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VII

Als die Großtante heimkehrte, machte sie sich an die Durchsicht der Rechnungen, die ihr die Näherinnen und Modistinnen aus der Stadt eingereicht hatten, doch warf sie dann plötzlich alles zur Seite und fragte nach Raiskij. Man sagte ihr, er habe sich für den ganzen Tag zu Koslow begeben. In der Tat war er dorthin gegangen, um nicht den Nachmittag allein mit Tatjana Markowna verbringen zu müssen.

Sie schickte zu Wera und ließ fragen, ob ihre Kopfschmerzen vergangen seien, und ob sie zum Mittagessen kommen würde. Wera ließ ihr sagen, der Kopfschmerz habe sich gelegt, sie bitte jedoch, auf ihrem Zimmer essen zu dürfen, und wollte sich zeitig zu Bett legen.

Inzwischen hatte ein Ereignis, das in seiner Art nicht mehr ganz neu war, den Hof in lebhafte Bewegung gebracht. Sawelij hatte mit einem schweren Knüppel Marina beinahe das Rückgrat zerschmettert, weil er sie in aller Frühe dabei erwischt hatte, wie sie aus dem Zimmer, in dem Wikentjews Lakai untergebracht war, herausschlüpfte. Sie hatte sich den ganzen Morgen auf den Böden und im Garten versteckt gehalten und war dann, als sie annehmen konnte, daß Sawelij bereits alles vergessen habe, wieder zum Vorschein gekommen.

Er hatte sie mit der Pferdeleine bearbeitet. Sie lief aus einer Ecke in die andere, leugnete alles und schwur Stein und Bein, er habe sich getäuscht – jedenfalls habe der Teufel wieder einmal ihre Gestalt angenommen, und so weiter. Als er jedoch an Stelle der Leine zum Knüppel griff, begann sie zu heulen und zu stöhnen, warf sich ihm nach dem ersten Hieb zu Füßen, bekannte sich schuldig und bat um Verzeihung.

Sie schwur bei allen möglichen Dingen, unter anderem auch bei ihrem Leibe, sie würde es nie mehr tun, und wenn sie es doch wieder täte, solle Gott sie auf der Stelle töten und mit ewiger Verdammnis strafen. Sawelij hielt ein, stellte den Knüppel fort und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.

»Gut also«, sagte er, »es sei so, wie du sagtest – du hast dich schuldig bekannt und Gott zum Zeugen angerufen. So will ich dich schonen!«

Und er ließ sie laufen. Man hinterbrachte die Sache brühwarm Tatjana Markowna, aber sie runzelte nur mit dem Ausdruck des Widerwillens die Stirn und bedeutete Wassilissa, man solle sie mit der Sache in Ruhe lassen.

Gäste kamen vorgefahren – ein paar Damen aus der Stadt, ein Gutsbesitzer vom andern Wolgaufer, dann noch zwei Herren aus der Stadt, und alle blieben zum Mittagessen.

Man erkundigte sich nach Wera Wassiljewna, und Tatjana Markowna mußte nun allen vorlügen, daß Wera sich erkältet habe, und daß sie zwei Tage auf ihrem Zimmer bleiben müsse. Sie litt schwer darunter, daß sie zu solchen Lügen ihre Zuflucht nehmen mußte, zumal sie selbst nicht wußte, was eigentlich hinter dieser vorgespielten Krankheit steckte. Sie wagte auch nicht, den Arzt kommen zu lassen, der sogleich gesehen hätte, daß es sich nicht um eine Krankheit, sondern um einen Zustand moralischer Niedergeschlagenheit handelte, der entschieden eine tiefere Ursache hatte.

Sie aß nicht zum Abend, und auch Tit Nikonytsch sagte aus lauter Höflichkeit, daß er keinen Appetit habe. Zuletzt erschien auch Raiskij, ein wenig blaß, und erklärte gleichfalls, er wolle nicht zum Abend essen. Schweigend saß er am Tisch, gedankenversunken, und schien die fragenden Blicke nicht zu bemerken, die Tatjana Markowna ihm zuwarf.

Endlich hatte Tit Nikonytsch seinen Kratzfuß gemacht, ihr die Hand geküßt und sich nach Hause begeben. Die Großtante befahl Wassilissa, ihr das Bett zu machen, wünschte dann Raiskij trocken eine gute Nacht und wandte sich, tief innerlich in ihren Gefühlen wie in ihrer Eigenliebe gekränkt, zum Gehen.

Sie fühlte deutlich, daß da in ihrer allernächsten Umgebung, zwischen diesen Menschen, die ihrem Herzen so nahestanden, irgend etwas Geheimnisvolles, Wichtiges vorging, wovon man ihr wie einer Fremden, oder wie einer Überlebten, einer nicht mehr für voll zu nehmenden Alten, keine Mitteilung machte.

Sie ahnte nicht, daß das ihr gegenüber beobachtete Schweigen nur in dem Bemühen, sie zu schonen und ihr das Bittere zu ersparen, seinen Grund hatte.

Als sie eben hinausgehen wollte, flüsterte Raiskij ihr zu, er müsse mit ihr sprechen, sie möge die Leute möglichst unbemerkt hinausschicken. Starr vor Schrecken und bis an die Nasenspitze erbleichend, sah sie ihn an.

»Ist ein Unglück geschehen?« fragte sie jäh.

Er zögerte einen Augenblick.

»Nein«, antwortete er dann entschieden, »von meinem Standpunkt aus nicht.«

»Und wenn es nun von meinem Standpunkt aus ein Unglück ist? Dann ist's eben ein Unglück!« entgegnete sie leise. »Du bist so blaß geworden – du weißt also selbst, daß es ein Unglück ist!«

Sie schickte unauffällig die Dienerschaft ins Bett – sie sollten nur schlafen gehen, meinte sie, sie wolle noch mit Boris Pawlowitsch ein Weilchen plaudern. Dann führte sie ihn in ihr Kabinett. Hier rückte sie die Lampe auf dem Schreibtisch ganz zur Seite, bedeckte sie mit einem Schirm und setzte sich in ihren alten Voltairesessel. Sie saßen im Halbdunkel; sie hatte den Kopf vorgeneigt und wartete, ohne Raiskij anzusehen. Dieser begann zu erzählen, indem er das, was sie das »Unglück« nannte, möglichst schonend vorzubringen suchte.

Seine Lippen bebten, und die Zunge versagte ihm öfters den Dienst. Er hielt dann inne, holte tief Atem und sammelte neue Kraft, um fortzufahren.

Die Großtante rührte sich nicht, unterbrach ihn mit keinem Wort. Zuletzt flüsterte er nur noch kaum hörbar.

Der Tag begann schon zu grauen, und er war noch immer bei ihr in dem Kabinett. Als er geendet hatte, richtete sie sich langsam, mit sichtlicher Anstrengung, auf, ließ dann ebenso langsam den Kopf und die Schultern sinken und stand, die Hände auf den Tisch gestützt, da. Ein Laut entrang sich ihrer Brust, der wie ein Stöhnen, ein dumpfer, schwerer Seufzer klang.

»Tantchen!« rief Raiskij, ganz erschrocken über den Ausdruck ihres Gesichtes, und kniete vor ihr nieder, »retten Sie Wera.«

»Sie schickt recht spät zu ihrem Tantchen«, flüsterte sie. »Gott möge sie retten! Tröste und schütze sie, so gut du kannst! Sie hat kein Tantchen mehr.«

Sie tat einen Schritt vorwärts, doch er versperrte ihr den Weg.

»Tantchen, was sagen Sie da, was ist mit Ihnen?« rief er voll Angst.

»Ihr habt kein Tantchen mehr«, sagte sie zerstreut, während sie vor dem Sessel stand und zu Boden sah. »Geh, geh!« rief sie fast zornig, als sie bemerkte, daß er zögerte. »Komm nicht an mich heran, laß niemand herein. Kümmere dich nur selbst um alles ... und mich laßt zufrieden – alle, alle.«

Sie stand noch immer wie festgebannt an ihrem Platz mit leblosem, gleichsam schlafendem Blick. Er wollte ihr irgend etwas sagen, doch sie winkte ihm mit ungeduldiger Handbewegung ab.

»Geh zu ihr, steh ihr bei! Ich vermag es nicht. Sie hat kein Tantchen mehr«, flüsterte sie.

Mit einer gebieterischen Gebärde bedeutete sie ihm, daß er sie verlassen solle. Bleich, mit beklommenem Herzen, ging er hinaus. Er trug Jakow, Wassilissa und Sawelij auf, sich um Haus und Hof zu kümmern, und verwandte seine ganze Aufmerksamkeit darauf, möglichst unbemerkt zu beobachten, was weiter mit der Großtante vorging. Kein Auge verwandte er von dem Kabinett.

Sie hatte, als er gegangen war, sich mechanisch wieder in den Sessel zurücksinken lassen, war hier in einen Zustand unbewußten starren Halbschlummers verfallen und darin bis zum Morgen, da es völlig Tag geworden, verblieben.

In den frühen Morgenstunden sahen dann Raiskij, der sich gar nicht schlafen gelegt hatte, wie auch Jakow und Wassilissa, wie Tatjana Markowna mit bloßem Kopf, den türkischen Schal um die Schultern und sonst in denselben Kleidern, die sie am Tage vorher getragen, aus dem Kabinett kam, wie sie, die Türen mit dem Fuß aufstoßend, die Zimmer und den Korridor durchschritt, in den Garten ging und gleich einer Bronzefigur, die ihren Sockel verlassen, nicht links noch rechts schauend, dahinschwebte.

Sie durchschritt den Blumengarten, ging die Alleen entlang und kam an die Schlucht. Dort ging sie mit gleichmäßigen, langsamen, großen Schritten den Abhang hinunter, den Kopf gerade emporgerichtet, ohne sich umzuwenden, irgendwohin in die Ferne schauend, und tauchte im Dickicht unter.

Behutsam hinter den Bäumen Deckung suchend, war Raiskij ihr heimlich gefolgt. Sie schritt immer weiter, immer tiefer hinab, bis sie zu dem Pavillon kam, wo sie, den Kopf sinken lassend, wie festgebannt stehenblieb. Mit verhaltenem Atem stand Raiskij hinter ihr im Gebüsch und beobachtete sie.

»Meine Sünde!« tönte es wie ein Stöhnen aus ihrem Munde, während sie die Hände an die Stirn legte. Dann ging sie plötzlich mit beschleunigten Schritten weiter, gelangte an die Wolga und stand unbeweglich am Ufer.

Ihr Haar wehte im Winde, der ihr den Schal von den Schultern riß und die Kleider um die Glieder flattern ließ; doch sie merkte nichts.

Der Atem stockte Raiskij bei dem jähen Gedanken: Sie will ins Wasser gehen.

Doch sie machte langsam kehrt und schritt weiter, fest auftretend und tiefe Spuren in dem feuchten Sand zurücklassend.

Raiskij atmete freier. Als er jedoch aus seinem Versteck hervor einen Blick auf ihr Gesicht warf, wie sie jetzt mit den gleichen großen, langsamen Schritten sich wieder der Schlucht zuwandte, erschrak er noch mehr.

Er erkannte die Großtante nicht wieder. Wie eine schwere Wolke lag es über ihren Zügen, und diese Wolke war der Schmerz, der Gram über das Unglück, den er in dieser Nacht auf ihre Schultern gelegt hatte. Und er sah keine hilfreiche Hand, die diesen Gram von ihr genommen hätte.

Sie hatte die Wahrheit gesprochen, als sie sagte, es gebe kein Tantchen mehr. Das war nicht die Großtante, nicht Tatjana Markowna, die liebend und zärtlich wie eine Mutter für die Ihrigen sorgte, nicht die Gutsherrin von Malinowka, wo alles durch sie lebte und glücklich war, wo auch sie selbst zufrieden und glücklich lebte und mit Weisheit ihr kleines Reich regierte. Nein – das war eine ganz andere Frau.

Es war, als ginge sie nicht selbst, sondern würde von außen her durch eine fremde Kraft bewegt. Wie kraftvoll sie dahinschreitet, wie hoch und gerade sie Kopf und Schultern trägt, auf denen die Last dieses Unglücks ruht! Sie schreitet wie unbewußt durch den Wald, den steilen Abhang hinauf; der Schal hängt ihr von der Schulter herab und schleift durch Schmutz und Staub. Mit starrem, gläsernem Blick schaut sie irgendwohin in die Ferne, und der steinerne Ausdruck hilflosen Entsetzens liegt in ihren Augen.

Einzig das Bewußtsein dieses Unglücks prägt sich in ihren Zügen aus, jede andere Regung scheint zurückgedrängt; wie eine Mondsüchtige, eine Tote schreitet sie daher.

Raiskij, der hinter ihr herschlich und sie nicht aus den Augen ließ, um in jedem Augenblick an ihrer Seite sein zu können, konnte ihr nur mit Mühe folgen. Mit ungewöhnlicher Kraftanstrengung schritt sie den steilen Berg hinan; nur einmal blieb sie stehen, stützte sich gegen einen Baum und legte wieder die Hände an den Kopf.

»Meine Sünde!« kam es von neuem, wie aus tiefstem Seelengrunde, über ihre Lippen. »Wie schwer ist das doch! Oh! Nimm die Last von mir, ich ertrage sie nicht!« flüsterte sie dann, richtete sich auf und schritt weiter den Abhang hinan, überwand den steilen Aufstieg mit Aufbietung aller Kraft und achtete dessen nicht, daß die Dornen Fetzen von ihrem Kleid und dem Schal rissen.

Ganz im Banne seines Staunens und Schreckens sah Raiskij auf diese ihm fremde, neue Frau. ›Nur große Seelen vermögen so schweren Kummer mit solcher Kraft zu überwinden‹, dachte er. ›Sie schweben wie die Adler unter den Wolken und schauen hinab in die Abgründe. Nur eine gläubige Seele erträgt den Schmerz so, wie diese Frau ihn trägt – und nur Frauen vermögen ihn so zu tragen. In der weiblichen Hälfte des Menschengeschlechts‹, dachte er weiter, ›ruhen große weltbewegende Kräfte verborgen. Nur sind sie noch nicht recht begriffen, noch nicht anerkannt, noch nicht nutzbar gemacht – weder von den Frauen selbst noch von den Männern. Noch werden sie unterdrückt und mit Füßen getreten, oder von der männlichen Hälfte mißbraucht, die, von ihrem Dünkel geblendet, es nicht versteht, diesen gewaltigen Kraftquell zu benutzen und für vernünftige Ziele zu verwenden. Die Frauen aber, die sich selbst über ihre natürlichen Kräfte und Anlagen täuschen, suchen gewaltsam in den Bereich männlicher Kraftbetätigung einzubrechen, und aus diesem gewaltsamen Eindringen in den fremden Besitzstand ergeben sich all die Mißverständnisse zwischen beiden Lagern.‹

›Das ist nicht die Großtante!‹ sagte sich Raiskij, als er sie ansah, und war aufs tiefste betroffen. Sie erschien ihm wie eine jener großen weiblichen Persönlichkeiten, die in schicksalsschweren Augenblicken als Heroinen aus dem Schoße der Familie hervorwachsen, ganz plötzlich, wenn ringsum Schlag auf Schlag niedersaust und die Menschen nicht grober Muskelkraft noch des Stolzes trotziger Geister bedürfen, sondern seelischer Widerstandsfähigkeit, um einen großen Schmerz zu tragen, um zu leiden und zu dulden und doch nicht zusammenzubrechen.

Und eine Reihe historischer Frauengestalten, die er unwillkürlich mit der Großtante in Parallele stellte, schwebte an seinem Geiste schattengleich vorüber. Er sah die stolze, alte Herrscherin von Jerusalem, die hochmütig lächelnd die im Volke umgehenden Prophezeiungen vernahm: »Es wird die Krone von dem Volke genommen werden, das seine Heimsuchung nicht erkennet – es werden die Römer kommen und Land und Stadt einnehmen!« Sie glaubte nicht daran, sie hielt die Krone für unerschütterlich, die Jehova auf Israels Haupt gesetzt. Als aber die Stunde wirklich kam, als die Römer Land und Stadt einnahmen und sie begriff, woher der Schlag gekommen – da erhob sie sich, nahm die Krone von ihrem Haupte und ging schweigend, ohne Murren, ohne kleinmütige Tränen – wie sie die Männer an der Klagemauer vergossen – mit dem starren Ausdruck des Entsetzens in den Augen mitten durch ihr gefallenes Reich. Sie achtete nicht der von den Dornen zerrissenen Kleider, sondern schritt dahin, wohin Jehovas Hand sie führte, ganz so wie diese Frau, die dort den Abhang emporschritt, das Heiligtum ihres Schmerzes auf dem Antlitz zur Schau tragend, als sei sie stolz darauf, daß ein so gewaltiger Schlag sie getroffen, und daß sie imstande war, ihn zu ertragen.

Und noch einer zweiten Königin des Schmerzes gedachte Raiskij – der großen russischen Märtyrerin Marfa von Nowgorod, die, von den Moskauer Adlern gefangengesetzt und zerfleischt, noch im Kerker ihre Größe und die Majestät ihres Schmerzes um den dahingeschwundenen Ruhm des alten Nowgorod bewahrte. Körperlich gedemütigt hatte sie doch im Geiste gesiegt und starb als die Herrscherin, die kühne Feindin Moskaus, die noch im Tode das Schicksal ihrer freien Stadt in der Hand hielt.

Und noch weitere große Schatten hehrer Dulderinnen tauchten aus der Vergangenheit vor ihm auf: russische Zarinnen, die auf Geheiß ihrer Gatten den Schleier nehmen und Geist und Kraft in einer Klosterzelle begraben mußten, und andere Zarinnen, die in schicksalsschwerer Stunde an die Spitze des Reiches traten und es retteten.

Und dieselbe Seelenstärke wohnte auch den Frauen unserer himmelstürmenden Titanen inne – jenen Bojarinnen und Fürstinnen, die, ihren Gatten in die Verbannung folgend, zwar Stand und Titel hatten ablegen müssen, aber dafür die Kraft ihres weiblichen Herzens und ihre seelische Schönheit bewahrt hatten. Sie hatten selbst diese Schönheit bis dahin nicht gekannt, und auch den andern war sie entgangen, nun aber ward sie gleich dem Golde, das im Feuer gereinigt wird, durch ein hartes, arbeitsreiches Leben, in hingebender Pflichterfüllung gegenüber ihren Gatten, deren Unglück sie neben ihrem eigenen mit tragen halfen, geläutert und veredelt. Und die Männer beugten ihre Knie vor dieser für sie neuartigen Schönheit und trugen ihre Strafe mannhafter und mutiger. In Not und Entbehrungen geprüft, von Arbeit und Gram aufgerieben, bewahrten sie doch ihre Seelengröße und strahlten inmitten des Elends in unvergänglicher Schönheit, wie jene erhabenen Statuen, die durch Jahrtausende in der Erde geruht haben und dann wieder aufgefunden wurden, vom Zahn der Zeit zwar benagt, aber doch von dem unvergänglichen Glanz verklärt, den ihnen einmal die Meisterhand verliehen.

Und dieselbe Seelengröße, die, während alles ringsum zusammenbricht, den Schlägen des Schicksals standhält, besitzt, obschon unbewußt, auch die schlichte russische Frau aus dem Volk; wenn die Feuersbrunst ihre Hütte verzehrt und sie ihrer Habe und ihrer Kinder beraubt, dann tritt dieser Schatz zutage und wird ihr zum Heil, zur Rettung. Mit demselben stummen, steinernen Ausdruck des Entsetzens wie hier die Großtante, wie dort die heldenmütige Marfa von Nowgorod, wie die verbannten Zarinnen und Fürstinnen schreitet sie daher, den Blick unbeweglich zum Himmel gerichtet, und ohne sich umzuschauen nach der Feuersäule in ihrem Rücken, geht sie mit großen, kräftigen Schritten davon, den dem Flammenmeere entrissenen Säugling an der Brust, die gebrechliche alte Mutter an der Hand, mit Blick und Fuß den kleinmütigen Gatten vorwärtstreibend, der zu Boden sinkt, sich verzweifelt in die Erde festbeißt und zurückschauend das Element verflucht.

Fest und sicher mit den sonnenverbrannten Füßen ausschreitend geht sie daher, weiter und weiter, ohne zu wissen, wo sie haltmachen, ob sie nicht entkräftet zusammenbrechen wird. Sie glaubt fest daran, daß neben ihre eine zweite Kraft dahinschreitet und ihr Unglück trägt, das sie allein nicht zu tragen vermöchte.

In ihrem weitgeöffneten, starr schauenden und nichts sehenden Auge drückt sich die Kraft aus, zu dulden und zu leiden. Ihr Antlitz strahlt im Glanze der Schönheit, im hehren Nimbus des Martyriums.

Donner und Blitz entladen sich über ihr, und Flammenglut umlodert sie, vermag jedoch ihre seelische Kraft, ihre Frauengröße nicht zu vernichten.

In jähem Erschauern suchte Raiskij sich dieser von seiner unermüdlich arbeitenden Phantasie ihm vor die Seele gezauberten Gestalten zu erwehren, um seine ganze Aufmerksamkeit der vor ihm herschreitenden Dulderin widmen zu können, sie nicht aus den Augen zu lassen und zu erraten, welcher Art wohl die Qual und Pein sein mochte, die von ihrer Seele Besitz ergriffen hatte.

Zusammengebrochen war das Reich Tatjana Markownas, verödet ihr Haus, vernichtet der kostbare Schatz, der edle Perlenschmuck ihres Stolzes. Sie irrte einsam zwischen den Trümmern der zerstörten Herrlichkeiten umher. Und auch ihre Seele schien vereinsamt, verödet. Der Geist des Friedens, des ruhigen Stolzes, des Glückes und Wohlbehagens schien für immer verscheucht aus diesem lauschigen Winkel.

Der Greuel der Verwüstung starrte ihr jetzt hier von allen Seiten entgegen, und ein Überdruß an allem, an der ganzen Welt, dem ganzen Leben bemächtigte sich ihrer. Wenn sie ihren Schritt hemmte, um neue Kraft zu schöpfen, um tiefer Atem zu holen und die trockenen, heißen Lippen zu erfrischen, fühlte sie, wie ihre Knie zitterten; noch ein Augenblick, und sie wäre zu Boden gestürzt, doch eine innere Stimme verlieh ihr Stärke und flüsterte ihr zu: ›Geh nur, verlier den Mut nicht – du wirst ans Ziel gelangen!‹

Und die greise Schwäche, die sie angewandelt, schwindet wieder, und sie geht weiter. Bis zum Abend ging sie umher, saß die Nacht hindurch in quälendem Halbschlummer, aus Fieberträumen aufstöhnend, in ihrem Sessel, erwachte mit dem Bedauern, erwacht zu sein, erhob sich mit dem Morgenrot und ging wieder nach der Schlucht, zu dem Pavillon im Dickicht, saß dort lange auf der halbzerfallenen Treppe, den Kopf auf die kahlen Bretter des Fußbodens gelegt, schritt dann wieder ins Feld hinaus, wandte sich dem Strom zu und irrte wie verloren durch das Ufergebüsch.

Wie von ungefähr kam sie zu der Kapelle im Felde, hob den Kopf, sah das Bild des Erlösers da drinnen – und neues Entsetzen, größer als das frühere, blickte aus ihren weitgeöffneten Augen. Es war, als wenn sie etwas zur Seite stieße.

Wie ein verwundetes Tier sank sie auf ein Knie, erhob sich mit Mühe und lief hastig, immer wieder hinfallend und sich erhebend, das Gesicht vor dem Antlitz des Heilandes mit dem Schal verhüllend, an der Kapelle vorüber und stöhnte: »Meine Sünde! Meine Sünde!«

Die Leute im Hause waren entsetzt. Wassilissa und Jakow kamen fast gar nicht mehr aus der Kirche heraus, beständig lagen sie auf den Knien und beteten. Wassilissa gelobte, zu Fuß eine Pilgerreise zu den Wundertätern von Kiew zu unternehmen, wenn die Gnädige wieder in Ordnung käme, und Jakow wollte der Kirche des Ortes eine dicke, vergoldete Wachskerze spenden.

Die übrigen Leute versteckten sich in den Winkeln und Ecken und spähten heimlich, wie ihre Gebieterin gleich einer Irrsinnigen Flur und Wald durchwanderte. Selbst Marina war ganz bestürzt und ging wie im Traum umher.

Nur Jegorka versuchte es kichernd mit seinen Späßen und Neckereien bei den Mädchen, doch sie jagten ihn fort, und Wassilissa nannte ihn einen ungläubigen »Supostaten«.

Den dritten Tag bereits nahm die Großtante nicht einen Bissen zu sich. Raiskij wußte es so einzurichten, daß er ihr entgegenkam, sie aufhielt und anredete, doch sie bedeutete ihm jedesmal mit einer gebieterischen Handbewegung, daß er weitergehen solle.

Endlich nahm er einen Krug Milch, trat entschlossen auf sie zu und faßte sie am Arm. Sie sah ihn an, als erkenne sie ihn nicht, blickte dann auf den Krug, nahm ihn mit zitternder Hand mechanisch aus seinen Händen und trank begierig, in langen, langsamen Zügen, die Milch bis auf den letzten Tropfen aus.

»Tantchen, ich bitte Sie, kommen Sie nach Hause, quälen Sie sich selbst und uns nicht!« flehte er. »Sie können den Tod davon haben!«

Sie machte eine abwehrende Handbewegung.

»Gott hat mich heimgesucht, ich tu's nicht aus eigenem Willen. Seine Kraft ist's, die mich führt – ich muß es bis ans Ende tragen. Breche ich zusammen, dann hebt mich auf. Meine Sünde!« flüsterte sie und ging weiter. Nachdem sie etwa zehn Schritte gegangen war, wandte sie sich um. Er eilte auf sie zu.

»Wenn ich's nicht ertrage, wenn ich sterbe«, begann sie und machte ihm ein Zeichen, sich näher zu ihr hinzuneigen.

Er kniete vor ihr nieder.

Sie preßte seinen Kopf an ihre Brust, küßte ihn innig auf die Stirn und legte ihre Hand auf seinen Scheitel.

»Nimm meinen Segen«, sagte sie, »und bring ihn auch Marfinka ... und ihr, meiner armen Wera, hörst du; auch ihr!«

»Tantchen!« rief er und küßte, während ihm die Tränen in die Augen traten, ihre Hand.

Sie entzog ihm ihre Hand und ging davon, um weiter durch die Büsche, am Ufer entlang, und durch die Felder zu wandeln.

›Sie hat ihr eignes Reich, diese gläubige Seele!‹ dachte Raiskij, als er hinter ihr herschaute und seine Tränen trocknete. ›Nur sie vermag so für alles, was sie liebt, zu leiden, so zu lieben und so für eigne und fremde Schuld Buße zu tun!‹

Und Furchtbares litt auch Wera in diesen Tagen. Raiskij hatte ihr sein nächtliches Gespräch mit der Großtante mitgeteilt. Als sie tags darauf, bleich und verhärmt, schon am frühen Morgen ihn zu sich bitten ließ und ihn fragte, wie es um Tantchen stehe, wies er statt jeder Antwort auf Tatjana Markowna, die soeben wieder durch den Garten und die Allee aufs Feld hinauswanderte. Wera stürzte ans Fenster und blickte hinaus nach der dahinwandelnden Gestalt der Großtante, die mit der Last des Unglücks auf den Schultern über die Felder schritt. Sie konnte ganz flüchtig den Ausdruck ihres Gesichts bemerken und sank, über den Anblick entsetzt, zu Boden. Dann raffte sie sich auf, lief von Fenster zu Fenster, rang die Hände und streckte sie flehend, wie im Gebet, nach der Großtante aus. Sie irrte selbst wie verstört durch die großen verlassenen Säle des alten Hauses, öffnete eine Tür nach der andern und schloß sie wieder, ließ sich auf die alten Kanapees niedersinken, stolperte über die Möbel.

Es zog sie mit Gewalt zu der Großtante hin, doch die Angst, das Entsetzen hielt sie zurück; ihr jetzt vor die Augen zu treten, hieß vielleicht sie töten.

Wahre Folterqualen hatte Wera zu erdulden. Jetzt erst fühlte sie, wie tief sie den Dolch in ihr eigenes wie in dieses andere, ihr teure Leben hineingestoßen hatte, als sie sah, wie diese gramgebeugte Greisin ihretwegen litt – sie, die noch vor kurzem so glücklich gewesen und jetzt in zerfetzten Kleidern, ganz gelb, ganz erschöpft, schwer büßend für fremde Schuld, durch die Felder irrte.

›Warum trifft nun sie diese Schuld? Sie ist eine Heilige – und ich!‹ dachte sie, von Reue zerknirscht. Als Raiskij ihr den Segen Tatjana Markownas überbrachte, war sie ihm um den Hals gefallen und hatte lange, lange geschluchzt.

Am Abend des zweiten Tages hatte man Wera in einer Ecke des großen Saales, halb entkleidet auf dem Boden sitzend, gefunden. Boris und die Frau des Priesters, die an diesem Tage zu Besuch gekommen war, hatten sie fast mit Gewalt fortbringen müssen und sie zu Bett gebracht. Raiskij hatte den Arzt kommen lassen und ihn, so gut es ging, über die nervösen Anfälle aufgeklärt. Der Arzt hatte ihr eine beruhigende Arznei verschrieben, und Wera hatte sie genommen, jedoch keine Ruhe gefunden. Immer wieder war sie aus dem Schlaf aufgefahren, hatte gefragt: »Was ist mit Tantchen?« und war dann wieder in einen unruhigen Halbschlummer verfallen.

Sie hörte nicht auf das Geflüster ihrer geliebten Freundin, die wohl geeignet war, Weras Geheimnisse im verschwiegenen Busen zu bewahren, sich ihr jedoch als der Stärkeren, Überlegeneren in allem unterordnete, ihre Ansichten widerspruchslos teilte und ihren Wünschen stets auf halbem Wege entgegenkam, die sich jedoch, sobald das drohende Unwetter über Weras Haupt heraufzog, als zu schwach erwies, um ihr Hilfe oder Beruhigung zu bringen.

»Gib mir zu trinken!« flüsterte Wera, ohne auf ihr Geplauder zu hören. »Und sprich nicht so viel. Laß niemanden herein, bleib nur so neben mir sitzen. Oder geh und höre einmal, was mit Tantchen ist!«

Und ebenso war es in der Nacht. Aus unruhigem Schlummer auffahrend, flüsterte Wera immer wieder: »Tantchen kommt nicht zu mir! Tantchen liebt mich nicht! Tantchen verzeiht mir nicht!«

Am dritten Tage war Tatjana Markowna aus dem Hause gegangen, ohne daß jemand sie bemerkt hatte. Raiskij, der zwei Nächte schlaflos verbracht hatte, war zu Bett gegangen, hatte jedoch Auftrag gegeben, ihn zu wecken, sobald sie fortgehe. Aber Jakow und Wassilissa waren zur Frühmesse gegangen, und Paschutka, die die Herrin beim Fortgehen gesehen hatte, war vor lauter Schreck hinter die Besen und Flederwische in der Rumpelkammer gekrochen und dort eingeschlafen. Die andern waren da und dort im Hause verstreut gewesen.

Nur Sawelij hatte gesehen, daß die Gnädige den Abhang der Schlucht hinuntergeschritten war, daß ihr Gang unsicher gewesen, daß sie sich an den Bäumen festgehalten und dann dem Felde zugewandt hatte.

Raiskij eilte ihr nach und sah, hinter einer Hausecke versteckt, wie sie langsam vom Felde heimkehrte. Sie blieb stehen und blickte zurück, als nähme sie Abschied von den Bauernhäusern. Er trat auf sie zu, wagte jedoch nicht, sie anzusprechen. Er war bestürzt, als er den neuen Ausdruck ihres Gesichtes sah; an Stelle des hilflosen Entsetzens war eine gewisse Bewußtheit getreten, in der jedoch etwas Trostloses lag. Sie hatte ihn nicht bemerkt – sie sah vor sich hin, als blicke sie ihrem Unglück ins Gesicht.

Sie träumte mit offenen Augen, daß ihr Reich zusammengebrochen und der Greuel der Verwüstung an seine Stelle getreten sei. Sie selbst erzählte später Raiskij dieses unheimliche Traumbild, das sie wachen Auges gesehen.

Als sie sich nach dem Dorfe umgewandt, hatte sie statt der wohlgefügten Ordnung, in der sich sonst die Häuser befunden, einen Haufen halbverfaulter Bauernhütten erblickt, die jeder Aufsicht und Fürsorge entrieten und ein Schlupfwinkel von Dieben und Landstreichern, Bettlern und Säufern waren. Die Felder lagen verödet da, Beifuß, Kletten und Brennesseln wuchsen darauf.

Sie wandte sich entsetzt von diesem Anblick ab und ging nach dem Garten. Sie blieb stehen, sah sich um – und erkannte weder Haus noch Hof.

Der Park, die Blumenanlagen, der Gemüse- und Obstgarten – alles bildete einen einzigen wüsten Haufen, ein vom Graswuchs überwuchertes Durcheinander. Kein Mensch wohnte an dieser Stätte, nur der Weih stieß aus den Lüften herab, um seine Beute zu packen und in die Höhe zu entführen.

Das neue Haus war verfallen und schief und halb in den Boden gesunken; die Hofgebäude waren eingestürzt; zwischen den Trümmern schlich eine kläglich miauende Katze umher, und ein ausgebrochener Sträfling verbarg sich unter dem verfallenen Dach.

Die Alte erschauerte und blickte zu dem alten Haus hinüber. Es hatte alles überdauert. Während sonst alles Leben wie erschreckt von dieser Stätte geflohen war, stand es selbst in düstrem Trotz mit seinem dunklen Ziegelgemäuer, von dem der Bewurf abgefallen, fest und sicher an seiner Stelle.

Die Scheiben fehlten in den Fenstern, die Fensterrahmen waren vermorscht, und durch die verfallenen Räume strich der Wind und vertilgte die letzten Spuren des Lebens. Im Kamin hatte sich ein Uhu ein Nest gebaut, kein lebendiger Schritt ließ sich vernehmen, nur ihr Schatten ... der Schatten ihrer Wera, die nicht mehr war, die gestorben war ... schwebte über das rissige, dunkle Parkett, und ihr gespenstischer Seufzer gesellte sich dem Heulen des Windes, folgte ihm in den Garten, in die Schlucht – dorthin, zum Pavillon.

Raiskij sah, daß über das Antlitz der Großtante langsam eine Träne floß, die wie erstarrt an ihrer Wange hängenblieb. Die Alte wankte, griff in die Luft, als suche sie eine Stütze, und schien zusammenbrechen zu wollen.

Er stürzte zu ihr, führte sie mit Wassilissas Hilfe nach Hause, ließ sie in einen Sessel gleiten und eilte fort, um den Arzt zu holen. Sie blickte um sich, ohne jemanden zu erkennen. Wassilissa begann bitterlich zu weinen und stürzte ihr zu Füßen.

»Mütterchen Tatjana Markowna!« jammerte sie, »so kommen Sie doch zu sich, machen Sie das heilige Kreuzzeichen!«

Die alte Dame bekreuzigte sich, stieß einen tiefen Seufzer aus und gab durch ein Zeichen zu verstehen, daß sie nicht sprechen könne und durstig sei.

Sie legte sich ins Bett, fast mechanisch, als wisse sie nicht, was sie tue. Wassilissa entkleidete sie, hüllte sie in warme Tücher, rieb ihr Arme und Beine mit Franzbranntwein ein und brachte sie schließlich so weit, daß sie ein Glas Wein trank. Der Doktor ordnete an, man solle sie nicht weiter beunruhigen, sondern sie schlafen lassen und ihr dann die Arznei geben, die er ihr verschrieben.

Irgendein unvorsichtiges Wort verriet Wera, daß die Großtante krank zu Bett liege. Sie warf die Decke von sich ab, stieß Natalja Iwanowna zur Seite und wollte zu ihr eilen. Doch Raiskij hielt sie zurück, indem er sagte, daß Tatjana Markowna in festen Schlaf gesunken sei.

Gegen Abend war auch Wera erkrankt, sie hatte Fieber und phantasierte. Die ganze Nacht war sie in heftigster Unruhe, rief im Traum die Großtante und weinte.

Raiskij verlor ganz und gar den Kopf und entschloß sich schließlich, den alten Hausarzt Pjotr Petrowitsch kommen zu lassen. Er suchte ihm Weras Zustand zu erklären, ohne natürlich die Ursache zu erwähnen. Voll Ungeduld erwartete er den Morgen und ging unaufhörlich zwischen Wera und Tatjana Markowna hin und her.

Die Großtante lag mit umwickeltem Kopf da. Er fürchtete sich hinzusehen, ob sie schlafe oder ob sie noch immer mit ihrem Kummer ringe. Auf den Zehen schlich er dann zu Wera und fragte Natalja Iwanowna, wie es dieser gehe.

»Sie fährt jeden Augenblick aus dem Traum auf und weint und phantasiert«, sagte Natalja Iwanowna, die am Kopfende des Bettes saß.

»Mein Gott!« sagte Raiskij, als er, an Leib und Seele ermattet, in sein Zimmer kam und sich auf seinem Bett ausstreckte, »hätte ich je gedacht, daß ich hier in diesem Winkel auf solch ein Drama, auf solche Persönlichkeiten stoßen würde? Wie gewaltig, wie furchtbar in seiner Schlichtheit, in seiner nackten Wahrheit ist das Leben, und wie vermögen nur die Menschen solche Katastrophen zu überdauern? Und wir dort in den Menschenhaufen der großen Städte – wir zimmern unser Leben und unsere Leidenschaften zurecht, wie Köche, die erlesene Speisen zubereiten!«


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