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XXIX

ENDGÜLTIGE TEILUNG DES RÖMISCHEN REICHES UNTER DIE SÖHNE DES THEODOSIUS · ARCADIUS UND HONORIUS · RUFINUS UND STILICHO VERWALTEN DAS REICH · REVOLTE UND TOD · GILDOS IN AFRIKA · VERDAMMUNG DURCH DEN SENAT

 

TEILUNG DES REICHES UNTER ARCADIUS UND HONORIUS · 17. JANUAR 395

Der Genius Roms starb mit Theodosius, dem letzte Nachfolger des Augustus und Constantins, der sich noch im Felde an der Spitze seiner Armee blicken ließ und dessen Autorität im gesamten Reich anerkannt war. Selbst noch die Erinnerung an seine Größe war für die schwächliche und arglose Jugend seiner beiden Söhne ein hinreichender Schutz. Nach dem Tode des Vaters begrüßte sie die gesamte Menschheit einhellig als die rechtmäßigen Herrscher des Ostens und Westens; und alle Stände des Reichs waren beflissen, den Treueeid zu leisten: die Senatsversammlungen der alten und der neuen Hauptstadt, der Klerus, das Militär, das Volk.

Arcadius, damals achtzehn Jahre alt, war in Spanien in bedeutungsloser privater Stellung geboren. Allerdings empfing er im Palast des Constantin eine rechte Prinzenerziehung; und so verbrachte er sein ruhmloses Leben in exponiert-königlicher Lage, um von dort als der Herrscher Thrakiens, Kleinasiens, Syriens und Ägyptens, von der unteren Donau bis zu den Grenzen Persiens und Äthiopiens aufzutreten. Sein jüngerer Bruder, Honorius, erhielt in seinem elften Lebensjahr nominell die Herrschaft über Italien, Afrika, Gallien, Spanien und Britannien; und die Grenztruppen seines Königreiches standen einerseits den Kaledoniern und andererseits den Mauren gegenüber. Die große und unruhige Präfektur Illyrien wurde zwischen beiden Herrschern aufgeteilt; Verteidigung und Verwaltung von Noricum, Pannonien und Dalmatien oblag dem Westreich; die beiden großen Diözesen Dacien und Makedonien aber, die Gratian einst Theodosius anvertraut hatte, blieben für immer mit dem Ostreich vereint. Die Grenze Europas verlief etwa auf der Linie, die heute die Deutschen von den Türken trennt; und die jeweiligen Vorzüge von Territorium, Wohlstand, Bevölkerungszahl und militärischer Stärke waren in dieser letzten und endgültigen Teilung des Römischen Imperiums sehr fein austariert.

Die ererbte Herrschaft der Söhne des Theodosius schienen ein Geschenk der Natur und ihres Vaters zu sein; Generäle und Minister hatten sich daran gewöhnt, sich vor der Majestät der königlichen Knaben zu verneigen; und kein gefährliches Vorbild einer zurückliegenden Wahl erinnerte Volk oder Militär an ihre Macht und ihre Rechte. Die allmähliche Entdeckung der Unfähigkeit und Schwäche von Arcadius und Honorius sowie die wiederholten Unglücksfälle ihrer Regierung reichten nicht hin, die tiefsitzende und früherworbene Loyalität ganz auszulöschen. Roms Untertanen, die immer noch die Herrscherpersönlichkeiten -besser wohl: ihre Namen- verehrten, verabscheuten mit vergleichbarer Inbrunst die Rebellen, die sich gegen die Autorität des Thrones stellten und die Minister, die sie missbrauchten.

 

RUFINUS · SEINE VERWALTUNG · A.D. 386-395

Theodosius hatte seiner glänzenden Herrschaft durch die Erhebung des Rufinus einen Schandfleck hinzugefügt: eines widerwärtigen Günstlings, der in jenen Zeiten der bürgerlichen und religiösen Faktionsbildung zu Recht von allen Parteien jedes Verbrechens für fähig gehalten wurde. Habsucht Alekto, neidisch auf des Staates Wohlfahrt, beruft eine ganze Höllensynode ein. Megaera empfiehlt ihren Schüler Rufinus und stachelt ihn zu allerlei Ruchlosigkeiten an. Aber es gibt ebensoviele Unterschiede zwischen Claudians Invektiven und denen des Vergil, wie zwischen den Charakteren des Turnus und Rufinus. und Ehrgeiz waren bei Rufinus besonders stark ausgebildet und hatten ihn einst bestimmt, seine Heimat - eine entlegene Ecke Galliens - Auch wenn de Marca sich seines Landsmannes schämt: es steht fest (Tillemont, Histoire des empereurs, Band 5, p.770), dass Rufinus in Elusa geboren wurde, der Hauptstadt von Novempopulania, heute einem kleinen Dorf (Eause) in der Gascogne (d'Anville, Novice de l'ancienne Gaule, p.289). zu verlassen und sein Glück in der Hauptstadt des Ostens zu suchen; er brachte günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche und einträgliche Anwaltskarriere mit, da er vorlaut und schlagfertig war; Philostorgios, mit Gothofreds Anmerkungen p. 440. und sein Erfolg in diesem Gewerbe war die Eintrittskarte zu den ehrbarsten und wichtigsten Staatsämtern. Er stieg die Karriereleiter bis zum magister officium (Minister bei Hofe) empor. Durch seine Amtsführung in den unterschiedlichen Stellungen, die so unmittelbar mit dem ganzen zivilen Verwaltungssystem verbunden waren, erwarb er sich das Vertrauen des Monarchen, der schon bald seine umsichtige und kompetente Art entdeckte und dem zugleich sein Hochmut, seine Bösartigkeit und seine Habsucht verborgen bleiben.

Diese Laster verbarg er hinter der Larve täuschend geübterer Verstellung; Eine Stelle in der Suda drückt seine tiefe Heuchelei aus: [Ü.a.d.Griech.: ein vergrübelter Mensch, der seine Gedanken verbirgt] seine Leidenschaften dienten nur den Leidenschaften ihres Herren; ja, bei dem Massaker von Thessaloniki entfachte Rufinus den Zorn des Theododius, ohne indessen seiner Reue nachzueifern. Der Minister, der mit kaltem Gleichmut auf den Rest der Menschheit herniederblickte, vergaß ein Unrecht niemals; und seine persönlichen Feinde hatten nach seiner Auffassung alle um den Staat erworbenen Meriten verwirkt. Promotus, der Heermeister der Infanterie, hatte das Imperium von der Invasion der Ostgoten gerettet; aber er ertrug nur widerwillig den Vorzug eines Rivalen, dessen Charakter und Beruf er verachtete; und mitten in einer öffentlichen Beratung wurde der unbedachte Soldat dazu provoziert, mit einem Schlag den vorlauten Hochmut des Günstlings zu züchtigen. Dieser Gewaltakt wurde dem Herrscher dargestellt als eine Kränkung, die zu ahnden seiner Würde oblag. Die Ungnade und das Exil, die Rufinus zuteil wurden, dokumentierten sich in der unwiderruflichen Anordnung, sich ohne Verzug zu einem Militärposten an die Donau zu begeben; und der Tod des Generals (obwohl er bei einem Scharmützel mit den Barbaren sein Leben verlor) wurde allgemein Rufinus Arglist zugerechnet. Zosimos 4,51.

Der gewaltsame Tod eines Helden kühlte seine Rachegelüste; die ehrenhafte Konsulstellung kitzelte seine Eitelkeit; aber seine Macht war immer noch unvollständig und stand auf schwankem Boden, solange Tatianus Zosimus, der den Sturz des Tatian und seines Sohnes beschreibt (4,52), versichert uns ihrer Unschuld; und selbst sein Zeugnis hat mehr Gewicht als das seiner Feinde (Codex Theodosianus, Band 4, p. 489), die ihn der Beraubung der Curiae beschuldigen. Die Beziehungen, die Tatian während seiner Präfektur in Ägypten mit den Arianern unterhielt, (A.D 373), bewirken, dass Tillemont ihn jeden Verbrechens für schuldig hält. Histoire des empereurs, Band 5, p.360; Mémoires ecclesiastiques Band 6, p.589. und dessen Sohn Proculus den einflussreichen Posten des Präfekten des Ostens und Konstantinopels innehatten; deren vereinigte Macht hielt für eine Zeitlang dem Ehrgeiz des magister officium die Waage. Die beiden Präfekten wurden der Unterschlagung und Bestechlichkeit angeklagt. Für den Prozess gegen diese hochstehenden Delinquenten richtete der Kaiser eine besondere Kommission ein; mehrere Juristen wurden benannt, damit sie sich in die Schuld und den Vorwurf des Rechtsbruchs teilen könnten; aber das Recht der Urteilsverkündung behielt der Vorsitzende der Kommission für sich, und dieser Vorsitzende war Rufinus persönlich. Der Vater wurde seiner Ämter entkleidet und in ein Verließ geworfen; der Sohn aber, der sich bewusst war, dass niemand unschuldig ist, wenn ein Feind sein Richter ist, hatte sich bereits heimlich entfernt; und Rufinus hätte sich mit dem allerunschuldigsten Opfer zufrieden geben müssen, wenn er sich nicht zu der niederträchtigsten und gemeinsten Handlung verstanden hätte. Die Verhandlung wurde scheinbar korrekt und rechtsstaatlich geführt, und in Tatianus keimte die Hoffnung auf ein glückliches Ende; dieses Vertrauen wurde noch zusätzlich bestärkt durch wiederholte Versicherungen und heilige Versprechen des Vorsitzenden, der sogar den geheiligten Namen des Theodosius ins Spiel zu bringen sich nicht entblödete; und schließlich ließ sich der unglückliche Vater überreden, den flüchtigen Proculus in einem persönlichen Brief zurück zu rufen. Er wurde in einer der Vorstädte von Konstantinopel unverzüglich verhaftet, verhört, verurteilt, enthauptet, und dies so hastig, dass man der ihm zugedachten Begnadigung durch den Kaiser zuvorkam. Ohne Ansehen seiner Person zwangen Tatianus' mörderische Richter ihn, dem Justizmord an seinem Sohn beizuwohnen; der Strick um seinen Hals zog sich immer mehr zusammen; aber in dem Moment, als er die Erleichterung durch einen raschen Tod erwartete, ja sogar herbeisehnte, erlaubte man ihm, die ihm verbleibenden Jahre in einem elenden Exil zu verbringen. »– Juvenum rorantia colla Ante patrum vultus stricta cecidere securi. Ibat grandaevus nato moriente superstes Post trabeas exsul.« [...auf den tau-jungen Nacken der jungen Männer fiel das Beil, vor den Augn der Väter; fort ging von dem Sterbenden der Überlebende, Betagte, einst im Staatskleid, in die Verbannung]. Claudian, In Rufinum 1, 246-249. Die von Zosimos beigebrachten Falkten lassen uns Claudians Text verstehen, aber seinen klassischen Interpreten war das IV. Jahrhundert unbekannt. Den ›tödlichen Strick‹ habe ich mit Tillemonts Hilfe in einer Predigt des hl. Asterios von Amaseia gefunden.

Eine Bestrafung der beiden Präfekten ließe sich allenfalls entschuldigen durch ihre in der Tat anfechtbare Amtsführung; und auch der Hass des Rufinus lässt sich erklären, wenn man die menschenfeindliche Natur des Ehrgeizes bedenkt. Aber er widmete sich völlig hirnlosen und fanatischen Rachegelüsten, indem er sogar noch ihr Heimatland Lycia den Rang einer römischen Provinz aberkannte; völlig unbeteiligte Menschen mit einem Schandmal brandmarkte; und erklären ließ, dass die Landsleute des Tatianus und Proculus für alle Zeiten von sämtlichen kaiserlichen Ämtern ausgeschlossen bleiben sollten. Dieses niederträchtige Gesetz wird von Arcadius (A.D. 369) im Codex Theodosianus (9, 38,9) angeführt und zurückgenommen. Der Sinn, so wie ihn Claudian (In Rufinum 1,232) und Gothofred (Band 3, p. 279) erklären, ist ja vollkommen klar: »Exscindere cives/Funditus, et nomen gentis delere laborat.« [...er arbeitet daran, die Bürgerschaft zu vertilgen und den Namen des Volkes zu löschen]. Die Zweifel von Pagi und Tillemont können nur durch ihre Sorge um Theodosius' Nachruhm verursacht sein.

Der neue Präfekt des Ostens (denn Rufinus folgte seinen Feinden unmittelbar auf ihre erledigten Ehrenstellen) ließ sich indessen im Verfolg auch seiner kriminellsten Vorhaben nicht von der Ausübung religiöser Pflichten abhalten, die zu jener Zeit als unabdingbar für die Erlangung des Heils angesehen wurden. In einer Vorstadt von Chalcedon, genannt die Eichen, hatte er sich eine prachtvolle Villa errichten lassen; hier ließ er in aller Demut eine Kirche erbauen, die den Aposteln St. Peter und St. Paul geweiht war und durch die Gebete und Litaneien einer regelrechten Gemeinschaft von Mönchen immer wieder erneut geheiligt wurde. Eine zahlreich besetzte, fast schon allgemeine Bischofssynode des Ostens war zusammen gekommen, die Weihe der Kirche und die Taufe ihres Stifters festlich zu begehen. Diese doppelte Zeremonie wurde mit vielem Pomp begangen; und als Rufinus durch das heilige Quellwasser von allen bisherigen Sünden gereinigt war, bot sich schon bald ein ehrbarer ägyptischer Einsiedel als Pate für den stolzen und ehrgeizigen Staatsmann an. »Ammonius . . . Rufinum propriis manibus suscepit sacro fonte mundatum.« [Als er im heiligen Bade gereinigt war, nahm ihn Ammonius mit eigenen Händen auf]. Siehe Rosweyde, Vitae Patrum, p. 947. Sozomenos (8,17) erwähnt Kirche und Kloster, und Tillemont (Mémoires ecclesiastiques, Band 9, p. 539) berichtet von dieser Synode, auf der Gregor von Nyssa eine herausragende Rolle spielte..

 

RUFINUS UNTERDRÜCKT DEN OSTEN · A.D. 395

Die Gemütsart des Theodosius nötigte Rufinus zu beständigem Frömmeln, was den Missbrauch seiner Macht zuweilen verbarg und bisweilen sogar erschwerte; und Rufinus hütete sich, den süßen Schlummer seines Herrschers aufzustören, war dieser doch durchaus noch imstande, sich der Tugenden zu erinnern, die ihn einst zum Thron verholfen hatten Montesquieu (Esprit des Lois 12,12) rühmt eines der Gesetze des Theodosius, das speziell für Rufinus gedacht war (Codex Theodosianus 9,4, leg unic) und von der Verfolgung verräterischer oder gotteslästerlicher Äußerungen abriet. Der Erlass eines Tyrannen verrät immer den Tyrannen; aber ein löbliches Edikt enthält immer nur die verlogenen Bekenntnisse oder leeren Absichtserklärungen eines Herrschers. Dies ist, so fürchte ich, die zutreffende, wenngleich betrübliche Grundlage aller historischen Kritik. und von ihnen auch Gebrauch zu machen. Aber die Abwesenheit und wenig später der Tod des Theodosius befestigte das absolute Übergewicht des Rufinus über Arcadius und seinen Herrschaftsbereich: ein schwacher Jüngling, den die dominierende Persönlichkeit des Präfekten eher als seinen Mündel denn als Herrscher absah. Unbeeindruckt von der öffentlichen Meinung, ohne Widerstand zu erfahren oder Reue zu empfinden, frönte er seinen Leidenschaften; und seine Bösartigkeit und seine Raffgier wies alle Empfindungen von sich, die etwas zu seinem Ruhm oder der Wohlfahrt des Volkes beigetragen hätte. Seine Habgier, die in seinem kranken Hirn offenbar alle anderen Gedanken zurückdrängte, »fluctibus auri/Expleri calor ille nequit/Congestae cumulantur opes; orbisque rapinas/Accipit una domus.« [Durch Ströme von Gold/kann er nicht jene Glut beruhigen.../Erraffte Schätze türmen sich; der Ruin der Welt/ ist in einem Haus erfasst]. Diese Charakterzeichnung (Claudian, In Rufinum 1,186 und 193f) wird von Hieronymus bestätigt, einem neutralen Zeugen (dedecus insatiabilis avaritiae - [entehrt durch ungemessene Habsucht]), Epistulae ad Heliodorum, Opera, Band 1, p. 26, von Zosimos (5,1) und in der Suda, welche die Geschichte des Eunapios mitteilt. riss die Reichtümer des Ostens mit einer Fülle von speziellen und allgemeinen Plünderungserlassen an sich: extreme Steuern, skandalöse Nötigung, maßlos Gebühren, illegale Beschlagnahmungen, erpresste oder gefälschte Testamente, mit denen der Tyrann die Kinder von Feinden oder Fremden ihres rechtmäßigen Erbes beraubte, und schließlich der öffentliche Verkauf von Gerichtsurteilen oder Vergünstigungen, die er im Palast von Konstantinopel zur Regel machte.

So bewarb sich ein ehrgeiziger Kandidat auf Kosten des besten Teils seiner Erbschaft um eine provinzielle Regierungsstelle; Leben und Vermögen der unglücklichen Bewohner gingen an den Meistbietenden; und bisweilen wurde der öffentliche Unmut durch die Hinrichtung eines verhassten Kriminellen beschwichtigt, dessen Bestrafung allerdings nur für den Präfekten des Ostens, seine Komplizen und die Richter profitabel waren.

Wäre Habsucht nicht die blindeste von allen menschlichen Leidenschaften, dann könnten die Beweggründe des Rufinus sogar unser Interesse erregen; und wir könnten uns zu der Untersuchung der Frage verstehen, warum er alle Prinzipien der Humanität und der Gerechtigkeit mit Füßen trat, um unfassbare Reichtümer anzuhäufen, die er ohne unglaubliche Torheit nicht ausgeben und ohne Gefahr nicht behalten konnte. Vielleicht stellte er sich vor, er tat dies im Interesse seiner einzigen Tochter, die er mit seinem königlichen Mündel zusammenbringen wollte und der er den Titel einer Kaiserin des Ostens zugedacht haben mag. Vielleicht lebte er auch in dem Irrtum, seine Habsucht sei seinen ehrgeizigen Zielen dienlich. Er hatte die Absicht, sein Glück auf ein festeres Fundament zu stellen, das vor dem Zugriff des unberechenbaren Herrschers sicher war; aber er unterließ es, die Herzen der Soldaten und des Volkes zu gewinnen, indem er von dem Reichtum, den er mit soviel Mühe und Unrecht zusammengestohlen hatte, etwas abgab. Der krankhafte Geiz des Rufinus bekräftigte den Vorwurf, dass er alles unrechtmäßig erworben habe; sein Anhang diente ihm ohne jede Ergebenheit; der allgemeine Hass der Menschheit wurde nur noch von ihrer servilen Furcht übertroffen.

Schließlich brachte das Schicksal des Lucian im Osten die Meinung auf, dass des Präfekten Tatendrang sich bei der Erledigung von Routine verbraucht habe und nur noch beim Aushecken von Racheplänen tätig und unermüdet sei. Lucian, der Sohn des Präfekten Florentius, der Gallien unterdrückt hatte und der Feind Julians gewesen war, hatte einen beträchtlichen Teil seines Erbes, einer Frucht von Raub und Bestechung, dazu verwendet, die Freundschaft des Rufinus und das hohe Amt eines comes des Ostens zu erkaufen. Törichterweise aber wich der neue Magistrat von den bewährten Maximen des Hofes und seiner Zeit ab und kränkte seinen Gönner, indem er eine umsichtige und maßvolle Verwaltung ausübte; und sich sogar erkühnte, einen Unrechtsakt nicht zu vollziehen, von dem der Onkel des Kaisers hätte profitieren sollen. Arcadius war schnell gewonnen, sich dieses Unrechtes anzunehmen; und der Präfekt des Ostens beschloss, höchstpersönlich die Rache zu üben, die er für seinen undankbaren Zögling ausbrütete. Er ritt in zornigen Eilmärschen die sieben- oder achthundert Meilen von Konstantinopel nach Antiochia, gelangte in tiefer Nacht in die syrische Hauptstadt und löste unter der Bevölkerung allgemeine Bestürzung aus, da sie zwar nicht seine Pläne, wohl aber seine Wesensart kannten.

Der comes der fünfzehn Provinzen des Ostreiches wurde wie der gemeinste Verbrecher vor das sogenannte Gericht des Rufinus gezerrt. Trotz seiner offenkundigen Unschuld, die selbst die Stimme eines Anklägers nicht zu bestreiten wagte, wurde Lucian praktisch ohne Gerichtsverfahren zu einer grausamen und schandbaren Todesstrafe verurteilt. Die Diener des Tyrannen schlugen ihm auf Geheiß und im Beisein ihres Herren mit Lederpeitschen in den Nacken, an deren Enden Bleikugeln befestigt waren; und als er unter den grässlichen Schmerzen das Bewusstsein verlor, legte man ihn in eine Sänfte, um den Anblick seines Todeskampfes den Augen der empörten Bevölkerung zu entziehen. Kaum hatte Rufinus diesen Justizmord begangen, der ja der einzige Zweck seiner Reise gewesen war, als er auch schon unter den stummen und ohnmächtigen Verfluchungen des Volkes von Antiochia nach Konstantinopel zurückkehrte; und seine Eile wurde noch befeuert durch die Hoffnung, die Hochzeit seiner Tochter mit dem Kaiser des Ostens zu vollenden. »...caetera segnis; Ad facinus velox; penitus regione remotas Impiger ire vias.« [...ansonsten träge, nur bei Verbrechen hurtig, eilt die entlegensten Wege unermüdlich dahin]. Auch diese Anspielung bei Claudian (In Rufinum 1, 239-241) wird durch Zosimos ausführlichen Bericht (5,2) erklärt.

 

DIE HOCHZEIT WIRD EIN FEHLSCHLAG · 27. APRIL 395

Aber Rufinus machte schon bald die Erfahrung, dass ein umsichtiger Diener seines Herren seinen königlichen Gefangenen immer am kurzen Gängelband der Gewohnheit führen sollte; und dass Erinnerungen an die Verdienste und noch viel leichter an die Begünstigungen des Abwesenden sich rasch aus der Seele eines schwachen und launischen Herrschers verflüchtigen können. Während also der Präfekt seine Rachegelüste in Antiochia kühlte, unterhöhlte eine heimliche Verschwörung der kaiserlichen Lieblingseunuchen unter der Führung des großen Eutropius seine Stellung. Sie entdeckten, das Arcadius der Tochter des Rufinus mit Herzenskühle begegnete, die man doch, ohne ihn auch nur zu fragen, zu seiner Braut bestimmt hatte; und sie taten das Ihre, dass an ihre Stelle die holdselige Eudoxia trat, die Tochter des Bauto, Zosimos (4,33) rühmt den Mut, die Klugheit und die Integrität des Franken Bauto. Siehe dazu auch Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 5,p,771. eines fränkischen Generals in römischen Diensten; und welche nach dem Tode ihres Vaters in der Familie des Sohnes von Promotus auferzogen wurde. Der jugendliche Herrscher, dessen Keuschheit unter der strengen Aufsicht seines Tutors Arsenios Arsenius entfloh dem Palast von Konstantinopel und verbrachte 55 Jahre mit strengen Bußübungen in Ägyptens Klöstern. Siehe Tillemont, Mémoires ecclésiastiques Band 14, p. 676-702 und Fleury, Histoire ecclésiastique, Band 5, p.1ff; nur hat der letztere aus Mangel an Originalquellen den Legenden des Metaphrastes zu viel Vertrauen geschenkt. streng bewacht worden war, hörte mit viel Begehrlichkeit auf die raffinierten und schmeichelhaften Schilderungen von Eudoxias Schönheit; mit wachsender Sehnsucht betrachtete er ihr Abbild und begriff die Notwendigkeit, seine Liebespläne vor dem Minister geheim zu halten, welcher die Krönung seines Glückes zu hintertreiben Anlass genug ghabt hätte.

Schon bald nach der Rückkehr des Rufinus wurde das bevorstehende königliche Hochzeitsfest dem Volk von Konstantinopel angekündigt, das mit falschem und bemühtem Jubel das Glück seiner Tochter zu feiern sich anschickte. Ein glanzvoller Zug von Eunuchen brach in hochzeitlichem Pomp von den Palasttoren auf; über sich trugen sie das Diadem, die Prachtgewänder und die unschätzbaren Schmuckstücke der künftigen Kaiserin. Die festliche Prozession zog durch die Straßen, die mit Girlanden geschmückt und mit Zuschauern überfüllt waren; als sie jedoch an dem Hause der Söhne des Promotus vorbeizog, betrat der Obereunuch das Gebäude mit allem Respekt, legte Eudoxia der Schönen die kaiserlichen Gewänder an und führte sie im Triumph Arcadius' Palast und Beilager zu. Diese Episode (Zosimos 5,3) beweist, dass die Hochzeitsbräuche der Antike – allerdings ohne Götzenanbetung – sich auch unter den Christen lebendig gehalten hatten; und dass die Braut vom Hause ihrer Eltern mit Gewalt zu dem ihres Bräutigams geführt wurde. Unsere Art der Eheschließung verlangt von der Brautjungfrau mit weniger Delikatesse eine öffentliche Zustimmung.

Die Heimlichtuerei und der Erfolg dieser Verschwörung hatten Rufinus für alle Zeiten lächerlich gemacht, hatte er sich doch übertölpeln lassen in einer Stellung, in welcher Trug und Täuschung als Vollendung der Staatskunst ästimiert werden. Er registrierte mit einer Mischung aus rasender, aber ohnmächtiger Wut und Furcht den Sieg eines ehrgeizigen Eunuchen, welcher sich in die Gunst seines Herrschers eingeschmeichelt hatte; und der gesellschaftliche Fall seiner Tochter, deren Interessen auch seine waren, kränkte den Zartsinn oder doch wenigstens die Eitelkeit des Rufinus. Just in dem Augenblick, in dem er sich einreden konnte, der Stammvater einer ganzen Folge von Königen zu werden, wurde eine ausländische Jungfrau, die dazu noch im Hause eines seiner unversöhnlichsten Feinde erzogen worden war, in das kaiserliche Brautbett geführt; und Eudoxia zeigte schon bald eine Überlegenheit des Geistes und eine Klugheit, dass sie den Einfluss, den ihre Schönheit über ihren verliebten und jugendlichen Gatten ausübte, noch deutlich verstärken konnte. Schon bald würde sie den Herrscher dazu gebracht haben, den mächtigen Untertanen, dem er diesen tödlichen Schimpf angetan hatte, zu hassen, zu fürchten und schließlich zu vernichten; und das Bewusstsein seiner Schuld versperrte Rufinus den Rückzug in das Privatleben, wo ihm jede Aussicht auf Ruhe oder Sicherheit genommen war.

Aber noch besaß er alle Mittel, seine Stellung zu verteidigen und seine Gegner zu dämpfen. Der Präfekt hatte weiterhin die uneingeschränkte Befehlsgewalt über alle militärischen und zivilen Regierungsstellen des Ostens inne; und sein Reichtum, wenn er sich denn zu seinem Einsatz entschließen würde, mochten sich als geeignetes Werkzeug erweisen, die schwärzesten Pläne auszuführen, die Stolz, Ehrgeiz und Hass jemals einem Staatsmann in despataer Lage eingegeben hatten. Allein die Gemütsverfassung des Rufinus schien den Vorwurf zu rechtfertigen, dass er gegen die Person seines Herrschers Verschwörungspläne heckte, um sich selbst auf den verwaisten Thron zu setzen; und dass er heimlich die Hunnen und Goten eingeladen habe, die Provinzen des Reiches zu überfallen und so die öffentliche Verwirrung zu vergrößern. Der ränkekundige Präfekt, dessen Leben wesentlich aus Palastkabalen bestanden hatte, begegnete den kunstvollen Anschlägen des Eunuchen Eutropius mit gleicher Waffe; aber die feige Seele des Rufinus wurde durch das Herannahen eines weit schrecklicheren Gegners beunruhigt, des großen Stilicho, des Generals oder besser des Heermeisters des Westens. Zosimus (5,4), Orosius (7,37), und die Chronik des Marcellinus. Claudian (In Rufinum 2,7-100) schildert den Kummer und die Schuld des Präfekten in lebhaften Farben..

 

STILICHO · CHARAKTERISTIK · A.D. 385-408

Das Himmelgeschenk in der Gestalt eines Dichters, der imstande war, Heldentaten zu besingen, wie es bei Achill der Fall gewesen war und bei Alexander zu dessen Leidwesen nicht, ward auch Stilicho in weitaus größerem Maße zuteil, als man es im Zeitalter der untergehenden Künste und der verkümmernden Talente hätte erwarten dürfen. So zeigte sich die Muse des Claudian, Stilicho ist auf direkte oder indirekte Weise Claudians Generalthema. Jugend und Privatleben des Helden werden in der dichterischen Darstellung seines ersten Konsulates (35-140) weitschweifig ausgebreitet. die in seinen Diensten aufging, allzeit bereit, seine Feinde Rufinus oder Eutropius mit ewigem Schmäh zu überhäufen; oder die Siege und sonstigen Tugenden seines Gönners in den lebhaftesten Farben zu malen. Wollen wir uns über einen Zeitabschnitt einen Überblick verschaffen, die von verlässlichen Quellen nicht eben übersprudelt, so können wir nicht umhin, die Annalen des Honorius aus den Jubel- oder Hetzschriften zeitgenössischer Autoren zu illustrieren; da aber Claudian als Dichter und Hofmann die großzügigsten Vorrechte besaß, werden wir einige Kritik aufbieten müssen, um die Sprache der dichterischen Übertreibung in die schlichte, aber unverstellte Prosa des Historikers zu übersetzen.

Claudians Schweigen bezüglich der Familie des Stilicho mag als Beweis dafür gelten, dass sein Patron weder imstande noch geneigt war, mit einer langen Reihe berühmter Vorfahren zu prunken; und die oberflächliche Erwähnung seines Vaters als eines Offiziers in einer Barbaren-Reiterabteilung scheint die Behauptung zu bestätigen, dass der General, der so lange Roms Armeen befehligte, von der wilden und treulosen Rasse der Vandalen abstammte. »Vandalorum imbellis, avarae, perfidae, et dolosae gentis genere editus.« [Er ist ein Spross der Vandalen, eines feigen, habgierigen, ungetreuen und trügerischem Volkes]. Orosius, 7,38. Hieronymus (Opera, Band 1, ad Gerontiam, p. 93) nennt ihn einen »Halbbarbaren.« Wäre Stilicho nicht von imposanter Statur und Erscheinung gewesen, dann hätte selbst der allerunterwürfigste Barde Bedenken getragen, in Gegenwart von vielen tausend Zuhörern zu behaupten, er überträfe an Größe noch die antiken Götter; und dass die Menge, wann immer er mit stolzem Gang durch die Straßen der Hauptstadt wandelte, dem Fremden Platz machte, der auch im privaten Umfeld wie ein Held zu schauen war.

Seit frühester Jugend übte er das Waffenhandwerk; schon bald war seine Umsicht und sein Mut im Felde entdeckt; Reiter und Bogenschützen des Ostens bewunderten seine Tüchtigkeit; und auf allen Stationen seiner militärischen Karriere befanden sich die öffentliche Meinung und die Wahl des Kaisers in guter Übereinstimmung. Theodosius beauftragte ihn, mit dem König der Perser einen wichtigen Vertrag zu unterzeichnen; auf ihm lastete während dieser wichtigen Mission die Ehre des römischen Namens; und nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel wurde sein Verhandlungsgeschick mit der unmittelbaren, ehrenvollen Verbindung mit dem kaiserlichen Hause belohnt. Fromme Bruderliebe hatte Theodosius vermocht, die Tochter seines Bruder Honorius zu adoptieren; die schöne und hochgebildete Serena Claudian hat in einem unvollständigen Gedicht ein anmutiges, vielleicht auch übertriebenes Bild der Serena gezeichnet. Diese Lieblingsnichte des Theodosius war wie ihre Schwester Thermantia in Spanien geboren; von wo sie bereits in ihrer frühesten Jugend in allen Ehren zum Palast von Konstantinopel geführt wurde. fand am Hof allgemeinen Beifall; und Stilicho erhielt den Vorzug vor einer ganzem Schar von Mitbewerbern, welche um die Hand der Prinzessin und die Gunst ihres Adoptivvaters warben. Einige Zweifel bestehen darüber, ob die Adoption gesetzlich oder nur symbolisch war. Siehe Ducange, Familiae Byzantinae, p. 75. Eine alte Inschrift gibt Stilicho den einmaligen Titel Pro-Gener divi Theodosii. [Kindestochtermann des göttlichen Theodosius], CIL VI, 1730. Die Versicherung, dass der Gatte der Serena dem Throne treu ergeben sein werde, in dessen Nähe er gerückt war, bestimmten den Herrscher, das Vermögen des Stilicho zu mehren und die Fähigkeiten des Furchtlosen für sich zu nutzen.

 

SEIN MILITÄRISCHER RANG · A.D. 385-408

Nach den Stationen eines Kavalleriegenerals und Hofmeisters gelangte er schließlich auf den Posten des obersten Heermeisters des Römischen oder wenigstens des Westlichen Reiches, Claudian (Laus Serenae 190 und 193) nennt es in dichterischer Umschreibung »dilectus equorum« [Auswahl der Pferde] und »gemino mox idem culmine duxit agmina.« [..bald schon übte er ein doppeltes Kommando im Heere aus]. Die Inschrift fügt hinzu comes domesticorum [»Haushofmeister«], eine wichtige Stellung, welche Stilicho auf der Höhe seines Ruhms klüglich beibehielt. und auch seine Feinde gestanden ein, dass er sich beharrlich weigerte, den Tatenruhm gegen Gold zu tauschen oder seine Soldaten um den Sold und die Belohnungen zu bringen, die ihnen die Großzügigkeit des Staates zuerkannt hatte. Claudian beschreibt in schönen Versen (de Consulatu Stilichonis 2,113) sein Genie; aber Stilichos Lauterkeit in der Militäradministration ist viel besser belegt durch die unfreiwillige Anerkennung des Zosimos (5,34). Der Mut und das Geschick, mit dem er hinterher Italien gegen die eindringenden Horden des Alarich und Radagaisus verteidigte, leistet für seinen früherworbenen Ruhm gewissermaßen Gewähr; und in einer Zeit, die die ungeschriebenen Gesetzen der Ehre und des Stolzes mit Gleichmut beobachtete, mochten römische Generäle wenigstens dem überlegenen Genius den Vorrang vor der Rangstufe zuerkennen. »...si bellica nubes/Ingrueret, quamvis annis et jure minori,/Cedere grandaevos equitum peditumque magistros/ Adspiceres.« [...wenn Kriegswolken/emporwuchsen,konntest du sehen,/ dass betagte Kommandeure der Reiterei und des Fußvolkes/ zurücktraten vor Jüngeren und Rangtieferen]. Claudian, Laus Serenae 196. Ein General unserer Zeit würde ihr Zurücktreten entweder für heldenhaften Patriotismus halten oder für elende Knechtsgesinnung.

Stilicho beklagte die Ermordung seines Rivalen und Freundes Promotus und rächte den Mord; und das Massaker unter den fliehenden Bastarnern wird von unserem Dichter dargestellt als Blutopfer, welches der römische Achill den Manen eines zweiten Patroklos darbrachte. Stilichos Tugenden und Siege riefen notwendig den Hass des Rufinus auf; und er hätte seine Schlingen wohl mit Erfolg gelegt, wenn nicht die liebevolle und wachsame Serena ihren Gatten gegen die heimischen Feinde geschützt hätte, während dieser im Felde gegen die Feinde des Reiches obsiegte. Man vergleiche das Gedicht über das erste Konsulat (1, 95-115) mit der ›Laus Serenae‹ (227-237), wo es leider abbricht. Aber die tiefsitzende Bösartigkeit des Rufinus ist unübersehbar. Theodosius hielt weiterhin an seinem unwürdigen Minister fest, dem er die Oberaufsicht über seinen Palast und die Osthälfte des Reiches anvertraute; als er jedoch gegen den Thronräuber Eugenius marschierte, zog er seinen treuergebenen General in die Verwicklungen des Bürgerkrieges mit hinein; und erst in seinen letzten Stunden vertraute er Stilicho die Sorge um seine Söhne und die Republik an. »...quem fratribus ipse Discedens, clipeum defensoremque dedisti.« [...den du beim Abschied von den Brüdern/ selbst als Beschützer und Helfer empfohlen hast]. Die Ernennung (De IV consulatu Honorii 432) indessen geschah heimlich, (De III. consulatu Honorii 142), »cunctos discedere...iubet« [er schickte alle...hinaus] und kann deshalb angezweifelt werden. Zosimos und die Suda benutzen für Rufinus und Stilicho denselben Titel, Vormünder oder Prokuratoren..

Stilichos Ehrgeiz und Fähigkeiten waren dieser wichtigen Aufgabe durchaus gewachsen; und so beanspruchte er denn das Wächteramt über beide Reichshälften für sich, solange Arcadius und Honorius noch unmündig waren. Das Römische Recht unterscheidet zwei Arten von Minderjährigkeit, welche im 14. bzw. 25. Lebensjahr endete. Die eine war Sache des Tutors (Vormund) der betreffenden Person, die andere des Curators (Vermögensverwalter). Heineccius, Antiquitatum Romanorum iurisprudentia Syntagma, Buch 1, Titel 22/23, p. 218-232. Indessen wurden in Falle der Wahlmonarchie diese gesetzlichen Vorgaben niemals genau beachtet. Die erste Maßnahme seiner Verwaltung oder genauer: seiner Regierung entdeckten den Nationen die Tatkraft und Entschlossenheit eines Genius, der zu Recht das Kommando über andere führte. Er überquerte die Alpen im tiefsten Winter; schiffte den Rhein von Basel bis zu den Marschen Batavias; hielt unter den Garnisonen strenge Musterung; dämpfte den Unternehmungsgeist der Germanen; brachte einen dauer- und ehrenhaften Friedensschluss zustande und kehrte mit schier unglaublicher Geschwindigkeit in den Kaiserpalast von Mailand zurück. Vergleiche hierzu Claudian, de Consulatu Stilichonis, 1,188-242; aber er muss doch mehr als nur 15 Tage für die Reise von Mailand und Leyden und zurück veranschlagen.. Die Person und die Hofhaltung des Honorius unterstanden dem Heermeister des Westens; und Europas Armeen und Provinzen gehorchten anstandslos der gesetzlichen Autorität, die im Namen ihres jugendlichen Herrschers ausgeübt wurde. Nur zwei Rivalen blieben, die Ansprüche des Stilicho zu bestreiten und seinen Zorn zu reizen. In Afrika beharrte der Maure Gildo stolz und entschlossen auf seiner Unabhängigkeit; und der oberste Minister Konstantinopels pochte auf seine vergleichbaren Rechte über den Kaiser und das Reich des Ostens.

 

STURZ UND TOD DES RUFINUS · 27.NOVEMBER 395

Die Unparteilichkeit, um die sich Stilicho als der gemeinsame Beschützer der königlichen Brüder bemühte, bestimmte ihn, bei der Aufteilung der Waffen, der Juwelen, der herrlichen Gewänder und der anderen Wertgegenstände des verstorbenen Herrschers möglichst viel Gerechtigkeit obwalten zu lassen. De consulatu Stilichonis 2,88-94. Nicht nur die Roben und Diademe des verstorbenen Herrschers, sondern selbst noch seine Helme, Schwergriffe, Gürtel, Harnische &c. waren mit Perlen, Smaragden und Diamanten besetzt. Aber der bedeutendste Gegenstand des Erbes waren die zahlreichen römischen und barbarischen Legionen, Kohorten und Schwadronen, die der Zufall während der Bürgerkrieges unter der Fahne des Theodosius versammelt hatte. Die unterschiedlichen, durch jüngstvergangene Erbitterungen aufgebrachte Volksmassen in Europa und Asien wurden durch die Dominanz dieses einen Mannes in Schranken gehalten; und Stilichos unbarmherzige Disziplin schützte das Eigentum der Bürger vor den Begehrlichkeiten dieser Soldateska. »Tantoque remoto Principe, mutatas orbis non sensit habenas.« [...und wie weit der Herrscher auch entrückt war/ die Welt spürte nichts vom Wechsel der Regierung]. Dieses hohe Lob (De consulatu Stilichonis 1,149) wird durch die Sorge des sterbenden Kaisers (De bello Gildonico 292-301) und durch den Frieden und die geordneten Verhältnisse gerechtfertigt, derer man sich nach seinem Tode erfreuen durfte (De Consulatu Stilichonis 1, 150-168). Gleichwohl verlangte ihn selbst danach, Italien von diesem ungemütlichen Heer zu erlösen, das seinen Nutzen eigentlich nur an den äußeren Grenzen des Reiches erweisen konnte, und so hörte er sich die berechtigten Vorhaltungen der Minister des Arcadius an, verkündete seine Bereitschaft, die Truppen in eigener Person an die Ostgrenze zurückzuführen und benutzte geschickt das Gerücht von einem Aufstand der Goten, um seine eigenen Karriere- und Rachepläne zu verhehlen. Stilichos Feldzug und Rufinus' Tod sind beschrieben bei Claudian (in Rufinum 2,101-453), Zosimus (5,7), Sozomen (7,1), Socrates (6,1), Philostorgios (11,3, mit Gothofred, p. 441) und in der Chronik des Marcellinus.

Die schuldbeladene Seele des Rufinus schreckte empor bei Herannahen dieses Kriegers und Gegners, dessen Zuchtrute er verdient hatte; mit wachsendem Entsetzen berechnete er den ihm noch verbleibenden Rest von Größe und Leben: und als letzte Hoffnung klammerte er sich an die Autorität des Kaisers Arcadius. Stilicho, der entlang der Adriaküste marschiert zu sein scheint, empfing unfern der Stadt Thessaloniki ein weitschweifiges Schreiben, in welchem ihm der Rückruf der Ostarmee angeordnet und zugleich erklärt wurde, das der byzantinische Hof jede weitere Annäherung von seiner Seite als einen feindselige Akt ansehen werde. Der unverzügliche und durchaus nicht erwartete Gehorsam des Generals des Westens überzeugte das Volk von seiner Loyalität und Zurückhaltung; aber da er sich bereits der Zuneigung des östlichen Heeres sicher war, legte er ihrem Eifer die Ausführung seines blutigen Vorhabens nahe, welches sich in seiner Abwesenheit mit weniger Gefahr und weniger Kritik durchführen lassen mochte.

Stilicho legte das Kommando über die Truppen des Ostens in die Hände des Goten Gainas, auf dessen Zuverlässigkeit er unbedingt vertraute; und der ihm versicherte, dass er sich von seinem Vorhaben durch keinerlei Furcht oder Bedenklichkeit abbringen lassen werde. Die Soldaten waren schnell gewonnen, den Feind des Stilicho und Roms zu bestrafen; und so allgemein verhasst war Rufinus, dass das schreckliche Geheimnis, von dem doch Tausende wussten, während des langen Marsches von Thessaloniki bis vor die Tore Konstantinopels von allen getreulich bewahrt wurde. Sobald sein Tod beschlossen war, ließen sie sich sogar herbei, seiner Überheblichkeit zu schmeicheln; und der immer noch ehrgeizige Präfekt meinte sogar noch, jene Truppen seien dazu gebracht worden, ihm das Diadem aufs Haupt zu setzen; allerdings wurden die Schätze, die er, wenn auch mit zögernder und karger Hand austeilte, von der Menge eher als Beleidigung denn als Geschenk aufgefasst. Eine Meile vor der Hauptstadt, auf dem Marsfeld vor dem Hebdomonpalast, machte die Truppe Halt; und der Kaiser mitsamt seinen Ministern eilte herzu, um nach den Gepflogenheiten der Zeit respektvoll die Macht zu begrüßen, welche ihren Thron stützte. Als Rufinus durch die Reihen ging und mit einstudierter Höflichkeit seinen angeborenen Hochmut verbarg, vollzogen die Flügel von links und rechts die Wende und schlossen das Opfer von allen Seiten mit ihren Waffen ein. Bevor ihm die Gefahr überhaupt bewusst werden konnte, gab Gainas das Zeichen; ein kühner Soldat bohrte sein Schwert durch die Brust des schuldigen Präfekten, und Rufinus stürzte, stöhnte und verschied zu Füßen des entsetzten Kaisers.

Wenn ein kurzer Todeskampf die Sühne für ein ganzes Verbrecherleben oder die Misshandlung eines Leichnams der Gegenstand von Mitleid sein kann, dann könnte unser Mitgefühl von den schrecklichen Ereignissen nach der Ermordung des Rufinus berührt werden. Sein Körper wurde durch den besinnungslosen Zorn des Volkes verstümmelt, das hier durch beiderlei Geschlecht vertreten war, und das von überallher hinzueilte, die sterblichen Reste dieses hochmütigen Staatsdieners zu schänden, vor dessen finsteren Blicken sie noch vor kurzem gebebt hatten. Die rechte Hand wurde ihm abgeschlagen und mit grausamen Hohn durch die Straßen Konstantinopels gezogen, um für den habsüchtigen Tyrannen die Steuern einzutreiben, während sein Kopf aufgespießt an langer Lanze öffentlich zur Schau gestellt wurde. Die Zerstückelung des Rufinus, die Claudian mit der Herzenskälte eines Pathologen beschreibt (In Rufinum 2,405-415), wird von Hieronymus (Opera, Band 1, p.26) und Zosimus ebenfalls reichlich detailfreudig beschrieben.

Entsprechend den grausamen Maximen der griechischen Staaten hätte seine unschuldige Familie für seine Verbrechen ebenfalls büßen müssen. Sein Weib und seine Tochter verdankten ihr Leben dem Einfluss der Religion. Ihr Tempel schütze sie vor dem racheschnaubenden Mob; und ihre verbleibenden Jahre durften sie in christlicher Demut und stiller Zurückgezogenheit in Jerusalem verbringen. Zosimus, der Heide, erwähnt ihre Heiligkeit und ihre Pilgerfahrten. Die Schwester des Rufinus, Sylviana, die ihr Leben in Jerusalem zubrachte, hat es in der Geschichte des Mönchstums zu stiller Berühmtheit gebracht. 1. Die belesene Jungfrau hatte sorgfältig und wiederholt die Bibelkommntare des Origines, Gregor, Basilius und anderer durchgearbeitet, bis sie auf etwa fünf Millionen Zeilen gelehrter Lektüre gekommen war. 2. Im Alter von sechzig Jahren konnte sie sich damit rühmen, dass sie sich niemals ihre Hände, ihr Gesicht noch sonst einen Körperteil gewaschen habe mit Ausnahme ihrer Fingerspitzen, um damit die Kommunion zu empfangen. Siehe Vitae patrum, p. 779 und 977.

 

DIE BEIDEN REICHSHÄLFTEN IN ZWIETRACHT · A.D. 396

Die servile Gesinnung von Stilichos Hofdichter bejubelt mit überschäumender Freude diese Entsetzenstat, welche, möglicherweise in der Ausübung von Gerechtigkeit, jedes Gesetz der Natur und der Gesellschaft verletzt, die Majestät des Herrschers in den Schmutz zog und der Zügellosigkeit der Soldateska eine gefährliche Anregung gab. Betrachtungen über die Harmonie und Ordnung des Universums hatten Claudian von der Existenz der Gottheit überzeugt; aber die gedeihliche Straflosigkeit des Verbrechens schien ihm sichtlich ihren moralischen Attributen zu widersprechen; und das Schicksal des Rufinus war das einzige Ereignis, welches die religiösen Zweifel des Dichters zu zerstreuen geeignet war. Siehe die schöne Einleitung seiner Schmährede gegen Rufinus, welche vom Skeptiker Bayle im Dictionnaire critique unter »Rufin,« Anmerkung E, auf lesenswerte Weise erörtert wird. Diese Tat mochte der Ehre der Vorsehung Genüge tun: zur Hebung der allgemeinen Wohlfahrt trug sie nicht eben viel bei. In weniger als drei Monaten erfuhr das Volk von den Grundsätzen der neuen Verwaltung durch einen einzigartigen Runderlass, in welchem die Exklusivansprüche des Fiskus über die Beute des Rufinus festgeschrieben wurden; und zugleich brachte es unter schweren Strafandrohungen alle etwaigen Ansprüche zum Schweigen, die die Bewohner des Ostens etwa vorbringen mochten, die von dem raubgierigen Tyrannen Unrecht erlitten hatten. Siehe Codex Theodosianus 9,42, 14 und 15. Die neuen Minister versuchten in ungebändigter Habsucht der Beute ihres Vorgängers habhaft zu werden und zugleich für ihre künftige Sicherheit zu sorgen. Sogar Stilicho führte nach dem Mord an seinem Gegner nicht das aus, was er sich vorgenommen hatte; hatte er auch seinen Rachedurst gestillt, sein Ehrgeiz blieb unbefriedigt.

Der schwache Arcadius verlangte nach einer Vertrauensperson, in Wirklichkeit natürlich nach einem Lehrmeister; aber naturgemäß fügte er sich den berechneten Kunstgriffen von Eutropius, dem Eunuchen, der sein persönliches Vertrauen erschlichen hatte; und zugleich sah der Herrscher mit Schrecken und Abneigung auf den machtvollen Genius eines fremdländischen Kriegers. Bevor sie, neidisch auf die Machtstellung des jeweils anderen, zu Gegnern wurden, unterstützte das Schwert des Gainas und der Liebreiz der Eudoxia die Stellung des mächtigen Kammerherren; der treulose Gote verriet nach seiner Ernennung zum Heermeister des Ostens ohne Skrupel die Interessen seines Wohltäters; und die gleichen Truppen, die erst kürzlich den Feind Stilichos getötet hatten, wurden angeworben, gegen ihn den Thron Konstantinopels zu verteidigen.

Die Günstlinge des Arcadius unterhielten in aller Heimlichkeit einen unversöhnlichen Hass gegen diesen schrecklichen Kriegsmann, der sich anschickte, die beiden Söhne des Theodosius und die beiden Reichshälften zu beschützen und damit gleichzeitig zu beherrschen. Beständig waren sie bemüht, ihm durch allerlei finstere und verräterische Anschläge und Ränke der Gunst des Herrschers zu entfremden, ebenso der Zuneigung des Volkes und der Wertschätzung der Barbaren. Wiederholt war Stilichos Leben durch den Dolch gedungener Mörder bedroht; und der Senat Konstantinopels erklärte ihn zum Staatsfeind und seinen üppigen Grundbesitz in den Ostprovinzen für beschlagnahmt. Ausgerechnet in einer Zeit, als Roms einzige Hoffnung, den drohenden Untergang hinauszuschieben, von unverbrüchlicher Einigkeit und gegenseitiger Hilfe abhing, wurden alle Untertanen des Arcadius und Honorius von ihren jeweiligen Herrschern nachgerade angewiesen, einander als Fremde, ja Feinde zu betrachten; sich der Notlage des anderen zu erfreuen, die Barbaren als treue Verbündete anzuerkennen Claudian (De Consulatu Stilichonis 1,275, 292, 296 und 2,83), und Zosimos, 5, p. 302. und sie zu ermuntern, feindlich in die Territorien ihrer Landsleute einzudringen. Italiens Einwohner ließen es sich nicht nehmen, die weibische Knechtsgesinnung der Griechen von Byzanz zu verachten, welche die Kleidung der römischen Senatoren nachäfften und deren Würde beanspruchten, Claudian gibt dem Konsulat des Eunuchen Eutropius eine nationale Wende: »Plaudentem cerne senatum, Et Byzantinos proceres, ›Graiosque‹ Quirites: O patribus plebes, O digni consule patres. « [Siehe den Senat Beifall spenden und die Großen von Byzanz und das griechische Volk; O Volk, der Väter würdig, O Väter, würdig des Konsuls]. In Eutropium 2,135. Es ist beachtenswert, die ersten Anzeichen von Eifersucht und Trennung zwischen dem alten und neuen Rom, und zwischen Griechen und Lateinern zu konstatieren. doch hatten die Griechen ihrerseits noch längst nicht den Hass und die Verachtung vergessen, den ihre kultivierten Vorfahren vormals für die Bauerntrampel aus dem Westen gehegt hatten. Die Unterscheidung dieser zwei Staatsverwaltungen, welche schon bald zur Bildung zweier Nationen führte, rechtfertigt meine Absicht, die Darstellung der byzantinischen Geschichte vorübergehend zu unterbrechen und zunächst mit der schimpflichen, aber durchaus berichtenswerten Herrschaft des Honorius fortzufahren.

 

DIE REVOLTE DES GILDO · A.D. 386-398

Anstelle sich nun weiterhin vergeblich um die Neigung eines Herrschers und eines Volkes zu bemühen, welchen beiden seine dominierende Stellung unbehaglich war, überließ Stilicho den Arcadius mit schlauer Berechnung seinen unwürdigen Günstlingen; und seine Weigerung, die beiden Reichshälften in einem Bürgerkrieg gegeneinander aufzuhetzen, zeigte die Besonnenheit eines Ministers, der seine militärisches Begabung oft genug unter Beweis gestellt hatte. Hätte Stilicho allerdings der Revolte in Afrika weiterhin tatenlos zugesehen, dann hätte er die Sicherheit der Hauptstadt verraten und das Ansehen des westlichen Kaisers einem aufsässigen Mauren in die Hand gegeben. Gildo. Claudian hat die Verbrechen des Gildo wohl überzeichnet; aber seine maurische Herkunft, seine gerichtsnotorischen Taten und die Klagen des St. Augustinus scheinen für die Attacken des Dichters zu sprechen. Baronius (Annales ecclesiastici, A.D. 398, Nr. 35-56) hat die Geschehnisse in Afrika anschaulich und mit viel Gelehrsamkeit dargestellt. der Bruder des Tyrannen Firmus, hatte als Belohnung für bewährte Treue unermessliche Landgüter verlangt und erhalten, nachdem sie infolge von Verrat verwirkt waren; langer, treuer Dienst hatte ihn in der römischen Armee bis zum Rang eines comes gebracht; die beschränkte Politik am Hofe des Theodosius hatte zu der verderblichen Maßnahme geführt, die gesetzmäßige Regierung durch das Interesse einer mächtigen Familie unterstützen zu lassen; und so wurde der Bruder des Firmus mit der Befehlsgewalt über Afrika ausgestattet.

In seinem Ehrgeiz riss Gildo schon bald die Justiz- und Finanzverwaltung an sich und übte sie ohne Kontrolle aus und ohne irgendjemandem Rechenschaft abzulegen. Und so bleib er für zwölf Jahre im Besitz einer Stellung, aus der ihn ohne das Risiko eines Bürgerkrieges zu vertreiben schlechthin unmöglich war. Während dieser zwölf Jahre seufzte Afrika unter der Knute eines Tyrannen, der in sich die Gleichgültigkeit eines Fremden mit der Verbissenheit einer heimischen Faktion vereinte. Das formale Recht wurde immer mal wieder durch die Verwendung von Gift überflüssig; und war ein bebender Gast an die Tafel Gildos geladen und unterfing sich dort, seine Ängste zu zeigen, so diente dieser ungehörige Verdacht nur, seinen Zorn zu erregen, und mit lauter Stimme rief er nach den Knechten des Todes. Abwechselnd frönte Gildo zwei Leidenschaften: der Lust und der Habgier; »Instat terribilis vivis, morientibus haeres,/ Virginibus raptor, thalamis obscenus adulter./ Nulla quies: oritur praeda cessante libido,/ Divitibusque dies, et nox metuenda maritis./...Mauris clarissima quaeque Fastidita datur«. [Furchtbar stellt er Lebenden nach und als Erbe den Toten/Vergewaltigt Jungfrauen und schändet das Lager der Gattinnen/ Ruhe gibt es nicht: schlummert die Raubsucht, erwacht der Trieb/Am Tage beben die Reichen, nachts der Gatte...den Mauren überlässt er überdrüssig die Schönsten]. De Bello Gildonico, 165, 189. Baronius verurteilt die Exzesse des Gildo umso schärfer, da dessen Frau, Tochter und Schwester Beispiele für vollkommene Keuschheit waren. Erst ein kaiserliches Gesetz stellte die Vergewaltigungen durch afrikanische Soldaten ab. und wenn seine Tage den Reichen schrecklich waren, dann waren seine Nächte den Eltern oder Ehegatten nicht weniger fürchterlich. Ihre schönsten Frauen oder Töchter waren die brutalen Umklammerungen des Wüstlings ausgesetzt und anschließend einem Haufen von Barbaren oder Mördern ausgeliefert, schwarzen oder braunen Wüstensöhnen, welche Gildo für die zuverlässigsten Stützen des Thrones hielt.

Während des Bürgerkrieges zwischen Theodosius und Eugenius beobachtete der comes oder besser: der Herrscher Afrikas eine höhnische und unbestimmte Neutralität; weigerte sich, einer der Parteien mit Truppen oder Schiffen zu Hilfe zu kommen, wartete auf deutliche Zeichen des Kriegsglückes und gab dem Sieger schließlich das leere Versprechen seiner Treue. Derlei Wort-Dunst hätten den Beherrscher der Römischen Welt nicht zufrieden gestellt; aber der Tod des Theodosius und die Schwäche und Uneinigkeit seiner beiden Söhne festigten die Position des Mauren; welcher zum Beweis seiner Bescheidenheit sich dazu verstand, keinerlei Diadem zu tragen und Rom mit dem üblichen Tribut oder besser wohl: den Subsidien an Getreide zu unterstützen. Bei jeder Aufteilung des Reiches waren die fünf Provinzen Afrikas regelmäßig dem Westen zugesprochen worden; und auch Gildo hatte sich bereit erklärt, diese riesigen Gebiete im Namen des Honorius zu verwalten; aber seine Kenntnisse von Stilichos Charakter und seinen Plänen bestimmten ihn schon bald, einem entfernteren und schwächeren Herrscher zu huldigen. Die Minister des Arcadius nahmen sich der Sache dieses treulosen Rebellen an; und die trügerische Hoffnung, die zahlreichen Städte Afrikas dem Reich des Ostens noch hinzuzufügen, brachte sie dazu, einen Anspruch zu verfechten, den sie weder mit Vernunftgründen noch mit Waffengewalt fördern konnten. »Inque tuam sortem numerosa transtulit urbes.« [Und deinem Erbteil schlug er zahlreiche Städte zu]. Claudian (De bello Gildonico 230-324) hat mit politischem Feinsinn die Intrigen am byzantinischen Hof berührt, welche auch Zosimos (5,11) nicht vergessen hat.

 

GILDO WIRD VOM SENAT MIT DEM BANN BELEGT

Als Stilicho den Ansprüchen des byzantinischen Hofes eine entschiedene und bestimmte Antwort gegeben hatte, klagte er auch mit allem Nachdruck den Tyrannen Afrikas vor jenem Gerichtshof an, vor dem sich früher die Könige und Völker dieser Erde zu verantworten hatten; und unter der Herrschaft des Honorius lebte diese Seite der Republik nach langer Zeit wieder auf. Der Kaiser übermittelte dem Senat von Rom eine detail- und umfangreiche Liste der Beschwerden gegen Gildo und seiner Verbrechen; und von den Mitgliedern dieser hochmögenden Versammlung wurde nunmehr das Verdammungsurteil gegen diesen Rebellen erwartet. Einmütig wurde er zum Staatsfeind erklärt; und den römischen Waffen gab der Senat heilige und gesetzliche Vollmacht. Symmachus (4, Epistulae 4) stellt die gerichtlichen Formen des Senates vor, und Claudian (De consultu Stilichonis 1,325) scheint den Geist eines Römers zu spüren.

Ein Volk, das sich noch daran erinnerte, dass seine Vorfahren einst die Welt beherrscht hatten, hätte dieser Demonstration des alten Freiheitssinnes seinen einhelligen Beifall nicht versagt; wenn es ihm nicht schon längst zur Gewohnheit geworden wäre, eine zuverlässige und handfeste Versorgung mit Brotgetreide solchen wesenlosen Fiktionen wie Größe und Freiheit vorzuziehen. Roms Versorgung hing nun einmal von der Ernte Afrikas ab; und dies war jedermann klar, dass eine Kriegserklärung das Signal für eine Hungerperiode bedeutete. Der Präfekt Symmachus, welcher in der besagten Senatsversammlung den Vorsitz führte, teilte den Anwesenden seine gerechtfertigten Besorgnisse mit, dass, sollte der Maure racheschnaubend den Getreideexport untersagen, die Ruhe und vielleicht sogar die Sicherheit der Stadt durch den wütenden Hunger einer randalierende Menge gefährdet werde. Claudian breitet diese Beschwernisse sehr artig aus, indem er die Stadtgöttin Roms vor Jupiters Thron eine Rede halten lässt. (De bello Gildonico 28-128). Eine beträchtliche und zeitlich passende Kornfracht aus dem inneren Gallien wurde die Rhone hinabgeschifft und in glücklicher Fahrt nach Rom transportiert. Während des ganzen afrikanischen Krieges waren die Getreidehäuser Roms wohlgefüllt, man blieb vor der demütigenden Abhängigkeit bewahrt, und die Gemüter der Massen beruhigten sich bei dem schönen Gedanken an Friede und Überfluss. Siehe Claudian, In Eutropium 1,401ff, De consulatu Stilichonis 2, 306ff und de consulatu Stilichonis 2, 91ff.

 

DER KRIEG IN AFRIKA UNTER MASCEZEL

Roms Sache und die Leitung des afrikanischen Krieges legte Stilicho vertrauensvoll einem tüchtigen General in die Hände, der zugleich darnach schmachtete, sein privat erlittenes Unrecht am Haupte des Tyrannen zu rächen. Der Geist der Zwietracht, der im Hause Nabal obwaltete, hatte eine tödliche Zwietracht zwischen seinen beiden Söhnen, Gildo und Mascezel Er stand in reifem Alter, seit er (A.D. 373) gegen seinen Bruder im Feld gestanden hatte (Ammianus 29,5). Claudian, der die Verhältnisse am Hof zu Mailand durchschaute, hält sich ausführlich bei den Fehlern und weniger bei den Verdiensten des Mascezel auf (De bello Gildiconico 389-414). Der afrikanische Krieg lohnte sich für einen Stilicho oder Honorius nicht. entflammt. Der Usurpator verlangte mit unauslöschlicher Abneigung nach dem Blute und Leben seines jüngeren Bruders, vor dessen Mut und Fähigkeit er jedoch bebte; und Mascezel floh vor der überlegenen Macht und suchte seine Zuflucht am Hofe von Mailand; wo er schon bald die furchtbare Nachricht erhielt, dass seine beiden hilflosen und unschuldigen Kinder von ihrem unmenschlichen Onkel ermordet worden waren. Der Schmerz wurde dem Vater nur durch den Gedanken an baldige Rache erträglich. Der vorausplanende Stilicho traf schon bald Anstalten, die See- und Landstreitkräfte des Westens zu sammeln; und er hätte sich dazu entschlossen, persönlich gegen den Tyrannen ins Feld zu ziehen, sollte dieser imstande sein, ihm nur irgendwie Paroli zu bieten. Da aber andererseits Italien nach seiner Anwesenheit verlangte, und da es ferner riskant war, die Grenzen zu entblößen, schien es ihm ratsamer, dass sich Mascezel auf dieses Abenteuer einlassen sollte, ausgestattet mit dem Kommando über ein Kontingent handverlesener gallischer Veteranen, welche erst kürzlich unter der Fahne des Eugenius gedient hatten.

Diese Truppen, die man ermahnt hatte, der Welt zu beweisen, dass sie nicht nur Thronräuber unterstützen, sondern auch zu Boden werfen konnten, bestanden aus der Jovianischen, Herculianeischen und Augusteischen Legion; den Nervischen Hilfstruppen; aus Soldaten, die das Löwenbanner entrollten und solchen Mannschaften, die die hoffnungsfrohen Namen »Die Glücklichen« und »Die Unbesiegbaren« trugen. Doch bewirkte die geringe Mannschaftsstärke oder die Schwierigkeit ihrer Rekrutierung, dass diese sieben Gruppierungen, Claudian, De bello Gildiconico 415-423. Änderungen der Kriegsdisziplin ermöglichten es ihm, die Namen Legio, Kohors und Manupulus gleichartig zu verwenden. Siehe die Notitia dignitatum Imperii, p. 38 und 40. die innerhalb der römischen Militärs hohe Reputation besaßen, auf nicht mehr als fünftausend Mann kamen. Orosius (7,36) belegt diese Zahl mit einem Ausdruck des Zweifels (ut aiunt - [wie man so sagt] und dies passt sicher nicht zu der ›Mannesstärke‹ des Zosimos (5,11). Doch Claudian, der sich zunächst den Soldaten des Cadmus widmet, bekennt schließlich offen, dass Stilicho nur eine kleine Armee entsandte, damit der Rebell nicht entfliehe, »ne timeare times« [Damit du nicht fürchtest zu fürchten]. De consulatu Stilichonis 1,341ff.

Die Galeeren und Transportschiffe segelten bei stürmischem Wetter vom Hafen von Pisa in der Toscana ab und hielten zunächst auf die kleine Insel Capraria; welche ihren Namen von den Wildziegen herleitete, den ursprünglichen Einwohnern, deren Platz inzwischen jedoch durch neue Bewohner von fremdartiger und bedrohlicher Erscheinung besetzt war. »Die ganze Insel (so ein aufmerksamer Reisender aus jenen Zeiten) ist überfüllt, oder besser wohl: verschmutzt, von Männern, die das Licht scheuen. Sie selbst nennen sich Mönche oder Einsiedler, denn sie haben sich entschlossen, alleine und ohne Zeugen ihres Tuns zu leben. Sie fürchten sich vor den Gaben des Glückes, weil sie Angst haben, sie könnten sie wieder verlieren; und um nicht ins Elend zu stürzen, leben sie freiwillig im Elend. Was für eine abgeschmackte Entscheidung! Wie pervers ihr Verständnis! Die Übel des Menschseins fürchten, aber seine Segnungen nicht aushalten können! Entweder ist dieser Trübsinn die Folge einer Krankheit, oder das Bewusstsein einer Schuld zwingt diese Unglücklichen, an ihren eigenen Körpern die Foltern zu üben, welche allenfalls die Justiz flüchtigen Sklaven angedeihen lässt.« Claudius Rutilius Namatianus, Itinerarium (De reditu suo), 1,439-448. Später erwähnt er noch einen religiösen Irren auf der Insel Gorgona. Für solche lästerlichen Bemerkungen werden Rutilius und seine Genossen von ihrem Kommentator »rabiosi canes diaboli« [Tollwütige Höllenhunde] genannt. Tillemont bemerkt mit mehr Gelassenheit, dass der ungläubige Dichter eigentlich lobe, was er zu tadeln beabsichtigt. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 12, p. 471

So sehr also verachtete ein weltlicher Magistrat die Mönche von Capraria, welche Mascezel als Gottes erwählte Diener verehrte. Orosius 7,36. Augustinus erwähnt diese zwei Heiligen der Ziegeninsel mit Lob, Epistulae 81; bei Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 13, p. 314 und Baronius, Annales Ecclesiastici, A.D. 398, Nr. 51. Einige ließen sich durch seine drängenden Bitten dazu verleiten, an Bord zu kommen; und zum Lobe des römischen Generals wird noch angemerkt, dass er seine Tage und Nächte mit Gebeten, Fasten und Psalmensingen verbrachte. Der gottesfürchtige General, bei solcher Begleitung seines Sieges durchaus sicher, vermied Korsikas gefährliche Klippen, segelte westlich an Sardinien vorbei und sicherte seine Schiffe gegen den stürmischen Südwind, indem er in der geräumigen und sicheren Bucht von Cagliari vor Anker ging, einhundertundvierzig Meilen von der afrikanischen Küste entfernt Hier endet das erste Buch der Krieges gegen Gildo. Der Rest von Claudians Epos ist verloren; und wir wissen weder wie oder wo die Armee in Afrika gelandet ist.

 

NIEDERLAGE UND TOD GILDOS · A.D. 398

Gildo seinerseits war vorbereitet, der Invasion mit allen Kräften des Landes Widerstand zu leisten. Durch großzügige Geldgeschenke und ebensolche Versprechungen versicherte er sich der zweifelhaften Allianz der römischen Krieger und warb zugleich die Stämme des entlegenen Gaetuliens und Aethiopiens unter seine Fahnen. Stolz hielt er Heerschau über siebzigtausend Mann und verkündete mit dem Hochmut, der dem Fall voranzugehen pflegt, dass allein seine zahlreiche Kavallerie die Truppen des Mascezel unter ihren Hufen zermalmen und dessen Verbündete aus dem kalten Gallien und Germanien unter einer Wolke glutheißen Sandes begraben werde. Die Nachricht von dieser Episode geht auf Orosius zurück. Gildos Prahlereien und seinen bunten Haufen von verbündeten Barbaren besingt Claudian (De consulatu Stilichonis 1,345-355). Aber der Maure, der die Armee des Honorius kommandierte, war mit den Gebräuchen seiner Landsleute zu gut vertraut, als dass er ernstlich Sorge vor den nackten und ungeordneten Barbarenhaufen gehabt hätte; welche an ihrem linken Arm anstelle eines Schildes durch eine Decke geschützt waren; welche vollkommen waffenlos dastanden, wenn sie erst einmal den Wurfspieß mit ihrer Rechten geworfen hatten; und deren Pferde nie gelernt hatten, sich durch einen Zügel lenken zu lassen geschweige ihm zu gehorchen.

Mascezel und seine fünftausend Veteranen bezogen in Sichtweite ihres ungleich überlegenen Feindes ihr Lager, warteten drei Tage und begannen dann den Angriff. Der Heilige Ambrosius, der damals ein Jahr tot war, entdeckte in einer Vision Zeitpunkt und Ort des Sieges. Hernach berichtete Mascezel Paulinus von diesem Traumgesicht. Dieser erste Biograph des Heiligen kann die Episode leicht dem Orosius weitererzählt haben. Als Mascezel seiner Front mit ehrlich gemeinten Friedens- und Amnestieangeboten voranritt, traf er auf einen der vordersten afrikanischen Bannerträger und schlug ihn mit dem Schwert gegen den Arm, da dieser den Rückzug verweigerte. Arm und Standarte sanken unter der Wucht des Hiebes; und eilig wurde diese vorgebliche Geste der Unterwerfung von allen Bannern aus der vordersten Front wiederholt. Auf dieses Zeichen riefen die abtrünnigen römischen Kohorten den Namen ihres wahren Herrschers aus; die Barbaren, verwirrt durch den Abfall ihrer römischen Verbündeten, zerstreuten sich ihrer Sitte gemäß in hastiger Flucht; und Mascezel errang so die Ehre eines leichten und fast unblutigen Sieges Zosimus (5,11) nimmt allerdings an, dass es ein sehr hartnäckiges Gefecht gewesen sei; indessen scheint uns die Darstellung des Orosius unter dem Namen »Wunder« ein paar entscheidende Fakten vorzuenthalten..

Der Tyrann rettete sich vom Schlachtfeld in schnöder Flucht an die Küste und warf sich auf ein kleines Schiff in der Hoffnung, irgendwo im Osten einen gastlichen Hafen zu finden; aber der hartnäckige Wind trieb ihn immer wieder nach Tabraca Tabraca liegt zwischen den beiden Hippos (Cellarius, Geographia antiqua, Band 2, Teil 2, p.112; d'Anville, Géograpie ancienne, Band 3, p. 84). Orosius hat ihn ausdrücklich als Ort der Schlacht erwähnt, aber unsere Unkenntnis verbietet es uns, die genaue Lage zu benennen. zurück, welcher Hafen zusammen mit der übrigen Provinz die Autorität des Honorius und seines Generals bereits anerkannt hatte. Zum Beweis ihrer Reue und Zuverlässigkeit hatten die Einwohner Gildo festgesetzt und in den Kerker geworfen; und in seiner aussichtslosen Lage ersparte er sich den Tort, die Gegenwart seines siegreichen Bruders zu ertragen, dem er so viel Unrecht getan hatte. Gildos Tod wird von Claudian (De consulatu Stilichonis 1,357) und seinen Interpreten, Zosimos und Orosius, erzählt. Die übrigen Gefangenen und die Beute wurde dem Kaiser zu Füßen gelegt; Stilicho jedoch, dessen Mäßigung auf dem Gipfel seines Glückes nur umso aufrichtiger schien, bestand nach wie vor darauf, die Gesetze der Republik zu achten und die überantwortete dem Senat und Volk von Rom die berüchtigtsten Verbrecher zur Aburteilung. Claudian (De consulato Stilichonis 2, 99-119) beschreibt den Prozess »tremuit quos Africa nuper, cernunt rostra reos.« [..., die neulich Afrika entsetzten, stehen nun als Angeklagte vor Gericht] und begrüßt die Wiederherstellung der altehrwürdigen Verfassung. An dieser Stelle schreibt er auch den berühmten, den Freunden des Despotismus so vertrauten Satz: ...numquam libertas gratior exstat quam sub rege pio...[...niemals entfaltet die Freiheit lieblicher als unter einem frommen König]. Aber eine Freiheit, die von königlicher Frömmigkeit anhängt, verdient diesen Namen nicht. Der Prozess war öffentlich und förmlich; aber die Richter zeigten sich bei Ausübung ihres Amtes begierig, die afrikanischen Magistrate zu bestrafen, welche die Nahrungszufuhr nach Rom gefährdet hatten.

Die reiche und schuldbeladene Provinz war von kaiserlichen Beamten unterdrückt worden, welche jetzt ein natürliches Interesse daran hatten, die Zahl der Komplizen Gildos zu mehren; und wenn ein Edikt des Honorius auch der widerwärtigen Tätigkeit der Berufsdenunzianten einen Riegel vorschiebt, so erneuert in Abstand von immerhin zehn Jahren ein weiteres Edikt die Verfolgung der Vergehen, welche in der Zeit der allgemeinen Erhebung stattgefunden hatten. Siehe Codex Theodosianus 9,39,3 und 9,40,19. Die Anhänger des Tyrannen, die dem ersten Wüten der Soldateska und den Prozessen entkommen waren, mochten einigen Trost schöpfen aus dem tragischen Schicksal seines Bruders, welchem man niemals seine außerordentlichen Leistungen verziehen hatte.

Nachdem er diesen wichtigen Krieg in nur einem einzigen Winter beendet hatte, wurde Mascezel am Hof zu Mailand mit lautem Beifall, erheuchelter Dankbarkeit und heimlichen Neid begrüßt; Stilicho, der an allen Siegen des Theodosius und seines Sohnes ein gleiches Verdienst für sich reklamiert, behauptet nachdrücklich, dass Afrika durch seine wohldurchdachten Ratschläge zurück gewonnen wurde. (vergleiche hierzu eine von Baronius veröffentlichte Inschrift, CIL VI, 1730); und sein Tod, möglicherweise die Folge eines Unfalles, wurde allgemein als ein Verbrechen des Stilicho angesehen. Als der Maure zusammen mit dem Heermeister des Westens eine Brücke überquerte, wurde er unversehens von seinem Pferd ins Wasser gestoßen; die hastig einsetzenden Rettungsversuche der Begleitung wurde durch ein grausames, perfides Lächeln beendet, welches sie auf dem Gesicht des Stilicho wahrnahmen; und während sie die nötigen Hilfeleistungen hinauszögerten, ertrank der unglückliche Mascezel endgültig. Ich habe die Darstellung des Zosimos (5,11) abgemildert, da sie in ihrer ungehobelten Einfalt unglaubwürdig ist. Orosius verdammt den siegreichen Feldherren (7,33), weil er das Recht des Heiligtums missachtet habe.

 

HONORIUS HEIRATET · CHARAKTERISTIK

In das Jauchzen über den afrikanischen Triumph fügte sich harmonisch der Jubel anlässlich der Hochzeit des Honorius mit Maria, der Tochter Stilichos: und durch diese gleichberechtigte und ehrenvolle Partnerschaft gelangte der mächtige General in eine Art Vaterstellung gegenüber seinem königlichen Zögling. Claudians Muse verfehlte nicht, diesen Tage der Freude auszuschmücken: Claudian hat in seiner Eigenschaft als poeta laureatus ein feierliches und ausgearbeitet Hochzeitspoem in 340 Versen verfasst; und darüber hinaus noch ein paar fröhliche Liedchen, die in der Hochzeitsnacht in freier Intonation gesungen wurden. in zahlreichen und lebhaften Zeilen besang er das königliche Paar und den Ruhm des Helden, welcher ihren Bund bestätigt und zugleich den Thron gestärkt habe. Der Genius der Dichtung rettete sogar die uralten griechischen Mythen, die schon lange kein Gegenstand religiöser Erbauung mehr waren, vor dem Untergang. Er malte das Bild des Haines auf Zypern, des Sitzes von Harmonie und Liebe; den Siegeszug der Venus; und den mildtätigen Einfluss, den sie durch ihre schiere Anwesenheit im Palast von Mailand ausgeübt hatte; für alle Zeiten der Ausdruck natürlicher Herzensempfindungen in der lieblichen Sprache der Dichtung.

An der Stelle jedoch, an welcher Claudian von der Ungeduld des Liebhabers im Zusammenhang mit dem jungen Herrscher spricht, »Calet obvius ire Jam princeps, tardumque cupit discedere solem. Nobilis haud aliter ›sonipes‹« – [...schon lechzt der Kaiser, ihr zu begegnen und wünscht, das die trödelnde Sonne untergehe; gerade so wie ein edler Hengst]. Claudian, de Nuptiis Honorii et Mariae, 287, und noch derber in den Feszenninen 112-126: »Dices, 0 'quoties', hoc mihi dulcius Quam flavos ›decies‹ vincere Sarmatas....Tum victor mandido prosilias toro Nocturni referens vulnera proelii.« [Wie oft sagst du dann »Oh! Das ist mir süßer als zehnmal blonde Sarmaten zu besiegen. Dann erhebst du dich als Sieger vom feuchten Beilager und trägst die Wunden des nächtlichen Kampfes davon]. dürfte er bei den Höflingen ein Grinsen verursacht haben; und die junge, schöne Ehefrau (wenn man sie denn schön nennen durfte) hatte von der Leidenschaft ihres jugendlichen Liebhabers wenig zu hoffen und nichts zu fürchten: Honorius war erst vierzehn Jahre alt; Serena, die Mutter seiner Braut, setzte den Vollzug der königlichen Hochzeit durch List oder Überredung aus; Maria starb unberührt, nachdem sie zehn Jahre lang die Ehefrau gegeben hatte; und die Keuschheit des Herrschers war durch seine Gefühlskälte oder Blödigkeit gesichert. Zosimos 5,28. Seine Untertanen, die ihres Herrschers Charakterzüge mit großer Aufmerksamkeit beobachteten, entdeckten schon bald, dass Honorius frei von Leidenschaften und mithin ohne jede Begabung war; und dass seine schwächelnde und schlaffe Konstitution ihn außerstande setzte, weder die Verpflichtungen seines hohen Amtes wahrzunehmen noch die Vergnügungen seiner jungen Jahre.

In früher Jugend hatte Honorius einige Fortschritte im Reiten und Bogenschießen gemacht: aber bald schon gab er diese ermüdenden Hantierungen wieder auf, und die wichtigste tägliche Obliegenheit des Herrschers des Westreiches wurde die - Hühnerfütterung; Prokop, De bello Gothico 1,2. Ich habe das allgemeine Verhalten des Honorius bei Prokopius entlehnt, ohne mir diese einzigartige und in der Tat unglaubliche Geschichte zu Eigen zu machen, die der griechische Historiker hier erzählt. das Regieren legte er in die starken und bewährten Hände Stilichos, seines Aufpassers. Die nachfolgende Chronik leistet der Vermutung Vorschub, dass dieser im Purpur geborene Herrscher eine schlechtere Ausbildung erhalten hatte als der geringste Bauer seines Reiches; und dass die ehrgeizigen Minister seiner Umgebung es zuließen, dass er in das Mannsalter trat, ohne jemals seinen Mut erprobt oder seinen Verstand benutzt zu haben. Die Lektionen des Theodosius oder besser des Claudian (Die IV consulatu Honorii 214-418) dürften eine vortreffliche Schule für künftige Herrscher eines großen und freien Landes abgeben. Sie standen weit über den Möglichkeiten des Honorius und seiner verkommenen Untertanen. Die Vorfahren des Honorius belebten durch ihr Vorbild oder doch wenigstens ihre Anwesenheit den Mut ihrer Legionen; und die Unterschrift unter ihre Gesetze legt Zeugnis ab von ihrer beständigen Reisetätigkeit durch die Provinzen der römischen Welt. Aber der Sohn des Theodosius verbrachte sein Leben im Halbschlaf, ein Gefangener in seinem Palast und ein Fremder in seinem Land, ein geduldiger, fast schon apathischer Zuschauer beim Untergang des Weströmischen Reiches, welches wiederholt von Barbaren angegriffen und endlich zerstört wurde. In der ereignisreichen achtundzwanzigjährigen Geschichte dieser Regentschaft wird es nur selten erforderlich werden, den Namen des eigentlichen Regenten, Honorius, auch nur zu erwähnen.


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