlich genug berichtet worden; massen sie in Warheit nicht bewandt / wie mein Herr öheim sich solche eingebildet vnd anjetzo selbige der Kays: Majestätt allerunderthänigst erzählet; dan erstlich rühret meins Herren Vattern Gott wolgefälligers Vorhaben nit vrsprünglich her / auß der Phantasia eins übel disponirten Hirns vnd krancken Verstandts; sonder er ist schon etlich Jahr bey guten gesunden Tagen / Ja allbereit in seiner Jugent zu Kaysers Mauritij Zeiten ehe ich geborn worden (wie ich von ihme berichtet bin) damit vmbgangen vnd des Willens gewesen / das seinig zu Gottes Ehren zuverwenden / den armen zuvergaben vnd selbst mit denen Ægyptischen Einsidlern in der Thebaischen Wildtnus in Armut zuleben vnd gleich ihnen Gott zudienen! das er aber solches nicht ehender ins Werck gesetzt / daran hat ihn erstlich höchstgedachter Kayser Mauritius (der ihn als seinen getrewen Diener nit verlihren wolte / sonder sich seiner zuversichern ihn mit der aller vortrefflichsten Damen des Landts meiner lieben Fraw Mutter seel: zu sich verstricket) folgents aber ich verhindert; Weil er meine zarte kindliche Jugent angesehen / vnd mich in seinem Exilio (darein ihn Phocas mit Betrohung getrungen) nach meiner Fraw Mutter seeligen sehr frühezeitigen Ableyben / weder auch zum Vatterlosen Weysen machen: noch jemand anderem als ihme selbsten meine Aufferziehung anvertrawen wollen; er hette auch solche seine Jntention ins Werck zusetzen keines wegs vnderlassen / so bald ich meine Vogtbare Jahr erraicht / dafern nicht eben damals Cosdroes die Römische Provintzien: ihne selbst aber seine langwürige Kranckheit überfallen; also das er seythero des Behts mit Gedult: ich aber Persianischen Kriegs nach meiner Schuldigkeit abwarten müssen / in welcher Zeit er abermahl sein hertzlichs Verlangen ins Werck zusetzen verhindert worden / vnd derentwegen in dessen mehr nach meiner Heimkünfft als nach seiner Gesundheit geseüffzet / damit er mit meinem Consens (den er eben so verständig begehrt als wolbedächtlich ich solchen von mir gegeben) sein langgewünschtes Ziel dermahl eins erreichen mochte.

Verwundere mich derowegen / das mein Herr öheim meinen hertzgeliebten Herren Vattern (der sonst nichts sucht / als das so wol ich als er Gott wolgefällige Werck verrichten möge) einiger ohn Vernunfft vnd eines vnbesonnenen: vnrechtmässigen ja gleichsamb vnchristlichen Beginnes beschuldigen mag? es darff ja (ob Gott will) jeder mit dem seinigen thun was jm beliebt? Warumb solten dann die von Gott gebettene: vnd von ihme so hochbeliebte Werck der Barmhertzigkeit allein meinem lieben Herren Vattern der sich zum hinscheiden gefast macht zuüben vnd den Armen das seinig mitzutheilen verbotten werden? Solches wäre je ein seltzames: ein vnchristliches: ein grausames vnd zuvor niemahl erhörtes Verbott?

Das aber mein Herr öheim sich vernemmen lassen / meine Jugent verstehe den Handel noch nicht recht; ich würde gleichsam ohnwissen auß meinem angebornen hohen: in einen nidrigen verächtlichen Standt gesetzt / vnd sambt meiner Posteritet durch Armut nidergedruckt; da habe ich zwar grosse Vrsach der wolgemeinten Versorg zudancken aber soll mir drumb verbotten sein / in Armut / in Demut vnd in Dienst Gottes zuleben / weil ich auß hohen Stammen entsprossen? das wäre den hochgebornen vnd reichen übel gesagt / wan sie allein ihrer Güter Schlaven: des weltlichen Prachts Knechte: des überflusses Diener: vnd deren offtermahls darauß entspringenden sündtlichen Wollüste Leibaigne sein müsten! ich weis zwar gar wol / das weder der Besitz grosser Reichtumb noch eines hohen Standts / sonder allein deren Misbrauch verdammt; wer will mir aber mit gutem Gewissen rathen können vilweniger mich zwingen können / in Gefahr der Sündt zubegeben ? gewißlich mein Herr Ohem / die Gelegenheit macht dem Dieb / vnd als ich noch nichts anders wuste / dan das ich eines Armen Haffners Sohn wäre / lebte ich vil freyer von allen Begirlichkeiten vnd hoffärtigen Einbildungen / als da ich innen wurde / das mein Herr Vatter ein grosser Fürst war; besser wirts mir sein / ich gewohne im nidrigen Stande ein hartes Leben / damit ich hernach auff alle vorfallende Kriege ohne Arbeit vnd Beschwerung mein Schwert vnd Lantzen führe / als wann ich bey überflüssigen Reichthumben den Wollüsten abwarte / vnd mich zu den Waffen allerdings ohndüchtig mache; weder dem Menenio Agrippa noch andern edlen Römern die gleichwol auch solches Standes vnd vornehme Männer waren / wirts zur Schand: sonder zum hohen Lob nachgeredet / das sie so arm gewesen / das man sie nach ihrem Todt auß dem gemeinen Seckel oder anderer ehrlichen Leüthe Steür begraben müssen; bleibt der Fride / so kan ich mich wol auff dem Gut das mir mein Herr Vatter assignirt / betragen; wo nit / so wirt mir mein Ritterschwert beydes Reichthumb / Ehr vnd Narung genugsamb verschaffen; vnd werde ich mich nimmermehr überreden lassen / das Tugent vnd Adel sich allein an die Reichthumb binden lasse.

Was das anbringen betrifft / ob würde durch Division meiner Vätterlichen Güter ein vornehmer vnd starcker Stand des Reichs ausgereütet der ehemahlen gantze Legionen wider die Feinde zu Feld geführt / ist vnd verbleibt solches ein vnützes vorgeben; dan mein Herr Vatter ist gar nit gesinnet / seine Güter ausser dem Reich: vilweniger den Feinden sondern solchen Leüthen zuvergaben / die wegen ihrer bittern Armut zu Fridens Zeiten weder äcker bawen können / noch Handtierungen zutreiben: vilweniger im Krieg Waffen zuführen vermögen; dieselbe hat er im Sinn mit dem seinigen zuerquicken vnd zu bederley geschäffen bequem zumachen / solches vnnd was endlichen noch mehr vor Früchte auß meines Herrn Vattern Löblichen vnd Gottseeligen Vorhaben entspringen möchten / bezeüget das eintzig Exempel seines Dieners Modesti / der ohne meinen Herren Vattern / wans wolgerathen / hinder der Haffnerscheibe oder wol gar im Bettel sitzen blieben wäre / dahingegen er anjetzo durch dessen letsten willen zu einem ansehnlichen Rittergut geraten / vermittelst dessen er auff alle verfallende Begebenheiten der Kays: Mays: dem Reich vnd Vatterland zu Dienst mit etlichen gewaffneten Pferdten erscheinen kan.

Wie aber Herr Oheim? wan ich gleichwol allein meines Herren Vattern Verlassenschafft besässe / vnd aber bey so grosser Reichtumb auch geitzig wäre (von Wollust vnd Verschwendung / deren ich mich villeicht ergeben möchte / will ich nichts reden) was wäre in Zeit der Noth der Kays: Mays: dem Reich vnd der löblichen Vatter Statt mit meinem Vermögen als dan gedienet? wäre ich ein Durchjager / woher wolte man mir was abnemmen? wäre ich ein Geitzhals / so würde ich mich mit Gewalt vmb meine zusamen gesparte Batzen wehren!


 << zurück weiter >>