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XXXIV

PERSÖNLICHKEIT, EROBERUNGEN UND HOFHALTUNG VON ATTILA, DEM HUNNENKÖNIG · TOD VON THEODOSIUS DEM JÜNGEREN · PULCHERIA ERNENNT MARCIANOS ZUM HERRSCHER DES OSTENS

 

DIE HUNNEN A.D. 376-433

Die westliche Welt wurde drangsaliert von den Goten und Vandalen, die ihrerseits vor den Hunnen geflohen waren; aber die Erfolge der Hunnen standen in keinem Verhältnis zu ihrer Stärke und ihrem Reichtum. Siegreich hatten ihre Horden die Ebene zwischen der Wolga bis zur Donau erobert; aber ihre Macht zerrieb sich infolge der internen Zwistigkeiten ihrer Stammeshäuptlinge; von ihrer Kraft wurde in unbedeutenden Raubzügen übler Gebrauch gemacht; und oftmals befleckten sie ihre nationale Ehre, indem sie sich beutelüstern unter die Fahnen ihrer flüchtigen Feinde reihten. Unter Attilas Original-Material zur Geschichte Attilas findet sich bei Jornadnes (Getica 34-50) und Priscus (Excerpta legationum, p. 33-76). Die Lebensbeschreibung Attilas von Juvenus Caelius Calanus Dalmatinus aus dem XII Jh. war mir nicht zugänglich; auch nicht die aus dem XVI Jh. von Nikolaus Olahus, dem Erzbischof von Gran. Siehe Mascov, History of the Germans, c.23, und Maffei, Osservazioni Litterarie, Band 1, p. 88f. Die Zutaten der Ungarn der Jetztzeit gehören ins Reich der Fabel; und in der Literatur haben sie es sichtlich nicht weit gebracht. Sie unterstellen, dass Attila nach seinem Einmarsch in Gallien ungezählte Weiber geheiratet habe und dass er einhundertundzwei Jahre alt geworden sei. Herrschaft jedoch wurden die Hunnen wiederum zum Schrecken der Welt; und nunmehr möchte ich die Persönlichkeit und die Taten dieses fürchterlichen Barbaren beschreiben, der abwechseln den Westen und den Osten bedrängte und überfiel und so zum Zusammenbruch des römischen Reiches beisteuerte.

 

DIE HUNNEN IN UNGARN

Als die große Wanderungswelle von China unaufhaltsam zu Germaniens Grenzen flutete, befanden sich die mächtigsten und größten Völker im Umkreis der Römischen Provinzen. Man konnte dem Druck durch künstliche Barrieren wohl für eine Weile standhalten; aber das allzu rasche Nachgeben der Kaiser steigerte den Appetit der Barbaren, ohne ihn zu stillen, da sie das Verlangen nach dem Luxusleben der Zivilisation gepackt hatte. Die Ungarn, welche ehrsüchtig Attilas Name in die Liste ihrer Könige aufnehmen, können mit Recht darauf hinweisen, dass die Horden, welche seinem Onkel Roas oder Rugilas folgten, ihre Lager auf dem Gebiet des modernen Ungarn Ungarn wurde von dreimal erfolgreich von den Skythen besetzt: 1: Von die Hunnen Attilas; 2: van den Avaren im VI. Jhdt; 3: von den Magyaren im Jahre 889: den direkten Vorfahren der modernen Ungarn, deren Verbindungen zu den beiden erstgenannten Völkern äußerst fragwürdig und entlegen sind. Der Prodomus und die Notitia des Matthäus Belius enthalteneinen reichen Fundus von Information über das frühere und heutige Ungarn. Ich konnte Auszüge hiervon in der Bibliothéque Ancienne et moderne, Band 22, p. 1-51, und in der Bibliothèque Raisonée, Band 16, p. 127-175 einsehen. aufschlugen, da dieses fruchtbringende Land großzügig die Bedürfnisse eines Jäger- und Hirtenvolkes befriedigte. In dieser vorteilhaften Lage entschieden Rugilas und sein mächtiger Bruder, deren Ansehen und Macht beständig wuchsen, über Krieg und Frieden gegen die beiden Reiche.

Seine Allianz mit Westrom wurde gefestigt durch seine persönliche Freundschaft mit dem großen Aëtius; der sich im Lager der Barbaren stets einer gastfreundlichen Aufnahme und einer tatkräftigen Unterstützung sicher sein konnte. Auf seine Bitte hin, vorgetragen im Namen der Usurpators Johannes, rückten sechzigtausend Hunnen gegen die Grenzen Italiens vor; beides, ihr Vormarsch und ihr Rückzug, kamen den Staat teuer zu stehen; und dankbar überließ Aëtius den Besitz Pannoniens seinen getreuen Konföderierten. Auch die Oströmer bangten nicht minder vor Rugilas Waffen, der den Provinzen, ja sogar der Hauptstadt selbst bedrohlich wurde. Einige Kirchenhistoriker lassen die Barbaren durch Blitzschlag und Pestilenz Sokrates, 7,43; Theodoretos 5,36.Tillemont, der sonst immer seinen kirchlichen Autoren folgt, behauptet mit Nachdruck (Histoire des empereurs, Band 6, p. 136 und 607) die Kriege und die beteiligten Personen seien nicht die gleichen gewesen. verderben; aber Theodosius war auf das niedere Hilfsmittel verwiesen, eine jährliche Zahlung von dreihundertundfünfzig Pfund Gold zu leisten und diese peinliche Abgabe hinter dem Titel eines Geschenkes zu verbergen, das der Hunnenkönig freundlichst anzunehmen sich bereit erklärte. Die öffentliche Ruhe wurde bisweilen aufgestört durch die tätliche Ungeduld der Barbaren und allerlei Hofkabalen in Byzanz. Vier abhängige Nationen, unter denen wir auch die Bavarer erkennen, erkannten die Herrschaft der Hunnen nicht an; ihre Revolte wurde durch einen römischen Verbündeten befeuert und unterstützt; bis schließlich die berechtigten Ansprüche und die fürchterliche Macht des Rugilas von Enslaw, seinem Abgesandten, geltend gemacht wurden. Einmütig wünschte der Senat nur noch Frieden; der Kaiser zeichnete ihr Dekret gegen; und zwei Gesandte wurden benannt: Plinthas, ein General von skythischer Herkunft und konsularischem Range sowie der Quaestor Epigenes, ein kluger und erfahrener Staatsmann, den sein ehrgeiziger Kollege zu diesem Amte empfohlen hatte.

 

DIE HERRSCHAFT ATTILAS · A.D. 433-453

Rugilas Tod unterbrach die Friedensverhandlungen; Bleda und Attila, seine beiden Neffen, die ihrem Onkel auf den Thron folgten, erklärten sich zu einem Gespräch mit den beiden Abgesandten aus Konstantinopel bereit; da sie sich aber, Hoffahrt im Herzen, weigerten abzusteigern, wurde die Verhandlung auf dem Rücken der Pferde weiter geführt, auf einer weiten Ebene in der Nähe von Margus im oberen Mösien. Die handgreiflichen Vorteile und die hohlen Ehrungen, die diese Verhandlungen mit sich brachten, ließen sich die Hunnenkönige gefallen. Sie legten die Friedensbedingungen fest, und jede dieser Bedingungen war ein Anschlag auf die Majestät des Imperiums. Neben dem Recht auf freien Handel an den Ufern der Donau verlangten sie zugleich eine Erhöhung der jährlichen Tributzahlungen von dreihundertundfünfzig auf fünfhundert Pfund Goldes; dass ferner eine Strafe oder ein Lösegeld von acht Goldstücken für jeden römischen Gefangenen zu zahlen sei, dem die Flucht vor seinem Barbaren-Herren gelungen sei; dass der Kaiser alle Verträge und Bündnisse mit den Feinden der Hunnen aufkündigen solle; und dass alle Flüchtlinge, die am Hofe oder in den Provinzen des Theodosius Asyl genommen hätten, der Gerechtigkeit des gekränkten Herrschers auszuliefern seien. Diese Gerechtigkeit wurde denn auch unnachsichtig gegen einige glückverlassene Jugendliche königlicher Herkunft exekutiert. Auf Geheiß Attilas wurden sie auf dem Gebiet des Römischen Reiches ans Kreuz geschlagen: und sobald der König der Hunnen den Römern seinen Namen wieder entsetzlich gemacht hatte, gönnte er ihnen eine kurze Pause, während er selbst die unbotmäßigen Völker der Skythen und Germanen bekämpfte. Siehe Priscus, p. 47f. und du Buat, Histoire des peuples de l'Europe, Band 7, c.12-15.

 

ATTILA : PERSÖNLICHKEIT UND CHARAKTER

Attila, der Sohn des Mundzuk, leitete seine adlige, vielleicht sogar königliche Herkunft Priscus, p. 39. Die heutigen Ungarn haben sein Geschlecht fünfunddreißig Generationen bis auf Noah's Sohn Ham zurückverfolgt; den richtigen Namen seines leiblichen Vaters wissen sie allerdings nicht. (de Guignes, Histoire de Huns, Band 2, p. 297). von den alten Hunnen her, welche sich in früheren Zeiten mit den Kaisern von China gerauft hatten. Sein Aussehen zumindest trug, wenn wir den Feststellungen des gotischen Historikers glauben dürfen, das Gepräge seiner Rasse; das Aussehen Attilas zeigt die naturgegebenen Merkmale der heutigen Kalmücken: Vergleiche hierzu Jornandes (Getica 35) mit Buffon Histoire naturelle, Band 3, p.380.. Der Erste durfte feststellen: »originis suae signa restituens.« [die Insignien seines Ursprungs wieder herstellend]. Eigenschaften und Aussehen von Attila sind wohl aus Cassiodor entnommen. dicker Kopf, dunkle Haut, kleine, tiefliegende Augen, flache Nase, anstelle eines Bartes nur ein paar Haare, breite Schultern und gedrungener Körper, dieser aber ungestalt und von angespannter Kraft. Das hochmütige Auftreten des Hunnenkönigs verriet das Bewusstsein seiner Überlegenheit gegenüber dem Rest der Menschheit; auch hatte er die Angewohnheit, furchtbar die Augen zu rollen, als ob er den Schrecken auch noch genieße, den er ausströmte.

Aber ganz frei von Mitleiden war dieser wilde Held nicht: Feinde, die sich vor ihm niederwarfen, konnten sich auf Gnaden- oder Friedensbekundungen verlassen; und von seinen Untertanen wurde Attila als ein gerechter und nachsichtiger Herr angesehen. Im Kriege blühte er auf; nachdem er aber in reifem Alter den Thron bestiegen hatte, eroberte er den Norden in Gedanken mehr als mit der Tat; und sein Ruf als ein draufgängerischer Krieger wurde mit Gewinn gegen den eines besonnenen und erfolgreichen Feldherren getauscht. Die Wirkung von persönlichem Mut ist – außer in der Poesie und in Romanen – so nebensächlich, dass ein Sieg selbst bei den Barbaren in erster Linie von der Geschicklichkeit abhängt, mit der die Kampfbereitschaft der Massen in den Dienst für einen einzigen Mann gelenkt wird. Die skythischen Eroberer Attila und Dschingis Khan übertrafen ihre Landsleute an Führungsqualitäten, aber nicht an Mut; und es darf hier vielleicht angemerkt werden, dass beide Monarchien, die der Hunnen und der Mongolen, von ihren Begründern auf dem populären Aberglauben errichtet wurden.

Die wundersame Empfängnis, die man der Jungfrau-Mutter des Dschingis mit Lug und Trug zuschrieb, erhob ihn über Menschennatur; und der nackte Prophet, der ihn im Namen der Gottheit in die Herrschaft über die Erde einsetzte, versah die kriegerische Stärke der Mongolen mit unwiderstehlicher Begeisterung. Abulpharagius, Hisoria Dynastiarum, p.281; Abulghazi Bahader Khan, Genealogical History of the Tartars, Teil 3, c. 15; Teil 4, c,3; Pétis de la Croix, Vie de Genghizcan, Teil 1, c. 1 und 6. Die Berichte der Missionare, die im XIII Jh. die Tatartarei bereisten, (siehe Band 17 der Histoire générale des voyages) vermitteln uns die Sprache und Anschauungen des Volkes; Dschingis ist der Sohn Gottes &c, &c.

 

ATTILA ENTDECKT DAS SCHWERT DES MARS

Auch die religiösen Kunstgriffe Attilas waren nicht weniger geschickt auf sein Alter und die Denkungsart seiner Landsleute berechnet. Es war naheliegend, dass die Skythen dem Kriegsgott besondere Verehrung entgegenbrachten; da sie aber zu einer abstrakten Gottesidee ebensowenig imstande waren wie zu einer anschaulichen Darstellung, beteten sie ihre Titulargottheit unter dem Symbol eines eisernen Krummsäbels an. »Nec templum apud eos visitur, aut delubrum, ne tugurium quidem culmo tectum cerni usquam potest; sed ›gladius‹ barbarico ritu humi figitur nudus, eumque ut Martem regionum quas circumcircant praesulem verecundius colunt.« [...und auch einen Tempel bekommt man bei ihnen zu sehen, nicht einmal eine strohgedeckte Hütte; aber ein nacktes Schwert rammen sie im Boden nach Barbarensitte fest und das nun verehren sie wie ihren Kriegsgott und den Behüter des von ihnen bewohnten Gebietes]. Ammianus Marcellinus 31,2 sowie die gelehrten Bemerkungen von Lindenbrogius und Valesius. Ein Schäfer der Hunnen bemerkte, dass eine grasende Färse sich am Fuß verletzt hatte; neugierig verfolgte er die Blutspur, bis er im hohen Gras den Knauf eines alten Schwertes entdeckte, das er ausgrub und Attila überbrachte. Dieser großdenkende oder besser: dieser klug berechnende Herrscher nahm mit frommer Dankbarkeit dieses Himmelsgeschenk an; als der rechtmäßige Besitzer des Schwertes des Mars erhob er den gottgegebenen und unbestreitbaren Anspruch auf die Herrschaft über den Erdkreis. Priscus erzählt uns diese merkwürdige Geschichte, sowohl in eigenen Worten (p. 65) und auch als Zitat aus Jornandes (Getica 35). Damit wollte er die Überlieferung oder genauer: die mythische Aura erläutern, die dieses berühmte Schwert umgab wie auch den Namen und die Attribute der skythischen Gottheit, aus der er den Mars der Römer und Griechen machte.

Wurden die religiösen Bräuche der Skythen bei feierlicher Gelegenheit geübt, dann wurde ein Altar oder eher wohl doch ein Haufen aus Reisigbündeln, dreihundert Schritt ins Geviert, auf freiem Felde aufgeführt; und das Schwert des Mars wurde alsdann auf der Spitze dieses grobschlächtigen Altares senkrecht errichtet, den man einmal im Jahre mit dem Blut von Schafen, Pferden und von einem Hundertstel der Gefangenen der Gottheit weihte. Herodot 4,62. Ich habe aus Gründen der Ökonomie die kleinste Zahl zugrunde gelegt. Sollten Menschen geschlachtet werden, dann schlugen sie den Opfern Schulter und Arm ab, warfen sie in die Luft und leiteten aus der Art, wie sie auf den Scheiterhaufen zurückfielen, Omen von allerlei Vorbedeutung ab. Ob nun die Menschenopfer ein Teil der Verehrung für Attila waren oder ob er den Kriegsgott mit den dauernden Opfern auf dem Schlachtfeld günstig stimmen wollte: der Liebling des Mars erwarb sich allmählich einen geheiligten Charakter, was seine Eroberungen begünstigte und sie stabiler werden ließ; und die Barbarenkönige bekannten in der Sprache der Andacht, dass sie außerstande seien, mit festem Blick auf die göttliche Majestät des Hunnenkönigs zu schauen. Priscus p. 55. Ein Held von höherer Gesittung, Augustus, stärktel sich damit, wenn die Person, die er ins Auge fasste, außerstande schien, ihren göttlichen Schimmer auszuhalten. Sueton, Augustus 79.

Sein Bruder Bleda, der über keinen ganz kleinen Teil des Imperiums das Regiment führte, verlor beides gewaltsam, Szepter und Leben. Aber selbst dieser Akt der Grausamkeit geschah infolge eines übernatürlichen Auftrages; und die Heftigkeit, mit der Attila das Schwert des Mars führte, überzeugte die Welt davon, dass es allein für seinen unbesieglichen Arm aufgespart gewesen war. Der comte de Buat (Histoire des peuples de l'Europe, Band 7, p. 428f) versucht Attila vom Vorwurf des Brudermordes freizuwaschen; und versteigt sich fast dazu, die Zeugnisse des Jordanes und der zeitgenössischen Chroniken zu verwerfen. Aber nur die Größe seines Reiches ist für uns ein Beleg für die Zahl und die Bedeutung seiner Siege; und so mag denn der skythische Monarch, wie ungebildet und desinteressiert an Wissenschaft und Philosophie er auch immer gewesen sein mag, heimlich darüber geseufzt haben, dass seinen illiteraten Untertanen die Kunst abging, die das Andenken an seine Taten unsterblich gemacht hätte.

 

EROBERUNG VON SKYTHIEN UND GERMANIEN

Würde man eine Trennungslinie ziehen zwischen den zivilisierten und den wilden Völkern dieser Erde; zwischen den Stadtbewohnern, die der Erde Kultur geschenkt hatten, und den Jägern und Nomaden, welche in Zelten ihr Dasein fristen: dann möchte Attila wohl Anspruch auf den Titel des einzigen und höchsten Barbarenkönigs erheben. »Fortissimarum gentium dominus, qui inaudita ante se potentia, solus Scythica et Germanica regna possedit.« [Herrscher über die mächtigsten Völker, von einer nie gehörten Macht, der einzige, der skythische und germanische Königreiche beherrschte]. Jornandes, Getica 49; Priscus, p. 64, 65. Herr de Guignes hat sich durch seine Kenntnisse des Chinesischen einen angemessenen Begriff von Attilas Reich machen können. Histoire des Huns, Band 2, p. 295- 301. Er alleine hat unter den Herrschern der alten und modernen Zeiten die mächtigen Königreiche Skythien und Germanien geeint; und wenn man diese unbestimmten geographischen Kennzeichnungen auf sein Reich anwenden will, kann man sie nur sehr ungefähr verstehen. Thüringen, das sich weit über seine heutigen Grenzen bis an die Donau erstreckte, gehörte zu seinen Provinzen; auch mischte er sich mit dem Gewicht eines einflussreichen Nachbarn in die inneren Angelegenheiten Frankreichs; und einer seiner Generäle züchtigte, ja löschte nahezu die Burgunden am Rhein aus. Er bekriegte die Inseln im Ozean, die Könige Skandinaviens und wurde zum Herrscher der Ostsee; und so konnten die Hunnen einen Tribut an Pelzen von jenen nördlichen Regionen abverlangen, welche bis dahin durch das strenge Klima und den Mut ihrer Einwohner gegen alle Eroberungsversuche geschützt waren.

Nach Osten lässt sich die Grenze seiner Herrschaft über die skythischen Wüsten geographisch schwer bestimmen; aber des können wir gewiss sein, dass sich sein Reich bis an die Wolga dehnte; dass der Hunnenkönig nicht nur als Krieger, sondern auch als Zauberer gefürchtet war; Siehe Histoire des Huns, Band 2, p. 296. Man glaubte, dass die Hunnen auf Wunsch Gewitter und Sturm hervorrufen konnten. Ein Stein namens Gezi war für diese Leistungen verantwortlich; dessen Zauberkräften schrieben auch im XIV Jh. mohammedanische Tartaren die Niederlage in einer Schlacht zu. Siehe Sharaf al-Din, Histoire de Timour-Bec, Band 1, p. 82.f.; dass er den Khan der furchtbaren Geougen bedrängte und besiegte; und dass er Gesandtschaften in das chinesische Reich schickte, um von Gleich zu Gleich über Bündnisverträge zu verhandeln. Im dem großen Reigen der Völker, die Attilas Oberherrschaft anerkannten und die zu seinen Lebzeiten noch nicht einmal den Gedanken an Revolte zuließen, zeichneten sich die Gepiden und Ostgoten immerhin durch ihre Zahl, ihren Mut und die individuelle Tapferkeit ihrer Stammeshäuptlinge aus. Die Masse der gewöhnlichen Könige jedoch, die Anführer so mancher kriegslüsterner, Attila dienstpflichtiger Stämme bekleidete den nachgeordneten Rang eines Wachsoldaten oder Hausdieners im Umkreis ihres Herren. Sie hingen an seinen Lippen; sie bebten vor seinem Unwillen; und bei der leisesten Willensäußerung eilten sie, seine strengen und unwiderruflichen Anordnungen zu erfüllen. In Friedenszeiten leisteten diese Könige zusammen mit ihren Truppen dem König regelmäßige Heerfolge; wenn dann Attila in Kriegszeiten seine militärische Macht sammelte, konnte er eine Armee von fünf-, nach anderen von siebenhunderttausend Barbaren ins Feld schicken. Jorndanes, Getica 35 und 37. Siehe Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 6, p. 129, 138. Corneille hat den Stolz Attilas gegenüber den ihm untertänigen Herrschern betont,und so beginnt seine Tragödie mit diesen albernen Zeilen: Ils ne sont pas venus, nos deux rois! qu'on leur die Qu'ils se font trop attendre, et qu'Attila s'ennuie.« [Unsere beiden Könige sind nicht gekommen! Man sage ihnen, dass sie zu sehr hätten auf sich warten lassen und dass Attila verstimmt sei]. Die beiden Könige der Gepiden und Ostgoten sind dargestellt als glänzende Politiker und empfindsame Liebhaber: und so verrät das ganze Stück die Fehler des Dichters, aber nicht sein Genie.

Die Gesandten der Hunnen dürften wohl die Aufmerksamkeit des Theodosius auf sich gelenkt haben, indem sie ihm in Erinnerung brachten, dass sie seine europäischen und asiatischen Nachbarn waren; denn sie beherrschten das Land zwischen Donau und Tanais (Don). In der Regierungszeit seines Vaters Arcadius hatte ein Haufen räuberischer Hunnen die Provinzen des Ostens heimgesucht; aus denen sie dann reiche Beute und ungezählte Gefangene verschleppt hatten. »... alii per Caspia clustara Armeniasque nives, inopino tramite ducti Invadunt Orientis opes: jam pascua fumant Cappadocum, volucrumque parens Argaeus equorum. Jam rubet altus Halys, nec se defendit iniquo Motlte Cilix; Syriae tractus vastantur amoeni Assuetumque choris, et laeta plebe canorum, Proterit imbellem sonipes hostilis Orontem.« [...andere Heere aus dem Osten brechen unerwartet durch die kaspischen Pässe und den Schnee Armeniens, auf geheimen Wegen geführt: schon brennt das kappadokische Weideland, Argaios, geflügelte Rosse hervorbringend,. Schon rötet sich der Halys, und das Gebirge schützt nicht Kilikien; verdorben ist Syriens Land. Den friedlichen Orontes, gewöhnt an Gesänge fröhlicher Menschen, stampft nieder die feindliche Reiterei]. Claudian, in Rufinum 2,28-35. Siehe auch Claudian, in Eutropium 1, 243-251 und die eindrucksvolle Schilderung von Hieronymus, der ganz nach Gefühl schrieb, Epistula 60 und 77. Opera, Ban 1, p. 26 und 200. Philostorgios 9,8 erwähnt diesen Überfall.

 

HUNNEN ÜBERFALLEN PERSIEN · A.D. 430-440

Auf geheimen Pfaden rückten sie an der Küste des Kaspischen Meeres vor; passierten die schneereichen Berge Armeniens; überquerten den Tigris, den Euphrat, den Halys; verstärkten ihre abgemattete Kavallerie mit kappadokischen Pferden, einer fruchtbaren Rasse; besetzten das hügelige Kilikien; und schreckten die Bürger Antiochias inmitten ihrer Gesangs- und Tanzfeste auf. Ägypten erzitterte bei ihrem Nahen; und die Mönche und Pilger des Heiligen Landes zeigten sich vorbereitet, ihren Grimm mit hastiger Einschiffung zu fliehen. Die Erinnerung an diese Invasion ist noch heute im Orient lebendig. Attilas Untertanen schickten sich an, mit überlegener Kraft ihre kühnen Pläne zu exekutieren; und schon bald verlegte man sich auf ängstliches Raten, ob der Sturm wohl Persien oder römisches Gebiet heimsuchen werde.

Einige der Groß-Vasallen des Hunnenkönigs, ihrerseits selbst mächtige Herrscher, waren gekommen, um mit dem Kaiser oder genauer: dem General des Westens Allianz und Waffenbrüderschaft zu schließen. Während ihres Romaufenthaltes berichteten sie von den näheren Umständen eines Feldzuges, den sie unlängst im Osten durchgeführt hatten. Nach dem Passieren einer Wüste und eines Sumpfgeländes, das die Römer für den Maeotis-See halten, hatten sie die Berge überquert und waren nach fünfzehn Tagen Gewaltmarsch endlich an die Grenzen Mediens gelangt; wo sie bis zu den unbekannten Städten Basic und Cursic vordrangen. Auf den Ebenen Mediens kam es zu einem Treffen mit der persischen Armee; und der Himmel, so ihre Schilderung, verdunkelte sich unter einer Wolke von Pfeilen. Aber dennoch mussten die Hunnen vor der Übermacht der Feinde weichen. Ihr mühseliger Rückzug ging einen anderen Weg; fast die gesamte Beute ging verloren; und schließlich kamen sie im Lager ihres Königs an, bereichert mit einigen landeskundlichen Erkenntnissen und wilden Rachegedanken im Herzen. An Hofe Attilas diskutierten die kaiserlichen Botschafter in freiem Austausch Das Originalgespräch ist bei Priscus, p. 64f. nachzulesen. das Auftreten und die Entwürfe ihres furchtbaren Feindes, und die Abgesandten Konstantinopels hofften, dass er seine Stärke in langen Kriegen mit zweifelhaftem Ausgang gegen das Haus der Sassaniden aufreiben möge.

Die Italiener, einsichtsvoller, wie sie waren, verwiesen ihren orientalischen Amts-Brüdern die Torheit und Vergeblichkeit solchen Hoffens und machten ihnen klar, dass die Meder und Perser der Hunnenmacht unmöglich widerstehen würden und dass ein solch leichter und zugleich bedeutsamer Sieg die Macht und den Hochmut des Herrschers nur weiter emporheben müsse. Anstelle sich mit einem maßvollen Tribut und einem militärischen Titel zufrieden zu geben, der ihn den Generälen des Theodosius gleichberechtigt an die Seite gestellt hätte, würde Attila auch fernerhin ein schändliches und schweres Joch auf den gebeugten Nacken der Römer legen, die dann auf allen Seiten vom Imperium der Hunnen umzingelt sein würden. Priscus, p. 33. Die Geschichte des Priscus enthält eine detailfreudige und anschauliche Darstellung des Krieges (Euagrios 1,17), aber leider sind nur die Teile auf uns gekommen, die von den einzelnen Gesandtschaften berichten. Das Original war jedoch den Autoren zugänglich, von denen wir unsere unvollständigen Kenntnisse entlehnen: Jordanes, Theophanes, der comes Marcellinus, Prosper Tiro und der Verfasser der Alexandrinischen Chronik und des Chronikon paschale. Herr de Buat (Histoire des peuples d'Europe, Band 7, c.15) hat den Anlass, die Begleitumstände und die Dauer des Krieges untersucht; und er lässt ihn keinesfalls länger als bis zum Jahre 444 dauern.

 

HUNNEN GREIFEN DEN OSTEN AN · EUROPA VERHEERT · A.D. 441

Während Europa und Asien zugleich bemüht waren, die drohende Gefahr abzuwehren, unterstützte die Allianz mit Attila die Herrschaft der Vandalen in Afrika. Rom und Konstantinopel hatten vereinte Anstrengungen unternommen, diese wertvolle Provinz zurück zu gewinnen; schon hatten sich die Häfen Siziliens mit der See- und Landmacht des Theodosius gefüllt. Aber der verschlagene Geiserich, der seine Fäden überall hin spann, durchkreuzte diese Entwürfe, indem er den Hunnenkönig veranlasste, seinerseits das östliche Imperium anzugreifen; und ein läppisches Vorkommnis lieferte den Anlass oder besser: den Vorwand für diesen mörderischen Krieg. Prokopios, De aedificiis 4,5. Kaiser Justinian ließ später diese Festungsbauten restaurieren, verstärken und erweitern; aber schon bald wurden sie durch die Avaren zerstört, die von den Hunnen Macht und Gebiet übernommen hatten. Unter dem Schutz des Vertrages von Margus wurde nördlich der Donau Markt abgehalten, der außerdem von einer römischen Festung mit Namen Constantia beschirmt wurde. Ein Haufen Barbaren störte diese friedliche Szenerie, ermordete oder verjagte die arglosen Kaufleute und legte die Festung in Trümmer. Die Hunnen rechtfertigten dieses gewaltsame Vorgehen als Akt der Wiedergutmachung; behaupteten, der Bischof von Margus habe ihre Territorien betreten, den geheimen Schatz ihrer Könige auszuspähen und zu stehlen; und verlangten mit Nachdruck die Auslieferung des schuldigen Prälaten, seiner frevlerischen Beute und der flüchtigen Untertanen, die vor Attilas Gerechtigkeit entflohen waren.

Die Weigerung des Hofes zu Byzanz war das Signal zum Kriege; und sogleich klatschten die Mösier dem festen Sinn ihres Herrschers Beifall. Aber schon bald packte sie das Entsetzen, als Viminacium und die benachbarten Städte in Asche sanken; und die Einwohner sahen sich genötigt, den zweckdienlichen Grundsatz anzuerkennen, dass ein Bürger, wie unschuldig und achtbar er auch sein mochte, bereitwillig der Sicherheit seines Landes geopfert wird. Der Bischof von Margus, dem die Neigung zum Märtyrertod abging, beschloss, den Absichten zuvor zu kommen, die er den Hunnen unterstellen zu können glaubte. Kühnlich begann er mit den Herrschern der Hunnen zu unterhandeln; sicherte sich durch feierliche Eide Pardon und Belohnung zu; postierte heimlich ein Detachement Barbaren an günstigen Stellen der Donau; und öffnete mit eigener Hand zu vereinbarten Stunde die Tore seiner Bischofsstadt.

Dieser Vorteil, errungen durch Verrat, war nur das Vorspiel einer ganzen Reihe ehrenhafterer und entscheidender Siege. Die illyrische Grenze war geschützt durch eine reguläre Kette von Basteien und Festungen; und obgleich sie mehrheitlich nichts weiter als einzelne Türme mit einer kleinen Besatzung waren, reichten sie gemeiniglich hin, den Angriff eines Feindes zurück zu schlagen, der in Belagerungskünsten unkundig war und die sich aus einer Belagerung ergebende Verzögerung nur mit Ungeduld ertrug. Die Unmassen der Hunnen jedoch fegten die leichten Hindernisse in einem Nu hinfort. »Septuaginta civitates« (sagt Prosper Tiro) »depraedatione vastatae.« [Siebzig Städte durch Raub verwüstet]. Die Sprache von Comes Marcellinus ist noch bitterer; »Pene totam Europam, invasis excisisque civitatibus atque castellis, conrasit.« [Beinahe ganz Europa löschte er aus, indem er in Städte und Burgen eindrang und sie vernichtete]. Mit Feuer und Schwert zerstörten sie das volkreiche Sirmium und Singidunum, Rataria und Marcianopolis, Naissus und Sardica; in welchen Städten im Laufe der Zeit doch eigentlich alles zu dem einzigen Zwecke der Verteidigung hergerichtet worden war.

Auf einer Strecke von fünfhundert Meilen, vom Schwarzen Meer bis zur Adria, wurde Europa in einer einzigen Angriffswelle von Attilas Myriaden überrannt, besetzt und verwüstet. Die Gefahr und die Not seines Volkes veranlassten Theodosius indessen nicht, seinem müßigen Zeitvertreib oder seine Gottessuche einzustellen oder sich in höchsteigener Person an die Spitze der römischen Legionen zu verfügen. Immerhin wurde das Corps, das gegen Geiserich ins Feld gezogen war, in aller Eile aus Sizilien zurück berufen; die Garnisonen an der persischen Grenze wurde ausgehoben; und so wurde in Europa eine Streitmacht versammelt, die durch ihre Schlagkraft und ihre schiere Masse hätte fürchterlich werden können, wenn sich die Generäle aufs Befehlen und die Soldaten aufs Gehorchen verstanden hätten. In drei aufeinander folgenden Gefechten wurde die Armee des Ostreiches aufgerieben; und an den Orten der Schlachten konnte man Attilas Vorwärtsstürmen verfolgen. Die beiden ersten am Ufer des Utus und vor den Mauern von Marciopolis wurden in den riesigen Ebenen zwischen Donau und Hämusgebirge ausgefochten. Als dann die Römer vor dem siegreichen Feinde zurück wichen, zogen sie sich allmählich und gegen jede Kriegskunst auf den thrakischen Chersonnes zurück; und diese enge Halbinsel wurde Zeuge ihrer dritten und entscheidenden Niederlage.

Nachdem diese Armee vernichtet war, behauptete Attila unwidersprochen das Feld für sich. Vom Hellespont bis zu den Thermopylen und den Vororten von Konstantinopel verwüstete er hemmungs- und gnadenlos die Provinzen Thrakien und Makedonien. Heracles und Adrianopel entgingen wohl dem furchtbaren Dreinfahren der Hunnen; aber für die Unglücksfälle, die über siebzig Städte des Ostreiches hereinbrachen, kamen nur die drastischsten Ausdrücke wie »völlige Ausmerzung und Ausradieren« in Betracht. Theodosius selbst, sein Hof und das kriegsuntüchtige Volk fanden Schutz hinter den Mauern von Konstantinopel; aber erst kürzlich hatte ein Erdbeben diese Mauern erschüttert, und der Einsturz von achtundfünfzig Türmen hatte eine grässliche Bresche geschlagen. Zwar der Schaden ward in Eile behoben; aber der Vorfall hatte zusätzliche Bedeutung erhalten durch die abergläubische Furcht, der Himmel liefere die Kaiserstadt den skythischen Nomaden in die Hände, welchen die Gesetze, Sprache und Religion Roms fremd waren. Tillemont (Histoire des empereurs, Band 6, p. 106f.) hat diesem bemerkenswerten Erdbeben viel Aufmerksamkeit gewidmet; welches man noch im fernen Antiochia und Alexandria verspürte und welches von allen Kirchenhistorikern ausführlich gewürdigt wurde. In der Hand eines volksnahen Predigers wird ein Erdbeben zu einer Waffe von wundersamer Wirkmächtigkeit.

 

DIE SKYTHISCHEN KRIEGE

Bei all ihren Einfällen in die zivilisierten Reiche des Südens waren die skythischen Nomaden von einem ungestümen, mörderischen Geist beseelt. Die Kriegsgesetze, welche Völkermord verwerfen, beruhen auf zwei grundlegenden Interessen: der Kenntnis des dauerhaften Vorteils, den eine maßvolle Ausbeutung eines Sieges mit sich bringt; und die berechtigte Sorge, die Verwüstung, die wir dem Lande unserer Feinde zufügen, könnte irgendwann auf uns selbst zurück fallen. Einem Volk von Nomaden ist eine solche Mischung aus Furcht und Hoffnung naturgemäß fremd. Attilas Hunnen können mit gutem Recht verglichen werden mit den Mongolen und Tartaren, bevor deren archaische Gebräuche durch Religion und Luxus aufgelockert wurden; und die Tatsachen der Geschichte des Orients können einiges Licht auf die römischen Annalen werfen, die an dieser Stelle kurz und lückenhaft sind.

Als die Mongolen einst die nördlichen Provinzen Chinas unterworfen hatten, wurde allen Ernstes vorgeschlagen, und zwar nicht in der Hitze des Sieges, sondern in sachlich-kühler Ratsversammlung, alle Einwohner jenes riesigen Landes zu töten, um Weideland für Vieh zu gewinnen. Die Kühnheit eines chinesischen Mandarines, dem es gelang, in das Gemüt von Dschingis Khan homöopathische Dosierungen von politischer Vernunft zu träufeln, ist es zu danken, dass er von diesem fürchterlichen Vorhaben Abstand nahm. Er stellte dem Mongolenherrscher dar, dass die vier Provinzen Petschlei, Chantong, Chansi und Leaotong, die bereits in seinem Besitz waren, unter einer vernünftigen Verwaltung jährlich 500.000 Unzen Silber, 400.000 Maß Reis und 800.000 Seidentücher hervorbringen könnten. Gaubil, Histoire de la dynastie des Mongous, p. 58f. Yehlüchutsay (so hieß der Mandarin) war ein weiser und geschickter Beamter, der sein Land rettete und den Siegern Zivilisation beibrachte. Gaubil, p.102f.

Aber gegenüber den Städten Asiens, die sich den Mongolen ergaben, wurde dieses unmenschliche Kriegsrecht exekutiert, und zwar auf eine nachgerade systematische Art und Weise, die man aus gleichen Gründen auch bei den Hunnen vermuten darf. Die Bewohner, die sich ihnen auf Gnade und Ungnade ergeben hatten, hieß man ihre Häuser räumen und sich auf einer unfernen, ebenen Fläche sammeln; hier wurden die Besiegten in drei Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe bestand aus den Soldaten der Garnison und den waffenfähigen jungen Männern; deren Schicksal entschied sich im Augenblick: entweder wurden sie den Truppen der Mongolen eingereiht, oder sie wurden von den Gegnern niedergemacht, welche mit wurfbereiten Speeren und gespannten Bögen im Kreis um die gefangene Masse aufgestellt waren. In der zweiten Gruppe fanden sich junge und schöne Frauen, Handwerker jeden Alters und jeder Profession und angesehene und wohlhabende Bürger, von denen man üppiges Lösegeld erwarten durfte. Der Rest, dessen Tod oder Überleben den Siegern gleich nutzlos war, durfte in die Stadt zurückkehren; die man in der Zwischenzeit ausgeplündert hatte; und von jenen Armseligen wurde eine Steuer erhoben für das Privileg, atmen zu dürfen.

Soweit das Verhalten der Mongolen, wenn sie nicht aus irgendeinem Grunde besonders blutdürstig waren. Einzelfälle führen ins Uferlose. Aber der wissbegierige Leser möge die Biogrophie Dschingis Khans von Pétis de la Croix, die Histoire des Mongous und das 15. Buch der Histoire des Huns zu Rate ziehen. Aber der geringfügigste Anlass konnte sie dazu bringen, die Bewohner einer Stadt allesamt zu massakrieren; und manch blühende Stadt wurde so zugrunde gerichtet, dass nach ihren eigenen Worten Pferde ohne mit den Hufen anzustoßen über den Boden galoppieren konnten, auf dem sie einst gestanden hatte. Die drei großen Städte von Khorosan, Maru, Neisabur und Herat wurden von den Dschingis' Horden ausgelöscht; und die Zahl der Toten wurde auf vier Millionen dreihundertsiebenundvierzig Tausend bestimmt. In Maru 1.300.000; in Herat 1.600.000; in Neisabour 1.747.000. Ich halte mich hier an die Orthographie der Karten d'Anville's. Es muss hier jedoch zugestanden werden, dass die Perser ihre Verluste und die Mongolen ihre Erfolge zu übertreiben geneigt waren. Timur oder Tamerlan wurde in einem weniger barbarischen Zeitalter und in der Religion Mohammeds erzogen; wenn aber Attila in seinem Wüten Tamerlan Sein elender Panegyrist Sharaf al-Din hat uns viele grauenvolle Beispiele überliefert. In seinem Lager vor Delhi ermordete Timur 100 000 indische Gefangene, da sie gelächelt hatten, als die Armee ihrer Landsleute in Sicht kam (Histoire de Timur Bec, Band 3, p. 90). Das Volk von Ispahan musste für die Errichtung eines himmelstrebenden Turmes 70 000 Menschenschädel liefern (Band 1, p. 434). Eine ähnliche Steuer ward Bagdad nach einer Revolte auferlegt (Band 3, p. 370); und die genaue Zahl, die Sharaf al-Din von dem zuständigen Offizier in Erfahrung zu bringen außerstande war, wird von einem anderen Historiker (Ahmed Arabsiades, Timuri Historia, Band 2. P. 175) auf 90 000 veranschlagt. gleichkam, dann durften sich der Tartar und der Hunne mit gleicher Berechtigung Die Geißel Gottes nennen. Die Alten wie etwa Jordanes, Priscus &c. kennen dieses Epitheton nicht. Die heutigen Ungarn vermuten, dass ein gallischer Eremit es Attila angehängt und dieser es hocherfreut unter seine Königstitel eingereiht habe. Mascov, History of Germans, Buch 11, c.23 und Tillemont, Histoire des empereurs, Band 6, p. 143.

 

STELLUNG DER GEFANGENEN

Mit noch kühnerer Gewissheit soll die Behauptung gewagt sein, dass die Hunnen einige Provinzen durch das Fortführen der Gefangenen gleichsam entvölkerten. Unter einem verständigen Gesetzgeber hätte eine solche arbeitsame Schar bis über die Wüsten Skythiens hinaus die ersten Anfänge der nützlichen und schönen Künste pflanzen können; aber diese Kriegsgefangenen wurden nach dem Zufallsprinzip unter die Horden Attilas verteilt. Ihr jeweiliger Nutzwert wurde nach den primitiven Maßstäben der rohen Barbaren festgelegt. Sicherlich waren sie außerstande, den Wert eines Theologen zu schätzen, welcher sich vertiefte Kenntnisse über Trinität und Inkarnation erworben hatte; immerhin brachten sie den Dienern jeder Religion Respekt entgegen; und der tätige Eifer der christlichen Missionare, die der Person und dem Hof des Königs übrigens nicht näher kamen, hatte einigen Erfolg bei der Verbreitung des Evangeliums. Die Missionare von St. Chrysostomos bekehrten ungezählte Skythen, die jenseits der Donau in Zelten und Planwagen hausten Theodoretos 5,21; Photios, p. 1517). Die Mohammedaner, Nestorianer und römischen Christen erwarteten reiche Beute unter den Söhnen und Enkeln Dschingis Kahns, da er die rivalisierenden Missionare mit gleicher Zuvorkommenheit behandelte.

Da den Hirtenvölkern keine Vorstellung von Landeigentum hatten, muss ihnen die bürgerliche Rechtsprechung und der zugrunde liegende Missbrauch erbärmlich vorgekommen sein; und die Gewandtheit eines Anwaltes mit forensischer Beredsamkeit war ihnen verächtlich, ja entsetzlich. Die Germanen, die Varus und seine Legionen vernichtet hatten, hatten mit dem römischen Recht und seinen Dienern besonders üble Bekanntschaft gemacht. Nachdem einer dieser Barbaren die nötigen Vorkehrungen getroffen hatte und einem Advokaten die Zunge herausgeschnitten und den Mund zugenäht hatte, bemerkte er mit vieler Genugtuung, dass die Schlange nun nicht mehr zischeln könne. Florus, 4,12. Der beständige Verkehr zwischen Hunnen und Goten hatte die Kenntnis der beiden nationalen Dialekte verbreitet; und die Barbaren legten Wert darauf, sich in Latein zu unterhalten, da dies selbst im Ostreich das militärische Idiom war. Priscus, p. 52. Es scheint, dass die Hunnen dem Gotischen und Lateinischen vor ihrer eigenen Sprache den Vorzug gaben; welche vermutlich ein ebenso grobkörniges wie dürftiges Idiom war. Die griechische Sprache und der griechischen Wissenschaften jedoch verachteten sie; und der eitle Sophist, der in seiner Schule sich des schmeichelhaftetsten Beifalls erfreut hatte, gewahrte nunmehr mit Erstaunen, dass seinem rüstigen Sklaven nun, da sie beide Gefangene waren, mehr Wert und Bedeutung zukam als ihm selbst.

Das Handwerk stand in Ansehen und wurde gefördert, da es die Bedürfnisse der Hunnen bedienen konnte. Ein Architekt aus der Gefolgschaft von Attilas Liebling Onegesius erhielt den Auftrag, ein Bad zu bauen; aber dies war ein seltenes Beispiel für privaten Luxus; und das Gewerbe eines Huf- oder Waffenschmiedes und Zimmermannes waren besser geeignet, ein nomadisierendes Volk mit den nützlichen Gegenständen für Krieg oder Frieden zu versehen. Nur dem Gewerbe des Arztes begegnete man allgemein mit Ehrfurcht und Respekt; Barbaren, die den Tod nicht scheuten, fürchteten sich gleichwohl vor Krankheit; und der ansonsten so hochmütige Herrscher zitterte in der Gegenwart eines Gefangenen, dem die Macht zugeschrieben wurde, Leben zu verlängern oder gar zu retten. Philip de Comines erzählt in seiner lesenswerten Darstellung der letzten Tage von Ludwig XI (Mémoires, Buch 6, c. 12) von der Dreistigkeit seines Arztes, welcher innert fünf Monaten dem knickerigen Tyrannen 54.000 Kronen und einen Bischofssitz abschmeichelte. Die Hunnen waren imstande, über das Elend der von ihnen abhängigen Sklaven zu höhnen; Priscus p.61 lobt die Gerechtigkeit der römischen Gesetze, die das Leben von Sklaven schützten: »Occidere solent (sagt Tacitus von den Germanen) non disciplina et severitate, sed impetu et ira, ut inimicum, nisi quod impune.« [Es kommt vor, dass man Sklaven erschlägt, nicht aus Gründen der Zucht oder Ordnung, sondern im Jähzorn oder aus Wut, genau wie einen persönlichen Feind, nur eben straffrei]. Germania 25. Die Heruler, Attilas Untertanen, beanspruchten und übten das Recht über Leben und Tod ihrer Skaven. Hierzu auch eine merkwürdiges Beispiel im zweiten Buch es Agathias. aber zu einem durchdachten System der Unterdrückung waren sie unfähig; und oft genug belohnten sie deren Tapferkeit oder Dienstbarkeit mit der Freilassung.

So sprach den Historiker Priscus, dessen Gesandtschaftsreise in äußersten Maße lehrreich ist, im Lager Attilas ein Fremder unter vier Augen in griechischer Sprache an, obwohl er seiner Kleidung und seinem Aussehen nach wie ein wohlhabender Skythe wirkte. Während der Belagerung von Viminacium, so der Bericht des Fremden, hatte er Vermögen und Freiheit eingebüßt; er wurde Sklave des Onegesius; aber sein zuverlässiger Dienst gegen die Römer und Akatziren hatte ihn allmählich in den Rang eines gebürtigen Hunnen erhoben; denen er endlich gleichgestellt wurde, nachdem er sich wiederverheiratet und mehrere Kinder gezeugt hatte. Durch Kriegsbeute war er so reich wie früher und noch reicher geworden; er wurde sogar zu der Tafel seines früheren Herren zugelassen; und der abtrünnige Grieche segnete die Stunde seiner Gefangennahme, denn sie hatte ihm das Tor zu einem glücklichen und freien Leben eröffnet, in welchem er jetzt eine militärische Ehrenstellung bekleidete.

Diese Erzählung gab naturgemäß Veranlassung zu einer Erörterung der Stärken und Schwächen der römischen Herrschaft, die der Abtrünnige mit Nachdruck attackierte und die Priscus weitschweifig, aber dürftig verteidigte. Der Freigelassene des Onegesius beschrieb in wahren und lebendigen Worten die Defekte des untergehenden Reiches, unter denen er so lange Zeit leiden musste: die grausame Idiotie der römischen Herrscher, die ihre Untertanen gegen die Feinde des Reiches zu schützen außerstande waren und ihnen gleichzeitig Waffen zu deren eigenem Schutz verweigerten; die unerträgliche Steuerlast, die durch die Willkür des Erhebungssystems besonders drückend war; die zahlreichen widersprüchlichen und unverständlichen Gesetze; das schwerfällige und kostspielige Gerichtswesen; die Willkürjustiz; und die krebsartig wuchernde Korruption, welche den Einfluss der Reichen beständig erhöhte und die Lage der Armen verschlimmerte. Ein Anflug von patriotischem Mitleid belebte sich endlich in der Brust des glücklich Exilierten; und unter einem Strom von Tränen klagte er über die Schuld der Magistrate, welche aus Vorsatz oder Unfähigkeit die besten und heilsamsten aller Einrichtungen so pervertiert hatten. Die vollständige Unterredung bei Priscus, p. 59-62.

 

VERTRAG ZWISCHEN ATTILA UND DEM OSTEN · A.D. 446

Die furchtsame oder auch egoistische Politik Westroms hatte den Osten des Reiches den Hunnen ausgeliefert. »Nova iterum Orienti assurgit ruina . . . quum nulla ab Occidentalibus ferrentur auxilia.« [Neuerlich ereilte den Osten das Verderben, da vom Westen keinerlei Hilfe kam]. Prosper Tyro schrieb seine Chronik im Westen; seine Bemerkung beinhaltet eine Rüge. Die Armseligkeit der Truppen, ihre mangelnde Disziplin und Kampfkraft, dies alles fand seine Parallelen im persönlichen Charakter der Monarchen. Gerne durfte Theodosius die Prachtentfaltung und den Titel des Unbesiegbaren Augustus in Anspruch nehmen; gleichwohl war er gehalten, Attila um Milde anzubetteln, welcher ihm mit imperialer Geste folgende drückenden und demütigenden Friedensbedingungen diktierte:

I. Der Kaiser des Ostens trat ausdrücklich oder durch stillschweigendes Einverständnis einen beträchtlichen und wichtigen Streifen Landes ab, welches sich von der südlichen Donau (bei Sigdunum oder Belgrad) bis nach Novae in der Diözese Thrakien erstreckte. Die Breite wurde nur sehr ungefähr mit fünfzehn Tagesreisen bestimmt; aber schon bald wurde klar, dass Attila die untergegangene Stadt Naissus in dieses Land mit einbezog.

II. Der König der Hunnen verlangte, und man folgte ihm hierin, dass die Abgaben von jährlich siebenhundert Pfund Gold auf zweitausendeinhundert erhöht werde; und er bestand auf der unverzüglichen Zahlung von sechstausend Pfund Gold zur Erstattung der Kriegskosten. Man könnte sich vorstellen, dass diese Forderung, die noch fast im Bereich privater Reichtümer lag, die üppigen Möglichkeiten des Ostreiches nicht hätte überfordern dürfen; aber die öffentliche Notlage wirft ein kennzeichnendes Bild auf den zerrütteten oder doch wenigstens ungeordneten Zustand der Staatsfinanzen. Ein erheblicher Teil der Steuern, die man dem Volk abpresste, versickerte auf seinem Wege nach Konstantinopel in trüben Senkgruben. Theodosius und seine Günstlinge verschleuderten die Einkünfte durch besinnungslosen Luxus, der sich dann allerdings hinter Bezeichnungen von imperialer Größe und christlicher Milde verbarg. Den Rest hatten die unvorhergesehenen Ausgaben für das Militär verschlungen. Die einzige Möglichkeit, Attilas ungeduldige Habgier ohne Zeitverzug zufrieden zu stellen, bestand deshalb darin, dass den Mitgliedern des senatorischen Standes das persönliche Opfer abverlangt wurde; aber die Armut des Adels bestimmte ihn, aus einer dunklen Quelle zu schöpfen und in öffentlicher Versteigerung die Juwelen und ererbten Schmuckwerke aus ihren Palästen anzubieten. Nach den Mitteilungen oder genauer: den Schmähungen des Chrysostomos müssen diese Versteigerungen des byzantinischen Luxus' sehr ergiebig gewesen sein. Jeder wohlhabende Haushalt verfügte über eine halbkreisförmige Tafel aus reinem Silber, die zwei Mann mit genauer Not anheben konnten, ein Gefäß aus reinem Gold mit einem Gewicht von vierzig Pfund, außerdem über Vasen, Teller und anderes Geschirr aus demselben Metall.

III Der Hunnenkönig scheint zum Grundsatz nationaler Rechtspflege erhoben zu haben, dass er niemals den Besitzanspruch über die Personen verlieren könne, die irgendwann einmal freiwillig oder genötigt sich seiner Autorität unterworfen hätten. Hieraus folgerte – und Attilas Folgerungen hatten den Charakter von unumstößlichen Gesetzen – dass alle kriegsgefangenen Hunnen ohne Verzug und Auslösung zu entlassen seien; dass jeder Römer, der zu fliehen sich unterstanden hatte, sein Recht auf Freiheit zum Preis von zwölf Goldstücken einlösen müsse; und dass alle fahnenflüchtigen Barbaren bedingungslos und ohne Aussicht auf Pardon Attila auszuliefern seien. Bei der Ausführung dieser grausamen und schandbaren Bedingungen waren die kaiserlichen Beauftragten oftmals genötigt, loyale und adlige Deserteure umzubringen, da diese sich weigerten, in den sicheren Tod zu gehen; und die Römer selbst verspielten jedes Anrecht auf die Freundschaft des skythischen Volkes, da sie öffentlich ihre Unfähigkeit oder Unwilligkeit erklärten, alle die zu schützen, die vor dem Thron des Theodosius Asyl gesucht hatten. Die Artikel des Friedensvertrages sind, wenn auch ohne Ordnung und Genauigkeit, bei Priscus (p. 34-37 und 53ff.) verzeichnet. Es ist ein kleiner Trost in der Feststellung des comes Marcellinus, dass 1.: Attila selbst um Frieden bat und anbot, was er vorher noch verweigerte; und dass 2.: etwa zu dieser Zeit der Botschafter von Indien dem Kaiser Theodosius einen wunderschönen zahmen Tiger zum Geschenk machte.

 

DER GEIST VON AZIMUNTINIUM

Der feste Sinn einer einzigen Stadt, die so unbedeutend war, dass sie von keinem Geographen oder Historiker erwähnt wurde außer bei dieser einen Gelegenheit, stellt die Kaltherzigkeit des Kaisers und des Reiches in ein besonders grelles Licht. Atimus oder Azimuntium, eine thrakische Kleinstadt an der Grenze zu Illyrien, Priscus, p. 35 f. Unter den 182 thrakischen Festungen, die Prokopios (de aedificiis 4,11) uns nennt, gibt es eine mit dem Namen Esimontou, die ungefähr in der Nachbarschaft von Anchialus und dem Schwarzen Meer gelegen haben soll. Name und Stadt von Azimuntum mögen fortgelebt haben bis in die Zeiten von Justinian, aber seine tapferen Verteidiger sind durch die Eifersucht der römischen Kaiser ausgelöscht worden. hatte sich ausgezeichnet durch den kriegerischen Geist seiner Jugend, den kalkulierten Wagemut seiner gewählten Feldherren und die Kühnheit ihrer ungezählten Unternehmungen, die sie gegen die Unmassen der barbarischen Horden unternahmen. Anstelle nur tatenlos deren Angriffe abzuwarten, machten die Azimutiner zahlreiche und durchaus erfolgreiche Ausfälle gegen die Hunnen, welche in dieser gefährlichen Nachbarschaft massive Einbußen erfuhren; entrissen ihnen Gefangene und Kriegsbeute; und verstärkten mit Überläufern und Flüchtlingen ihre Kampfkraft. Nach Abschluss der Friedensverträge bedrohte Attila das Reich mit fernerem Kriege, solange nicht die Azimuntiner freiwillig oder gezwungen die Bedingungen anerkannten, denen sich auch ihr Sovereign gebeugt hatte. Schamrot aber wahrheitsgemäß bekannten die Minister des Theodosius, dass ihre Autorität über diese Männer, die so tapfer für ihre Freiheit fochten, vollständig erloschen sei; und der Hunnenkönig sah sich genötigt, mit den Bürger von Azimus von gleich zu gleich über die gegenseitige Auslieferung von Gefangenen zu verhandeln.

Sie verlangten die Rückgabe zweier Hirten und ihrer Herden, welche jüngst zufällig gefangen gesetzt worden waren. Eine strenge, wiewohl ergebnislose Nachforschung wurde zugestanden; aber die Hunnen mussten einen Eid darauf leisten, dass sie keine der Stadt gehörigen Gefangenen mehr hätten, bevor sie zwei gefangene Landsleute zurück bekommen konnten, die die Azimuntiner ihrerseits als Faustpfand für die Sicherheit ihrer beiden vermissten Gefährten in Gewahrsam hielten. Attila war mit ihrer feierlichen Versicherung zufrieden – und zugleich getäuscht –, dass man die übrigen Gefangenen dem Schwert überantwortet habe; und dass es bei ihnen geübter Brauch sei, die Römer und die Deserteure sogleich zu entlassen, welche sich der Öffentlichkeit auf Treu und Glauben überliefert hätten. Diese Täuschung mögen Kasuisten verdammen oder verteidigen, je nach dem, ob sie der strengen Auffassung des Augustinus oder der milderen des Hieronymus und Chrysostomos zuneigen; aber jeder Soldat, jeder Staatsmann wird zugeben, dass, wäre die Eigenart der Azimuntiner nur stärker verbreitet gewesen, die Barbaren schon bald aufgehört hätten, die Majestät des Reiches zu beleidigen- Der erhitzte Disput zwischen Hieronymus und Augustinus, welche mit unterschiedlichen Argumentationslinien den scheinbaren Gegensatz zwischen den beiden Aposteln Peter und Paul beizulegen sich abmühten, hängt ab von der Lösung einer zentralen Frage (Middleton Works, Vol 2, p. 5-10), welche katholische und lutheranische Gottesgelehrte und sogar Philosophen und Rechtskundige aller Zeiten oftmals verhandelt hatten.

 

GESANDTSCHAFTEN IN KONSTANTINOPEL

Es hätte sich in der Tat merkwürdig ausgenommen, wenn Theodosius auf Kosten der Ehre sich eine gesicherte Ruhe erkauft oder wenn seine Trägheit nicht wiederholte Beleidigungen herausgefordert hätte. Fünf oder sechs aufeinander folgende Gesandtschaften suchten den Hof von Byzanz heim: Montesquieu hat mit kühner und geschmeidiger Feder einige besonders abstoßende Beispiele von Attilas Hochmut und der misslichen Lage der Römer dargestellt. Ihm gebührt Dank dafür, dass er die gar zu sehr vernachlässigten Fragmente des Priscus studiert hat. und Attilas Abgesandte hatten klare Weisung, die schleppende oder unvollständige Erfüllung der letzten Friedensbedingungen einzufordern; die Namen der Flüchtlinge und Deserteure preiszugeben, die immer noch den Schutz des Reiches genossen; und mit angemessener Bescheidenheit darauf hinzuweisen, dass es für ihren Herrscher beim besten Willen unmöglich sei, die Erbitterung seiner kriegerischen Horden zu kontrollieren, solange er keine vollständige und unverzügliche Genugtuung erhalten habe.

Neben Stolz und Berechnung mochten den Hunnenkönig wohl auch niedere Motive bestimmen, Gesandtschaften abzuschicken, nämlich seine Favoriten auf Kosten seiner Feinde zu beschenken. So lag denn der kaiserliche Schatz bald geplündert, um bei den Gesandten und ihren Wortführern diejenige günstige Stimmung zu erzeugen, die für einen günstigen Bericht und damit für die Fortsetzung der Friedenszeit vonnöten war. Der König der Barbaren mochte sich durch die günstige und großherzige Aufnahme seiner Bediensteten geschmeichelt fühlen; er berechnete mit Vergnügen den Wert der Bestechungsgelder, achtete mit Nachdruck auf die Erfüllung aller Zusagen, die zu ihrer persönlichen Bereicherung dienten und behandelte die Vermählung seines Sekretärs Constantius Siehe Priscus, p. 69 und 71ff. Ich möchte gerne glauben, dass dieser Glücksritter auf Veranlassung von Attila wegen des Verdachtes verräterischer Umtriebe später gekreuzigt wurde; indessen hat Priscus (p. 57) eindeutig zwei Personen namens Constantius unterschieden, welche aufgrund ähnlicher Lebensumstände leicht miteinander verwechselt werden konnten. wie eine wichtige Staatsangelegenheit.

Dieser gallische Abenteurer, der dem Hunnenkönig eine Empfehlung von Aëtius vorweisen konnte, hatte den Ministern von Konstantinopel seine Dienste angeboten, als Gegenleistung für eine in Aussicht gestellte wohlhabende und edle Gattin; und die Tochter des comes Saturninus ward ausersehen, mit ihrer Person diese Schuld ihres Landes zu begleichen. Die Sprödigkeit der Opfers, häuslicher Streit und die ungerechtfertigte Beschlagnahme ihres Vermögens kühlten die Glut ihres egozentrischen Liebhabers; aber nach wie vor bestand er im Namen Attilas auf einer gleichwertigen Verbindung; und nach vielen erbärmlichen Ausflüchten und Verzögerungen sah sich der Hof von Byzanz endlich genötigt, dem zudringlichen Fremden die Witwe des Armatius anzudienen, da ihre Stellung, ihr Reichtum und ihre Schönheit ihr einen führenden Platz unter den Matronen des Reiches sicherte.

Für diese zudringlichen und lästigen Gesandtschaften verlangte Attila einen angemessenen Gegenbesuch; er taxierte mit argwöhnischem Stolze die Persönlichkeit und die Stellung der kaiserlichen Botschafter; aber er ließ sich zu der Zusicherung herbei, jedem Beamten von konsularischem Rang bis nach Sardica entgegenzukommen. Der Kronrat des Theodosius wich diesem Vorschlag aus, indem er auf den ruinierten Zustand von Sardica hinwies; und er verstieg sich sogar zu der kühnen Idee, dass jeder General oder Zivilminister dazu geeignet sei, mit dem mächtigen König der Skythen Rats zu pflegen. Maximinus, Beim Abschluss des Friedenvertrages mit Persien im Jahre 422 war der kluge und beredte Maximinus der Berater des Ardaburius gewesen (Sokrates 7,20). Als Marcianos den Thron bestieg, erhielt Maximinus das Amt des Oberkämmerers, welches Amt zu den vier wichtigsten des Staates gehört (Novellae, im Anhang des Codex Theodosianus, p. 31). Er exekutierte eine zivile und militärische Mission in den Provinzen des Ostens; und sein Tod wurde von den Wilden Äthiopien beklagt, deren Raubzüge er abgestellt hatte. (Siehe Priscus p.40, 41). ein angesehener Höfling, der in zivilen und militärischen Geschäften schon längst seine Fähigkeiten bewährt hatte, unterzog sich widerstrebend der schwierigen und wohl auch nicht ungefährlichen Aufgabe, den aufgebrachten Hunnenkönig zu beruhigen. Sein Freund, der Historiker Priscus, Priscus stammte aus Panium in Thrakien aus adliger Familie; seine Beredsamkeit sichert ihm einen Platz unter den Sophisten seiner Zeit. Seine Geschichte von Byzanz, die bis in seine Zeit hinabreicht, enthielt sieben Bücher. (Siehe Fabricius, Bibliotheca Graeca, Band 6, p. 235f.) Der achtbaren Einwände der gelehrten Welt ungeachtet meine ich, dass er ein Heide war. nahm die Gelegenheit wahr, den Held der Barbaren in friedlicher und gleichsam häuslicher Umgebung zu beobachten; aber das Geheimnis der Gesandtschaft, ein verhängnisvolles und schuldbeladenes Geheimnis, wurde nur dem Dolmetscher Vigilius anvertraut. Die beiden letzten Gesandten der Hunnen, Orestes, ein Adliger aus Pannonien und Edecon, ein Stammeshäuptling vom Volke der Skyrren, kehrten zur gleichen Zeit aus Konstantinopel zurück. Ihre unbekannten Namen erhielten später durch die außergewöhnlichen und entgegengesetzt verlaufenden Biographien ihrer Söhne Berühmtheit: die beiden Diener Attilas waren die Väter des letzten weströmischen Kaisers und des ersten Barbarenkönig Italiens.

 

DIE GESANDTSCHAFT DES MAXIMINUS BEI ATTILA · A.D. 448

Die Gesandtschaft, der noch ein zahlenstarker Zug Berittener folgte, machte in Sardica, dreihundertundfünfzig Meilen oder dreizehn Tagesreisen von Konstantinopel entfernt ihren ersten Halt. Da die Ruinen von Sardica damals noch zum Römischen Reich gehörte, oblagen den Römern die Pflichten des Gastgebers. So stellten sie mit Hilfe der Provinzialen eine hinreichende Zahl von Ochsen und Pferden zur Verfügung; und luden die Hunnen zu einem wo nicht glanzvollen, so doch reichlichen Essen ein. Aber die Harmonie zwischen beiden wurde schon bald durch gegenseitige Abneigung und Unbedachtsamkeiten getrübt. Die Größe des Römischen Reiches und seines Herrschers wurde von den Ministern des Kaisers in lebhaften Farben vorgestellt; mit vergleichbarem Eifer verwiesen die Hunnen auf die Überlegenheit ihres siegreichen Herrschers: der Streit gewann an Schärfe durch die gedankenlose und zeitlich unpassende Schmeichelei des Vigilius, der sich den törichten Vergleich zwischen einem Sterblichen -Attila- und dem göttlichen Theodosius verbat; und nur mit Mühe vermochten Maximinus und Priscus die Streithähne zu trennen und die erhitzten Gemüter der Barbaren zu kühlen. Als die Tafel aufgehoben wurde, schenkten die kaiserlichen Gesandten dem Orestes und Edecon üppige Seidengewänder und indische Perlen, die dankbar entgegen genommen wurden. Indessen konnte sich Orestes nicht des Hinweises enthalten, dass er für seine Person nicht immer so großzügig und respektvoll behandelt worden sei; der kränkende Rangunterschied, den man zwischen seinem zivilen Amt und dem erblichen Rang seines Kollegen zu machen sich stillschweigend erlaubt hatte, machte Edecon zu einem unsicheren Freund und Orestes zu einem unversöhnlichen Feind.

Nach dieser Abendunterhaltung zogen sie dann die einhundert Meilen von Sardica nach Naissus. Diese einstmals blühende Stadt, Geburtsort zugleich des großen Constantin, lag in Trümmern, die Einwohner tot oder vertrieben; und der Anblick einiger Versehrter, denen der Aufenthalt in den Trümmern der Kirchen erlaubt war, trug dazu bei, das Grauen zu vermehren. Überall auf dem Boden lagen die Skelette der Erschlagenen; und die Gesandten, die nordwestlich zogen, mussten an den Hügeln des heutigen Servia vorbei, bevor sie in die sumpfigen Flussniederungen der Donau hinab gelangten. Die Hunnen waren die Herren auf diesem gewaltigen Strom; ihre Schifffahrt fand in großen Kähnen statt, die sie aus einem einzigen Baumstamm ausgehöhlt hatten; sicher gelangten des Theodosius Abgesandte an das andere Ufer; und ihre nichtrömische Begleitung eilte in das Lager Attilas, das für Jagd- und Kriegszwecke gleichermaßen zugerüstet war.

Kaum hatte Maximinus die zwei Meilen zwischen Fluss und Lager zurückgelegt, als er auch schon den mäkelnden Hochmut des Sieger an eigenem Leibe erfuhr. Streng ward ihm untersagt, sein Zelt in einem lieblichen Seitental aufzuschlagen, da er hierdurch den gebührenden Abstand verletzen würde, der gegenüber dem königlichen Gezelte zu beobachten sei. Die Minister Attilas nötigten ihn, ihnen die Vorschläge und Angebote mitzuteilen, die eigentlich für das Ohr des Herrschers aufgespart waren. Als Maximinus mit der gebotenen Zurückhaltung auf die abweichenden internationalen Gepflogenheiten hinwies, musste er zu seinem wachsenden Verdrusse erkennen, dass die Beschlüsse des heiligen Konsistoriums, deren Geheimnisse nach den Worten des Priscus nicht einmal den Göttern selbst offenbart werden durften, den Feinden des Reiches in verräterischer Weise bereits enthüllt worden waren. Als er sich weigerte, unter derart erniedrigenden Bedingungen überhaupt noch zu verhandeln, hieß man die kaiserliche Gesandtschaft unverzüglich abreisen; der Befehl wurde widerrufen; er wurde erneuert; und die Hunnen fuhren fort mit ihren fruchtlosen Versuchen, die unerschütterte Geduld des Maximinus zu ermüden. Endlich wurde er auf Vermittlung des Scotta, eines Bruders des Ongesius, dessen Freundschaft man rechtzeitig durch ein großzügiges Geschenk sichergestellt hatte, vor den König gelassen: aber anstelle dass er eine verwertbare Antwort erhalten hätte, musste er eine Reise in den fernen Norden unternehmen, auf dass Attila sich der stolzen Genugtuung erfreuen könne, in demselben Lager die Botschaften des West- und Ostreiches zu empfangen.

Auf seiner Reise geleiteten ihn landeskundige Führer, die ihn Halt machen ließen oder auch zu Eilmärschen antrieben, Umwege einschlagen hießen, je nach dem, wie es das Vorhaben ihres Königs erforderte. Bei ihrem Zug durch die ungarische Ebene nahmen die Römer an, dass sie verschiedene Flüsse überquerten, in Kanus oder mit transportfähigen Booten; aber es besteht guter Grund zu der Annahme, dass die Theiss (oder Tibiscus) sich an verschiedenen Orten unter verschiedenen Namen darstellte. Unferne Dörfer versorgten sie regelmäßig und üppig mit Proviant; Met gab es anstelle von Wein, Hirse anstelle von Brot und einen Likör mit dem Namen camus, welcher nach den Angaben des Priscus aus Gerste gewonnen wurde. Die Hunnen selbst verachteten immer noch die Feldarbeit; sie missbrauchten hier die Privilegien des Siegers; und die Goten, ihre fleißigen Nachbarn, die die Erde unter den Pflug genommen hatten, fürchteten ihre Nähe wie ein Rudel von reißenden Wölfen (Piscus, p. 45). In gleicher Weise sorgen die Sarten und Tadschiken für ihren Unterhalt und für den der usbekischen Tartaren, ihre arbeitsscheuen und raubgierigen Beherrscher (Siehe Genealogical History of the Tatars, p. 423, 455). Für Männer, die vom Luxus Konstantinopels gekostet hatten, mochte diese Reise unzumutbar und widrig erscheinen: aber in einer wirklichen Notlage half ihnen die Gastfreundlichkeit derselben Barbaren, die im Kriege so fürchterlich und gnadenlos sein konnten.

Die Botschafter hatten sich am Ende an der Grenze zu einem Sumpf gelagert. Ein fürchterlicher Sturm mit Blitz und Donner und Regengüssen hatte ihre Zelte umgerissen, Gepäck und Einrichtung unter Wasser gedrückt und ihr Gefolge zerstreut, welches im Dunkel der Nacht umherirrte, unkundig des Weges und besorgt um etwaige Gefahren, bis ihre Rufe endlich die Bewohner eines Nachbardorfes aufweckten, welches der Witwe des Bleda gehörte. Helle Beleuchtung und nach nur wenigen Augenblicken ein wärmendes Schilf-Feuer wurden ihnen freundlich angezündet; die Bedürfnisse und sogar die heimlichen Wünsche der Römer wurden großherzig erfüllt; sie scheinen durch das einzigartige Entgegenkommen von Bledas Witwe nachgerade peinlich berührt worden zu sein, da sie zu den anderen Vergünstigungen auch noch das Geschenk, oder zumindest die leihweise Überlassung einer hinreichenden Anzahl schöner und dienstwilliger Mädchen hinzufügte. Im Sonnenschein des folgenden Tages erholten sich Mann und Ross; man sammelte das Gepäck und ließ es trocknen: aber am Abend vor der Abreise gaben die Botschafter ihrer Dankbarkeit durch ein üppiges Geschenk an die Herrin des Dorfes, der sie silberne Gefäße, rote Gewänder, getrocknete Früchte und indischen Pfeffer präsentierten. Bald nach diesem Zwischenfall stießen sie wieder zu Attila, von dem sie beinahe sechs Tage lang entfernt gewesen waren; und allmählich näherten sie sich der Hauptstadt eines Reiches, welches auf tausende Meilen sonst keine einzige nennenswerte Siedlung aufwies.

 

HOLZHÄUSER VON UNGEFÜGER GROSSARTIGKEIT

Soweit wir die unbestimmte und dunkle Länderkunde des Priscus konkretisieren können, lag diese Hauptstadt zwischen Theiss, Donau und den Karpathen, in der Ebene des oberen Ungarn und höchstwahrscheinlich in der Nachbarschaft von Jazberin, Agria und Tokay. Es ist offenkundig, dass Priscus die Donau und die Theiss überquert hat, aber dass er nicht bis zu den Karpaten vordrang. Agria (Eger), Tokay und Jazberin (Jász-Berény) liegen in der derart umgrenzten Ebene. Herr de Buat (Histoire des Peoples, Band 7, p. 461) hat sich für Tokay entschieden, und Herr Otrokosci (bei Mascov, History of the Germans, c. 9, p. 23), ein gelehrter Ungar, für einen Ort, der etwa sechsunddreißig Meilen westlich von Buda und der Donau liegt. Ursprünglich war sie wohl nichts anderes als zufälliges Militärlager, welches sich wegen Attilas häufiger und dauernder Anwesenheit dortselbst zu einem großen Dorf erweitert hatte, in welchem sein Hof, die ihm nachfolgenden Soldaten und eine große Anzahl arbeitsscheuer oder fleißiger Sklaven und Gefolgsleute ihre Unterkunft fanden. Dieses Königsdorf des Attila lässt sich am besten mit der Stadt Karacorum vergleichen, der Residenzstadt der Nachfolger von Dschingis Khan; welche, wenn sie auch etwas mehr auf Dauer angelegt schien, an Schönheit und Glanz der Abtei und der Stadt von St. Denis aus dem XIII Jh. nicht gleichkam. Siehe Rubruqis, Histoire générale des voyages, Band 7, p. 286. Das Lager von Aurangzeb, das Bernier so anschaulich beschrieben hat (Voyages, Band 2, p. 217-235), vereinte in sich die Bräuche der Skythen mit dem Luxus von Hindustan. Die von Onegesius angelegten Bäder waren die einzigen Gebäude von Stein; das Baumaterial dazu hatte man aus Pannonien herangeschafft; und da das umliegende Land auch kein Bauholz bereitstellte, darf angenommen werden, das die Behausungen der einfachen Leute aus Stroh gefertigt waren, aus Lehm oder aus Leinwand. Die Holzhäuser der etablierten Hunnen waren entsprechend der Stellung, dem Vermögen oder dem Geschmack ihrer Besitzer von robuster Großartigkeit. Es scheinen die Entwürfe eines gewissen Sinnes für Ordnung und Symmetrie nicht entbehrt zu haben; und jedes Grundstück ward umso achtbarer, je dichter es an die Person des Herrschers heranrückte. Der Palast Attilas, der alle anderen Gebäude seiner Herrschaft übertraf, war vollständig aus Holz erbaut und bedeckte eine gehörige Fläche. Die äußere Umfassung war eine Palisade aus geglättetem Vierkantholz, zwischen die Türme eingefügt waren, mit denen man aber eher Schmuck- als Verteidigungszwecken verfolgt haben mochte. Diese Palisade, die man um einen Hügel angelegt zu haben scheint, umschloss eine Vielfalt von Holzgebäuden, welche zum Gebrauch durch den König angelegt waren. Ein eigenes Haus besaßen jeweils die zahlreichen Weiber Attilas; und im Gegensatz zu der strengen und engherzigen Abgeschlossenheit, die die asiatische Eifersucht eigentlich verlangte, ließen sie die römischen Gesandten in ihre Nähe, an ihre Tafel und gönnten ihnen sogar eine unschuldige Umarmung.

Als Maximinus seine Geschenke der Cerca, Attilas Hauptfrau, überreichte, konnte er die einzigartige Architektur ihres Hauses bewundern, die Höhe der runden Säulen, Form und Schönheit ihres Holzes, welches eigentümlich geformt, gedrechselt, geglättet oder ausgearbeitet war; und sein aufmerksames Auge entdeckte in den Ornamenten Anzeichen von Geschmack und ein gewisses Ebenmaß in den Proportionen. Nachdem er an den Torwachen vorüber war, führte man den Botschafter in die privaten Gemächer der Cerca. Attilas Weib empfing ihren Besucher, wobei sie auf einer Art Sofa lehnte oder fast schon lag; der Boden war mit Teppichen überdeckt; Hausdienerinnen bildeten einen Kreis um die Königin; und ihre Jungfrauen waren, auf dem Boden sitzend, damit befasst, die unterschiedlichen Schmuckstücke zu fertigen, mit denen die Krieger der Barbaren ihre Kleider verschönerten. Die Hunnen waren eifrig darauf bedacht, diese Reichtümer zur Schau zu stellen, waren die doch die Früchte und die Beweise ihrer Siege: das Geschirr für ihre Pferde, ihre Schwerter, ja selbst ihre Schuhe waren mit Gold und Edelsteinen geschmückt; und auf ihren Tafeln fanden sich Teller, Becher und Vasen aus Gold und Silber, die griechische Kunstfertigkeit gestaltet hatte. Einzig der König gönnte sich das überlegene Gefühl des Stolzes und hing nach wie vor der Schlichtheit seiner skythischen Vorfahren an. Als die Mongolen auf der Reichsversammlung zu Toncat ihre asiatische Beute zur Schau stellten, war der Thron von Dschingis nach wie vor mit dem ursprünglichen schwarzen Filztuch bedeckt, auf dem er auch gesessen hatte, als er die Herrschaft über seine kriegerischen Landsleute übernommen hatte. Siehe Pétis, Histoire de Genghizcan, Buch 4, c.9. Attilas Kleidung, seine Waffen und die Ausstattung seines Pferdes waren schmucklos und von ein und derselben Farbe. Aufgetragen wurde bei der Tafel aus hölzernen Gefäßen und Tellern; seine einzige Nahrung war Fleisch; und niemals verfiel der Eroberer aus dem Norden soweit dem Luxus, dass er Brot aß.

 

AUFTRETEN ATTILAS GEGENÜBER DEN RÖMERN

Als Attila den römischen Gesandten an den Donauufern Audienz gewährte, war sein Zelt von einer furchteinflößenden Wache umkreist. Der Herrscher selbst saß auf einem Holzstuhl. Seine finstere Miene, seine ausgreifende Gestik und sein ungeduldiger Tonfall brachten Maximinus denn doch einigermaßen aus der Fassung; noch mehr Grund zur Sorge hatte indessen Vigilius, da er sehr deutlich die Drohung verstand, dass Attila, wenn es ihm nicht gefallen wollte, das Völkerrecht zu beachten, den ungetreuen Dolmetscher ans Kreuz nageln und seinen Körper den Geiern zum Fraße vorwerfen würde. Der Barbar ließ sich herbei, durch die Vorlage einer genauen Liste die dreiste Lügenhaftigkeit des Vigilius offen zu legen, welcher behauptet hatte, dass nicht mehr als siebzehn Deserteure aufzutreiben gewesen waren. Aber hochmütig erklärt er, dass er nur den Hader befürchte, der um seine entlaufenen Sklaven entstehen werde; denn die ohnmächtigen Anstrengungen, die sie zur Verteidigung der ihren von Theodosius anvertrauten Provinzen unternähmen, verachte er nur: »Denn welche Festung (fügte Attila hinzu), »welche Stadt im ganzen weiten Römischen Reiche kann noch die Hoffnung hegen, sicher und unbehelligt zu existieren, wenn es uns gefällt, dass sie vom Erdboden gelöscht werden soll?« Indessen, er entließ den Dolmetscher, welcher nach Konstantinopel zurückkehrte mit den entschiedenen Forderungen nach vollständiger Auslieferung und nach einer respektableren Gesandtschaft. Sein Ärger verrauchte allmählich, und die Hochzeit, die er unterwegs mit der Tochter des Eslam beging, trug wohl auch dazu bei, sein angeborenes heftiges Temperament abzukühlen.

Der Einzug Attilas in das königliche Dorf war mit ähnlichem zeremoniellen Aufwand gerahmt. Zahlreiche Weiber nahten herzu, ihren Held und König zu empfangen. Sie zogen vorweg, eingeteilt in langen und regulären Marschkolonnen; die Zwischenräume zwischen diesen Abteilungen wurden durch Bahnen von weißer Leinwand überbrückt, die die Frauen an beiden Enden mit den Händen emporhoben und die so als Baldachin für einen Jungfrauenchor dienten, die Hymnen und Lieder in skythischer Sprache vernehmen ließen. Die Frau seines Favoriten Onegesius begrüßte zusammen mit einer zahlreichen weiblichen Gefolgschaft Attila am Eingang zu ihrem eigenen Haus, als er sich seinem Palast näherte und erwies ihm, der Sitte der Landes entsprechend die Ehre, indem sie ihm Wein und Fleisch aus eigener Küche zu Kosten anbot. Sobald der Monarch Gewährung genickt hatte, hoben seine Bediensteten ein kleines Silbertablett in bequeme Höhe – saß er doch auf einem Pferd – berührte den Pokal mit den Lippen, grüßte neuerlich des Onegesius Weib und zog weiter.

Während seines Aufenthaltes in der Hauptstadt seines Reiches vertat er seine Zeit nicht durch längeres Verweilen in der trägen Abgeschlossenheit des Serails; der König der Hunnen verstand es, Würde und Distanz zu bewahren, ohne sich gleichzeitig vor seinem Volk verstecken zu müssen. Er rief häufig den Kronrat ein und gab ausländischen Botschaften Audienz; und auch sein Volk konnte den obersten Gerichtshof anrufen, den er zu festgelegten Stunden entsprechend den Gebräuchen des Ostens vor dem Haupteingang seines Holzpalastes abhielt.

 

EIN FESTBANKETT

Zweimal wurden die Römer des Ostens und des Westens zu einem Bankett geladen, das Attila zu Ehren der Herrscher und Adligen Skythiens gab. Maximinus und seine Kollegen wurden an der Schwelle aufgehalten und genötigt, ein Trankopfer auf Gesundheit und ferneres Wohlergehen des Hunnenkönigs zu spenden; nach dieser Zeremonie führte man sie zu ihren vorgesehenen Plätzen in der geräumigen Halle. Inmitten der Halle stand, einige Stufen erhöht und mit feinem Leinen bedeckt, der Königstisch; und einem Sohn, einem Onkel oder einem in Gunst stehenden Häuptling wurde es gestattet, Attilas frugale und derbe Kost zu teilen. Zwei Reihen mit kleinen Tischen, an denen je drei oder vier Gäste Platz fanden, standen links und rechts davon in einer Reihe; die rechte galt als die ehrenvollere, aber die Römer bekannten hochsinnig, dass man sie in der linken Reihe habe Platz nehmen lassen; und dass Berich, ein sonst unbekannter Stammeshäuptling vermutlich gotischer Abstammung, die Repräsentanten des Theodosius und Valentinian anführte. Der Barbarenkönig empfing von seinem Mundschenk einen gefüllten Weinpokal und trank höflich auf das Wohlergehen der wichtigsten seiner Gäste, die sich ihrerseits erhoben und auf gleiche Weise die gleichen Wünsche aussprachen. Diese Zeremonie wurde danach auch für die übrigen – oder doch wenigstens die angesehenen – Gäste wiederholt; dies muss ziemlich lange gedauert haben, denn sie wurde dreimal wiederholt, wann immer ein Gang auf den Tisch gestellt wurde.

Wein gab es auch dann noch zu trinken, nachdem das Fleisch abgeräumt war; und die Hunnen widmeten sich noch lange ihrer Maßlosigkeit, als die nüchternen Botschafter der beiden Reiche sich schon längst von dem nächtlichen Bankett fortgeschlichen hatten. Aber bevor sie sich entfernten, hatten sie Gelegenheit, die Trinksitten dieser Nation aus nächster Nähe zu beobachten. Zwei Skythen standen vor Attila und rezitierten Verse aus eigener Produktion, in denen sie seine Macht und seine Siege feierten. Die Halle saß in gespanntem Schweigen; und die Gäste waren gebannt von der vokalen Harmonie, die die Erinnerung an ihre eigenen Eroberungen wachrief und festigte: kriegerischer Glanz blitzte aus den Augen der Krieger, die nach Kämpfen dürsteten; Dürfen wir Plutarch glauben (Demetrios 19), dann beflügelten die Skythen bei Tafelfreuden ihren schlummernden Mut, indem sie den Sehnen ihrer Bögen kriegerische Harmonien entzupften. und die Tränen in den Augen der Alten kündeten von der Trauer, dass es ihnen versagt bleiben müsse, inskünftig an den Gefahren und dem Ruhm der Schlachten teilzuhaben. Auf diese Unterhaltung, die man als Schule der kriegerischen Tugenden ansehen mag, folgte eine Groteske, die ein Hohn auf die Menschenwürde darstellte. Ein afrikanischer und skythischer Possenreißer erregten nacheinander ihre ruppigen Zuhörer zu Heiterkeitsausbrüchen durch ihre verkrüppelte Gestalt, ihre alberne Kleidung und die unverständliche und fremdartige Mischung aus dem Lateinischen, Gotischen und Hunnischen; und die Halle erbebte unter lautem und dröhnendem Gelächter. Inmitten des allgemeinen Aufruhrs bewahrte alleine Attila mit unbewegter Miene die Fassung; welche er auch sonst beobachtete, außer beim Herannahen seines jüngsten Sohnes Irnac: er umarmte den Knaben unter zärtlichem Vaterlächeln, tätschelte ihm sanft die Wange und ließ überhaupt eine besondere Zuneigung erkennen, die auch durch die Versicherung seiner Wahrsager gerechtfertigt wurde, dass nämlich Irnac dereinst die Stütze des Reiches und seiner Familie sein werde.

Zwei Tage später erhielten die Botschafter Roms eine zweite Einladung; und so hatten sie Grund, die Höflichkeit Attilas ebenso zu preisen wie seine Gastfreundschaft. Der König der Hunnen unterhielt sich lange und vertraulich mit Maximinus; aber diese seine feine Lebensart wurde immer mal wieder durch ordinäre Ausdrücke und hochmütige Vorwürfe getrübt; und er fühlte sich veranlasst, aus reinem Eigennutz die privaten Ambitionen seines Sekretärs Constantius zu befördern. »Der Kaiser«, so Attila, »hat ihm schon lange ein Weib versprochen; Constantius darf nicht enttäuscht werden; noch auch darf man den römischen Kaiser zu Recht einen Lügner schelten.« Am dritten Tage ward der Botschafter entlassen; auf nachdrückliche Bitten wurde mehreren Gefangenen gegen ein geringes Lösegeld die Freiheit zugesichert; und neben königlichen Geschenken erhielten sie von den skythischen Adligen auch noch die nützlichere Gabe in Gestalt eines Pferdes. Maximinus ritt auf dem gleichen Wege nach Konstantinopel zurück; und wenn er auch gelegentlich mit Berich, Attilas neuem Botschafter, in Streit geriet, so konnte er sich doch schmeicheln, den Frieden und die Freundschaft zwischen den beiden Nationen mit seiner mühsamen Reise gefestigt zu haben. Die anschauliche Schilderung dieser Gesandtschaftsreise, die nur einige Beobachtungen erforderte und keinem anderen Zeugnis gegenüber gestellt werden kann, findet sich bei Priscus (p. 49-70). Ich habe mich indessen nicht an seine Reihenfolge gehalten; und ich habe vornehmlich die historischen Begleitumstände ausgezogen, die mit der eigentlichen Reise und der Aufgabe der römischen Botschafter weniger zu tun hatten..

 

VERSCHWÖRUNG DER RÖMER GEGEN DAS LEBEN ATTILAS

Aber der römische Botschafter wusste nichts von den verräterischen Entwürfen, welche man unter der Maske öffentlich bekundeter Treue verborgen gehalten hatte. Beim Anblick von Konstantinopels Pracht war Edecon ins Staunen geraten, was den Dolmetscher Vigilius ermutigt hatte, ihm eine geheime Unterredung mit dem Eunuchen Chrysaphius Herr Tillemont hat mit großer Berechtigung die Reihe der Kammerherren genannt, die im Namen des Theodosius die eigentliche Regierungsgewalt ausübten. Chrysaphius war der letzte und, so das einhellige Urteil der Geschichte, der übelste dieser Kreaturen (Histoire des empereurs, Band 6, p. 117-119 und Mémoires ecclésiastiques, Band 15, p. 438). Seine Parteiname für seinen Paten, den Erzketzer Eutyches, war Ursache seines Vorgehens gegen die Orthodoxen. zu ermöglichen, welcher den Kaiser und damit das Reich in seiner Hand hatte. Nach einem einleitenden Geplauder und einem gegenseitigen Schweigegelübde kam der Eunuch, der sich aus eigener Neigung oder Wissenschaft keinen Begriff von den Tugenden eines Ministers gebildet hatte, auf die Ermordung von Attila zu sprechen als einem wichtigen Dienst, durch den sich Edecon einen beträchtlichen Anteil an Reichtum und Luxus sichern würde, die er so sehr bewunderte. Der Botschafter der Hunnen lauschte auf das verführerische Angebot und bekannte mit sichtlichem Eifer seine Bereitschaft, diese Bluttat auszuführen; der magister officiorum wurde eingeweiht, und der fromme Theodosius gab seine Einwilligung in die Ermordung seines unbesiegbaren Gegners. Aber dieses finstere Komplott ward ruchbar, weil Edecon Verstellung geübt oder ihn die Reue gepackt hatte; und wenn er auch die ihm innewohnende Abscheu vor Verrat übertrieben haben mag, so kommt ihm doch das Verdienst zu, rechtzeitig und freiwillig alles gestanden zu haben.

Und wenn wir jetzt noch einmal die Botschafterreise des Maximinus und das Verhalten des Attila im Rückblick betrachten, dann müssen wir uns vor dem Barbaren verneigen, welcher die Gesetze der Gastfreundschaft heiligte und einen Minister großherzig aufnahm und bewirtete, dessen Herr ihm nach dem Leben getrachtet hatte. Aber noch mehr ist uns der Mut des Vigilius auffällig, da er im vollen Bewusstsein seiner Schuld und der über ihm schwebenden Gefahr in das Lager Attilas zurückkehrte; in Begleitung seines Sohnes und mit einer gewichtigen Goldbörse ausgerüstet, die ihm der Eunuch ausgehändigt hatte, um Edecons Wünsche zu befriedigen und zugleich die Treue der Wachen umzustimmen. Der Dolmetscher wurde unverzüglich festgesetzt und vor Attilas Thron geschleppt, wo er solange standhaft seine Unschuld beteuerte, bis die Androhung der sofortigen Tötung seines Sohnes ihm die getreuliche Aufdeckung des kriminellen Vorhabens abnötigte. Der habgierige König der Hunnen erhielt unter der Bezeichnung Lösegeld oder Konfiskation zweihundert Pfund Gold für das Leben eines Verräters, den er so sehr verachtete, dass er ihn nicht einmal bestrafen mochte.

Attila bekundete seine gerechte Empörung gegenüber einem würdigeren Gegner. Seine Boten Eslaw und Orestes wurden mit weitreichenden Instruktionen nach Konstantinopel abgefertigt, und den Anweisungen nicht zu folgen wäre für sie weitaus heikler geworden als ihnen zu willfahren. Beherzt suchten sie die kaiserliche Nähe, Orestes mit der ominösen Goldbörse um den Hals; welcher denn auch den zunächst dem Throne stehenden Eunuchen Chrysaphius befragte, ob er denn nicht diesen Beweis seiner Schuld wiedererkenne. Aber das eigentliche Amt, dem Kaiser die tadelnde Vorhaltung auszusprechen, blieb der höheren Würde des Eslaw aufgespart, welcher sich denn auch mit den folgenden würdigen Worten an den Herrscher des Ostens wandte:

»Theodosius ist der Sohn ehrbarer und berühmter Eltern; insgleichen ist Attila von adliger Abstammung; und er für seine Person ist mit Worten und Taten der Würde gerecht geworden, die von seinem Vater Mundzuk auf ihn gekommen ist. Theodosius indessen hat die Ehre seiner Väter verwirkt, und durch seine Zustimmung zu der Tributzahlung die Stellung eines Sklaven bezogen. Es wäre ihm daher angemessener, dass er dem Manne Ehre erweist, den Glück und Verdienst über ihn gesetzt haben, anstelle wie ein verworfener Sklave seinem Herren heimlich nach dem Leben zu trachten.«

Der Sohn des Arcadius, der nur die Stimme der Schmeichelei zu hören gewohnt war, lauschte mit Erstaunen auf den harten Klang der Wahrheit; er errötete und erbebte; auch wagte er nicht, sich vor Chrysaphius zu stellen, dessen Kopf Eslaw und Orestes weisungsgemäß verlangten; eine respektgebietende Gesandtschaft, bewaffnet und mit Geschenken schwer beladen, wurde in Eile abgefertigt, den Zorn Attilas zu stillen; zusätzlich schmeichelte es seiner Eitelkeit, dass Nomius und Anatolius zu Gesandten bestimmt wurden, zwei Ministern von konsularischem Rang, von denen der eine der Meister des Schatzes und der zweite der Heermeister des Ostens war. Er ließ sich herbei, die beiden Botschafter am Ufer der Drenco zu empfangen; und wenn er zu Beginn auch eine strenge und abweisende Miene zur Schau trug, verursachten allgemach Beredsamkeit und Freigebigkeit eine mildere Stimmung. Er war bereit, dem Kaiser, dem Eunuchen und dem Dolmetscher zu vergeben; verpflichtete sich seinerseits mit heiligen Eiden, die Bedingungen des Friedens einzuhalten, viele Gefangene zu entlassen, Flüchtlinge und Deserteure zu begnadigen und ein großes Stück Land südlich der Donau wieder abzutreten, welches allerdings verödet dalag. Dieser Frieden wurde zu einem Preise erkauft, der fast einen Feldzug gerechtfertigt hätte; und die Untertanen des Theodosius sahen sich gezwungen, das Leben eines nichtswürdigen Favoriten mit Sondersteuern zu erkaufen, die sie viel lieber bezahlt hätten, wenn sie dafür seine Hinrichtung hätten erleben dürfen. Den Bericht von der Verschwörung und ihren bedeutenden Folgen kann man den Fragmenten des Priscus, (p. 37ff., 54, 70ff.) entnehmen. Die Chronologie dieses Geschichtsschreibers bietet kein einziges gesichertes Datum; aber die vielen Verhandlungen zwischen Attila und dem Ostreich müssen sich irgendwann in den drei oder vier Jahren vor dem Tode des Theodosius A.D. 450 ereignet haben.

 

THEODOSIUS DER JÜNGERE STIRBT 28. JULI 450

Kaiser Theodosius überlebte diese tiefste Schande seines ruhmlosen Lebens nicht lange. Bei einem Ausritt oder einer Jagd in der Nähe von Konstantinopel stürzte er vom Pferd und fiel in den Fluss Lycus; infolge des Sturzes brach er sich einen Rückenwirbel; und wenige Tage später verschied er in seine fünfzigsten Lebens- und seinem dreiundvierzigsten Regierungsjahr. Theodoros der Leser (s. Valesius, Historiae ecclesiasticae, Band 3, p. 563) und die Chronikon paschale erwähnen den Unfall, ohne jedoch die Verletzung genauer zu bezeichnen; aber ihre Folge lag so sehr in der Natur der Sache und konnte so wenig erfunden werden, dass wir getrost auf Nicephorus Callistus vertrauen können, einem Griechen des XIV Jh. Seine Schwester Pulcheria, deren Autorität in staatlichen und kirchlichen Angelegenheiten stets unter dem verderblichen Einfluss der Eunuchen gestanden hatte, wurde einhellig zur Kaiserin des Ostens erhoben; und so beugten sich die Römer zum ersten Male einem weiblichen Regiment. Kaum hatte Pulcheria den Thron bestiegen, da gönnte sie ihren und des Volkes Hassgefühlen einen Akt der Volksjustiz. Ohne Prozess wurde der Eunuch vor den Toren der Stadt hingerichtet; und die unermesslichen Reichtümer, die der habgierige Günstling zusammengerafft hatte, dienten dazu, seine Hinrichtung zu beschleunigen und zu rechtfertigen. »Pulcheriae nutu (so der Comes Marcellinus) sua cum avaritia interemptus est.« [Das Schwanken der Pulcheria und seine Habgier haben ihn umgebracht]. Sie überließ den Eunuchen der frommen Rache eines Sohnes, dessen Vater auf sein Betreiben umgebracht worden war.

 

MARCIANOS WIRD NACHFOLGER · 25. AUGUST 450

Inmitten des allgemeinen Beifalles von Kirche und Volk vergaß die Kaiserin nicht die Vorurteile und Abneigung, die ihr als Frau entgegengebracht wurden; und also kam sie dem Murren zuvor durch die Wahl eines Kollegen, der den höheren Rang und die jungfräuliche Keuschheit seines Weibes immer respektieren würde: Sie gab Markianos ihre Hand, einem Sechzigjährigen Senator, und der Ehemann der Pulcheria ward feierlich mit dem kaiserlichen Purpur investiert. Der Eifer, mit dem er sich für den wahren Glauben einsetzte, wie er auf dem Konzil in Calchedon festgeschrieben worden war, hätte ihm bereits das Lob der Katholiken gesichert. Aber das Verhalten des Markianos in seinem privaten Leben und danach auf dem Thron mochte wohl der begründeten Meinung Vorschub leisten, dass er durchaus qualifiziert war, dem Reich neues Leben einzuhauchen, nachdem es zuvor durch die Unfähigkeit zweier aufeinander folgender Erbkaiser fast untergegangen war. Er stammte aus Thrakien und war zum Berufssoldaten ausgebildet; aber Marcianos hatte in seiner Jugend ernstlich unter Armut und Unglück erdulden müssen, denn sein einziges Kapital bei seiner ersten Ankunft in Konstantinopel waren zweihundert Goldstücke, geborgt von einem Freunde. Er durchlief neunzehn Jahre Militärdienst unter Aspar und seinem Sohn Ardaburius; er diente unter diesen großen Generälen in Persien und Afrika; und sie verhalfen ihm zu dem ehrenvollen Amt eines Miltärtribuns und Senators. Seine Anlage zur Friedfertigkeit und seine übrigen Talente empfahlen Marcian der Gunst seiner Patrone, ohne ihren Neid aufzurufen; er hatte die Bedrückungen einer käuflichen und brutalen Verwaltung gesehen und wohl auch am eigene Leibe erfahren; und er selbst verlieh durch sein Vorbild den Gesetzen Nachdruck, die er zur Besserung der Sitten erlassen hatte. Prokopios, de Bello Vandalico 1,4; Euagrios, 2,1; Theophanes, p. 90f; Novellae, im Anhang zum Codex Theodosianus, Band 6, p. 30. Das Lob, das der hl. Leo und die Katholiken dem Markianos erteilt haben, werden von Baronius zur Aufmunterung künftiger Fürsten getreulich abgechrieben.


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