Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Prinz Proxymus und Lympida
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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DER SECHSTE THEIL.

MYrologi Reichthumb / Glück und Ansehen vermehrte sich von Tag zu Tag / und derowegen auch seine Freünde; er hielte täglich ein freye Taffel und welchen auß dem Adel die Ehr widerfuhr / daran zuspeysen der schätzte sich glückseelige; man wuste in der gantzen Statt von seiner vnd der seinigen Vortrefflichkeit zusagen; seine eigne Tapfferkeit und hoher Verstandt in Kriegs: in Staats und allen andern Sachen wurde durch das gantze Land gerühmet / seiner tugend reichen Gemahlin Hapsæ weiterschollene Frombkeit würde allenthalben gelobet / und seiner Frewlin Tochter Lympidæ unvergleichliche Schönheit wurde von jederman mit Verwunderung angebettet / und ihre demütige Eingezogenheit und Gottes Forcht durch die gantze Statt geprisen.

Jn zweyen Stücken schiene diser tapffere und sonst überal glückseelige Herr allein vnglücklich zusein; erstlich das er mit keinem Mannlichen Erben gesegnet war / seinen berühmten Namen und Tugent Ruhm der Nachwelt zum besten auff ihne zu propagirn / und dan zweytens / das dessen gedachte Frewlin Tochter Lympida vom Heürathen nichts hören wolte / als durch welche er sich gern mit Nachkömlingen verewigt sehen möchte; sintemahl wir Menschen von Natur geneigt sein / Erben vnsers Geblüts zuhaben / die das jenige so wir in diser Welt erworben / nach vnserm Todt besitzen möchten / und als dan sterben wir auch desto vernügter / oder bilden vnß auffs wenigst ein / wir verlassen dise Welt desto lieber.

Zwar manglete es Myrologo nicht an der Wahl / ermelter seiner Frewlin Tochter auß den allervortrefflichsten und edelsten der Statt ja des gantzen Landts einen Gemahl zuerkiesen / dan nicht allein seine grosse Reichthumb unnd hoher Standt lockte seines gleichen herbey und machte sie zu emsigen Freyern / sonder der Lympidæ himlische Schönheit und andere seltene Tugenden mit welchen sie überflüssig geziert gewesen / war an sich selbst genug / auch die allerhärtiste Hertzen zuverwunden und zu ihrer Liebe zuzwingen / massen sie niemahl kein Aug gesehen noch einig Gemüt betrachtet es sey auch so vnbewöglich gewesen als es immer wolle / das sich nit alsobalden im ersten Anblick in dem Netz der Liebe gefangen befunden hette? dannenhero war ihres Herren Vattern Hauß und Taffel täglich voller ansehenlicher Cavallier / die under dem Schein Myrologo mit EhrBezeügungen auffzuwarten / sich beflissen / ihrer Hertzen heimliches Leyden der Lympidæ zuverstehen zugeben und mit allerhandt Dienstfertigkeiten ihre Gegenhult zuerwerben / welches alles sie aber so kaltsinnig angenommen / als wann sie nicht einmahl so wol als andere Weibsbilder empfindlich und auß Menschlichem Fleisch und Blut geborn gewest wäre.

Jn Betrachtung eines solchen / verzweiffleten vile an dem glückseeligen Fort- und Außgang ihrer Liebe; under andern aber die noch ihr Verlangen zuerraichen verhofften / befanden sich vornemblich zwen Griechische Jünglinge hohes Stammes die so wol wegen ihres berühmten Geschlechts und besitzenden grosser Reichthumb als anderer ihrer guten Qualiteten halber mit denen sie der gütige Himmel begabet / mehr hartnäckig als vernünfftig den Lauff ihrer Liebe verfolgten / und ihren Begirden den Zaum schiessen liessen / weil ein jeder auß ihnen vermeinte er meritirte die besitzung einer solchen Schönheit vor dem andern / sie waren auch beyde von solcher löblichen Beschaffenheit / das wan noch zwo Lympidæ vorhanden gewest wären / billich einem jeden auß ihnen die eine gebührt hette; Myrologus wuste beyden Liebe wol / und hatte auch einem auß ihnen seine Lympida nicht versagt / dafern er anders vermercken können / das sie dem einen oder dem andern ihre Gegenliebe im geringsten zugeaignet; aber sie tractirte den einen wie den andern mit gewöhnlicher Kaltsinnigkeit

Da hingegen erdultet ihr keüsches Hertz nit weniger Qual dann alle ihre Liebhaber; als welches damahls in völligen Flammen gegen ihrem Proximo stunde / der aber an nichts wenigers als an seine Tugent vollkomne und allergetrewiste Liebhaberin gedachte / vber diß wurd das fromme Frewlin an statt ihrer alten nunmehr verschwundenen Sorg mit einem newen und fast hefftigen Anligen als das vorig angefochten und gepeinigt / welches ihr gleichsamb alle Hoffnung abschnitte / dem jenigen zu Theil zuwerden / dem sie die Holtschafft ihres Hertzens zuschencken genötigt worden; es ist nit außzusprechen / mit was vor immerwehrender und ohnausgesetzter Bekümmernus sie sich dessentwegen abmergelte / wiewol sie sahe / das sie ihr diß orts schwerlich würde helffen können; aber eben deßwegen war ihr Schmertz desto unerträglicher! dan gleich wie sie ihr bey des seeligen Modesti Lebzeiten einbildete / derselbe würde nimmermehr zugeben / das sein Sohn / in Ansehung seiner weit edlern Herkunfft vnd grossen Reichthümber die er besasse / sie / die Lympidam heürathen dörffte; also sorgte sie jetzunder ihr Herr Vatter würde nunmehr den Proximum verachten / vmb willen er sich selbsten durch Einwillig: und Vollziehung seines Herren Vattern seel: letsten Willens / in Armut gesetzt: und denen die ihrer begehrten / so ungleich gemacht hette / das ihm billich der allergeringste auß ihren Buhlern oder Liebhabern vorgezogen werden möchte.

Ach! sagte sie offt zu ihr selbsten! Ach seeliger Proxime! wie weit entfernet sich deine Gottseeligkeit von dem Wunsch und Verlangen einer vnglückseeligen Frewlin! O du vnbarmhertzig- und ohngerechtes Verhängnus / wie spilestu mit denen so grausamb / die doch in Vnschult zuleben sich befleissen und sonst nichts als Tugent lieben? deine Proceduren verfolgen die Unschult / und die jenige so nichts (gegen jehnen zurechen) als Straffe meritirn / scheinestu glückseelig zumachen. O verkehrter und blinder Lauff der auch verkerten und blinden Welt / worinnen die allergröste Unordnung deine allerbeste und gewöhnlichste Ordnung zusein pflegt? ich gesteh es / ich liebe / aber nicht einen eintzigen auß den vilen die mich so hertzlich lieben / sonder einen dessen himlisch gesinntes Hertz mich villeicht nimmermehr seiner Liebe würdig achten wirt? ich beklage mich dannenher vnbillich über den verkehrten Lauff der Welt / sintemahl ich selbsten gantz einen verkehrten Weeg gehe / und nit in Acht nemme / weder was die Billichkeit noch die Liebe meiner Liebhaber erfordert; ich suche eine wilde Blum zupflantzen die sich villeicht in meinem Garten nicht zielen läst / und verachte hingegen die zahme Gewächs / die indessen auß Mangel gebührlicher pflege verschmachen und verderben? aber O edler Proxime wo gerathe ich hin? verzeihe mir disen meinen unbesonnenen Einfall / als der ein Theil ist von denen fligenden / eytelen lehren unnd nichtigen Gedancken die vnß wider vnsern Willen schnell zuüberfallen und auch bald widerumb zuverlassen pflegen; du bists versichert allein mein edler Proxime? den der Glantz seiner seltenen und unvergleichlichen Tugenten meinem tugentliebenden Hertzen eingetruckt hat; und eben dise deine Biltnus wirt auch ohnverletzt darin verbleiben und erhalten werden so lang meiner aignen: von genugsamben Trost verlassenen und betrübten Seelen gegönnet wirt / disen jren Cörper zubewohnen; damit der wahre Tugentspiegel / welcher du selbsten bist / mir / gleich wie dem Schiffman der Meerstern / als ein Regul / Richtschnur / und Wegweisung taugt / den Weg meiner hiesigen Zeitlichen Wolfarth darnach anzustellen vnd zuwandtlen / und dardurch / (ob ich gleich in disem Leben weder deiner Conversation noch Beywohnung gewürdigt würde) erlangen möge / das ich dort in der Ewigkeit neben dir und allen deines gleichen das aller höchste Gut immer und immer anschawen / loben / ehren und preysen möge.

Solcher gestalt quälet und tröstet sich die fromme Lympida so Tags so Nachts darinnen ihr die brennende Flammen ihres keüschverliebten Hertzens weder Rast noch Ruhe liessen / dann wann sie ihr des gottseeligen Proximi heiligen Sinn und eifferige Beständigkeit im Gottes Dienst vorstellete / bedauchte sie ohnmüglich zusein / das eine Liebe gegen einem Weibsbilde oder gegen sonst einiger Creatur auff der Welt in sein Hertz solte kommen und Platz finden können / weil die Liebe zu Gott solches zuvor gantz eingenommen und so continuirlich besasse / warauß sie einen unfehlbaren Schluß machte / daß sie ohne Hoffnung liebte / wan sie ihr dann zu Gemüt führte / wie weit sich Proximus durch Hingebung seiner vätterlichen Erbschafft in Armut gesetzt / und von seinem vorigen hohen Standt entfernet / so konde sie ihr nichts anders einbilden noch glauben / als das ihr Herr Vatter nimmermehr zugeben und gestatten würde / ihme sein eintziges Kind / dessen die aller reichste und vortrefflichste Cavallier des Landts zur Ehe begehrten zuverheürathen: und ihnen sein grosse Reichthumber / die er villeicht auch wie seines Herren Vattern / so noch weit grösser gewesen / auff vorige Weise ohnwerden möchte / anzuvertrawen; wurde dan die gute Lympida von disen beyden wichtigen Verhinderungen angefochten und ihrer betrübten Seelen damit gleichsamb biß zur Verzweyfflung zugesetzt; sihe so suchte sie die heilige Gedult hervor / mit deren sie sich zuwaffnen: und mit Gebett wider die unvberwindtliche Liebe selbsten zustreitten begundte? aber ach? es war vmbsonst / und so wenig möglich das empfangne Fewr in ihrem Hertzen ohne gäntzliche Zerrüttung ihres Gemüts zulöschen / als einen tieff eingewurtzelten Baum ohne Versehrung des Erdtreichs darauff er gewachsen / von Grund herauß außzureütten; dannenhero wurde durch disen hefftigen Streitt und Krieg / den die Liebe in ihrem Hertzen erreget / ihr holtseelige und ohnvergleichliche Schönheit gleich wie der klare Himmel in Zeiten des Ungewitters mit trüben Wolcken der Trawrigkeit überzogen / also das man ohnschwer ein innerliches Anligen in ihrem lieblichen Angesicht lesen konde; warvon dan auch in demselben sich die angenehme eingestrewte Rosenfarb nach und nach verlohre / so / das sich ihre zarte Wangen allgemach den Lilien Blättern zuvergleichen und alle ehemahls darauß blikende Frölichkeiten in ein betrübtes Aussehen zuverwandlen begundte.

Diser gottseeligen Frewlin einiger Trost war / das sie bißweylen Proximum in der Kirchen zusehen bekam / so ihr aber mehr zum Schmertzen unnd Vermehrung: als zum Trost und Verminderung ihrer Liebe gediehe; kaum hatte sie alsdan die Liebe gezwungen / ihm einen Blick zuschencken / dessen er doch niemahlen wahr nam / so bald erhube sich auch ein Streitt in ihr / in welchem sie ihrem Beginnen widersprach und zu ihr selbsten sagte / du verruchte Lympida / weistu nicht das du an disem heiligen Ordt dem Gottes Dienst mit Andacht beiwohnen sollest? schawe doch ob Proximus selbsten / dem es zwar besser als einem Weibsbilde zukäme / hin und her gaffet / oder ob er jemahl ein Aug vom Altar verwendet? sihe / wie er dir hiermit die Begirde deiner vmbschweiffenden Augen verweiset? wie er dich lehrnet / was gestalten du dich bey dem Gottes Dienst verhalten sollest / wie er dich mit Verachtung straffet / umb willen du mehr auff ihn als auff Gott selbsten siehest! du leichtfertige Unbesonnenheit der Lympidæ / weistu nicht das dir Gott selbsten zusihet? weistu du nit das die eitele Liebe eine Straff der hoffärtigen: und ein Geschäfft der üppigen geilen Menschen ist? in solchen und dergleichen Gedancken geriete das keüsche Hertz der Lympidæ in eine grosse Demut und hertzliche Rew wegen solcher ihrer vermeinten Mißhandtlung / und ruckte ihrem andächtigen Gebett mit ein / das sie doch Gott von diser Anfechtung / dafern es anders sein gnädiger Will wäre / erlösen wolte; also / machte sie ohne ihr Wissen ihr dise Liebe verdienstlich und zur Aufferbawlichkeit ihres innerlichen Menschens zunutz / dahingegen die eüserliche Gestalt ihres Leibs nach und nach abzunemmen und alle Kräffte zuverschwinden anfiengen / ihre Gott ergebene Seele soge Honig auß dem jenigen was andern Gifft zusein pflegt / aber gleichwol nit ohne bittere Mühe vnnd Arbeit / und also wanderte sie den Weg / deren / denen alles zum besten geraichen muß.

Typhæus und Philopolemus hingegen (so heissen die beyde Griechische Cavallier deren oben gedacht worden) underliessen under dessen nicht / ein jeder vor sich das Hertz der Lympidæ zugewinnen / da wurde von beyden nichts underlassen was sie zur Gegenliebe reitzen möchte / und was andere ihres gleichen verliebte gegen ihr und ihren Eltern scheinen liessen / war gleichsamb nur vor einen Schatten zurechnen / gegen deme was sie erwisen / massen sie solche Liebezeügungen endliche so ungeschewet herauß liessen / das einer am andern leicht merckte / was er in seinem Hertzen hägte / solches verursachte erstlich zwischen ihnen einen Eyfer / endlich einen Haß und zuletzt eine tödtliche Feindschafft; die nicht auffhörete / biß sie mit beyder Blut ausgelöscht wurde / dan allezwen waren mehr verwägen als tapffer; in den Waffen wolerfahren / darneben grosmütig und neben denen Tugenden mit denen sie begabt gewesen / unverträglich und hoffärtig; und weil sichs gar nicht schicken: noch bey dem einen oder andern ein Ansehen gewinnen wolte / das er eine Hoffnung zuschöpffen hette / der Lympidæ Gegengunst zuerlangen / so gab jeder eine dem andern / seinem Mittbuhler die Schult seines Unsterns / und gedachte auff Mittel / wie er ihn so wol bey der Lympidæ als Myrologo und der Hapsæ durch Verachtung schwartz machen: oder gar auß dem Weg raumen möchte / vmb alsdan ohne Verhinderung unnd Eintrag des andern sein Glück Zusuchen / und sein Verlangen zuerhalten.

Aber es gereichte allen beyden zu ihrem noch grösern Unglück? dan in dem der eine den andern zuverkleinern anfieng / gieng ihr beyder bißhero bey Myrologo gehabter Credit auff Steltzen und endlich gar verlohren? Lympida konde ohne das keinen auß ihnen lieben / nit allein darumb weil sie albereit ihr Hertz dem Proximo gewidmet / sonder auch deßwegen / das sich ihr gottseeliger Sinn zu keinem auß diser beyder heroischen Humeur schickte / dan ihr Gemüt war allein auff die Tugenden unnd Gottseeligkeit gerichtet / deren sie aber bey disen ihren Freyern / auser was zum Weltwesen taugt / und einem Hoffman und Politico wol anstunde / wenig wahrnemmen konde.

Ob sie nun zwar Myrologus mit gewöhnlicher Höfflichkeit: Lympida aber wie allweg kaltsinnig tractirte / so bedunckte doch einen jeden auß ihnen / er wäre nicht mehr so angenehm als hiebevor / es gab sehr schele Gesichter zwischen ihnen und konde leichtlich einer auß des andern Minen abnemmen / wie sein Mittbuhler gegen ihm gesinnet / da wolte sich weder simulirn noch dissimulirn mehr schicken / sonder der Zorn / die Eyffersucht / die Ungedult und dergleichen Gemüts Zerstörungen fiengen an in ihnen gewaltig zu rumoren / und in eine grausame Wueth außzubrechen / biß endlich Philopolemus Typhæum / eine andere Ursach vorwendente / vor die Kling forderte / jener war starck und eines Risenmässigen Leibs / diser aber hertzhafftig hurtig mit der Faust und einer unglaublichen Geschwindigkeit / beyde aber waren so beschaffen / das sich keiner vor seinen Mann entsetzte / massen sie ihre Mannheit in vnderschidlichen kriegen mit höchstem Ruhm genugsamb erwiesen / wessentwegen sie dan nicht allein von Myrologo hoch æstimirt: sonder auch von Heraclio dem Kayser selbsten geliebt wurden.

Jch will aber ihren hitzigen Kampff und dessen trawrigen Ausgang nicht beschreiben / sonder allein dises melden / das sie sich annamen / vnd stellten / als wolten sie einen spacirRitt langs dem Propontischen gestatt auffs Lande thun / frischen Lufft zuschöpffen; aber so bald sie den Leüthen ein wenig auß dem Gesicht kamen / gaben sie einander mit ihren scharpffen Schwertern zuverstehen / das ihre Reiß vil weiter nemblich gar biß in die andere Welt hinein angesehen wäre / der vngehewre Phylopolemus entseelete sich zum ersten / welchem ererst ein Stundt hernach Typhæus Gesellschafft leistete / ihre Cörper mit unzahlbarn Wunden durchlöchert hinderlassende.

Jhr Todt wurde von jederman sonderlich vom Kayser selbst zum höchsten betrawret / als welcher ohngern auff einmahl zwen seiner allertapffersten Jungen Helden verlohre; ohne Myrologum / Hapsam und die Lympidæ konde kein eintziger Mensch ersinnen / auß was Ursachen diese beyde hindereinander kommen sein möchten / sintemahl sie nicht allein Landtsleüthe und nahe-angeborne verwandte: sonder auch jeder Zeit die beste und vertrewlichste Freünde miteinander gewesen / die ehemahlen in den schärpffsten Treffen ihr Leben vor einander dargesetzt hatten.

Gleich wie nun der Gottsförchtige Myrologus die Ursach ihres Zweyspalts merte / also rechnet er ihme und seinem Frawenzimmer die Schult ihres Todts zu / und war dannenhero desto leydiger / Lympida war einstheils zwar fro / das sie der Jmportunität diser ihrer zweyen Buhler entübrigt worden / sie hette ihnen aber gleichwol das Leben gern noch länger gönnen mögen; ihr zartes Gewissen wolte sie bereden das ihre gegen sie erzeigte Härtigkeit / sie des Lebens beraubet / hingegen tröstet sie hinwiderumben / das sie sich gegen ihnen nicht anders verhalten / als wie einer ehrliebenden Damen zustünde / und wie es ihr Standt von ihr erfordert; so hatten Myrologus unnd Hapsa disen Trost / das er von keinem auß ihnen niemahl vmb die Lympidam angesprochen solche auch keinem auß ihnen von ihm abgeschlagen und versagt worden wäre; und ob er gleich auß beyder thun ihre Liebe genugsamb abgenommen / so wäre ihm doch nicht angestanden / dem einen oder dem andern seine Frewlin Tochter selbst anzubiethen / vber das wusten sie wol das nichts ohne den Willen Gottes geschehe.

Ob nun gleich diser beyder Jünglinge Todt von jedermenniglich beklagt wurde / so waren dannoch nicht wenig die sich deßwegen erfrewten / nemlich ihre Mittbuhler / die Lympidam bißhero zwar hertzlich geliebet / derselben aber ihrentwegen auß Forcht nit auffwarten dörffen; entweder weil sie ihnen an Qualiteten nicht gleichten oder weil sie sich vor ihren ritterlechen Fäusten entsetzten / und besorgt / es möchte ihnen von denselben widerfahren / was sie jetzunder einander selbst angethan hatten; dahero kams / das Lympida nach deren Todt mit mehreren Freyern belästiget wurde / als sie deren jemahlen gehabt; dan sihe jetz stellten sie sich ein! jetzt erkühnten sie ihre langverborgene Liebe plicken zulassen: ihrem Hertzen zuraumen / ihr Heil zusuchen und das Hauß Myrologi schwarmweis zuüberfallen; dann jetzt waren die Wächter entschlaffen / vor welchen bißhero keiner zukommen könde noch sich so keck stellen dorffte / dem unbeschreiblichen Schatz / die schöne Lympidam zuerwerben.

Myrologus und Hapsa seine Gemahlin vermerckten gleich was dise newe Ankömling / die sich gleichsamb täglich vermehrten / im Schilt führten und wo sie bißher der Schuh getruckt; hatten aber darumb nicht desto mehrere Gunst; dan Myrologus war ein Kriegsheld der eine vnerschrockene Tapfferkeit liebte unnd die Zagheit hassete; wan dise Kerl / gedachte er keine Memen wären / so hetten sie weder Philopolemum noch Typhæum geschewt / ihr Anligen vnd begehren ehender zuoffenbaren; hetten sie sich ehender eingestellet / und einer auß ihnen meine Tochter erhalten / so wäre villeicht der Todt jehner zweyer tapfferer Cavallier vermitten bliben / und demnach nunmehr etliche auß disen Freyern offentlich anfiengen sich vmb die Lympidam zubewerben / und ihre Eltern vmb sie anzusprechen / sihe / so hub er auch an / ihnen dieselbige rund abzuschlagen / beydes darumb / weil er sie keinem zuvertrawen gesinnet / der nit mehr hertzhafft und tapffer: als edel und reich seye / und dann dieweil Lympida von keinem Mann wissen: weniger sich zu einem zwingen lassen: sonder vil ehender in ein Closter gehen wolte.

Die verständige und gewissenhaffte Hapsa überlegte vnd erwoge in dessen der Sachen Umbstände und Beschaffenheit / sie wuste was die Jugent: was die Liebe: was der Eyffer war; was dise drey von welchen die Weißheit zimlich entfernet zusein pflegt / wan sie sich vereinbarten und zusammen stimbten die Begirde ihres Verlangen zuerhalten vor Jammer stifften: vor Unglück anrichten: Ja wie sie endlich zur gäntzlichen Verzweifflung reitzen und Anleitung geben könden! sie hatte ererst ein frisches Exempel an Typhæo und Philopolemo den zweyen allerbesten Freünden in der Welt gesehen / und sorgte nicht vnbillich / sie würde deren noch mehr erleben müssen / so fern anders ihre Tochter Lympida noch länger in einem solchen Stande verharrete / darinnen einem jedem Cavallier nicht verbotten wäre / sich vmb ihre Holtschafft vmbzuthun / mit einem Wort / sie besorgte noch mehrer und grösser Unheil als albereit verüber war / und gieng vmb / Mittel und Wege zuersinnen / wie dergleichen abzuschaffen und vorzukommen wäre.

Gleichwie nun aber diß ordts das meiste an der Lympida gelegen / dan sie war nit allein die Braudt darumb man tantzte / sonder es gebührte auch der Hapsæ so wol als ihrem Eheherren zuversorgen / unnd ihre Wolfahrt zubeobachten / als understunde sie sich zum ersten / ihrer Tochter Gemüt auszuholen und zuvernemmen was sie bey so gestalten Sachen zuthun gesinnet seye? sie spatzierte eben mit ihr vnd der Basilia in dem Lustgarten hinder ihrem Hause herumber / als sie an dem vorhabenden Werck einen Anfang machen wolte; die Basiliam schewete sie im geringsten nicht / etwas hiervon vorzubringen / sintemahl sie ihrer Trew vnd Verschwigenheit genugsamb versichert war / sonder entdeckte in deren Gegenwart der Lympidæ alles das jenige / warmit sie in ihrem Hertzen handierte vnd vmbgieng; fande aber hinder derselbigen nichts anders als ein pure Gelassenheit / vermittelst derer sie alles was ihr dißfalls zuthun vnd zulassen auffstossen möchte auß kindlichem einfältigen Gehorsamb dem Willen Gottes und ihrer Eltern heimstelte; doch henckte sie daran / das ihr verhoffentlich ihre liebe Eltern die Freyheit lassen würden die ihr Gott gegönnet; nemblich an statt eines Ehegemahls das Clösterliche Leben zuerwöhlen / dafern sie zu einem getrungen werden solte / den sie weder zulieben noch mit ihm zuhausen getrawte; Hapsa andwortet / liebe Tochter ihr seit so glückseelig / vnder allen adelichen Jünglingen der Kayserlichen grossen Statt Constantinopel die Wahl zuhaben / vnder welchen ob Gott will etwan einer ist der euch gefallen wirt; hochgeehrtiste hertzliebste Fraw Mutter / andwortet Lympida / ich hab dieselbe Wahl vorlängsten Gott heimgestelt / erwehlet er nun einen auß ihnen mir zu einem Ehegemahl der ihm gefält / so bin ich mit seiner Wahl zufriden / vnnd er wirt mich behüten das ich alsdan wie bißhero weder ihme noch meinen Eltern widerstrebe.

Was Hapsa nun ihrer Frewlin Tochter vorgehalten / das führet sie auch ihrem Eheherren zu Gemüt / welcher damahl so wol als seine Liebste / eben mit dergleichen Gedancken vmbgieng / sie sahen das reiffe Alter ihrer Tochter und wolten sich lieber durch sie verewigt sehen / als das sie in ein Closter gieng / das ein vnnd das ander auß ihnen schlugen disen vnd jenen zu ihren Eydam vor / welcher aber dem Myrologo gefiele der war der Hapsa ohnannemblich / vnd welcher ihr beliebte den wolte Myrologus nicht haben; der eine was zu-hoffertig vnd hochmütig / der ander zu leicht fertig / der vierte zu rohe und gottlos / und so fort an / was hilffts aber / sagte Hapsa zuletzt / wan wir gleich einen Tochterman nach unserm Sinn erwöhlen werden / derselbe aber der Lympida nicht gefält? Myrologus andwortet / sie wirt müssen gehorsammen! sie wirt zwar / sagte hierauff Hapsa / ohne Zwang gehorsammen und es wirt ja keines müssens bedörffen / aber sie zu einem zuzwingen den sie nicht liebet / wirt nimmermehr rathsamb sein; die Liebe paaret die Menschen / und kombt doch offt / wan zwey liebhabende sich durch das Ehebande zusammen knüpffen lassen / das es nachgehendes ein böses zäncksüchtig vnd ärgerlichs Leben zwischen ihnen setzet; solten wir nun vnser einig Kind vermittelst seines kindlichen Gehorsambs / der ein weit bessers verdienet / mit Aufftringung eines ohnannemlichen Ehegattens in ein solch immerwehrendes Creütz und Ellend zwingen (massen das vneinige Eheleben ist) so handelten wir ärger als Tyrannen / könden es auch bey Gott nicht verandworten / und wir machten vnß nicht allein solches ihres immerwehrenden Hertzenlaidts theilhafftig / weil wirs täglich vor Augen sehen und vnß damit quälen müssen / sonder wir hetten auch noch ferneren Spott vnd Jammer zubesorgen / der villeicht darauß entspringen möchte / war vor vnß der getrewe Gott allerseits vätterlich behüten wolle.

Wann ich die Warheit bekenne / liebstes Hertz / andwortet Myrologus / so kan ich eüch gar nicht vnrecht geben / aber wer wirt mir indessen so viler freyer Jmportunitet und Ungestümmligkeit abhelffen? und wer wirt mich versichern / das nicht noch mehr auß ihnen von ihrentwegen einander die Hälse brechen? vnsere Verzögerung ist albereit am Todt zweyer der tapfersten Cavallier schuldig / ob sie einander gleich wider vnser Wissen und Willen hingerichtet und wir vnß dessen nimmermehr versehen / solten wir nun noch länger tergiversirn / da wir wissen was darauß entstehet / und dardurch noch mehr dergleichen Blut über vnser Hauß auffgehäuffet werden / so würden wir solches gegen Gott schwerlich zuverandworten haben / ja gar nit verandworten können / Philopolemus vnd Typhæus waren die beste Hertzens Freünde / die getrewiste Gesellen / die nägste Verwandte / unnd haben dannoch der Lympidæ halber auß rasendem Eyffer einander die Hälse zerbrochen / was vermeinet mein Hertz wol / was andere beginnen werden / die einander von Haut noch Haar nichts angehen? ich habe ohn das schon gesehen / was vor schele Gesichter vnd empfindtliche Stichelreden es zwischen etlichen setzet; müssen derowegen ohn vmbgänglich auff Mittel und Wege bedacht sein / wie wir fernerem Ohnheil vorkommen: und ich mich zugleich von der Kerl überlauffung (von welchen ich gleichsamb täglich ja schier stündtlich angefochten und beschweret werde) entübrigen möge.

Was Raths aber / hertzliebster Herr? andwortet die tugentvolle Hapsa; auff was vor einen Weg ist Lympida zuführen / darauff sie vnser Verlangen erreichen vnd unserm beschwerlichem Anligen ein Ende machen könde? mein Schatz weiß ihre Aufferziehung; ihre beständige Lieb zu Gott und der Tugent wie hoch sie das Edel Kleinot ihrer Keüschheit schätzet! wie Leütschew sie sich gegen allen Mansbildern deswegen erzeiget! wie verdächtig ihr darumben alle Gesellschafften vorkommen? sie thut und hat bißhero gethan / was fromme Christliche Eltern wünschen mögen / das ihre Kinder thun sollen / wie könden wir ihr dann mit Billichkeit ein anders zumuthen die Zucht und ihr gewohntes eingezogenes Leben / ja alles was in und an ihr ist gibt nicht zu / das sie auff etwas anders gedenckte als auff das jenig was Gott gefalt / wie konden wir ihr dann zumuthen / das sie ihre Gedancken von der Gottseeligkeit auff der Welt Eittelkeit richten: unnd ihre Liebe zu Gott in die Liebe zu einem Menschen verwandten soll? Myrologus andwortet / mein Schatz hat sie gar zu Nünnisch erzogen / sie lasse ihr grössere Freyheit unnd gebe zu / das sie in Gegenwardt ehrlicher Leuth mit ehrlichen Cavallieren conversirn möge / die natürliche Neigungen der Tugent werden sie schon anders lehren / hierdurch versündigen wir vnß verhoffentlich nicht / dann ehelich werden ist löblich vnd von Gott nit verbotten / vornemblich wan es zu Ehren Gottes zu Vermehrung der Christenheit und mit Wolgefallen und Einwilligung der Eltern geschihet! warumben dan Gott den H. Ehestandt auch eingesetzt / villeicht wirt sie auß vilen ansehenlichen und wackern Cavallirn die ihr auffzuwarten verlangen einen vor sich erwöhlen der vns nicht zuwider ist.

Hapsa liesse ihr ihres Eheren Meinung wolgefallen / und dannenhero muste Lympida hinfort an ihres Herren Vattern Taffel speysen / welche zuvor mit ihrem Frawenzimmer in einem absonderlichen Gemach Mahlzeit gehalten / man stelte Spatzierfärten an / beydes über Landt und zu Wasser in Lustschiffen; kein Schawspiel / Comedia oder Ballet wurde gehalten / darbey die Lympida nicht sein muste / vmb zusehen / ob sie villeicht dardurch zahmer werden: sich mit ihren Serveteurn bekandt machen: und da oder dort einem oder dem andern auß ihnen ihre Liebe schencken möchte? aber ach! alle solche Dinge die ihrentwegen angestellt wurden / brachten ihr nur Schmertzen / und vermehrten die Unruhe ihres trostlosen Gemüts! dan gleich wie sie solche Eittelkeiten verachtete und vor Thorheiten hielte / weßwegen ihr dann solches alles zuwider war / also konde ihr auch kein ander Bildnus: keines andern Sitten und Geberden: keines andern Tugenden: keines andern Schönheit das Hertz abstörmmen und ihren Proximum darauß vertreiben / als welches sie negst Gott allein demselbigen eingeben und gewidtmet hatte.

Sie beflisse sich zwar mit jederman freündlich zu conversirn weil sie merckte / das solches ihrer Eltern wolgefälliger Will unnd stillschweigender Geheiß war / aber so bald sich einer des geringsten Worts von dem jenigen vernemmen liesse / was ihm am mehristen anlag / nemblich von seiner Liebe zusprechen und ihr sein Leyden zuklagen / so bald muste er auch die kräffte der Lympidæ vngnädigen Blicke empfinden und ihnen wider seinen Willen gehorsammen / wan sie in so vnbarmhertzig schweigen hiessen; war dann irgents einer der sich die Hefftigkeit seiner Liebe zwingen liesse / zu erkühnen / das zweitemahl mit so etwaß dergleichen auffzuziehen / so wurde er durch die Mayestättische und zornige Strahlen / ihrer sonst liebraitzenden Augen dermassen erschreckt unnd abgefertigt / das er nimmermehr das Hertz nam / das drittemahl wider zukommen / ob er gleich genug wuste / das der Baum von einem Straich nit falt / dan sie handelte so vorsichtig / das sie keinem Platz liesse / seine Schmeichlerey und Liebkosungen anzubringen / durch welche sonst das Frawenvolck angefochtet wirt.

Solcher Gestalt wurde Lympida etlicher loß / aber an statt der abgeschafften kamen immermehr unnd mehr an ihre stell / dan weil sie jetzund mehr als zuvor gesehen wurde / sie aber ohngeliebt von niemand gesehen werden konde / sihe: so muste sich notwendig die Zahl ihrer Liebhaber vermehren! hatte also dise tapffere Heldin an dem kleinen Maußkopff Cupidine beynahe eine Hydram Lernæam zu überwinden / in welchem tapffern Streitt unnd Kampff sie dann die Beständigkeit Gedult unnd Gottes Forcht zu Waffen unnd die Lieb zum Proximo vor einen Schilt gebrauchte.

Als nun Myrologus unnd Hapsa / sahen / das sie mit ihrem Anschlag weniger als nichts ausrichteten / sonder vil mehr das jenige vermehrten was sie gäntzlich abgeschafft zusein wunschten / wurden sie anderst räthig und auch eines anderen Sinnes vnd weil Hapsa ihrem Eheherren vorhielte / das bey der Lympidæ der Lust zur Lieb unnd die Naigung zu den Mansbildern vmb so vil destoweniger Platz würde finden können weil sie / wie mann ihr wol ansehe / mehr kranck als gesund seye / so hielte er vors beste das man vor allen Dingen durch Hilff erfahrner ärtzte sich vmb die Beschaffenheit ihres Zustandts erkundigen und bemühen solte / sie widerumb zu voriger Gesundheit zubringen; solches wurde von der Hapsa beliebt / man sendete nach den berühmtisten Doctoribus / sie hielten ein Consilium / aber da funde sich keiner der einige Kranckheit erkennen konde noch zu curiren wuste / Lympida selbst simulirte eine Verwunderung / warumb man sie: eine Gott Lob gesunde Persohn die an und in ihren gantzen Leibe keine Wehethumb empfünde / als eine krancke curirn wolte? aber etliche der Medicorum verhielten Myrologo nicht / das sie glaubten / seine Frewlin Tochter wäre ohn zweiffel mit einem hefftigen Gemüts Anligen beschweret / welches sie besorglich / wann ihm nicht abgeholffen würde / mit der Zeit nach und nach ausmerglen und gar in den Todt bringen würde.

Waren Myrologus und dessen Liebste jemahl vmb ihre Tochter bekümmert gewesen / so waren sie es jetzunder / sie beschawten sie aigentlicher / und wurden ererst gewahr / wie weit sie in kurtzer Zeit von der höchsten Staffel ihrer vollkommenen Schönheit herunder gestiegen / sie besorgten ein vil ärgers: und in diser ihrer Noth griffen sie nach ihrem gewöhnlichen Mittel dem Heiligen Gebett; sie liessen Meß lesen unnd reichliche Almosen außgeben; sie fasteten unnd thäten vilfaltige Gelübte ihrer Lympidæ Gesundheit unnd Wolfart von der Güte Gottes zuerhalten; und über diß alles wolten sie dieselbe nicht mehr auß ihren Augen kommen lassen; dahero musten sie und ihre Basilia auch des Nachts bey ihnen in ihrer Cammer schlaffen.


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