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XXIII

Am Tage vor Raiskijs Abreise sah es in dessen Zimmer recht kunterbunt aus. Überall lagen und hingen Wäschestücke, Kleider, Stiefel und sonstige Sachen umher, und der Tisch war mit Portefeuilles, mit Zeichnungen und Heften bedeckt, die er alle mitnehmen wollte. In den letzten zwei, drei Tagen vor der Abreise hatte er noch einmal sein ganzes literarisches Material gesichtet und unter anderem auch die Blätter durchgesehen, die seine Notizen über Wera enthielten und die Grundlage für den zukünftigen Roman gleichen Namens bildeten.

›Ich will's doch probieren – noch hier, am Ort der Handlung, will ich mit der Sache anfangen!‹ sagte er sich in dieser letzten Nacht, die er unter dem Dach des väterlichen Hauses verbrachte, und setzte sich an den Schreibtisch. ›Ein Kapitel wenigstens will ich niederschreiben! Und dann, in der Ferne, wenn ich von diesen Personen, von dem Gegenstand meiner Leidenschaft, von allen diesen Dramen und Komödien räumlich getrennt bin, werde ich das alles von weitem viel deutlicher sehen. Die Entfernung wird die Dinge mit einem poetischen Nimbus umgeben; ich werde mein Ideal in seiner Reinheit, ohne die Beimischung realistischer Einzelheiten, in dichterischer Verklärung sehen ... Ich will es versuchen!‹

Und er schrieb:

Wera

Ein Roman

Er begann nachzudenken, in wieviel Teile er sein Werk gliedern sollte. ›Schreibe ich nur einen Band, so kann ich es nicht einen Roman, sondern höchstens eine Erzählung nennen‹, dachte er. ›Es fragt sich also, ob ich zwei oder drei Bände schreibe. Für drei Bände brauche ich wenigstens drei Jahre. Das dauert mir zu lange – sagen wir also zwei Bände!‹ Und er schrieb: »Ein Roman in zwei Bänden.«

»Nun das Motto – doch das habe ich schon gewählt!« flüsterte er und schrieb aus dem Gedächtnis das bekannte Heinesche Gedicht nieder:

»Nun ist es Zeit, daß ich mit Verstand
Mich aller Torheit entled'ge;
Ich hab so lang als ein Komödiant
Mit dir gespielt die Komödie.

Die prächt'gen Kulissen, sie waren bemalt
Im hochromantischen Stile,
Mein Rittermantel hat goldig gestrahlt,
Ich fühlte die feinsten Gefühle.

Und nun ich mich gar säuberlich
Des tollen Tands entled'ge:
Noch immer elend fühle ich mich,
Als spielt ich noch immer Komödie.

Ach, Gott, im Scherz und unbewußt
Sprach ich, was ich gefühlet;
Ich hab, mit dem Tod in der eignen Brust,
Den sterbenden Fechter gespielet!«

Er las die Verse noch einmal durch, seufzte dann, stützte die Ellbogen auf den Tisch, legte die Wangen in die Hände und betrachtete sich im Spiegel. Mit Betrübnis sah er, daß er sehr abgemagert war, daß die lebhaften Farben und das bewegliche Mienenspiel von seinem Gesicht verschwunden waren. Die Frische der Jugend war dahin, nicht spurlos war dieses halbe Jahr an ihm vorübergegangen. Auch die silbernen Fäden in seinem Haar hatten sich stark vermehrt. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah, daß es auch nicht mehr so dicht war wie früher.

»Ja, so ist's: Ich hab mit dem Tod in der eignen Brust den sterbenden Fechter gespielt!« flüsterte er seufzend, nahm die Feder und schickte sich an zu schreiben.

In diesem Augenblick trat Jegor ein und fragte, wann er ihn wecken solle. Raiskij sagte, er brauche ihn überhaupt nicht zu wecken, er werde von selbst erwachen. Vielleicht gehe er gar nicht schlafen, da er sehr viel zu tun habe. Jegor erzählte das beim Abendbrot den Mädchen und fügte hinzu, der Herr werde wohl in dieser Nacht wieder seine Schnurren loslassen, wie damals, im Anfang des Herbstes.

»Das war doch sehr lustig damals«, meinte er, »aber ein bißchen ängstlich wird man doch dabei.«

Unter das Motto schrieb Raiskij das Wort »Widmung«. Dann begann er nachzudenken, ging ein paarmal durchs Zimmer, setzte sich plötzlich und begann zu schreiben.

»O Frauen!« schrieb er rasch hin, »ihr habt mich zu dieser Arbeit begeistert, und euch soll sie darum gewidmet sein. Nehmt meine Widmung gnädig entgegen! Sollte mein Werk unfreundlich aufgenommen werden, sollte es Spott ernten und Mißverständnisse hervorrufen, dann werdet ihr wenigstens es zu würdigen wissen und verstehen, was mein Gefühl, meine Phantasie und meine Feder geleitet hat. Eurem mächtigen Schutze will ich mich selbst wie mein Werk anvertrauen. Von euch allein erwarte ich ... meinen Lohn«, hatte er zuerst geschrieben, durchstrich das Wort jedoch und schrieb statt dessen: »ein nachsichtiges Urteil«.

»Lange schritt ich, wie ein Nachtwandler, mit der Diogeneslaterne zwischen euch umher«, schrieb er weiter, »und suchte in euch die Züge unvergänglicher Schönheit für mein Ideal. Ich überwand alle Hindernisse und ertrug alle Folterqualen« – ›Hindernisse und Qualen werden bei der Sache ja nicht ausbleiben‹, dachte er, ›das sind eben die Wehen, unter denen alles Neue geboren wird‹ – »und verfolgte rüstig meinen Weg, der mich der Vollendung meines Werkes entgegenführte. Ich sah eure Schönheit, sah aber auch eure Verirrungen, eure Leidenschaften und Fehltritte, sah euch straucheln und strauchelte selbst mit euch, um mich wieder emporzurichten. Ich lockte und rief euch auf einen hohen Berg, nicht, um euch, wie Satan, in Versuchung zu führen, um euch das Reich dieser Welt zu zeigen – nein, ich rief euch im Namen einer anderen Macht, auf daß ihr euch selbst und zugleich uns, eure Söhne, Väter, Brüder, Gatten und Freunde der Vollkommenheit entgegenführtet ...

Begeistert durch eure erhabene Schönheit und die unüberwindliche Macht der Liebe, in deren Gebiet ihr die Herrscherinnen seid, habe ich es versucht, mit schwacher Hand das Bild der Frau – der Frau an sich – zu zeichnen, in der stillen Hoffnung, daß ihr mein Konterfei wenigstens annähernd ähnlich finden werdet – nicht nur, soweit eure Blicke, euer Lächeln, eure Grazie, die Schönheit eurer Formen in Betracht kommen, sondern auch, soweit es sich um die wesentlichen Eigenschaften eurer Seele, eures Verstandes, eures Herzens, kurz, um den ganzen Reiz und Zauber eurer besten Kräfte handelt.

Nicht in die tiefen Abgründe gelehrten Wissens habe ich euch gelockt, noch zu rauher, harter Arbeit gerufen, die der Frau nicht zukommt. Ich habe mich auch auf keinen Disput um eure Rechte eingelassen, da ich euch unbestritten den Vorrang einräume. Nein, wir sind nicht gleichberechtigt. Ihr seid uns überlegen, ihr seid die Kraft, und wir sind nur euer Werkzeug. Nehmt uns, so rufe ich euch zu, weder den Pflug, noch den Spaten, noch das Schwert aus der Hand. Wir werden für euch die Erde bestellen und verschönen, werden in ihre Tiefen hinabsteigen, werden die Meere durchschwimmen und die Sterne zählen – ihr aber, die ihr uns das Leben schenkt, möget wie eine gütige Vorsehung unsere Kindheit und Jugend behüten, möget uns zur Ehrbarkeit, zur Arbeitsamkeit, zur Menschlichkeit erziehen, möget uns das Gute lehren und die Liebe, die der Schöpfer in unsere Herzen gesenkt hat, auf daß wir die Kämpfe des Lebens tapfer bestehen und euch dahin folgen, wo alles vollkommen ist, wo die ewige Schönheit herrscht.

Die Zeit hat euch schon manche Fessel abgenommen, die eine ebenso verschlagene wie brutale Tyrannei euch angelegt hatte. Sie wird auch die letzten Ketten noch sprengen, die euch hemmen, wird den großen Kräften eures Geistes und Herzens volle Bewegungsfreiheit gewähren, und ihr werdet offen und kühn euren Weg verfolgen und eure Freiheit besser gebrauchen, als wir die unsrige benutzt haben.

Entsagt eurer arglistigen Schlauheit, dieser Waffe des Schwachen, und all ihren Ränken und Schlichen, die im Dunkel schleichend ihr Ziel anstreben.«

Er hielt inne, begann nachzusinnen – und durchstrich die drei letzten Zeilen. »Es scheint, daß ich mich da zu plump ausgedrückt habe«, flüsterte er vor sich hin. »Tit Nikonytsch meint, man solle den Damen nur immer Angenehmes sagen.«

Hinter der Widmung schrieb er in großer Schrift die Worte:

Erster Teil

Kapitel I

Er stand auf, ging, sich die Hände reibend, im Zimmer auf und ab und überlegte, wie er das erste Kapitel beginnen lassen sollte und was er am besten darin sagen könnte.

Nachdem er eine halbe Stunde hin und her gegangen war, mäßigte er seinen Schritt, als kämpfe er in Gedanken mit irgendwelchen Schwierigkeiten. Sein Schritt wurde immer langsamer und leiser. Endlich blieb er mitten im Zimmer wie verstört stehen, als sei er plötzlich auf einen Stein gestoßen.

»O Gott!« flüsterte er erschrocken, »ich habe doch versprochen, sie auf einen hohen Berg zu führen, und statt dessen führe ich sie ... was ist mir denn da in den Kopf gekommen?«

Er verfiel in tiefes Brüten.

›Ja, ich werde sie schreiben, diese Geschichte Weras‹, dachte er. ›Wenn aber die russischen Jungfrauen plötzlich ihren Fehltritt, den ich da schildere, als ein nachahmenswertes Vorbild ansehen und wie die Gemsen eine nach der andern in die Schlucht hinunterhüpfen? Und es gibt so viel Schluchten und Abgründe in unserem russischen Vaterland ... Was werden die Mütter und Väter dazu sagen?‹

Er stand wohl fünf Minuten auf einer Stelle, dann lachte er plötzlich hell auf und begann wieder mit großen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Wie würden unsere russischen Weras erbleichen und unsere russischen Marfinkas erröten, wenn sie hörten, daß ich sie ... Gemsen genannt habe! Doch das soll mich nicht abhalten, den Roman zu schreiben«, sprach er zu sich und seufzte dabei traurig. »Aber es können andere Hindernisse eintreten ... die Zensur zum Beispiel! Ja, die Zensur wird mir hinderlich sein«, rief er fast freudig aus, als hätte er einen glücklichen Fund gemacht.

»Was könnte mir wohl sonst noch in die Quere kommen?« Er begann nachzudenken.

»Es scheint, daß sonst weiter nichts im Wege steht – also wird wohl nichts weiter übrigbleiben, als daß ich drauflosschreibe.«

Er mäßigte seinen Schritt und vertiefte sich in das Gewebe des Romans, in seine Handlung, in den Charakter Weras, die noch unaufgeklärte psychologische Aufgabe, die Umgebung der Heldin, das landschaftliche Milieu. In tiefem Sinnen setzte er sich an den Tisch, stützte die Ellbogen darauf und legte den Kopf in die Hände. Er fuhr eine Weile mit der trockenen Feder über das Papier, tauchte sie dann langsam in das Tintenfaß und schrieb noch langsamer in der neuen Zeile, hinter der Überschrift »Kapitel I« die Worte: »Es war einmal ...« nieder.

Er sann und sann, den Kopf bald so, bald so wendend, über die Fortsetzung nach. Eine Viertelstunde verging, seine Augen begannen immer häufiger zu blinzeln. Er wurde schläfrig.

Es war ihm unangenehm, so im Sitzen halb schlummernd hinzudämmern, und so ging er zum Diwan, legte den Kopf auf seine weiche Polsterung und streckte die Beine aus.

›Ich will ein wenig ausruhen und dann an die Arbeit gehen‹, dachte er – und schlief sofort ein. Im Zimmer ließ sich alsbald sein gleichmäßiges, ruhiges Schnarchen vernehmen.

Als er erwachte, schien der Tag bereits zum Fenster herein. Er sprang auf und ließ die erstaunten, fast erschrockenen Augen umhergehen, als hätte er im Traum etwas Unerwartetes, Überraschendes gesehen – als hätte er ein neues Amerika entdeckt.

›Immer wieder sehe ich Statuen!‹ sprach er still für sich, ›sogar im Traum verfolgen sie mich! Immer nur Statuen, Statuen! Was ist das? Ein Wink des Schicksals?‹ Er trat an den Tisch, betrachtete aufmerksam die Blätter, die dort lagen, las die Einleitung, die er niedergeschrieben hatte, seufzte, schüttelte den Kopf und versank in ein schmerzliches Brüten.

»Was tue ich nur! Womit vergeude ich meine Zeit? Nun ist noch ein Jahr hingegangen ... Ein Roman – welch sonderbarer Einfall!« flüsterte er ärgerlich.

Er schob das Manuskript zur Seite, begann hastig in dem Schubfach zwischen seinen Papieren zu suchen und holte einen Brief heraus, den er vor einem Monat von dem Maler Kirillow erhalten hatte. Er überlas ihn rasch, nahm einen Briefbogen und setzte sich an den Tisch.

»Ich benachrichtige Sie, lieber Kirillow«, schrieb er, »sozusagen auf frischer Tat von einer unerwarteten neuen Perspektive, die sich mir für meine Kunsttätigkeit eröffnet. Sie schreiben mir, daß Sie sich zu einer Reise nach Italien, nach Rom, rüsten – und ich selbst bin im Begriff, nach Petersburg zurückzukehren. Warten Sie um Gottes willen: ich will mit Ihnen reisen! Nehmen Sie mich mit! Erbarmen Sie sich eines Blinden, eines Wahnsinnigen, der erst heute sehend geworden ist, erst jetzt seinen wahren Beruf erkannt hat. Lange tastete ich im dunkeln und wurde fast zum Selbstmörder, indem ich durch Verfolgung eines falschen Weges mein Talent zugrunde richtete. Sie entdeckten in meinen Bildern Zeichen von Begabung – ich sollte nur dem Pinsel treu bleiben, meinten Sie. Ich aber warf mich der Musik in die Arme, und zuletzt gar der Literatur – und wurde schließlich ganz und gar verworfen. Denken Sie sich: ich wollte einen Roman schreiben! Und weder Sie noch sonst jemand hielt mich davon zurück, kein Mensch sagte mir, daß ich in Wirklichkeit ein Plastiker, ein Heide, ein alter Grieche der Kunst bin! Ich hatte mir die Aufgabe gestellt, sozusagen eine beseelte, vernunftbegabte Venus zu schreiben – aber es ist doch, weiß Gott, nicht meine Aufgabe, die Sitten und Bräuche der Menschen zu schildern, die Grundlagen des Lebens zu erforschen und zu beleuchten, Psychologie zu treiben, die Erscheinungen zu analysieren!

Nein – mein Gebiet ist die Form, die äußere, unmittelbar auf die Nerven wirkende Schönheit!

Für den Roman bedarf es anderer Dinge, vor allem jahrelanger Arbeit. Vor der Arbeit würde ich mich ja nicht fürchten, und auch die Zeit würde ich opfern – wenn ich überhaupt überzeugt sein dürfte, daß meine Stärke wirklich in der Feder ruht.

Ich will übrigens diese Blätter, die sich da angesammelt haben, für eine spätere Zeit aufbewahren, wer weiß, vielleicht ... doch nein, ich will mich nicht so trügerischen Hoffnungen hingeben. Meine produktive Kraft ist nicht für die Feder bestimmt. Es liegt nicht in meiner Natur, mich in den komplizierten Mechanismus des Lebens zu vertiefen. Ich bin ein Plastiker, sage ich noch einmal. Meine Aufgabe ist es lediglich, die Schönheit mit dem Auge zu erfassen und sie schlecht und recht, ohne Winkelzüge, in meinen Schöpfungen wiederzugeben.

Verwahren aber will ich diese Blätter doch, sie sollen mich dereinst daran erinnern, was ich hier mit angesehen und erlebt habe, wie ich selbst und andere es trieben, was ich gefühlt – oder richtiger empfunden – und erduldet habe.

Nach meinem Tode wird dann vielleicht ein anderer meine Papiere finden ... und den Roman schreiben, den ich schreiben wollte ... Ich aber bin der Plastiker, der Bildhauer – und will es sein! Nein, widersprechen Sie mir nicht und schelten Sie mich nicht! Jetzt endlich bin ich dahintergekommen und verstehe endlich diese Winke und Mahnungen, die gleichsam aus meinem innersten Wesen emporstiegen: verstehe, was es zu bedeuten hatte, daß ich Wera und Sofja und so viele andere immer vornehmlich als Statuen sah. Jetzt ist mir klar, woher das gekommen!

Ich bin Plastiker – und Sie wissen das, Sie haben mein Talent erkannt. Es kam nur darauf an, daß ich in die richtige Bahn gelange, um mein plastisches Talent zu betätigen, daß ich betreffs des Materials und Werkzeugs die richtige Wahl treffe. Die Hand des einen ist für den Pinsel geschaffen, der die Farbenträume seiner Phantasie wiedergibt, die Hand des andern für die Saiten oder Klaviertasten, und meine Hand ist, wie ich jetzt ganz bestimmt weiß, dazu berufen, den Ton zu kneten und den Meißel zu gebrauchen ... Das Auge besitze ich, den Geschmack gleichfalls, und das heilige Feuer – nicht wahr, das werden Sie mir doch nicht abstreiten? Nein, streiten Sie nicht, ich werde doch nicht auf Sie hören, sondern retten Sie mich lieber, nehmen Sie mich mit und helfen Sie mir bei den ersten Schritten auf dem neuen Wege, dem Wege eines Phidias, Praxiteles, Canova und noch einiger wenigen anderen.

Wer will behaupten, daß ich nie zu diesen wenigen gehören werde? Ich habe eine ungemein reiche Phantasie. Ihre Funken sind, wie Sie selbst sagten, in meinen Porträts verstreut, sie leuchten sogar in meinen bescheidenen musikalischen Versuchen ... und wenn es mir nicht gelang, sie in einem Gedicht oder Roman, einem Drama oder einer Komödie zum Leuchten zu bringen, so lag das eben daran, daß ...«

Er mußte niesen.

›Ich habe es beniest – also ist es wahr, daß ich Plastiker bin, nichts als Plastiker‹, dachte er. Und dann schrieb er weiter: »Der Musik will ich ganz entsagen, sie war nur eine kleine Zugabe zu allem andern. Schade eigentlich um die Zeit und die Kraft, die ich auf sie und auf den Roman verwandt habe. – Nun denn, auf Wiedersehen, lieber Kirillow – und widersprechen Sie mir nicht: Sie töten mich, wenn Sie mir mein neues Kunst- und Lebensideal zerstören. Ihre Zweifel würden mich nur wieder schwankend machen, ich würde unrettbar in dem wogenden Meer der Phantome, der hilflosesten Langeweile versinken! Wenn auch die Plastik bei mir versagt – was Gott verhüten möge und was ich auch nicht glauben will, da gar zuviel dafür spricht, daß sie für mich das Rechte ist –, dann will ich mich selbst strafen und will den Mann, der zuerst am Zustandekommen meines Romans gezweifelt hat, Mark Wolochow heißt er, aufsuchen und ihm feierlich erklären: ›Ja, du hattest recht – ich bin ein Stümper und Pechvogel!‹ Bis dahin aber lassen Sie mich leben und hoffen! ...

Nach Rom, nach Rom! Dort, wo die Kunst nicht Unterhaltung, Amüsement ist, sondern Arbeit, Leben, seelisches Entzücken. Leben Sie wohl! Auf baldiges Wiedersehen!«

Er raffte hastig alle Papiere in einen Haufen zusammen und steckte sie wirr durcheinander in ein großes, altes Portefeuille. Dann atmete er erleichtert auf, wie ein Buckliger, der plötzlich durch irgendeinen Zauber seinen Buckel abgeworfen hat, und rieb sich vergnügt die Hände.


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