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XXXII

ARCADIUS HERRSCHER DES OSTENS · AUFSTIEG UND FALL DES EUTROPIUS · AUFSTAND DES GAINAS · VERFOLGUNG DES ST. CHRYSOSTOMOS · THEODOSIUS II HERRSCHER DES OSTENS SEINE SCHWESTER PULCHERIA · SEINE FRAU EUDOCIA · KRIEG GEGEN PERSIEN UND TEILUNG ARMENIENS

 

DAS OSTREICH A.D. 395-1453

Die Teilung der Römischen Welt unter die Söhne des Theodosius markiert die endgültige Etablierung des Ostreiches, welches sich eintausendundachtunfünfzig Jahre lang, vom Beginn der Herrschaft des Arcadius bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken, in einem dauernden Zustand des drohenden Niederganges befand. Der Herrscher dieses Reichs beanspruchte und verteidigte unerschüttert den leeren und am Ende nur noch fiktiven Titel eines Römischen Kaisers, während die verbrieften Titel Caesar und Augustus lediglich die Illusion aufrecht erhielten, dass er der rechtmäßige Nachfolger des ersten der Menschen sei, welcher die erste der Nationen beherrscht hatte.

Der Palast von Konstantinopel konnte es mit persischer Prachtentfaltung aufnehmen, ja, übertraf sie vielleicht sogar noch; und St. Chrysostomos' Bruder Montfaucon, der auf Anordnung seiner Benediktinischen Oberen (siehe Logueruana, Band 1, p. 205) das mühselige Geschäft der Herausgabe von St. Chrysostomos (Paris 1718-1738, in dreizehn starken Foliobänden!) besorgen musste, macht sich einen Spaß daraus, dieser ungeheuren Materialfülle ein paar merkwürdige Antiquitäten zu entnehmen, welche die Zustände des theodosianischen Zeitalters illustrieren. (Siehe Chrysostomos, Opera Band 13, p. 192-196, und die französische Abhandlung in den Mémoires de l'Académie des Inscriptions, Band 13 (1748), p. 474-490. feiert in wortgewaltigen Predigten des Arcadius pompösen Luxus, während er ihn doch verdammt. »Der Kaiser,« so sagt er, »trägt ein Diadem auf dem Haupt oder eine Goldkrone, verziert mit Steinen von unschätzbarem Wert. Dieser Zierrat und seine Purpurgewänder sind allein seiner geheiligten Person vorbehalten; und seine Seidenroben sind gesäumt mit goldenen Stickereien von Drachen. Sein Thron ist massives Gold. Wenn er sich in der Öffentlichkeit blicken läßt, ist er umgeben von Höflingen, Leibwache und Hofbeamten. Deren Speere, Schilde und Panzer, das Zaumzeug und die Decken der Pferde sind entweder aus Gold oder sehen wenigstens so aus; und der große Schildbuckel ist von kleineren umgeben, die wie ein menschliches Auge aussehen, Die beiden Maultiere, die den Wagen des Herrschers ziehen, sind fleckenlos weiß und über und über von Gold glänzend. Der Wagen selbst, ebenfalls von reinem, massiven Gold, erregt die Bewunderung der Zuschauer, welche die Purpurvorhänge bestaunen, die schneeweißen Decken, die herrlichen Steine und die funkelnden Goldbeschläge, welche bei jeder Bewegung des Wagen glitzern. Die kaiserlichen Bilder sind weiß auf blauem Grund; der Kaiser selbst erscheint auf seinem Throne, seine Waffen, Pferde und Leibwache neben ihm und seine besiegten Feinde in Ketten zu seinen Füßen.«

Die Nachfolger des Constantin errichteten ihre dauernde Residenz in der Kaiserstadt, welche er an der Grenze Europas zu Asien begründet hatte. Der Wut ihrer Feinde und wohl auch den Klagen ihrer Bürger unerreichbar, erhielten sie bei jedem Wind die Tributzahlungen aus allen Weltgegenden; während die unüberwindlichen Mauern ihrer Hauptstadt auf Menschenalter hinaus dem feindlichen Anrennen der Barbaren spotteten. Adria und Tigris bildeten die Grenzen ihres Reiches; und die riesige Entfernung von fünfundzwanzig Tagesreisen zwischen der klirrenden Kälte Skythiens und Äthiopiens Gluthitze Unter der ungesicherten Annahme, dass ein Schiff bei günstigem Winde 1000 Stadien oder 125 Meilen an einem Tage und in einer Nacht zurücklegen kann, errechnete Diodoros Siculus (Band 1, p. 200) von der Maeotis (Asowsches Meer) nach Rhodos zehn und von Rhodos nach Alexandria vier Tage. Die Flussfahrt auf dem Nil von Alexandria nach Syene am Wendekreis des Krebses erforderte, da sie gegen die Strömung ging, zehn weitere Tage. Er mag mit gutem Recht an der Grenze zur heißen Zone von extremer Hitze sprechen; aber er schildert den Maeotis (47. nördlicher Breite), als läge er auf dem Polarkreis. lag innerhalb ihres Herrschaftsbereiches. Die volkreichen Länder dieses Kaiserreiches waren die Heimat von Kunst und Gelehrsamkeit, von Luxus und Reichtum; und die Einwohner, die die Sprache und die Sitten der Griechen pflegten, bezeichneten sich selbst und nicht ganz ohne Berechtigung als den aufgeklärtesten und kultiviertesten Teil des Menschengeschlechtes. Die Staatsform war eine reine, unverfälschte Monarchie; der Name Römische Republik, der solange noch schwache Erinnerungen an Freiheit hatte anklingen lassen, blieb den lateinischen Ländern des Westens vorbehalten; die Herrscher von Konstantinopel kannten keinen anderen Maßstab für ihrer Macht als die sklavische Unterwürfigkeit ihrer Untertanen. Es war ihnen unbekannt oder gleichgültig, wie sehr dieses passive Verhalten jede geistige Fähigkeit abstumpft und verkümmern lässt. Die Untertanen, die ihren Willen der absoluten Befehlsgewalt ihres Herren unterworfen hatten, waren gleichermaßen außerstande, ihr Leben und ihren Besitz gegen die Angriffe der Barbaren zu verteidigen wie ihren Verstand von den Bedrückungen des Aberglaubens freizuhalten.

 

ARCADIUS-EUTROPIUS · A.D. 395-399

Die ersten Ereignisse in der gemeinsamen Herrschaft des Arcadius und Honorius stehen so unmittelbar miteinander in Beziehung, dass dem Gotenaufstand und dem Sturz des Rufinus bereits ihr Platz in der Geschichte des Westens zugewiesen wurde. Es wurde berichtet, dass Eutropius, einer der führenden Eunuchen, Barthius, welcher seinen Autoren mit dem blinden Ergebenheit eines Kommentatoren verehrt, gibt den beiden Büchern, die Claudian gegen Eutropius verfasst hat, den Vorzug vor allen seinen anderen Gedichten. (Baillet, Jugemens des Savans, Band 4, p. 227). In der Tat handelt es sich hier um eine elegante und witzige Satire; aber sie wäre im Sinne des Historikers noch wertvoller, wenn seine Angriffe weniger pauschal und etwas gemäßigter gefasst wären. im Palast von Konstantinopel, dem hochmütigen Minister folgte, dessen Sturz er eingefädelt hatte und dessen Laster er schon bald nachahmte. Jedermann im Staate beugte sich dem neuen Günstling, und ihre brave und bereitwillige Unterwerfung ermutigte ihn zu neuen Gesetzesbrüchen und – was noch gefährlicher und auch schwieriger ist – zur Korruption der Sitten seines Landes. Noch unter den schwächsten Vorgängern des Arcadius war der Einfluss der Eunuchen geheim und ohne jedes Aufsehen gewesen. Sie erschlichen sich das Vertrauen ihres Herrschers; aber ihre offizielle Aufgabe war beschränkt auf die niederen Dienste des Kleiderbewahrers und Hüters des kaiserlichen Schlafgemachs. Sie mochten wohl auf direktem Wege durch Einflüsterungen die öffentlichen Beratschlagungen beeinflussen oder durch bösartiges Ränke Ruf und Vermögen angesehener Mitbürger ruinieren; aber niemals waren sie so dreist, sich an die Spitze des Reiches zu stellen Nachdem sich Claudian über den wachsenden Einfluss der Eunuchen im römischen Palast beklagt und deren wirkliche Aufgaben benannt hat, fügt er hinzu: »A fronte recedant Imperii.« [Vor der Spitze des Reiches weichen sie zurück]. In Eutropium 1, 422. Allerdings sieht es nicht danach aus, dass der Eunuch einen einflussreichen Posten des Reiches erhalten hätte; in dem Erlass für seine Verbannung wird er lediglich »praepositus sacri cubiculi« [Aufseher des Heiligen Schlafgemaches] genannt. Siehe Codex Theodosianus 9, 40,17. oder die Ehrenstellungen des Staates zu missbrauchen.

Eutropius war der Erste dieser sinistren Menschenart, welcher die Stellung eines Römischen Magistrates oder Generals »Iamque oblita sui, nec sobria divitiis mens/In miseras leges hominumque negoti a ludit:/Judicat eunuchus ... Arma etiam violare parat....« [Schon hat er sich ganz vergessen, trunken ist sein Verstand vom Reichtum; spielt mit schlechten Gesetzen und den Geschäften der Menschen: so spricht ein Eunuch Recht...für Waffen hat er nur Hohn]. Claudian (In Eutropium 1,229-270) beschreibt mit jener Mischung aus Empörung und Frohsinn, die bei den Satirikern immer so gefällt, die Dummheit des Eunuchen, dieser Schande des Reiches und Freude der Goten: »Gaudet, cum viderit, hostis, Et sentit iam deesse viros.« [Es freut sich der Feind, wenn er uns sieht, denn er merkt: es fehlt an Männern]. zu beanspruchen wagte. Bisweilen bestieg er die Rednertribüne, um Urteile zu verkünden oder einen bombastischen Redeschwall zu tun, dies in Gegenwart des Senates, der darüber errötete; ein anderes Mal erschien er zu Pferde an der Spitze seiner Soldaten wie ein Held bewaffnet und gekleidet. Die Verachtung von Brauchtum und Anstand verrät zuverlässig ein schwaches und fehlgeleitetes Gemüt; auch scheint Eutropius seine albernen Auftritte nicht durch irgendwelche höheren Verdienste oder besonders geschicktes Handeln kompensiert zu haben. In seinen früheren Jahren oblag er jedenfalls nicht dem Studium der Gesetze und ließ sich auch nicht im Felde blicken; seine erfolglosen Anläufe bewirkten bei Außenstehenden nur heimliche Verachtung; die Goten wünschten inständig, dass so ein General immer an der Spitze der römischen Armeen stehen möge; und der Name des Ministers ward ein Gelächter, was für einen Würdeträger verheerender ist als Hass. Die Untertanen des Arcadius erinnerten sich mit Empörung daran, dass dieser hässliche und abgelebte Eunuch, Des Dichters anschauliche Beschreibung seines abstoßenden Äußeren (1,110-125) wird durch das authentische Zeugnis des Chrysostomos bekräftigt (Opera, Band 3, p.384), welcher mitteilt, dass das Gesicht des Eutropius nach dem Entfernen der Schminke noch runzliger und hässlicher war als das einer alten Vettel. Claudian (1,469) bemerkt, und diese Bemerkung kann nur auf persönlicher Wahrnehmung beruhen, dass es zwischen der Jugend und dem Altersverfall des Eunuchen kaum einen Übergang gebe. dieses Zerrbild des männlichen Geschlechtes, ein elendes Sklavendasein gefristet hatte; und dass er vor dem Eintritt in den Palastdienst von hundert Herren nacheinander ge- und verkauft worden war, die seine Jugend mit allen möglichen niedrigen und abartigen Diensten erschöpft hatten und ihn schließlich im Alter in die Freiheit und Armut Eutropius stammte offenbar aus Armenien oder Assyrien. Die drei Dienste aber, die er geleistet hatte und die von Claudian eingehender beschrieben werden (In Eutropium 1,31-137), waren diese: 1. Viele Jahre war er der Buhlknabe des Ptolemaios, eines Pferdeknechtes oder Soldaten in den kaiserlichen Stallungen; 2. Ptolemäus reichte ihn an den alten General Arintheus weiter, für den er mit viel Geschick das Amt eines Kupplers versah. 3. Er wurde bei der Hochzeit von Arintheus' Tochter dieser mitgegeben; und hier war der künftige Konsul damit beschäftigt, ihr das Haar zu kämmen, ihr die silberne Wasserkanne zu halten, sie zu waschen und der Herrin bei heißem Wetter Kühlung zuzufächeln. verstießen.

Während diese Schauergerüchte ihre Bahnen zogen und in privaten Gesprächen sich beständig vergrößerten, wurde der Eitelkeit des Günstlings mit den schönsten Ehrungen geschmeichelt. Im Senat, in der Hauptstadt, in den Provinzen wurden Marmor- und Bronzestatuen des Eutropius errichtet und erhielten als Inschrift den pompösen Titel des dritten Gründers von Konstantinopel. Er erhielt den Rang eines Patriziers, was nach populärer und sogar gesetzeskonformer Deutung den Vater des Kaisers bezeichnete; und das letzte Jahr des vierten Jahrhunderts wurde verdunkelt durch das Konsulat eines Eunuchen und eines Sklaven. Dieses unerhörte und unsühnbare Zeichen Claudian (In Eutropium 1-22) zählt zunächst die diversen Vorzeichen auf, etwa Schreckensvögel, sprechende Tiere, Blut- oder Steinregen, doppelte Sonnen &c, wobei er wohl auch übertreibt: ommnia cesserunt eunucho consule monstra [Jedes Monstrum ist harmloser als ein Eunuch zum Konsul]. Das erste Buch endet mit einer Rede der Göttin Rom an ihren Liebling, Honorius, in welcher sie bat, diese neuartige Schande, der sie jetzt ausgesetzt war, von ihr abzuwenden. rief jedoch die Vorurteile der Römer auf den Plan. Der Westen tilgte diesen weibischen Konsul als einen einmaligen Schandfleck aus den Jahrbüchern der Republik; und ohne eigens die Schatten des Brutus oder Camillus zu beschwören, führte der Kollege des Eutropius, ein gelehrter und honoriger Beamter, lavius Mallius Theodorus, dessen bürgerliche Ehrenstellungen und philosophische Arbeiten Claudian in einem sehr eleganten Panegyricus rühmt. die Unterschiede zwischen den beiden Verwaltungen hinreichend vor Augen.

 

SEINE KÄUFLICHKEIT UND SEINE UNGERECHTIGKEIT

Rufinus' kühnes und entschlossenes Gemüt scheint von einem sanguinischen und rachelüsternen Temperament regiert worden zu sein; aber die Habgier des Eunuchen war nicht minder unersättlich als die des Präfekten. [Ü.a.d.Griech.: trunken vor Reichtum] ist der derbe Vergleich des Zosimos 5,10; und die Habgier des Eutropius wird im Lexikon des Sudas und der Chronik des Marcellinus auf ähnliche Weise verflucht. Oft hatte auch Chrysostomos den Günstling vor der Eitelkeit und der Gefahr unmäßigen Reichtums gewarnt (Opera, Band 3, p. 381). Solange er nur solche staatlichen Übeltäter ausplünderte, die ihrerseits durch das Berauben des Volkes reich geworden waren, mochte Eutropius seiner Habsucht genügen, ohne viel Neid zu erregen oder Unrecht zu tun. Die üblichen Foltermethoden wurden angewandt und ausgeweitet; und Claudian hat ein sehr lebhaftes und authentisches Bild einer solchen staatlichen Maßnahme entworfen.

»Die Impotenz des Eunuchen« (sagt der bissige Satiriker) »hat immerhin dazu beigetragen, seine Habgier zu vergrößern: dieselbe Hand, die er in seiner Sklavenzeit für kleinere Diebereien am Eigentum seiner Herren einsetzte, greift nun nach dem Wohlstand der ganzen Welt; und dieser elende Krämer taxiert und teilt das ganze Römische Reich vom Hämusgebirge bis zum Tigris. Ein Mann wird als Gegenleistung für sein Landhaus zum Prokonsul von Afrika; ein zweiter erwirbt für die Juwelen seiner Frau Syrien; und ein dritter führt Klage, dass ihn die Verwaltung von Bythinien sein väterliches Erbe gekostet habe. Im Vorzimmer des Eutropius befindet sich, dem Publikum zur Kenntnisnahme, eine große Tafel, auf der die jeweiligen Preise für die römischen Provinzen verzeichnet sind. Die unterschiedlichen Sätze für den Pontus, Galatia oder Lydien werden präzise berechnet. Lycien kann man bereits für so und soviel tausend Pfund Gold erhalten; aber der Zugang zu Phrygiens Reichtum verlangt deutlich mehr. Der Eunuch möchte inmitten der allgemeinen Misstimmung den ihm persönlich gewidmeten Hass vergessen machen; und da er früher selbst verkauft worden ist, will er jetzt die ganze Menschheit verkaufen. Hierbei ist das Wohl und Wehe einzelner Provinzen oftmals ungewiss; und bis sich die Wagschale der einen Seite zuneigt, bleibt das Urteil des Richters besorgniserregend in der Schwebe. »...certantum saepe duorum Diversum suspendit onus: cum pondere judex Vergit, et in geminas nutat provincia lances.« [...oftmals, wenn zwei Wettbewerber sich zanken, wägt er das Gewicht der Gegenparteien; und bis die Schale mit der schwereren sich nieder neigt, schwankt die Provinz von einer zur anderen]. Claudian (1,192-209) geht so sehr in die Nebenumstände bei diesem merkwürdigen Verkauf, dass hier insgesamt Anspielungen auf besondere Vorkommnisse vorzuliegen scheinen. So also,« fährt der Dichter empört fort »steht es mit den Früchten römischer Macht, des Sieges über Antiochus und der Siege eines Pompeius.«

Dieses Markten mit öffentlichen Ämtern garantierte auch zukünftigen Verbrechen Straflosigkeit; aber die Reichtümer, die sich Eutropius durch seinen Diebstahl von Staates wegen zusammen gerafft hatte, waren schon vorher durch Unrecht besudelt; denn es gehörte sich, Wohlhabende, nach deren Reichtümern ihn verlangte, anzuklagen und zu verurteilen. So mancher Adlige wurde durch Henkershand hingerichtet; und noch die entlegensten und unwirtlichsten Gegenden des Reiches füllten sich mit schuldlos Exilierten von Adel.

 

ABUNDANTIUS UND TIMASIUS

Unter den Generälen und Konsuln des Ostens hatte Abundantius Claudian (In Eutropium 1, 154-170) erwähnt die Schuld und das Exil des Abundantius; auch konnte es nicht fehlen, dass er das Beispiel des Künstlers erwähnte, der den ersten Versuch mit dem Stier aus Erz unternahm, den er dann dem Phalaris präsentierte. Siehe Zosimos, 5,10; Hieronymus, Band 1, p 26. Die widersprüchlichen Ortsangaben sind leicht erklärt; aber das entscheidende Ansehen des Asterius von Amasia (Orationes 4, p. 76, bei Tillemont, Histoire des empereurs Band 5, p. 435) muss für Pityus den Ausschlag geben. als einer der Ersten Anlass, Eutropius' Anwandlungen zu fürchten. Er hatte das unverzeihliche Verbrechen begangen, den verworfenen Sklaven in den Palast von Konstantinopel einzuführen; und eigentlich muss man dem ebenso mächtigen wie undankbaren Favoriten Dank aussprechen, dass er sich mit dem Untergang seines Wohltäters zufrieden gab. Abundantius wurde seiner Reichtümer durch ein kaiserliches Reskript beraubt und nach Pytius am Schwarzen Meer verbannt, dem entlegensten Vorposten der römischen Welt; wo er bei den Barbaren freundliche Aufnahme fand, bis er nach dem Sturz des Eutropius ein milderes Exil zu Sidon in Phönizien fand.

Um Timasius Die Suidas hat (Vermutlich unter Rückgriff auf das Geschichtswerk des Eunapius) ein äußert unvorteilhaftes Bild des Timasius entworfen. Der Bericht über seine Ankläger, die Richter, den Prozess &c stimmt mit den Gepflogenheiten an den antiken und heutigen Grichtshöfen vollständig überein (siehe Zosimos, 5,9ff). Ich bin beinahe versucht, den Roman eines großen Meisters zu zitieren (Fielding, Tom Jones, Works, Band 4, p. 49ff), den man als Geschichte der menschlichen Natur ansehen kann. zu vernichten, bedurfte es einer ernsthafteren und durchdachteren Strategie. Dieser fähige General und Heermeister in Theodosius' Armee hatte in Thessalien durch einen entscheidenden Sieg über die Goten eine Probe seines Könnens abgelegt; aber er war nach dem Vorbild seines Herren allzu leicht geneigt, sich dem Luxus des Friedens hinzugeben und sein Vertrauen an intrigante Schmeichler mit krimineller Begabung zu verschwenden. Timasius hatte sich nicht um den öffentlichen Protest gekümmert, als er einem verrufenen Bewunderer das Kommando über eine Kohorte übertrug; und er verdiente sich nachgerade die Undankbarkeit des Bargus, den Eutropius heimlich dazu angestiftet hatte, seinen Patron der hochverräterischen Verschwörung zu beschuldigen. Der General wurde vor den Richterstuhl von Arcadius selbst gezerrt; und der Obereunuch stand neben dem Thron, um seinem Kaiser die Fragen und Antworten einzuflüstern. Da man nun aber diese Art von Verhandlungsführung parteilich und voreingenommen nennen konnte, wurde die fernere Untersuchung der Verbrechen des Timasius in die Hände des Saturnius und Prokopius gelegt: der erstere von konsularischem Rang, der zweite in einigem Ansehen als der Schwiegervater des Kaisers Valens. Der Anschein für ein faires und gesetzmäßiges Verfahren wurde durch die unverdrossene Ehrlichkeit des Prokopius gewahrt, welcher für die kriecherische Beflissenheit seines Kollegen nur Verachtung erübrigte, als dieser über den unglückseligen Timasius den Schuldspruch aussprach. Seine unermesslichen Reichtümer wurden im Namen des Kaisers konfisziert und dem Günstling zugesprochen; er selbst wurde zu lebenslänglichem Exil in Oasis verurteilt, einem einsamen Flecken inmitten der lybischen Sandwüste. Die große Oase war eine der fruchtbaren Orte in Libyens Sand, der, bewässert von Quellen, sogar Weizen, Gerste und Palmen hervorbrachte. Er erstreckte sich etwa drei Tagesreisen in nordsüdlicher Richtung und ein halbe Tagesreise in die Breite und war etwa fünf Tagesreisen westlich von Abydos am Nil entfernt. Siehe d'Anville, Descriptions de l'Egypte, p. 186ff. Die unfruchtbare Wüste, welche die Oase umgab, hatte der Vorstellung von relativer Fruchtbarkeit und sogar dem Epitheton einer glücklichen Insel Raum gegeben (Herodot 3,26).

Abgeschnitten von allem Verkehr mit Menschen, war der Heermeister Roms für die Welt gestorben; allerdings sind über sein weiteres Schicksal nur widersprüchliche Nachrichten im Umlauf. Eutropius soll seine heimliche Hinrichtung angeordnet haben. Die Zeile bei Claudian, In Eutropium, 1,180 »Marmaricus claris violatur caedibus Hammon,« [Marmaricus Hammon wird durch den erlauchten Mord entweiht] spielt deutlich auf seine Überzeugung vom Tode des Timasius an. So wird erzählt, dass bei dem Versuch, der Oase zu entkommen, er vor Hunger und Durst in der Wüste umgekommen sei; und dass man seine Leiche in der Wüste Libyens gefunden habe. Sozomenos 8,7. Er spricht nur vom Hörensagen. Glaubwürdiger klingt indessen die Versicherung, dass sein Sohn Sygarius erfolgreich die Pläne der Hofemissäre und -agenten vereitelt, eine Bande afrikanischer Räuber aufgestellt und Timasius aus seinem Exil befreit habe; und dass dann Vater und Sohn aus dem Gesichtskreis der Menschen entschwunden seien. Zosimos 5,9. Aber er hegt den Verdacht, dass dieses Gerücht von den Freunden des Eutropius gestreut sei. Der niederträchtige Bargus indessen kam nicht in den Genuss der Belohnung für seinen Verrat, sondern untererlag schon bald der größeren kriminellen Virtuosität des Ministers; welcher demnach genug Verstand besaß, sich des Werkzeuges seiner Verbrechen zu entledigen.

 

DAS GRAUSAME GESETZ GEGEN DEN HOCHVERRAT · 4.SEPTEMBER 397

Der Hass der Öffentlichkeit und die Verzweiflung der Betroffenen bedrohte beständig die Sicherheit des Eutropius, zumindest schien es ihm so; ähnlich erging es seinen zahlreichen Anhängern, die von seiner Karriere abhingen und durch seine käufliche Gunst gefördert worden waren. Zu ihrem gegenseitigen Schutz heckte er ein Gesetz aus, welches alle Grundsätze der Humanität und der Gerechtigkeit verhöhnte. Siehe den Codex Theodosianus 9,14, ad legem Corneliam de Sicariis, leg. 3, und den Codex Justinianus 9,8, ad legem Iuliam de Majestate, leg. 5. Die Umbenennung des Titels vom Mord in Hochverrat war eine Verbesserung des spitzfindigen Tribonian. Gothofred erläutert das Gesetz des Arcadius in einer regelrechten Abhandlung, die er in seinen Kommentar eingeflochten hat und erklärt alle die kniffligen Stellen, die von den Rechtsgelehrten des dunklen Jahrhunderte verdreht worden sind. Siehe Band 3, p. 88-111.

I Es wurde im Namen von Arcadius verfügt, dass alle, welche mit Einheimischen oder Fremden sich gegen das Leben einer der vom Kaiser als »Glieder seines eigenen Leibes« bezeichneten Personen verschwören sollte, mit dem Tode und dem Einzug ihres Vermögens bestraft werden sollten. Diese Form des angeblichen oder metaphorischen Verrates wird definiert nicht nur, um die bekannten Armeegeneräle zu schützen, die Zugang zum Allerheiligsten haben, sondern in gleicher Weise die obersten Hofbediensteten und die Senatoren von Konstantinopel und die Militärbefehlshaber und die zivilen Magistrate in den Provinzen: eine unbestimmte und unendliche Liste, welche unter den Nachfolgern des Constantin einen ganzen Tross subalterner Diener in sich begriff.

II. Diese äußerste Strenge hätte sich allenfalls rechtfertigen lassen, wenn sie nur dazu gedient hätte, die Repräsentanten des Herrschers bei der Ausübung ihrer Amtsgeschäfte vor echter Gewalttätigkeit zu schützen. Aber die gesamte kaiserliche Dienerschaft maßte sich das Vorrecht oder vielmehr die Straflosigkeit an, welche sie in den heikelsten Augenblicken ihres Lebens vor den vorschnellen und wohl auch gerechtfertigten Hassgefühlen ihrer Landsleute schützen sollte; und so wurde durch eine abenteuerliche Pervertierung des Gesetzes jeder private Streit ebenso mit Verfolgung und Strafe bedroht wie eine vollendete Verschwörung gegen den Kaiser und das Reich. Der Erlass des Arcadius erklärt in eindeutiger und unfassbarer Sprache, dass in solchen Fällen von Gedankenverbrechen und Taten mit gleicher Strenge bestraft werden müsste; dass die Kenntnis einer verschwörerischen Absicht, sie würde denn augenblicklich gemeldet, ebenso kriminell sei wie die Absicht selbst; Bartolus versteht hierunter eine schlichte Kenntnis der Tat ohne Anzeichen von Billigung oder Mitwirkung. »Für diese Auffassung«, sagt Baldus, »muss er nun in der Hölle braten.« »Ich für meinen Teil«, so der besonnene Heineccius (Elementa iuris civilis, Buch 4, p. 411), »trete der Theorie des Bartolus bei; aber in der Praxis neige ich der Meinung des Baldus zu.« Aber Bartolus wurde von den Rechtsgelehrten des Kardinals Richelieu gerne zitiert; und so wurde Eutropius sogar noch indirekt schuldig an der Ermordung (1624) des tugendhaften (Francois) de Thou. und dass jeder unbedachte Mann, der sich etwa unterstände, Nachsicht für die Verräter zu erflehen, in dauerhafter öffentlicher Schande leben solle.

III. »Was nun die Söhne der Verräter betrifft« (so fährt der Kaiser fort), »so schenken wir ihnen aufgrund unserer herrlichen kaiserlichen Milde das Leben, obgleich sie dieselbe Strafe wie ihre Eltern verdienen, da sie ihnen vermutlich auch in ihren Lastern ähneln werden; zugleich aber erklären wir sie hiermit für unfähig und unwürdig, ihr väterliches oder mütterliches Erbe anzutreten oder ein Geschenk oder ein Donativ von einem Fremden oder einem Einheimischen zu empfangen. Gebrandmarkt mit erblicher Schande, ausgeschlossen von jeder Aussicht auf Ehrenstellungen oder Vermögen, überlassen wir sie den Fährnissen und Nöten der Armut und der Schande, bis dass sie ihr Leben als eine einzige Kalamität und den Tod als Linderung und Erlösung empfinden.« Mit eben diesen Worten, die das Empfinden der Menschheit zu beleidigen geeignet sind, zollte der Kaiser oder genauer: sein Lieblingseunuch der Milde eines Gesetzes seinen Beifall, welches alle Unmenschlichkeiten und Ungerechtigkeiten auf die Kinder derjenigen häufte, welche irgendwelche angeblichen Verschwörungen unterstützt oder sich nicht von ihnen ferngehalten hatten. Einige der schönsten Leistungen der römischen Rechtsgelehrsamkeit sind uns leider verloren gegangen; aber dieses Edikt, ein bequemes und machtvolles Werkzeug für staatlichen Terrorismus, wurde mit aller Sorgfalt in den Codex Theodosianus und Iustinianus eingefügt; und dieselben Grundsätze wurden in heutigen Zeiten wieder zum Leben erweckt, um die Kurfürsten Deutschlands und die Kardinäle Roms zu schützen. Es wird allerdings die Vermutung geäußert, dass dieses Gesetz, welches zu den germanischen Freiheiten in so krassem Widerspruch steht, der Goldenen Bulle von 1356 nur untergeschoben worden ist.

 

AUFSTAND DES TRIBIGILD · A.D. 399

Indessen waren diese mörderischen Gesetze, welche ein wehr- und orientierungsloses Volk mit Terror überzogen, ungeeignet, um die unternehmende Kühnheit des Ostgoten Tribigild Eine detailfreudige und umständliche Erzählung (die man sich für einen wichtigeren Gegenstand hätte aufheben können) über die Revolte des Tribigild und Gainas stammt aus der Feder des Zosimos (5,13). Siehe außerdem Sokrates 6,6 und Sozomenes 8,4. Das zweite Buch des Claudian gegen Eutropius ist ein schönes, wenn auch unvollendetes Stück Geschichtsschreibung. zu dämpfen. Diese kriegstüchtige Völkerschaft, die Theodosius in den fruchtbarsten Ländereien Phrygiens Claudian (In Eutropium 2, 237-250) stellt mit Genauigkeit fest, dass der alte Name und das Volk der Phrygier sehr weitläufig-unbestimmte Grenzen hatten, bis das Land schließlich zusammengedrängt wurde von den Kolonien des thrakischen Bithyniens, der Griechen und endlich der Gallier. Seine Beschreibung der Fruchtbarkeit Phrygiens und der vier goldführenden Flüsse ist zutreffend und anschaulich. angesiedelt hatte, verglichen mit Neid die schleppenden Einkünfte ihres bideren landwirtschaftlichen Fleißes mit den erfolgreichen Raubzügen und großzügigen Belohnungen eines Alarich; auch war ihr Häuptling mit seinem eigenen ungnädigen Empfange am Hofe zu Konstantinopel übel zufrieden. So hörte die sanfte und wohlhabende Provinz im Herzen des Reiches unvermittelt Kriegslärm; und mancher getreue Vasall, welchen man kujoniert oder missachtet hatte, erneuerte sein Ansehen, sobald er sich wie ein feindlicher Barbar aufführte. Die Weinberge und die fruchtbaren Felder zwischen dem schnellfließenden Marsyas und dem windungsreichen Mäander Xenophon, Anabasis, 1, 2,8; Strabo, 12,8,15; Quintus Curtius 3,1. Claudian vergleicht den Zusammenfluss von Marsyas und Mäander mit dem der Sâone mit der Rhone; mit dem einen Unterschied indessen, dass der kleinere der phrygischen Flüsse durch den größeren nicht beschleunigt, sondern abgebremst wird. standen in Flammen; die mürben Stadtmauern fielen beim ersten Ansturm der Feinde in den Staub; verängstigt flohen die Bewohner vor dem Massaker an den Hellespont; und ein beachtlicher Teil Kleinasiens lag infolge des Aufstandes des Tribigild verheert. Die Bauern von Pamphylien stellten sich seinem Vorwärtsstürmen erfolgreich in den Weg: die Ostgoten, in einem Engpass bei Selgae Selge, eine Pflanzstadt der Spartaner, zählte voreinst zwanzigtausend Einwohner; aber in den Zeiten eines Zosimos war es nur noch eine Kleinstadt. Cellarius, Geographia antiqua, Band 2, p. 117. zwischen tiefem Morast und den Klippen des Taurusgebirges angegriffen, wurden besiegt und verloren ihre besten Krieger. Aber der Geist ihres Anführers wurde durch dieses Missgeschick durchaus nicht gedämpft; und seine Armee wurde beständig ergänzt durch Barbarenhaufen und Gesetzlose, welche auch weiterhin dem Raub-Gewerbe obliegen wollten, wenn auch unter der achtbareren Bezeichnung des Krieges und der Eroberung.

Vielleicht konnten die Gerüchte von Tribigilds Erfolgen eine Zeitlang durch Furcht beiseite geschoben oder durch Schmeichelei verhehlt werden; aber irgendwann schreckten sie doch den Hof und die Hauptstadt auf. Jeder Fehlschlag wurde jetzt durch dunkle Andeutungen aufgebauscht; und bezüglich der künftigen Pläne der Aufständischen verlegte man sich auf angsterfülltes Spekulieren. Zog Tribigild ins Landesinnere, neigten die Römer zu der Annahme, er plane die Überquerung des Taurus und den Einmarsch in Syrien. Bewegte er sich aufs Meer zu, vermuteten sie, ja schlugen dem Gotenkönig wohl auch das riskante Projekt vor, in den Ionischen Häfen eine Flotte auszurüsten und seine Raubzüge auf die Küstenländer zwischen der Nilmündung und Konstantinopel zu beschränken. Die näherrückende Gefahr und Tribigilds hartnäckige Weigerung, sich auf irgendwelche Schlichtungsgespräche einzulassen, bestimmtem Eutropius endlich, einen Kriegsrat einzuberufen. Der Kriegsrat des Eutropius bei Claudian lässt sich vergleichen mit dem des Domitian in der vierten Satire des Juvenal. Die Hauprpersonen des ersteren waren »juvenes protervi lascivique senes « [ungezogene Jüngelchen und Lustgreise]; einer von ihnen war früher Koch, der andere Wollkämmerer gewesen. Die Sprache ihres früheren Gewerbes verrät ihre Anmaßung, und ihre lächerliche Konversation über Tragödien, Tänzer &c. wirkt vor dem Hintergrund der wichtigen Beratungen nur noch alberner. Nachdem er für sich selbst die Vorrechte eines Soldaten im Ruhestand reklamiert hatte, vertraute der Eunuch den Schutz Thrakiens und des Hellespont dem Goten Gainas an; den Befehl über die asiatische Armee seinem Liebling Leon: beides Generäle, die der Sache der Rebellen auf unterschiedliche, aber wirkungsvolle Weise Vorschub geleistet hatten.

Leon, Claudian (In Eutropium 2,376-461) hat ihn geradezu infam dargestellt; Zosimos (5,14) bestätigt seine Vorwürfe, aber mit gemäßigter Wortwahl. dem seines Körpers Massigkeit und seines Geistes Blödigkeit zu dem Zweitnamen ›Ajax des Orients‹ verholfen hatten, war seinem ursprünglichen Gewerbe eines Wollkremplers treulos geworden, um mit deutlich geringerem Erfolg und Geschick die Militärlaufbahn einzuschlagen; und so waren denn seine dilettantischen Manöver durch eine völligen Unkenntnis der Schwierigkeiten und die haarsträubende Vernachlässigung aller günstigen Gelegenheiten gekennzeichnet. Die Ostgoten hatten sich durch ihr rasches Vordringen zwischen den Flüssen Melas und Eurymedon unversehens in eine missliche Lage gebracht, wo ihnen die Bauern von Pamphylien hart zusetzten; aber die Ankunft der kaiserlichen Armee gab ihnen die Mittel zu Rettung und Sieg an die Hand. Tribigild überrannte im Dunkeln der Nacht das unbewachte Römerlager; machte die Mehrheit der Barbaren in ihrer Treue schwanken und zerstreute ohne sonderliche Mühe die Truppen, welche durch die lose Disziplin und den Luxus der Hauptstadt angekränkelt waren.

Für Gainas, der die Ermordung des Rufinus so kühn geplant und vollendet hatte, war die steile Karriere seines unfähigen Nachfolgers ein dauerndes Ärgernis; er zieh sich selbst des ehrlosen Müßigganges unter dem Sklavenregiment eines Eunuchen; und galt zumindest in der öffentlichen Meinung für überführt, heimlich die Revolte des Tribigild zu begünstigen, war er an ihn doch durch einen Bündnisvertrag gebunden. Von der Verschwörung Gainas und Tribigild, die von griechischen Historikern bestätigt wird, war Claudian nichts zu Ohren gekommen, der den Aufstand der Ostgoten seinem kriegerischen Gemüt und dem Rat seines Weibes zuschreibt. Als Gainas den Hellespont überquerte, um die Trümmer der Asiatischen Armee unter seiner Fahne zu sammeln, passte er seine Truppenbewegungen sorgfältig den Bedürfnissen der Ostgoten an; gab das Land preis, das sie zu überfallen sich anschickten; oder erleichterte seinen barbarischen Hilfstruppen die Desertation. Vor dem kaiserlichen Hofe vergrößerte er die Macht, das Genie und die unerschöpflichen Hilfsquellen des Tribigild; gestand sein Unvermögen ein, den Krieg weiter zu führen; und erlangte die Erlaubnis, mit dem unbezwingbaren Feinde in Verhandlungen einzutreten. Die Friedensbedingungen diktierte der hochfahrende Rebell; und die unabdingbare Forderung nach dem Kopf des Eutropius enthüllte den eigentlichen Urheber und die wahre Absicht dieser feindlichen Verschwörung.

 

DER STURZ DES EUTROPIUS

Der kühne Spötter, der seinen Unmut durch die leidenschaftliche und einseitige Kritik christlicher Herrscher kühlte, beschädigt eher die Würde der Geschichtsschreibung als ihre Wahrheit, wenn er den Sohn des Theodosius mit einer jener unschuldigen und einfältigen Kreaturen vergleicht, welchen kaum zum Bewusstsein kommt, dass sie Eigentum ihres Schäfers sind. Zwei Leidenschaften jedoch, Angst und die Hingabe seines Weib, weckten die träge Seele des Arcadius: die Bedrohung durch die siegreichen Barbaren entsetzte ihn; und er ergab sich der sanften Beredsamkeit seines Gattin Eudoxia, welche, ertränkt in einem Strom erheuchelter Tränen, ihre unschuldigen Kinder ihrem Erzeuger vorwies und um Gerechtigkeit flehte für tatsächliches oder erfundenes Ungemach, die sie dem dreisten Eunuchen vorwarf. Diese übrigens nur von Philostorgios (11,6 und Gothofred, Dissertationes p. 451-456) überlieferte Anekdote ist bemerkenswert und bedeutend deshalb, weil sie den Gotenaufstand mit Palastintrigen in einen Zusammenhang bringt. Des Kaisers Hand war ausgestreckt, das Urteil zu unterzeichnen; der Zauberbann, der vier Jahre lang Herrscher und Volk aneinander gekettet hatte, war mit einem Schlage gebrochen; und die Heilrufe, die unlängst noch die Verdienste und das Glück des Favoriten bejauchzt hatten, wurden unversehens zu lautem Lärm, mit dem Volk und Soldaten seine Verbrechen verurteilten und seinen Kopf forderten.

In dieser Stunde der Not blieb Eutropius als einzige Zuflucht nur noch der geheiligte Raum der Kirche, deren Vorrechte er kluger- oder berechnenderweise festgeschrieben hatte; und der beredteste aller Heiligen, Johann Chrysostomos, freute sich des Triumphes, den bittflehend hingestreckten Minister zu schützen, der ihm durch seine Einflussnahme zum bischöflichen Stuhl Konstantinopels verholfen hatte. Der Erzbischof bestieg die Kanzel, auf dass er von der unzählbaren Menge beiderlei Geschlechtes und jeden Alters besser gesehen und gehört werde, und erging sich angemessen und salbungsreich über die Vergebung von Kränkungen und die Hinfälligkeit menschlicher Größe. Die Seelenangst des bleichen und verschüchterten Schurken, der würdelos unter dem Altartisch auf dem Boden hockte, bot ein eindrucksvolles und lehrreiches Schauspiel; und der Redner, welchem später vorgeworfen wurde, das Unglück des Eutropius verhöhnt zu haben, bemühte sich, die Verachtung des Volkes zu schüren, um seinen Zorn umso besser dämpfen zu können. Siehe die Homilie des Johannes Chrysostomos Band 3, p. 381-386, deren Exordium (Einleitung) besonders schön ist; Siehe Sokrates (6,5) und Sozomenes (8,7). Montfaucon (Leben des Chrysostomos, Band 13, p. 135) nimmt etwas voreilig an, dass Tribigild sich wirklich in Konstantinopel aufgehalten und die Soldaten befehligt habe, die den Auftrag zur Ergreifung des Eutropius hatten. Selbst der heidnische Dichter Claudian (Vorrede zu Buch 2 In Eutropium 27) erwähnt die Flucht des Eunuchen in das Heiligtum. »Suppliciterque pias humilis prostratus ad aras /Mitigat iratas voce tremente nurus.« [Flehend vor frommen Altären zu Boden gestreckt/sucht er milde zu stimmen mit bebender Stimme die zornigen Frauen]. Endlich obsiegten Menschlichkeit, Aberglauben und Überredungskunst. Die Kaiserin Eudoxia wurde durch ihre eigenen Vorurteile oder die ihrer Untertanen dazu gebracht, die Heiligkeit der Kirche zu schonen; Eutropius selbst kapitulierte vor der sanften Kunst der Überredung und dem heiligen Versprechen, dass sein Leben geschont werde. In einer anderen Predigt steht Chrysostomos nicht an zu erklären (Opera, Band 3, p. 386), dass Eutropius niemals gefasst worden wäre, hätte er sich nicht aus der Kirche geflüchtet. Auf der anderen Seite betont Zosimos (5,18), dass seine Feinde ihn mit Gewalt aus dem Heiligtum geschleppt hätten. Aber auch in dem Versprechen schimmert Verrat hindurch; und Claudians feste Versicherung »Sed tamen exemplo non feriere tuo« [Aber du wirst trotzdem nicht nach deinem Beispiel vernichtet werden] kann als Beweis für eine vorangegangene Zusicherung gelten. Unverzüglich und unbekümmert um das Ansehen ihres Herrschers verfügten die neuen Minister, dass sein letzter Favorit die Titel Konsul und Patrizier verwirkt habe, dass seine Statuen zu entfernen, sein Vermögen einzuziehen und er nach Zypern Codex Theodosianus 9,40,14). Das Datum dieses Erlasses (17. Januar A.D. 399) ist fehlerhaft und verderbt überliefert; denn der Sturz des Eutropius kann sich nicht vor dem Herbst desselben Jahres ereignet haben. Tillemont, Histoire des empereurs, Band 5, p. 780. zu einem immerwährenden Exil zu entfernen sei.

Ein in Ungnade gefallener Eunuch konnte nicht länger die Ängste seiner Feinde wach halten; auch war er es ihn nicht gegeben, sich an dem, was noch verblieben war – Frieden, Einsamkeit, ein freundlicher Landstrich – zu erfreuen. Ihr unversöhnlicher Hass missgönnte ihm die letzten Augenblicke seines elenden Lebens, und kaum hatte Eutropius die Küste Zyperns betreten, als er auch schon dringlich zurückbeordert wurde. Die kindische Hoffnung, den Verpflichtungen eines Eides durch einen Ortswechsel zu entgehen, veranlasste die Kaiserin, den Ort des Prozesses und der Urteilsvollstreckung von Konstantinopel auf das nahe gelegene Chalkedon zu verlegen. Der Konsul Aurelian verkündete das Urteil; und der Tenor des Urteils wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Rechtsprechung dieses Willkürregimes. Die Verbrechen, die Eutropius gegen das Volk begangen hatte, hätte ein Todesurteil allemal gerechtfertigt; aber er ward für schuldig befunden, an seine Kutsche die heiligen Tiere angespannt zu haben, welche wegen ihrer Fellfarbe und edlen Rasse nur für kaiserlichen Gebrauch vorgesehen waren. Zosimos 5,18; Philostorgios 11,6.

 

GAINAS STURZ · A.D. 400

Während nun dieses alles vor sich ging, sagte sich Gainas Zosimus (5,18-22); Sokrates (6,4); Sozomenos (8,4); und Theodoretos (5,32 und 33) berichten, wenn auch mit einigen abweichenden Nebenumständen, über die Verschwörung, die Niederlage und den Tod des Gainas. offen von seinen Gehorsamspflichten los; vereinte zu Thyatira in Lydien seine Heeresmacht mit der des Tribigild; und behauptete nach wie vor seine Überlegenheit über den rebellischen Herrscher der Ostgoten. Die vereinten Armeen gelangten, ohne auf Widerstand zu treffen, bis an Hellespont und Bosporus; und Arcadius zeigte sich vorbereitet, dem Verlust seiner asiatischen Herrschaft vorzubeugen, indem er sich ganz und gar der Treue der Barbaren anvertraute. Die Kirche der heiligen Märtyrerin Euphemia, Zosimos (5,18) bedient sich hier unaufmerksamerweise des christlichen Sprachgebrauchs. Euagrios beschreibt (2,3) Lage, Architektur, Reliquien und Wunder dieser berümten Kirche, in welcher später noch das Allgemeine Konzil von Chalkedon stattfand. die in der Nähe von Calchedon an exponierter Stelle lag, wurde zum Verhandlungsort bestimmt. Gainas beugte ehrerbietig das Knie vor seinem Herrscher und verlangte zugleich nach dem Kopf von Aurelian und Saturnius, zwei Ministern von konsularischem Rang; und schon boten sich ihre bloßen Nacken der Schärfe des Schwertes, bis der hochfahrende Rebell ihnen großherzig eine ungewisse und schimpfliche Gnadenfrist gewährte.

Die Goten wurden gemäß den Bedingungen der Übereinkunft unverzüglich von Asien nach Europa übergesetzt; und ihr siegreicher Häuptling, der inzwischen auch noch den Titel eines Heermeisters der Römischen Arme erhalten hatte, überschwemmte Konstantinopel mit seinen Truppen und verteilte unter seinem Anhang Titel und Geldgeschenke. In früher Jugend hatte Gainas die Donau als Bittflehender und Flüchtling überquert; sein Aufstieg war das Ergebnis von Glück und Mut gewesen; sein Untergang die Folge seines hinterhältigen, ja treulosen Verhaltens. Der Proteste des Erzbischofs ungeachtet beanspruchte er mit lästiger Ausdauer ein eigenes besonderes Gotteshaus für seine arianischen Sektierer; und diese sozusagen offizielle Billigung der Ketzerei kränkte den Stolz der Katholiken. Chrysostomos' fromme Gegenrede, die in seinen eigenen Schriften allerdings nicht in Erscheinung tritt, wird von Theodoretos mit Eifer bekräftigt; aber seine versteckte Anspielung, dass sie erfolgreich waren, wird durch die Fakten widerlegt. Tillemont (Histoire des empereurs Band 5, p. 383) hat sogar herausgefunden, dass der Kaiser das Silbergeschirr der Kirche einschmelzen ließ, um das räuberische Verlangen des Gainas zufrieden zu stellen. In allen Stadteilen Konstantinopels gab es Krawall und Unordnung; und die Barbaren gafften mit solcher Gier auf die Auslagen reicher Juweliergeschäfte und die Tische der Geldverleiher, die mit Gold und Silber bedeckt waren, dass man sich klüglich bemüßigt fand, solcherlei gefährliche Einladungen den Augen der Fremden zu entziehen. Diese kränkende Vorsichtsmaßnahme wurde übel vermerkt; und so machten sie während der Nacht ein paar bedenkliche Versuche, den Kaiserpalast anzugreifen und anzuzünden. Die Kirchenhistoriker, die der öffentlichen Meinung bisweilen vorangehen und ihr oft genug auch hinterher laufen, versichern mit Nachdruck, dass der Palast zu Konstantinopel von Engeln bewacht ward.

 

20. JULI 400

In diesem Stadium gegenseitigen Grauens und Misstrauens verriegelten Wachen und Bürger Konstantinopels die Tore und gingen in Waffen, die Aufführungen der Goten abzuwehren oder sie gegebenenfalles zu bestrafen. Als Gainas abwesend war, wurden seine Leute umzingelt und geschlagen; siebentausend Barbaren kamen bei diesem blutigen Massaker ums Leben. Im Eifer der Verfolgung rissen die Katholiken das Dach ab, um brennende Holzbalken hinab zu schleudern auf ihre Gegner, die sich in die Kirche – genauer: in das Versammlungshaus der Arianer – zurückgezogen hatten.

Gainas selbst hatte mit der Sache nichts zu tun oder er war von ihrem Erfolg allzu überzeugt gewesen; die Nachricht vom schmachvollen Untergang der Blüte seiner Armee überraschte ihn, ebenso die Kunde, dass er nunmehr zum Staatsfeind erklärt worden war und dass ein Landsmann, der wackere und zuverlässige römische Bundesgenosse Fravitta, den Krieg zu Lande und zu Wasser weiterführen sollte. Die Unternehmungen des Rebellen gegen die Städte Thrakiens scheiterten an einer wohlvorbereiteten und entschiedenen Verteidigung; seine ausgehungerten Soldaten mussten sich schon bald mit dem Kraut begnügen, welches am Rande der Festungsanlagen wuchs; und Gainas, der sich nun vergeblich nach dem Wohlstand und Wohlleben Asiens zurücksehnte, entschloss sich zu einer Verzweiflungstat, den Hellespont zu überqueren. Ihm fehlten Fahrzeuge; immerhin boten die Wälder der Chersonnes Material für Flöße, und seine furchtlosen Barbaren trugen keine Bedenken, sich den Wellen anzuvertrauen. Aber Fravitta beobachtete den Fortgang ihrer Arbeiten mit wachem Argwohn.

 

23. DEZEMBER 400

Sobald die Goten in der Mitte des Gewässers waren, rauschten die römischen Galeeren, vorangetrieben von Rudern, Strömung und günstigen Winden in geschlossener Ordnung und unwiderstehlicher Stoßkraft heran; Zosimos (5,20) nennt diese Galeeren Liburnias und merkt an, dass sie ebenso wendig waren wie die Fünfzigruderer, ohne genauer auf den Unterschied zwischen ihnen einzugehen; und dass sie den sogenannten Triremen an Geschwindigkeit weit unterlegen waren, welche schon lange außer Gebrauch gekommen waren. Aus den Angaben des Polybius folgert er indessen nicht ohne Grund, dass während der Punischen Kriege noch bedeutend größere Galeeren gebaut worden waren. Vermutlich war seit der Errichtung der Römerherrschaft über das Mittelmeer die Kunst, große Kriegsschiffe zu bauen, nutzlos geworden, sodass man sie vernachlässigt und allmählich verlernt hatte. und der Hellespont deckte sich mit den Trümmern der gotischen Flotte. Als sich nun seine Aussichten zerschlagen und tausende seiner besten Leute ihr Leben verloren hatten, entschied sich Gainas, der nicht mehr darauf hoffen konnte, irgendwann an die Herrschaft zu kommen oder die Römer sonst zu dämpfen, zu einem unabhängigen Räuberleben. Eine leichtbewegliche Kavallerieabteilung, unbehindert von Gepäck oder Infanterie, mochte wohl in acht oder zehn Tagen die dreihundert Meilen vom Hellespont bis an die Donau zurücklegen; Chishul (Travels, p. 61 ff. und 72-76) gelangte in etwa fünfzehn Tagen von Gallipoli über Adrianopel an die Donau. Er befand sich im Gefolge des englischen Gesandten, dessen Gepäck einundsiebzig Gepäckkarren umfasste. Dieser gelehrte Reisende hat das Verdienst, interessante und selten begangene Wege betreten zu haben. von dieser wichtigen Grenze waren im Laufe der Zeit fast alle Garnisonen abgezogen worden; der Fluss selbst mochte, mitten im Dezember, bis auf den Grund zugefroren sein; und die unendlichen Weiten Skythiens boten dem Ehrgeiz des Gainas ein ausreichendes Betätigungsfeld. Diese Pläne wurden nun allerdings den einheimischen Truppen hinterbracht, welche ihr Schicksal an das ihrer Anführer knüpften; und so ließ Gainas noch vor dem Signal zum Aufbruch eine große Anzahl derjenigen Provinzial-Hilfstruppen hinterrücks niedermachen, die zu ihm übergelaufen waren und die er verdächtigte, weiterhin ihrem Vaterland anzuhängen.

Danach ließen die Goten in Eilmärschen die Ebenen Thrakiens hinter sich; die Sorge vor Verfolgung nahm ihnen Fravittas Eitelkeit, der, anstelle den Krieg zu beenden, nach dem Beifall des Volkes und den mit dem Konsulat verbundenen Ehren dürstete. Aber ein furchtbarer Verbündeter trat in Waffen auf den Plan, die Ehre des Reiches wiederherzustellen und Frieden und Freiheit Skythiens zu bewahren. Die Erzählung des Zosimos, der Gainas noch die Donau überqueren lässt, muss durch das Zeugnis des Sokrates und Sozomenos richtig gestellt werden, gemäß denen er noch in Thrakien getötet wurde; was auch durch die genaue und zuverlässigen Angaben der Alexandrinischen Chronik, des Chronikon Paschale, p. 307, bestätigt wird. Der Seesieg auf dem Hellespont wird auf den Monat Apelaeus zehn Tage vor den Kalenden des Januar (23. Dezember) datiert; der Kopf des Gainas wurde drei Tage vor den Nonen des Januar (5. Januar) im Monat Audynaeus nach Konstantinopel gebracht. Die Übermacht von Uldin, dem Hunnenkönig, stellte sich Gainas Vormarsch in den Weg; das Land, feindlich und darniederliegend, verwehrte ihm den Rückzug; er selbst verschmähte jede Kapitulation; und nach wiederholten Versuchen, sich durch die feindlichen Reihen seinen Weg zu bahnen, fand er mit seinen unbedingt ergebenen Anhang auf dem Schlachtfeld den Soldatentod.

 

4. JANUAR 401

Elf Tage nach dem Seesieg auf dem Hellespont wurde der Kopf des Gainas, die unverzichtbare Beute des Siegers, in Konstantinopel mit allen Freuden- und Dankesbezeigungen in Empfang genommen, und das Volk beging das Ereignis mit Feiern und Beleuchtung. Der Sieg des Arcadius wurde zu einem Gegenstand der epischen Dichtung; Eusebius Scholasticus hat sich durch sein Gedicht über den Gotenkrieg, an dem er selbst teilgenommen hatte, manchen Ruhm erworben. Fast vierzig Jahre später trug Ammonius ein Gedicht über denselben Gegenstand in Anwesenheit des Theodosius vor. Siehe Sokrates 5,6. und der Herrscher, der sich nun nicht mehr feindlicher Anschläge zu versehen hatte, ergab sich der mildtätigen und unbeschränkten Herrschaft seines Weibes, der schönen und geistreichen Eudoxia; welche ihr Andenken allerdings durch die Verfolgung des Chrysostomos verdunkelt hat.

 

WAHL DES CHRYSOSTOMOS · 26. FEBRUAR 398

Nach dem Tode des antriebsarmen Nectarius, des Nachfolgers Gregors von Nazianz, war die Kirche von Konstantinopel gespalten durch den Ehrgeiz zweier rivalisierender Kandidaten, welche sich nicht entblödeten, mit Gold und Schmeichelei die Stimmen des Volkes oder eines Günstlings zu ergattern. Bei dieser Gelegenheit scheint sich Eutropius von seinen sonst üblichen Gepflogenheiten verabschiedet zu haben; jedenfalls wurde sein unbestechliches Urteil durch die höheren Verdienste eines Fremden eingenommen. Bei einer früheren Reise in den Osten hatte er die Predigten eines gewissen Johannes schätzen gelernt, eines Presbyters und gebürtigen Antiochiers, dessen Name durch das Epitheton Chrysostomos oder Goldmund geziert wurde. Das VI Buch des Sokrates, das VIII des Sozomenos und das V des Theodoretos bieten eine Fülle von Merkwürdigkeiten und authentischem Material aus dem Leben des Johannes Chrysostomos. Neben diesen Darstellern der allgemeinen Geschichte habe ich mir zum Führer die vier wichtigsten Biographen des Heiligen gewählt. 1: Den Verfasser einer parteiischen und leidenschaftlichen Ehrenrettung des Erzbischofs von Konstantinopel, in Dialogform abgefasst und veröffentlicht unter dem Namen eines eifrigen Parteigängers Palladius, des Bischofs von Helenopolis (Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 11, p. 500-533). Es ist in die Werke des Chrysostomos eingefügt (Band 13, p. 1-92). 2. Den sanften Erasmus: Epistulae MCL, Opera, Band 3, p.1331-1347). Er ist lebhaft und von Natur aus mit gesundem Menschenverstand begabt; seine Irrtümer waren bei dem damaligen rudimentären Zustand der kirchlichen Altertumsforschung unvermeidlich. 3. Den gelehrten Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 11, p. 1-405 und 547-626), der das Leben der Heiligen mit unglaublicher Geduld und frommer Pedanterie zusammengetragen hat. Das gewaltige Opus des Chrysostomos hat er selbst genau durchforscht. 4. Vater Montfaucon, welcher diese Werke mit der neugierigen Sorgfalt eines Herausgebers studiert, mehrere neue Predigten entdeckt und das Leben des Chrysostomos neuerlich revidiert und dargestellt hat. Opera, p. 91-177. An den Gouverneur von Syrien erging eine inoffizielle Anordnung; und da das Volk seinen Lieblings-Prediger wohl nur ungern hätte fahren lassen, wurde er hastig und heimlich in einem Postwagen von Antiochia nach Konstantinopel verbracht. Der einhellige und ungeheuchelte Beifall des Hofes, des Klerus und der Gläubigen bekräftigten die ministerielle Entscheidung; und der Bischof übertraf als Heiliger und als Prediger die hochgesteckten Erwartungen des Publikums bei weitem.

Chrysostomos war aus adliger und wohlhabender Familie in Syriens Hauptstadt gebürtig, auferzogen von einer zärtlichen Mutter und ausgebildet von kenntnisreichen Meistern. Er ging bei Libanius in die Schule der Rhetorik; und dieser gefeierte Sophist, der schon bald die Talente seines Schülers bemerkte, bekannte offen, dass Johannes sein Nachfolger hätte werden sollen, hätte ihn das Christentum nicht hinweggestohlen. Frömmigkeit erlaubte ihm, schon bald das Sakrament der Taufe zu empfangen; die einträgliche und ehrbare Profession eines Gesetzeslehrers auszuschlagen; und sich darnach lebendig in der benachbarten Wüste zu begraben, wo er durch strenge Kasteiung sechs Jahre lang des Fleisches Lust ertötete. Schwäche bestimmte ihn, erneut die Gesellschaft der Menschen aufzusuchen; und die Autorität des Meletius gewann seine Begabung für den Dienst an der Kirche; aber noch inmitten seiner Familie, noch auf dem erzbischöflichen Stuhle beobachtete Chrysostomos die Einhaltung mönchischer Tugenden. Die üppigen Einkünfte, die seine Vorgänger im wesentlichen für Luxus und eitlen Prunk aufgewendet hatten, setzte er gezielt für den Bau von Spitälern ein; und die Volksmassen, die von seiner Milde fristeten, zogen seine eloquenten und erbauenden Predigten sogar den Vergnügungen von Zirkus oder Theater vor.

Der Monumentalbau dieser Beredsamkeit, den man fast zwanzig Jahre lang in Antiochia und Konstantinopel bewundern konnte, ist sorgfältig bewahrt worden, und die Kenntnis von nahezu eintausend Predigten oder Homilien hat die Gelehrten aus späteren Zeiten befähigt, Da mir persönlich die umfangreiche Predigtsammlung des Chrysostomos nahezu unbekannt ist, vertraue ich mich dem Urteil der gewissenhaftesten und besonnensten Kirchen-Gelehrten an, Erasmus und Dupin; aber der gute Geschmack des Ersteren wird bisweilen getrübt durch seine Begeisterung für alles Antike, und der gesunde Menschenverstand des Letzteren durch allzu klügelndes Abwägen. das angeborene Talent des Chrysostomos nach Gebühr zu würdigen. Einhellig bestätigen sie dem christlichen Redner, dass ihm eine elegante und wortreiche Sprache zu Gebote stehe; die Klugheit, sich der Vorteile zu entschlagen, die ihm Philosophie und Rhetorik an die Hand gegeben hatten; ein unerschöpflicher Fundus an Metaphern und Bildern, von Ideen und Vergleichen, um noch die gängigsten Vorstellungen zu variieren und zu illustrieren; die schöne Kunst, Leidenschaft in den Dienst der Tugend zu stellen und die Torheiten und Schändlichkeiten des Lasters mit dem Nachdruck eines Dramas zu inszenieren.

 

SEINE AMTSFÜHRUNG UND IHRE MÄNGEL · A.D. 398-403

Die seelsorgerische Arbeit des Erzbischofs von Konstantinopel rief zwei Arten von Feinden auf den Plan, die sich schon bald vereinten: der karrierebewusste Klerus, der ihm seinen Aufstieg neidete, und die verstockten Sünder, die sich an seinen Ermahnungen ärgerten. Wenn Chrysostomos von der Kanzel der Hagia Sophia herniederdonnerte, dann verloren sich seine Geschosse in der Menge, ohne eine bestimmte Person ernsthaft zu verletzen oder auch nur zu benennen. Zog er aber gegen die Laster der Wohlhabenden zu Felde, dann mochten die Armen aus solcherart Invektiven vorübergehend sogar Tröstung und Stärkung ziehen; aber noch immer fanden die eigentlichen Schuldigen in der großen Zahl Deckung. Je mehr sich nun die Pyramide nach oben verjüngte, umso mehr spitzte sie sich unmerklich auf einen einzigen Punkt zu; und die Magistrate, die Minister, die aktuellen Eunuchen, die Damen des Hofes, Die Frauen Konstantinopels zeichneten sich entweder durch ihre Abneigung oder Anhänglichkeit gegenüber Chrysostomos aus. Der reiche Witwen von Adel, Marsa, Castricia und Eugraphia führten das Lager der Verfolgerinnen an. Palladios, Dialogos in Chrysostomos, Opera, Band 13, p. 14. Es war ausgeschlossen, dass sie einem Priester hätten vergeben können, der ihr Bemühen getadelt hatte, durch prachtvollen Aufputz ihr Alter und ihre Hässlichkeit zu vertuschen (Palladios, p. 27). Olympias hatte sich durch vergleichbaren Eifer, den sie in einem weniger weltlichen Zusammenhang offenbart hatte, den Titel einer Heiligen erworben. Siehe Tillemont, Mémoires ecclésiastiques Band 9, p. 416-440. die Kaiserin Eudoxia gar: sie hatten eine bedeutend größere Sündenlast unter erheblich weniger Sündern aufzuteilen. Die Stimme des eigenen Gewissens war noch schneller als die geheimen Mutmaßungen der Zuhörer oder bestätigte sie wenigstens; und dann endlich nahm der furchtlose Prediger für sich das heikle Recht in Anspruch, dem Publico zum Entsetzen die eigentlichen Sünder und ihre Sünden öffentlich beim Namen zu nennen.

Die heimliche Abneigung des Hofes ermutigte nun auch den unzufriedenen Klerus und die Mönche Konstantinopels, die von dem Glaubenseifer ihres Erzbischofs schier überrannt wurden. So hatte er von der Kanzel aus die Frauen im Hause des Klerus von Konstantinopel verurteilt, welche unter dem Namen einer Glaubensschwester oder Sklavin eine beständige Gelegenheit zu Sünde und Skandal boten. Die stillen und einsamen Asketen, welche sich von der Welt abgewandt hatten, fanden Chrysostomos' wärmste Billigung; aber ein Grauen und Übelstand war ihm der Haufen verkommener Mönche, dieser Schande seines heiligen Berufes, welche aus Profitsucht oder anderer unwürdiger Motive die Straßen der Stadt heimsuchten. Nicht nur die Stimme der Überredung musste der Erzbischof einsetzen, sondern auch die der unverhohlenen Drohung; und sein Zorn war in der Ausübung seiner kirchlichen Pflichten nicht immer frei von Leidenschaft; auch ließ er sich nicht ausschließlich von Klugheit leiten. Von Natur aus war Chrysostomos cholerisch veranlagt. Sozomenos und ganz besonders Sokrates haben den wahren Charakter des Chrysostomos, ganz im Gegensatz zu seinen blinden Bewunderern, mit gemäßigter und unparteiischer Freiheit gezeichnet. Diese Historiker lebten nun allerdings eine Generation später, als der Parteienkampf abgeklungen war, auch hatten sie mit vielen Zeugen näheren Umgang gehabt, welche mit den Tugenden und Fehlern dieses Heiligen besser vertraut waren. Wenn er sich auch nach den Vorschriften des Evangeliums bemühte, seine persönlichen Feinde zu lieben, so gönnte er sich doch das Vorrecht, die Feinde Gottes und der Kirche zu hassen; und seine jeweiligen Meinungen vertrat er oft mit allzu starker Betonung der Ausdrucks und der Sprache.

Aus gesundheitlichen oder anderen Rücksichten behielt er eine frühere Gewohnheit bei und nahm seine Mahlzeiten alleine zu sich; und dieser etwas ungastliche Brauch, Palladios (Band 13, p. 40) verteidigt den Erzbischof mit allem Nachdruck: 1: Er trank keine Tropfen Wein. 2. Sein kranker Magen verlangte nach spezieller Diät. 3. Seine Arbeit, seine Studien oder seine Andacht bewirkten oft, dass er bis Sonnenuntergang fastete. 4. Der Lärm und die Frivolitäten großer Tafeln waren ihm zuwider. 5. Mit dem hier Ersparten half er den Armen. 6. Er war sich bewusst, welche Missgunst- und Neidgefühle Einladungen von der einen oder anderen Seite in einer Stadt wie Konstantinopel hervorrufen mussten. den ihm seine Feinde als Hochmut auslegten, machten am Ende aus ihm einen mürrischen und eigenbrötlerischen Zeitgenossen. Ohne jeden vertrauten Umgang mit Menschen, der den glatten Gang der Geschäfte erleichtert, verließ er sich ausschließlich auf seinen Diakon Serapion und wandte seine spekulative Kenntnis von der Natur des Menschen nur selten auf Untergebene oder Seinesgleichen an.

Im Bewusstsein der Lauterkeit seiner Absichten und wohl auch der Überlegenheit seines Genius vergrößerte der Erzbischof von Konstantinopel den Gerichtsbezirk der Kaiserstadt, auf dass er dadurch auch das Gebiet seiner Seelsorge erweitere; und die Vorgehensweise, die die weltliche Meinung seinem Ehrgeiz zuschob, erschien Chrysostomos im Lichte einer heiligen und unerlässlichen Pflicht. Bei seinen Visitationen durch die asiatischen Provinzen enthob er dreizehn Bischöfe Phrygiens und Lydiens ihrer Ämter; und er erklärte rundheraus, dass tiefe Verderbnis, Simonie und Zügellosigkeit den ganzen bischöflichen Stand durchseucht hätten. Chrysostomos erklärt unverhohlen (Homilie ad Acta Apostlorum 3, Opera 9, p. 29), dass die Zahl Bischöfe, die selig werden konnten, klein sei im Vergleich zu denen, die verdammt seien. Wenn nun jene Bischöfe unschuldig waren, dann musste eine so vorschnelle und ungerechtfertigte Verurteilung eine berechtigte Verstimmung hervorrufen. Waren sie schuldig, dann konnte es den zahlreichen Schuldigen nicht lange verborgen bleiben, dass ihre eigene weitere Karriere vom Sturz des Erzbischofs abhänge; den sie folgerichtig als den Tyrannen der Ostkirche darzustellen trachteten.

 

KAISERIN EUDOXIA STELLT IHM NACH · A.D. 403

Diese Kirchenverschwörung organisierte Theophilus, Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 11, p. 441-500. der Erzbischof von Alexandria, ein umtriebiger und ehrgeiziger Prälat, welcher die Früchte seiner Räubereien in prahlerischen Monumenten ausstellte. Seine patriotische Abneigung gegen die wachsende Größe einer Stadt, welche ihn vom zweiten auf den dritten Rang in der christlichen Welt degradierte, wurden in einigen persönlichen Unterredungen mit Chrysostomos noch zusätzlich angefacht. Ich habe vorsätzlich die Kontroverse unterschlagen, welche zwischen den Mönchen Ägyptens zur Frage des Anthropomorphismus und des Origenismus entbrannt war; die Heuchelei und Gewaltbereitschaft des Theophilos; seine raffinierte Inszenierung der Einfalt des Epiphanius; seine Verfolgung und die Flucht der ›langen‹ Brüder; die zweifelhafte Unterstützung, die sie in Konstantinopel von Chrysostomos erhielten &c, &c. Auf private Intervention der Kaiserin kam Theophilos nach Konstantinopel gesegelt und mit ihm eine beachtliche Begleitmannschaft ägyptischer Marine, um dem Volke zu begegnen; und dazu noch eine große Gefolgschaft ergebener Bischöfe, die die Mehrheitsverhältnisse auf der Synode sicherstellen sollten. Diese Synode wurde in der »Eiche« genannten Vorstadt von Chalkedon abgehalten, Photios (p. 53-60) überliefert die Originalakten des Synode bei den Eichen; welche die irrtümliche Ansicht widerlegen, dass Chrysostomos nur von sechsunddreißig Bischöfen verurteilt wurde, von denen neunundzwanzig ägyptische waren. Fünfundvierzig Bischöfe unterschrieben das Urteil. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 11, p. 595. wo Rufinus eine große Kirche und ein Kloster hatte errichten lassen, und an vierzehn Tagen oder Sitzungen gab es beständigen Fortschritt. Ein Bischof und ein Diakon klagten den Erzbischof von Konstantinopel an; aber die leichtfertige und ganz unglaubwürdige Liste mit den siebenundvierzig Artikeln, die sie ihm vorlegten, kann man geradezu als eine anmutige, unwiderlegbare Lobrede ansehen.

Vier Vorladungen ergingen an Chrysostomos, aber er lehnte er hartnäckig ab, sich oder sein Ansehen in die Hände seiner geschworenen Feinde zu geben, welche es klugerweise unterließen, auch nur einen einzigen Anklagepunkt genauer prüfen zu lassen, nur allgemein seinen verdammungswürdigen Ungehorsam verurteilten und in Eile seine Absetzung verfügten. Die Eichensynode wandte sich daraufhin ohne Verzug an den Kaiser, das Urteil zu unterfertigen und zu exekutieren, und aus Barmherzigkeit bliesen sie ihm ein, es möge nur die Strafe für Hochverrat über diesen Priester verhängt werden, welcher sogar die Kaiserin Eudoxia persönlich mit dem Namen Jesabel geschmäht habe. Der Erzbischof wurde mit harter Hand verhaftet, von einem kaiserlichen Beauftragten durch die Straßen der Stadt geführt und nach kurzer Seefahrt am Eingang zum Schwarzen Meer an Land gesetzt; von wo er, bevor noch der zweite Tag sich neigte, glorreich zurückbeordert wurde.

 

KRAWALL IN KONSTANTINOPEL

In ihrer ersten Verblüffung verhielt sich seine treue Gemeinde ruhig und abwartend; dann aber brach sie in einmütigem und unwiderstehlichem Zorne los. Theophilos entkam; aber die unorganisierte Masse der mitgereisten Mönche und Matrosen wurde in den Straßen Konstantinopels mitleidlos niedergemetzelt. Palladios gesteht ein (Dialogos p. 30), dass das Volk von Konstantinopel Theophilos zuverlässig ins Meer würde geworfen haben, wenn sie ihn denn erwischt hätten. Sokrates (6,17) spricht von einem Kampf zwischen dem Mob und den Seesoldaten aus Alexandria, in dem es viele Verletzungen und einige Tote gab. Das Massaker an den Mönchen wird nur von dem Heiden Zosimos (5,23) erwähnt, welcher noch Chrysostomos' einzigartiges Talent bemerkt, die ungebildete Menge zu verführen. Durch ein Erdbeben, gerade zur passenden Zeit, heiligte der Himmel dieses Eingreifen; die Flut der Empörung brandete bis vor die Palasttore; und die Kaiserin warf sich, von Angst oder Reue getrieben, Arcadius zu Füßen und bekannte, dass die öffentliche Sicherheit nur durch die neuerliche Erhebung des Chrysostomos wieder herzustellen sei. Ungezählte Fahrzeuge schwammen auf dem Bosporus; Europas und Asiens Küsten erglänzten im Lichterschein; und der Jubel des siegreichen Volkes geleitete vom Hafen bis zur Kathedrale den Triumphzug des Erzbischofs. Dieser war – allzu schnell – damit einverstanden, in sein früheres Amt einzutreten, noch bevor seine Sache vor einer Kirchensynode ordnungsgemäß zu einem Abschluss gekommen war.

Unkundig oder gleichgültig gegenüber der drohenden Gefahr widmete sich Chrysostomos seinem Glaubenseifer oder besser: seiner Rache; schenkte seine besondere Abneigung den weiblichen Lastern; und verfluchte die weltlichen Ehrungen, welche man der Statue der Kaiserin gleichsam im Schatten der heiligen Sophia angedeihen ließ. Seine Unbedachtsamkeit ermöglichte seinen Feinden, den stolzen Sinn der Eudoxia in Flammen zu setzen, indem sie folgendes berühmte Predigtexordium hinterbrachten oder vermutlich erfanden: »Herodias wütet schon wieder; Herodias tanzt schon wieder; neuerlich verlangt sie nach dem Kopf des heiligen Johannes.« Eine dreiste Anspielung, die sie weder als Frau noch als Kaiserin vergeben konnte. Siehe Sokrates, 6,18; Sozomenos, 8,20. Zosimos (5,24) erwähnt in allgemein gehaltenen Redensarten seine Invektiven gegen Eudoxia. Die mit diesen berühmten Worten beginnende Predigt wird als Fälschung verworfen. Montfaucon, Opera, Band 13, p. 151. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 11, p. 603. Eine kurze, trügerische Ruhepause ward eingelegt, in der man auf fernere Auskunftsmittel sann, den Erzbischof zu erlegen und zu zermalmen.

Eine zahlenstarke Ratsversammlung östlicher Prälaten, welche durch den fernherwirkenden Rat des Theophilus geleitet wurde, bestätigte die Gültigkeit des früheren Urteils, ohne es überhaupt gelesen geschweige denn geprüft zu haben; und ein Detachement ausländischer Truppen wurde in die Stadt eingelassen, um die Gemütsbewegung des Volkes zu stillen. An den Ostervigilien wurde die feierliche Taufzeremonie von den Soldaten brutal gestört, welche die andächtigen, entkleideten Katechumen aufschreckten und mit ihrem Auftritt die Mysterien des christlichen Gottesdienstes beleidigten. Arsacius besetzte die Sophienkirche und den Thron des Erzbischofs. Die Katholiken zogen sich in die Bäder des Constantin zurück und anschließend auf das offene Feld; wo ihnen die Wachen, die Bischöfe und die Magistrate immer noch zusetzten. Der verhängnisvolle Tag der zweiten und endgültigen Vertreibung des Chrysostomos wurde denkwürdig durch das Niederbrennen der Kathedrale, des Senats- und benachbarter Gebäude; und diese Katastrophe hängte man ohne einen Beweis, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit der Faktion der Verfolgten und Verzweifelten an. Eine solche Behauptung durften wir von Zosimos allerdings erwarten (5,24), aber es ist doch bemerkenswert genug, dass auch Sokrates (6,18) und der Chronikon paschale (p.307) dies bestätigen.

 

ERZBISCHOF CHRYSOSTOMOS IM EXIL · 20.JUNI 404

Cicero mag einiges Verdienst für sich beanspruchen, wenn er freiwillig in das Exil ging und der Republik dadurch den Frieden bewahrte; Er entwickelt seine Scheinargumente (Oratio post reditum ad Quirites 13f.) in der Sprache des Redners und Politikers. aber die Unterwerfung des Chrysostomos war die unabdingbare Pflicht eines Untertanen und Christenmenschen. Anstelle seinen demütigen Bitten Gehör zu schenken, ihn seinen Wohnsitz in Kyzikos oder Nicomedia nehmen zu lassen, verfügte die unversöhnliche Kaiserin ein Exil in der abgelegenen und öden Stadt Kukusus am Fuße des Taurus in Armenien. Sie unterhielt wohl auch noch die stille Hoffnung, der Erzbischof möchte auf der schwierigen und gefährlichen, siebzigtägigen Reise durch die Sommerhitze Kleinasiens verderben, weil er dort beständig den Angriffen der Isaurier und dem noch gefährlicheren Zorn der Mönche ausgesetzt war. Aber Chrysostomos kam wohlbehalten am Platze seiner Verbannung an; die drei Jahre, die er noch in Kukusus und dem benachbarten Arabissus verbrachte, wurden sogar zu den erfolgreichsten seines ganzen Lebens. Infolge der beständigen Verfolgungen wurde seine Person geheiligt; die Fehler seiner Tätigkeit waren vergessen; aber das Lob seiner Tugend und seines Geistes sangen alle Zungen, und mit Andacht blickte die christliche Welt auf einen verlassenen Fleck am Fuße des Taurusgebirges.

Von hier aus führte der Erzbischof, dessen Geist Rückschläge und Verbannung nichts hatten anhaben können, in die entlegensten Provinzen eine lebhafte Korrespondenz; 242 Briefe des Chrysostomos haben sich erhalten (Opera, Band 3, p. 528-736). Sie sind an alle möglichen Personen adressiert und lassen eine Gemütsfestigkeit erkennen, die weit über der Ciceros in dessen Exil steht. Der vierzehnte Brief enthält eine lesenswerte Schilderung der Gefahren auf der Reise. ermutigte seine getreuen Anhänger zur Festigkeit im Glauben; drängte auf die Zerstörung der phönizischen Tempel und die Auslöschung der Ketzerei auf der Insel Zypern; erweiterte seine seelsorgerische Tätigkeit auf Persien und Skythien; unterhandelte durch Gesandte mit dem Bischof von Rom und Kaiser Honorius; und verlangte in aller Kühnheit von einer parteiischen Synode die Einberufung eines freien und allgemeinen Konzils. Der berühmte Verbannte hatte sich die Unabhängigkeit seines Geistes durchaus bewahrt; aber sein gefangener Körper war nach wie vor den Nachstellungen seiner Feinde ausgesetzt, welche nicht aufhörten, den Namen seines Kaisers Arcadius zu missbrauchen. Nach dem Exil des Chrysostomos hatte Theophilos eine umfangreiche und entsetzliche Scharteke gegen ihn abgefasst, in welcher er beständig Artigkeiten wie hostem humanitatis, sacrilegorum principem, immundum daemonium [Feind der Menschlichkeit; Fürst der Gottlosen; unreiner Geist] wiederholt. Er bekräftigt, dass Johannes Chrysostomos seine Seele den Verführungen des Teufels preisgegeben habe; und er verlangt nach fernerer Bestrafung, die der Größe seiner Sünden angemessen sein möge, wenn dies denn überhaupt möglich sei. Hieronymos hat auf Bitten seines Freundes Theophilos diese Erbauungsschrift vom Griechischen ins Lateinische übersetzt. Siehe Facundius von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 6,5, herausgegeben von Sirmond, Opera, Band 2, p. 595-597.

 

SEIN TOD 14. SEPTEMBER 407

So erging Order, dass Chrysostomos unverzüglich in die äußerste Wüste von Pityus entfernt werde: und seine Bewacher folgten dieser grausamen Anweisung so pünktlich, dass er noch vor Erreichen der Schwarzmeerküste in Comana im Pontus im Alter von sechzig Jahren sein Leben endete. Die Nachwelt hat seine Unschuld anerkannt und seine Verdienste richtig gewürdigt. Die Erzbischöfe des Ostens, die wohl darüber erröten mögen, dass ihre Vorgänger Feinde des Chrysostomos waren, wurden nur allmählich durch den römischen Pontifex dazu gebracht, diesen ehrwürdigen Namen den gebührenden Respekt zu erweisen. Sein Name wurde von seinem Nachfolger Atticus denn auch A.D. 418 in die Diptycha der Kirche von Konstantinopel eingelassen. Zehn Jahre später wurde er bereits als ein Heiliger Verehrt. Cyrillos, der diesen Platz und die Leidenschaftlichkeit seines Onkels Theophilus geerbt hatte, gab zähneknirschend nach. Siehe auch: Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 14, p. 277 – 283; Facundius von Hermiane, Pro defensione 4,1. Seine sterblichen Überreste wurden dreizehn Jahre nach seinem Tode von seinem entlegenem Grabe in die Kaiserstadt überführt, auf dass Klerus und Volk eine Stätte zu frommer Verehrung erhielten. Sokrates 7,45; Theodoretos, 5,36. Dieses Ereignis versöhnte auch die Joanniten, welche sich bis dahin geweigert hatten, seinen Nachfolger anzuerkennen. Solange als er noch am Leben war, respektierten die Katholiken die Joanniten als die wahre und rechtgläubige Gemeinde von Konstantinopel. Ihre Halsstarrigkeit aber rückte sie allmählich in die Nähe zur Glaubensspaltung. Der Kaiser Theodosius kam dem Zug bis nach Calchedon entgegen; und erflehte, bäuchlings auf dem Sarge liegend, im Namen seiner schuldbeladenen Eltern Arcadius und Eudoxia die Verzeihung des Heiligen, dem man solches Unrecht getan hatte. Nach einigen Berichten (Baronius, Annales ecclesiastici, A.D. 438, Nr 9f.) wurde der Kaiser genötigt, einen Einladungs- und Entschuldigungsbrief abzuschicken, bevor der Leichnam des Heiligen von Comana abtransportiert werden konnte.

 

TOD DES ARCADIUS · 1.MAI 408

Indessen bleiben einige begründete Zweifel bestehen, ob denn wirklich der Makel einer ererbten Schuld von Arcadius auf seinen Nachkommen übergegangen war. Eudoxia war eine junge Frau, die sich ihren Leidenschaften widmete und ihren Mann verachtete; wenigstens der comes Johannes pflegte mit der Kaiserin vertrauten Umgangs; und das Publikum erklärte ihn zum Vater von Theodosius dem Jüngeren. Zosimos 5,18. Eine Kaiserin konnte man nicht der Unkeuschheit zeihen, ohne einen Zeugen vorzuweisen; aber es fällt auf, dass dieser Zeuge unter einem Herrscher lebte und schrieb, dessen Geburtsrecht er anzuzweifeln wagte. Wir müssen also annehmen, dass seine Geschichte eine parteiische Kampfschrift war, unter der Hand von den Heiden gelesen und verbreitet. Tillemont ist auch nicht abgeneigt, Eudoxias guten Namen zu brandmarken (Histoire des empereurs, Band 5, p.782. Der fromme Gatte jedoch legitimierte das Kind, war die Geburt doch ein Ereignis, das für ihn selbst, seine Familie und das Morgenland äußerst glückverheißend und ehrenvoll war; und der königliche Infant wurde – ein Vorgang ohne historisches Vorbild – mit dem Augustus- und Caesarentitel ausgestattet. Noch nicht vier Jahre später starb sie in der Blüte ihres Lebens an den Folgen einer Fehlgeburt; und dieser vorzeitige Tod machte die Prophezeiung eines heiligen Bischofs zunichte, Porphyrius von Gaza. Sein Glaubenseifer bewährte sich höchlich, nachdem er den Befehl erhalten hatte, acht heidnische Tempel dieser Stadt zu zerstören. Die bemerkenswerten Umstände seines Lebens siehe bei Baronius, Annales ecclesiastici, A.D. 401, Nr. 17-51. Ursprünglich wurden sie in griechischer, vielleicht auch in syrischer Sprache von einem Mönch verfasst, der zu seinen Lieblingsdiakonen gehörte. welcher unter allgemeinem Jubel vorauszusagen gewagt hatte, dass sie auf die lange und glückhafte Regierung ihres ruhmreichen Sohnes blicken würde.

Die Katholiken freuten sich der himmlischen Gerechtigkeit, welche auf diese Weise die Verfolgung des heiligen Chrysostomos ahndete; und vielleicht war Kaiser Arcadius der einzige, der aufrichtige Tränen über die hochmütige und raubgierige Eudoxia vergoss. Ein solches häusliches Missgeschick setzte ihm mehr zu als die öffentliche Notlage des Ostens; Philostorgios, 11,18; Gothofredus, Dissertationes, p. 457. als die dreisten Züge der isaurischen Räuberbanden vom Pontus nach Palästina; als die Erdbeben, Brände, Hungersnöte und Heuschreckenschwärme, Hieronymus (Opera, Band 6, p. 73 und 76) beschreibt in lebendigen Farben diesen verheerenden Heuschreckenzug, welcher wie eine schwarze Wolke zwischen Himmel und Erde über Palästina sich ausbreitete und den glückliche Winde zum Teil ins Tote und zum Teil ins Mittelmeer abtrieben. welche Kalamitäten die öffentliche Meinung der Unfähigkeit des Herrschers zuzuschreiben sich geneigt zeigte. Endlich aber, in seinem einunddreißigsten Lebensjahr verschied Arcadius in seinem Palast zu Konstantinopel nach einer Regierungzeit (wenn wir den Ausdruck hier einmal missbräuchlich verwenden dürfen) von dreizehn Jahren, drei Monaten und fünfzehn Tagen. Es ist schlechterdings unmöglich, ein Charakterbild von ihm zu entwerfen; denn für diese Epoche, die an historischen Quellen so überreich ist, hat es sich als unmöglich erwiesen, dem Sohn des großen Theodosius auch nur eine einzige Regierungsmaßnahme zuzuordnen.

 

SEIN ANGEBLICHES TESTAMENT

Der Historiker Prokopios Procopios, de bello Persico 1,2. hat nun in der Tat die Gemütsverfassung des sterbenden Herrschers mit einem Strahl menschlicher Einsicht und himmlischer Weisheit umleuchtet. Arcadius erwog mit ängstlicher Voraussicht die hilflose Lage seines noch nicht siebenjährigen Sohnes Theodosius, die gefährlichen Minderheitenfaktionen und den glühenden Ehrgeiz des Perserkönigs Jezdegerd. Anstelle nun aber durch Teilhabe an der höchsten Macht die Ergebenheit eines ehrgeizigen Untertanen in Versuchung zu führen, wandte er sich beherzt an den Edelmut des Königs selbst; und legte kraft letztwilliger Verfügung das Szepter des Ostens in die Hand von Jezdegerd. Der königliche Vormund übernahm und übte dieses Amt unerwartet getreulich aus; und so wurde des Theodosius Jugend durch persische Waffen behütet.

Dies ist jedenfalls Prokopios' einzigartige Geschichte; und ihr Wahrheitsgehalt wird auch nicht von Agathias Agathias, 4,26. Obgleich er sich auf die gängige Überlieferung beruft, bestätigt er doch, dass Prokopius der erste war, der sie schriftlich festgehalten hat. Tillemont (Histoire des empereurs, Band 6, p.597) untersucht diese Fabel mit vieler Delikatesse. Seine Kritik war durch keinerlei kirchliche Autorität beschnitten: Prokopius und Agathias waren beide halbe Heiden. bestritten, während er doch von dessen Urteil abzuweichen vorgibt und die Weisheit eines christlichen Kaisers in Abrede stellt, der so unbedacht, wenn auch mit gutem Ausgang das Schicksal seines Sohnes in die Hände eines Fremden legte, eines Gegners, eines Heiden gar. Im Abstand von einhundertundfünfzig Jahren mag man diese politische Frage am Hofe Justinians diskutiert haben; aber ein klugbedachter Historiker wird sich weigern, das Testament des Arcadius auf seinen Gehalt an politischer Vernunft hin zu untersuchen, solange er nicht dessen Echtheit erwiesen hat. Und da es in der Geschichte der Menschheit ohne Parallele ist, können wir mit gutem Grund fordern, dass es durch das übereinstimmende Zeugnis der Zeitgenossen bestätigt sein sollte. Das sensationell Neuartige dieses Ereignisses, das unser Misstrauen erweckt, hätte doch ihre Aufmerksamkeit erregen müssen; doch ihr einstimmiges Schweigen löst diese inhaltsleere Überlieferung eines späteren Zeitalters in Luft auf.

 

REGIERUNG DES ANTHEMIUS · A.D. 408-415

Die Grundregeln des Römischen Rechtes, hätte man sie denn von privaten auf staatliche Angelegenheiten übertragen dürfen, hätten die Sorge für seinen Neffen – wenigstens bis in dessen vierzehntes Lebensjahr – dem Kaiser Honorius auferlegt. Aber die Unfähigkeit des Honorius und die notorische Notlage seiner Regierung disqualifizierten ihn für dieses naturgegebene Amt; und so sehr verschieden waren mittlerweile die Interessen und die Ziele der beiden Monarchien, dass Konstantinopel den Anweisungen des persischen Hofes mit weniger Widerstreben würde gehorcht haben als denen des italienischen. Unter einem Herrscher, dessen Ohnmacht sich nur notdürftig hinter den äußeren Abzeichen der Mannbarkeit und Verstandesreife verbirgt, können noch die unwürdigsten Kreaturen insgeheim um die Vorherrschaft im Palast intrigieren und abhängigen Provinzen Anordnungen erteilen im Namen eines Herrschers, der in ihrer Hand ist und den sie im Grunde verachten.

Aber die Diener eines Kindes, das außerstande ist, sie mit königlicher Autorität zu versehen, müssen sich selbst mit dem erforderlichen Ansehen ausstatten und es durchsetzen. Die großen Lenker der Armee und des Staates, die Arcadius noch vor seinem Tode ernannt hatte, bildeten eine Aristokratie, für die die Idee einer freien Republik nicht undenkbar hätte sein können; und glücklicherweise lag die oberste Verantwortung für das Ostreich in den Händen des Präfekten Anthemius, Sokrates 7,1. Anthemius war der Enkel des Philipp, eines Ministers von Constantius und zugleich Großvater des Kaisers Anthemius. Nach seiner Rückkehr von einer persischen Gesandtschaftsreise wurde er 405 zum Konsul und Prätorianerpräfekten des Ostens ernannt; die Präfektur hatte er dann zehn Jahre lang inne. Zu seinen Ehrenstellen und Auszeichnungen siehe Gothofredus, Codex Theodosianus, Band 6, p. 350 und Tillemont, Histoire des empereurs, Band 6, p.1ff. der aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten unter den sonst Gleichgestellten einen bestimmenden Einfluss ausübte; und mit wohlberechneter Festigkeit stand er für die Autorität und die Macht des unmündigen Herrschers ein.

Uldin hatte sich mit gewaltiger Heeresmacht im Herzen Thrakiens niedergelassen: hoffährtig wies er alle Verhandlungsangebote zurück; vor der römischen Gesandtschaft wies er auf die aufgehende Sonne und erklärte, dass allein die Bahn dieses Planeten das Reich der Hunnen begrenzen werde. Indes, nachdem seine Konföderierten unter der Hand über Redlichkeit und Freigebigkeit der kaiserlichen Minister Erkundigungen eingezogen hatten, verließen sie Uldin in hellen Scharen und nötigten den Häuptling der Hunnen, sich über die Donau zurückzuziehen; seine Nachhut, der Stamm der Scyrren, wurde fast ausgelöscht; und tausende von Kriegsgefangenen mussten fortan die Äcker Kleinasiens mit Sklavendiensten kultivieren. Sozomenos 9,5. In Bithynien in der Nähe des Olympos sah er ein paar scyrrische Sklaven bei der Arbeit und wog sich in der trügerischen Hoffnung, dass diese Gefangenen die letzten ihres Volkes seien. Noch während des öffentlichen Triumphes wurde um Konstantinopel eine neue und größere Wehranlage angelegt; auch in den Städten Illyriens fand man sich zu dieser Vorsichtsmaßnahme; und es wurde mit großer Genauigkeit ein Plan gefasst, welcher nach sieben Jahren die Donaugrenze abgesichert hätte, indem man an diesen Fluss eine stehende Flotte von zweihundertundfünfzig Kampfschiffen verlegt hätte. Codex Theodosianus, 7,17 und 15,1,49.

 

PERSÖNLICHKEIT UND REGIERUNG DER PULCHERIA · A.D. 414-453

Aber die Römer waren so sehr an einen Monarchen gewöhnt, dass das erstbeste kaiserliche Familienmitglied, und sei es auch nur ein Weib, das Neigung und Begabung erkennen ließ, den verwaisten Thron des Theodosius erklimmen durfte. Seine Schwester Pulcheria, Sozomenos füllt drei Kapitel mit einem großartigen Loblied auf Pulcheria (9,1-3); und Tillemont (Memoires ecclesiastiques Band 15, p. 171-184 hat der Ehre der heiligen Pulcheria, Junfrau und Kaiserin, ein Sonderkapitel gewidmet. die lediglich zwei Jahre älter war als er, erhielt mit sechzehn den Titel einer Augusta; und wenn ihr Urteilsvermögen zuweilen auch durch Launenhaftigkeit oder Kabalen eingetrübt schien, beherrschte sie die östliche Reichshälfte für nahezu vierzig Jahre, während ihres Bruders langer Minderjährigkeit und nach seinem Tode in ihrem Namen und dem ihres nominellen Gatten Marcian. Aus Staatsklugheit oder religiösen Motiven zog sie ein eheloses Leben vor; und ungeachtet einiger trübseliger Nachrede über Pulcherias Das Suda-Lexikon (Excerpta legationum, p. 68) meint unter Berufung auf die Nestorianer, dass Pulcheria gegen den Stifter dieser Sekte aufgebracht war, weil er ihren Umgang mit dem schönen Paulinus und den Inzest mit ihrem Bruder Theodosius übel vermerkte. Keuschheit wurde diese Entschlossenheit, die sie mit ihren Schwestern Arcadia und Marina teilte, von der christlichen Welt als Gipfelpunkt entsagender Frömmigkeit gerühmt.

In Anwesenheit des Klerus und des Volkes widmeten die drei Töchter des Arcadius Siehe du Cange, Familae Byzantinae, p. 70. Die älteste der Schwestern, Flaccilla, starb entweder noch vor Arcadius oder war – wenn sie denn bis 431 gelebt haben sollte – wegen körperlicher oder geistiger Behinderungen vom Hofleben ausgeschlossen. Gott ihre Jungfräulichkeit; welches feierliche Gelübde in eine edelsteinbesetzte Goldtafel eingelassen und in der Hauptkirche von Konstantinopel öffentlich gemacht ward. Ihr Palast wurde zu einem Kloster umfunktioniert; und alles, was männlich war, (ausgenommen waren nur die Lenker ihres Gewissens, Heilige mithin, die schon längst den Unterschied zwischen den Geschlechtern vergessen hatten) wurde mit großer Gewissenhaftigkeit von der heiligen Schwelle zurückgewiesen. Pulcheria, ihre beiden Schwestern und eine handverlesene Gruppe von privilegierten Edelfräulein bildeten eine religiöse Gemeinschaft: den eitlen Tand schöner Kleider wiesen sie von sich; aßen, wenn sie nicht gerade fasteten, äußerst schlicht und frugal; verwandten viel Zeit auf Stickarbeiten; und sparten viele Stunden des Tages und der Nacht für Gebet und fromme Lieder auf. So wurde die Gottseligkeit einer christlichen Jungfrau durch den Glaubenseifer und die Freigebigkeit einer Kaiserin erhöht.

Die Kirchengeschichte weiß von vielen prunkvollen Kirchenbauten, die auf Kosten der Pulcheria in den östlichen Provinzen errichtet wurde; weiß von ihren großzügigen Stiftungen zu Gunsten der Fremden und Armen; weiß von ihren milden Schenkungen, die sie klösterlichen Gesellschaften überschrieb; und von der eifernde Strenge, mit der sie die feindlichen Ketzereien des Nestorius und Eutyches zu tilgen sich anstrengte. Solcherlei frommes Tun musste das besondere Wohlwollen der Gottheit auf sich lenken; und die Reliquien von Märtyrern sowie das Wissen um zukünftige Ereignisse teilten sich der kaiserlichen Heiligen in Träumen und Gesichten mit. In wiederholten Träumen wurde sie auf den Ort hingewiesen, an welchem die Reliquien der vierzig Heiligen begraben lagen. Der Boden hatte nacheinander gehört: zum Haus und Garten einer Frau aus Konstantinopel; zu einem Kloster makedonischer Mönche und schließlich zu der Kirche des St. Thyrsus, die von Caesarius (Konsul A.D. 397) errichtet worden war; die Erinnerung an die Reliquien war mittlerweile untergegangen. Der achtbaren Versuche des Dr. Jortin (Remarks, Band 4, p. 234) ungeachtet ist es gar nicht so einfach, Pulcheria von der Teilhabe an diesem frommen Betrug freizusprechen, welchen sie ausübte, als sie älter als fünfunddreißig Jahre war.

Aber die Hinwendung zu Gott hielt die nimmermüde Pulcheria durchaus nicht von der Sorge um weltliche Angelegenheiten ab; und sie allein unter den Nachfahren des großen Theodosius scheint ein gewisses Maß seines männlichen Geistes und seiner Fähigkeit geerbt zu haben. In der lateinischen und griechischen Sprache stand ihr ein eleganter und flüssiger Sprachduktus zu Gebote, den sie im Schriftlichen und Mündlichen bei verschiedenen Gelegenheiten bewährte; ihre Entscheidungen waren stets wohldurchdacht; und ihre Maßnahmen erfolgten dann rasch und kompromisslos; und obwohl sie es war, die ohne viel Geräusch das Rad der Regierungsgeschäfte lenkte, schrieb sie dem Genie des nominellen Herrschers Marcian die lange Friedenszeit während seiner Regierung zu. Nun wurde allerdings in den letzten Jahren seines friedlichen Lebens Europa von den Horden Attilas heimgesucht; aber die – größeren – Provinzen Asiens erfreuten sich einer dauerhaften und stabilen Friedenszeit. Theodosius der Jüngere sah sich niemals vor die Notwendigkeit gestellt, aufständische Untertanen zu bekriegen und zu bestrafen; und wenn wir auch nicht ihre Machtentfaltung bestaunen können, ist doch der mildtätigen und segensreichen Regierungstätigkeit der Pulcheria manches Lob geschuldet.

 

THEODOSIUS DER JÜNGERE · ERZIEHUNG UND CHARAKTER

Die römische Welt beobachtete die Erziehung ihres künftigen Herrschers mit großem Interesse. Studien und Leibesübungen wurden in regelmäßigen Kursen erteilt; von den militärischen Fertigkeiten waren es Bogenschießen und Reiten; von den freien Künsten Grammatik, Rhetorik und Philosophie; die besten Lehrer des Ostens buhlten um die Aufmerksamkeit ihres königlichen Schülers; und so mancher Jüngling von Adel erhielt Zutritt zum Palast, um im freundschaftlichem Wettbewerb seinen Eifer zu spornen. Lediglich das schwierige Geschäft der Unterweisung in der Regierungskunst behielt Pulcheria sich selbst vor. Doch ihre Regeln lassen Zweifel an ihren geistigen Möglichkeiten oder der Lauterkeit ihrer Absichten aufkeimen. Sie lehrte ihn ein majestätisches und gravitätisches Auftreten; sie hieß ihn gehen, seine Roben tragen und auf dem Throne Platz nehmen, wie es einem großen Herrscher angestanden hätte; vom Lachen abzustehen; angemessene Antworten zu erteilen; in loser Folge einen leutseligen oder strengen Gesichtsausdruck anzulegen; mit einem Wort, mit Erhabenheit und Würde die Rolle des Römischen Kaisers zu geben. Aber Theodosius An dieser Stelle weichen die beiden Kirchenhistoriker, die im Allgemeinen gut übereinstimmen, in bemerkenswerter Weise voneinander ab. Sozomenos (9,1) überlässt der Pulcheria die Regentschaft über das Reich und die Erziehung ihres Bruders, für den er kaum ein freundliches Wort erübrigt. Sokrates, der mit erheucheltem Gleichmut jede Karriere- und Ruhmsucht von sich weist, veranstaltet hier eine detaillierte Lobrede auf den Herrscher und verkleinert mit gebotener Vorsicht die Verdienste seiner Schwester (7,22 und 7,42). Philostorgios (12,7) schildert in gezierter und höfischer Sprache den Einfluss der Pulcheria, [Ü.a.d.Griech.: den Verlautbarungen des Königs unterstellte sie sich und verantwortete sie]. Das Suda-Lexikon (Excerpta legatonium, p. 53) bietet eine getreue Charakterbeschreibung des Theodosius; und ich selbst bin dem Vorbild des Tillemont (Histoire des empereurs, Band 6, p. 25) gefolgt und habe bei den modernen Griechen ein paar Anleihen gemacht. fühlte sich niemals aufgefordert, die Last und den Ruhm eines bekannten Namens auf sich zu nehmen; und anstelle seinem Ahnen nachzueifern, übertraf er noch (wenn wir uns denn unterfangen dürfen, Unfähigkeit auszumessen) die Inkompetenz seines Vaters und seines Onkels.

Arcadius und Honorius waren von einem Vater angeleitet worden, der selbst ein lebendiges Vorbild abgegeben hatte. Aber der armselige Herrscher, der im Purpur geboren wird, wird die Stimme der Wahrheit niemals verstehen; und der Sohn des Arcadius war dazu verflucht, während seiner ganzen Kindheit von einem erbärmlichen Haufen aus Weibern und Eunuchen umzingelt zu sein. Die unbemessene Freizeit, die er sich durch Vernachlässigung seines hohen Amtes erschlich, war mit müßiger Kurzweil und nutzlosen Studien ausgefüllt. Die Jagd war die einzige Aktivität, die ihn aus dem Dunstkreis des Palastes herauslocken konnte; mit größtem Eifer, zuweilen sogar beim Scheine einer mitternächtlichen Lampe, übte er das mechanische Handwerk des Malens und Bildhauens; und durch die Anmut, mit der er Bücher religiösen Inhaltes abschrieb, verdiente sich der Römische Kaiser den einmaligen Titel eine Kalligraphen oder Schönschreibers.

Abgeschieden von der Welt durch eine undurchdringliche Trennwand, vertraute Theodosius ausschließlich solchen Menschen, die er liebte; und lieben konnte er nur die, die ihn zu unterhalten und zu schmeicheln verstanden; und da er niemals die ihm zur Unterschrift vorgelegten Papiere durchzulesen pflegte, wurden in seinem Namen oft die abscheulichsten Verbrechen begangen, vor denen sein Gemüt sicherlich zurückgebebt wäre. Der Herrscher persönlich war keusch, gemäßigt, freigebig und milde von Gesinnung; aber diese Eigenschaften, die die Bezeichnung Tugend nur dann verdienen, wenn ihnen Mut und Umsicht zur Seite stehen, wurden für die Menschheit selten segensreich und zuweilen sogar bedenklich. Sein durch die königliche Erziehung missgeleiteter Verstand war durch törichten Aberglauben verwirrt und befangen; er fastete, psalmodierte und glaubte kritiklos alle Wunder und Sätze, mit denen sein Glaube beständig gefüttert wurde. Theodosius verehrte mit Inbrunst alle toten und lebenden Heiligen der katholischen Kirche; und einmal weigerte er sich solange zu essen, bis ein dreister Mönch, der über seinen Kaiser den Kirchenbann verhängt hatte, sich gnädig bereit fand, die seelische Wunde zu heilen, die er ihm zugefügt hatte. Theodoretos, 5,37. Der Bischof von Kyrrhos, an Gelehrsamkeit und Frömmigkeit einer der Ersten seiner Zeit, lobt den Gehorsam des Theodosius gegenüber den göttlichen Gesetzen.

 

DIE ABENTEUER DER ATHENAIS · IHR CHARAKTER · A.D. 421-460

Die nun folgende Geschichte einer holden und tugendsamen Jungfrau, die aus geringen Anfängen bis auf den Thron erhoben wurde, möchte man wohl als eine müßige Fabel abtun, wenn diese Fabel nicht in der Hochzeit des Theodosius ihre Bestätigung gefunden hätte. Die nachmals hochberühmte Athenaïs Sokrates (7,21) erwähnt ihren Namen, (Athenaïs, Tochter des Leontios, eines Sophisten aus Athen), ihre Taufe, ihre Hochzeit und ihr dichterisches Genie. Die älteste Erzählung über sie findet sich bei Johannes Malalas (Chronographia, Teil 2, p.20f.) und in der Chronikon paschae p. 311f. Diese Autoren hatten vermutlich Originalportraits der Kaiserin Eudocia zu Gesicht bekommen. Die modernen Griechen, Zonaras, Kedrenos &c haben mehr Liebe als Talent zum Fabulieren entwickelt. Ich habe mich indessen getraut, von Nicephoros ihr Alter zu übernehmen. Romanautoren wären nicht auf den Einfall gekommen, die Athenaïs fast achtundzwanzig Jahre alt sein zu lassen, als sie das Herz des jungen Kaisers entflammte. wurde von ihrem Vater Leontius im Glauben und in der Wissenschaft der Griechen erzogen; und so günstig war des Philosophen Meinung von seinen Zeitgenossen, dass er seine Erbschaft unter seine beiden Söhne aufteilte und seiner Tochter nur ein kleines Legat von einhundert Goldstücken hinterließ in dem lebendigen Glauben, dass ihre Schönheit und ihre Begabung ein hinreichendes Erbteil abgäben. Die Eifersucht und Habgier ihrer Brüder veranlassten Athenaïs schon bald, nach Konstantinopel auszuweichen; um sich dort, auf Gerechtigkeit oder Gnade hoffend, der Pulcheria zu Füßen zu werfen. Die Herrscherin lauschte ihrer beredten Klage mit geschärften Sinnen; und insgeheim bestimmte sie die Tochter des Philosophen Leontius zum künftigen Weibe des Kaisers von Ostrom, der eben in sein zwanzigstes Lebensjahr eingetreten war.

Leicht erweckte sie die Neugier ihres Bruders durch eine lebhafte Schilderung von Athenaïs' Schönheit: große Augen, wohlproportionierte Nase, anmutiger Gesichtsausdruck, Goldlocken, schlanke Gestalt, anmutige Aufführung, ein durch Studien geschärfter Verstand und eine in Nöten bewährte Tugend. Theodosius, im Wohnraum seiner Schwester hinter dem Vorhang verborgen, durfte die Jungfrau aus Athen in Augenschein nehmen; mit der Zurückhaltung der Jugend erklärte er seine reine und lautere Liebe zu ihr; und schon bald ward Hochzeit gehalten unter dem Jubel der Hauptstadt und der Provinzen. Athenaïs hatte sich leicht darein gefunden, den Irrtümern des Heidentums abzuschwören, konvertierte und erhielt den Taufnamen Eudocia; aber die vorsichtige Pulcheria behielt sich den Titel einer Augusta vor, bis die Frau des Theodosius ihre Fruchtbarkeit durch die Geburt einer Tochter nachgewiesen hatte, welche fünfzehn Jahre später den Kaiser des Westens ehelichte.

Die Brüder der Eudocia gehorchten ängstlich-eilig der kaiserlichen Einladung; aber da sie sich es leisten konnte, deren letztlich glückbringende Lieblosigkeit zu vergeben, gönnte sie sich sogar die zärtliche – oder soll man sagen: eitle? – Gesinnung einer Schwester, indem sie beide zu Konsuln und Reichspräfekten ernannte. Im Luxus ihre Palastes widmete sie sich eben den Geisteskünsten, denen sie ihren Aufstieg zu danken hatte; klüglich setzte sie ihre Talente zum Ruhme der Religion und ihres Gatten ein. Eudocia schrieb eine dichterische Paraphrase auf die ersten acht Bücher des Alten Testamentes und die Wahrsagungen Davids und Zachariahs; kompilierte Homerverse zur Schilderung des Lebens Christi und seiner Wunder; schrieb die Legende von St. Cyprian und eine Darstellung von Theodosius' siegreichem Perserkrieg; übrigens haben ihre Dichtungen, die ihre servilen und abergläubischen Zeitgenossen mit schuldigem Jubel bedachten, auch den Beifall der unparteiischen Kritik gefunden. Sokrates 7,21; Photios, p. 413-420. Der Cento aus den Homerversen ist uns überliefert und wurde wiederholt verlegt, aber Eudocias Anspruch auf diese geschmacksarme Veranstaltung wurde von der Kritik nicht geteilt. Fabricius, Bibliotheka graeca, Band 1, p. 357. Die Ionia, ein Lexikon für Geschichte und Fabel wurde im elften Jahrhundert von einer anderen Kaiserin mit dem Namen Eudocia zusammengetragen; das Manuskript dieser Arbeit ist noch vorhanden.

 

IHRE PILGERFAHRT NACH JERUSALEM

Des Kaisers Verliebtheit erlosch nicht durch Zeit und Gewohnheit; und Eudocia erhielt nach der Hochzeit ihrer Tochter die Erlaubnis, ein früheres feierliches Gelübde durch eine Pilgerfahrt nach Jerusalem einzulösen. Die Fahrt, die sie mit viel Geräusch durch die östlichen Provinzen vollführte, mag mit dem Geist christlicher Demut unvereinbar scheinen; sie hielt von goldenem Throne eine wohlklingende Rede an den Senat von Antiochia, erklärte ihren kaiserlichen Willen, die Mauern jener Stadt zu vergrößern, spendierte zweihundert Pfund Gold zur Restaurierung der öffentlichen Bäder und ließ sich die Statuen gefallen, die ihr die Dankbarkeit Antiochias übereignete. Im Heiligen Lande übertrafen ihre Schenkungen und frommen Stiftungen die Freigebigkeit der großen Helena womöglich noch; und wenn auch die Staatskassen durch diese exzessive Spendenfreudigkeit schier ausgeplündert waren, so kehrte sie doch mit dem freudigen Bewusstsein nach Konstantinopel zurück, im Besitze der Ketten von St. Petrus zu sein, des rechten Armes von St. Stephan und eines unzweifelhaft echten Gemäldes der Heiligen Jungfrau aus der Hand von St. Lukas. Baronius (Annale ecclesiastici, A.D. 438f.) ist faktenreich und überladen; aber es wird ihm vorgeworfen, dass er den Lügen verschiedener Zeitalter den gleichen Grad von Authentizität verleiht.

Aber diese Pilgerfahrt war die letzte Stufe auf Eudocias Ruhmesleiter. Von hohlem Pompe satt und wohl auch ohne das Bewusstsein für das, was sie Pulcheria schuldete, erstrebte sie für sich die Regentschaft über den ganzen Osten; entzweit lag der Palast durch den Hader der beiden Frauen; aber schließlich entschied der Glücksstern von Theodosius' Schwester den Sieg. Die Hinrichtung des Haushofmeisters Paulinus und der Sturz des Reichspräfekten Cyrus überzeugten das Publikum davon, dass Eudocias Gunst nicht hinreiche, ihre treuesten Freunde zu schützen; und Paulinus' ungewöhnliche Schönheit leistete den Gerüchten Vorschub, dass seine Verbrechen die eines erfolgreichen Liebhabers gewesen sein müssen Bei dieser skizzenhaften Schilderung von Eudocias Ungnade habe ich mich an den behutsamen Evagrius (1,21) und des Comes Marcellínus (Chronika A.D. 449 und 444) orientiert. Die beiden vom Letztgenannten mitgeteilten authentischen Daten machen einen großen Teil der griechischen Erfindungen gegenstandslos; und die berühmte Geschichte vom Apfel eignet sich nur für 1001 Nacht, wo man Artverwandtes sicher finden mag.

Sobald die Kaiserin inne geworden war, dass sie die Zuneigung des Theodosius für immer verloren hatte, bat sie um die Erlaubnis, sich in die ferne Einsamkeit Jerusalems zurück ziehen zu dürfen. Man willfahrte; aber die Eifersucht des Theodosius oder die racheschwangere Gemütsverfassung der Pulcheria setzten ihr auch noch in ihrer letzten Zufluchtsstätte nach; und so erhielt der Haushofmeister Saturninus Befehl, sie durch die Ermordung ihrer beiden Lieblingsbediensteten, zweier Kirchenmänner, zu bestrafen. Eudocia rächte sie unverzüglich durch die Ermordung des comes; die Zornanwandlungen, die sie bei dieser Gelegenheit offenbarte, schienen Theodosius strenges Durchgreifen zu rechtfertigen; und die Kaiserin, ihrer Ehrenabzeichen Priscus (Excerpta legationium, p. 69). Der Zeitgenosse und Höfling Priscus erwähnt nur trocken ihren heidnischen und christlichen Namen und unterlässt jede weitere Ehren- oder Respektsbezeigung. beraubt, lag, in den Augen der Welt vermutlich zu Unrecht, im Staube.

Die verbleibenden sechzehn Jahre ihres Lebens verbrachte Eudocia im Exil und bei religiöser Hingabe; und das nahende Alter, der Tod des Theodosius, das Unglück ihrer Tochter (sie wurde als Gefangene von Rom nach Karthago geführt) und die Gesellschaft der Heiligen Mönche Palästinas festigten ihr religiöses Bewusstsein. Nachdem sie die Wechselfälle des menschlichen Lebens bis zur Neige ausgekostet hatte, verschied die Tochter des Philosophen Leontius zu Jerusalem in ihrem sechsundsiebzigsten Lebensjahr; und bekannte mit ersterbendem Atem, dass sie niemals die Gebote der Freundschaft übertreten habe. Hinsichtlich der beiden Pilgerfahrten der Eudocia, ihres langen Aufenthaltes dortselbst, ihrer Almosen &c vergleiche Sokrates (7,47) und Evagrius (1,20-22). Bisweilen verdient auch das Chronikon paschale Beachtung; und für die Lokalgeschichte von Antiochia ist Johannes Malalas eine Autorität. Der Abbé Guenée hat in einer Denkschrift über die Fruchtbarkeit von Palästina, von der ich nur einen Auszug zu sehen bekam, die Spenden der Eudoxia auf 20.488 Pfund Gold entsprechend 800.000 Pfund Sterling geschätzt.

 

DER PERSERKRIEG · A.D. 422

Theodosius' mildes Gemüt hatte niemals den Ehrgeiz nach Eroberungen und militärischen Ruhmestaten gespürt; und so vermochte auch der nun von Ferne drohende Perserkrieg die Ruhe des Ostens nicht aufzustören. Die Gründe für diesen Krieg waren gerechtfertigt und ehrbar. Im letzten Jahre der Regierung des Jezdegerd, des angeblichen Vormundes von Theodosius, hatte ein Bischof, den es nach der Märtyrerkrone verlangte, einen der Feuertempel in Susa Theodoretos, 5,39. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 12, p. 356-364. Assemanni, Bibliotca Orientalis, Band 3 p. 396, Band 4, p. 61. Theodoretos schilt Abdas wegen seiner Unbesonnenheit, aber betont seine Standhaftigkeit als Märtyrer. Indessen begreife ich die Logik nicht ganz, welche es uns verbietet, einen Schaden zu beheben, den wir widerrechtlich angerichtet haben. zerstört. Sein Glaubenseifer und seine Verbohrtheit rächte sich an seinen Glaubensbrüdern; die Magier begannen eine grausame Verfolgung; und Varanes oder Bahram, der Sohn Jesdegerds, eiferte dem Fanatismus seines Vaters nach, sobald er den Thron bestiegen hatte. So kam es zum Kriege zwischen den beiden Königreichen.

In den Bergen Armeniens und auf der Ebene Mesopotamiens marschierten die feindlichen Armeen auf; aber die Operationen zweier aufeinander folgender Feldzüge brachten keine entscheidenden oder überhaupt nur erwähnenswerten Ereignisse zuwege. Ein paar Scharmützel wurden ausgefochten, einige Städte mit zweifelhaftem Erfolg belagert; und wenn es den Römern nicht gelang, das seit langem verlorene Nisibis erneut in ihren Besitz zu bringen, so wurden die Perser vor den Mauern einer mesopotamischen Stadt zurückgeschlagen, verteidigt von einem kriegerischen Bischof, der seiner gewaltigen Kriegsmaschine den Namen des Apostels Thomas gegeben hatte. Doch die herrlichen Siege, von denen der Bote Palladius dem Palast zu Konstantinopel wiederholte Zeitung brachte, wurden mit Dankfesten und Ruhm-Reden gefeiert. Sokrates (7,18-21) ist für die Perserkriege unser bester Gewährsmann. Wir können aber die drei Chroniken, die Paschalis, die von Marcellinus und von Malalas studieren. Von diesen Panegyriken mögen die Historiker jener Zeit ihre phantastischen und vermutlich frei erfundenen Geschichte ausgeborgt haben; etwa die von der Herausforderung eines gewaltigen persischen Helden, der von dem Netz des Goten Areobindus eingefangen und von dessen Schwert in die andere Welt befördert wurde; von den zehntausend Unsterblichen, die beim Angriff auf das Römerlager umkamen; und von den hunderttausend Arabern oder Sarazenen, welche in einem Anfall von Panik sich kopfüber in die Fluten des Euphrat stürzten.

Derlei Vorkommnisse muss man nicht glauben und kann sie mit Verachtung abtun; aber die Mildtätigkeit eines Bischofs, Acacius von Amida, dessen Name jeden Heiligenkalender zieren könnte, soll nicht in Vergessenheit geraten. Er hatte rundheraus erklärt, dass Gold- und Silbergeschirre nicht für einen Gott taugten, der weder esse noch trinke und hatte dann den Schatz der Kirche Amidias verkauft; verwandte es zur Auslösung von siebentausend persischen Kriegsgefangenen; half ihnen mit großherzigen Spenden; und entließ sie in ihre Heimat, ihrem König vom wahren Geiste der Religion zu künden, die er verfolge. Solche tätige Nächstenliebe inmitten des Krieges ist immer angetan, die Feindschaft zwischen den Völkern zu ersticken; und nur zu gerne will ich glauben, dass Arcadius zur Wiederherstellung des Friedens beitrug.

Während der Friedenskonferenz an der Grenze der beiden Reiche verunglimpften die römischen Gesandten den Charakter ihres eigen Kaisers durch den sinnlosen Versuch, den Umfang seiner Macht auszudehnen, indem sie den Persern ernstlich rieten, durch rechtzeitiges Nachgeben den Zorn eines Herrschers zu vermeiden, der von diesem fernen Kriege überhaupt nichts ahnte. So wurde denn ein hundertjähriger Frieden geschlossen; und obwohl die Unruhen in Armenien die öffentliche Ruhe hätten beeinträchtigen können, wurden die wesentlichen Bedingungen dieses Vertrages von den Nachfolgern des Artaxerxes und Constantin fast achtzig Jahre lang eingehalten.

 

TEILUNG ARMENIENS ZWISCHEN PERSIEN UND KONSTANTINOPEL · A.D. 431-440

Seitdem sich die römischen und parthischen Fahnen zum ersten Male an den Ufern des Euphrat begegnet waren, war das Königreich Armenien von seinen fürchterlichen Beschützern immer wechselweise drangsaliert worden. Diese Skizze des Unterganges und der Teilung des armenischen Monarchie ist dem dritten Buche der Geschichte Armeniens von Moses von Chorene entlehnt. Wenn ihm auch alle Voraussetzungen zu einem guten Historiker abgehen, so sind doch die Informationen zu den Örtlichkeiten, seine Leidenschaft und seine Vorurteile bezeichnend für den Eingeborenen und Zeitgenossen. Prokopios (de aedificiis 3,1 und 3,5) erzählt die gleichen Fakten auf ganz andere Weise; aber ich habe die Tatsachen ausgezogen, die die meiste Wahrscheinlichkeit in sich selbst besitzen und den geringsten Widerspruch zu Moses von Chorene aufweisen. Auch im Laufe unserer Darstellung kamen schon die verschieden Ereignisse zur Sprache, welche die Waage für Krieg und Frieden entschieden. In einem schimpflichen Vergleich war Armenien Sapors Ehrgeiz überlassen worden; und Persiens Waagschale erhielt das Übergewicht. Aber das armenische Königsgeschlecht des Arsakes unterwarf sich dem Hause der Sassaniden nur mit Widerstreben; der unruhige Adel behauptete seine angestammte Freiheit oder wurden an ihr zum Verräter; und das Volk neigte den christlichen Herrschern Konstantinopels zu. Zu Beginn des V Jahrhunderts wurde Armenien durch eine Folge von Kriegen und Faktionsbildung immer weiter zersplittert; In Westarmenien waren in religiösen Angelegenheiten die griechische Sprache und Schrift maßgebend; in den Ostprovinzen war diese Sprache des Feindes durch die Perser untersagt und das Syrische die Amtssprache, bis schließlich die Erfindung der armenischen Schrift im V. Jh. durch Mesrobes und die nachfolgende Übersetzung der Bibel ins Armenische die Beziehung der Kirche und des Volkes zu Konstantinopel entspannte. und diese widernatürliche Teilung beschleunigte den Niedergang dieser alten Monarchie. Der persische Vasall Chosroes herrschte über das östliche und größte Teilgebiet des Landes; während der Westen unter der Gerichtsbarkeit des Arsaces stand und die Oberherrschaft des Kaisers Arcadius anerkannte.

Nach dem Tode des Arsaces lösten die Römer die königliche Regierung auf und machten ihre Verbündeten zu Untertanen. Das militärische Oberkommando lag in der Hand des comes der armenischen Grenzlande; die Stadt Theodisopolis Moses von Choren, Historia Armenica, Buch 3, p. 303 und 358; Prokopios, de aedificiis 3,5. Theodosopolis liegt, genauer: lag etwa fünfunddreißig Meilen östlich von Arzeroum, der Hauptstadt vom heutigen Türkisch-Armenien. Siehe d'Anville, Geographie ancienne, Band 2, p.99f. wurde an strategisch günstiger Stelle an der Quelle des Euphrat auf fruchtbarem, hohem Plateau gegründet und befestigt; und die den Persern botmäßigen Territorien wurden von fünf Satrapen regiert, deren außerordentliche Stellung durch eine besondere Gold- und Purpurkleidung bezeichnet war. Die weniger glücklichen Adligen, welche ihrem König nachtrauerten und ihren Standesgenossen ihre Ehrenstellung missgönnten, sahen sich genötigt, am persischen Hofe Frieden und Verzeihung zu erhandeln; und anerkannten auf ihrer Rückreise zusammen mit ihren Anhängern im Palast von Artaxata Chosroes als ihren rechtmäßigen Herren.

Etwa dreißig Jahre später hatten die hochfahrenden Adligen Armeniens Grund, sich an Artasiris, dem Neffen und Nachfolger Chosroes zu ärgern; und einmütig verlangten sie nach einem persischen Gouverneur anstelle des unfähigen Königs. Die Antwort des Erzbischofs Isaac, dessen Genehmigung sie in allem Ernst verlangten, ist kennzeichnend für die Denkungsart eines abergläubischen Volkes. Er beklagte die offenkundigen und unentschuldbaren Fehler von Artasisris; und er erklärte sich bereit, ihn ohne Zögern vor dem Tribunal eines christlichen Herrschers anzuklagen, welcher den Sünder bestrafen müsse, ohne ihn zu vernichten. »Unser König«, so Isaac weiter, »obliegt allzu sehr üppigen Ausschweifungen, ist aber durch das heilige Wasser der Taufe gereinigt. Er liebt die Frauen, aber er betet immerhin nicht das Feuer oder andere Elemente an. Man mag ihn mit Recht der Liederlichkeit zeihen, aber er ist unbestritten ein Katholik; sein Glaube ist rein, wenn auch seine Sitten tadelnswert sind. Nimmermehr werde ich darein willigen, meine Schäfchen den reißenden Wölfen auszuliefern; und schon bald werdet ihr Reue empfinden, dass ihr vorschnell die Schwächen eines Gläubigen gegen die vorgeblichen Tugenden eines Heiden aufrechnen wolltet.« Moses von Chorene, Historia Armeniciaca, Buch 3, p. 316. Entsprechend den Vorschriften von St. Gregor, dem Apostel Armeniens, war der Erzbischof stets von königlichem Geblüte; ein Umstand, welcher oft den Einfluss der Religion korrigierte und die Mitra mit der Krone vereinigte.

Aufgebracht durch Isaacs Halsstarrigkeit klagte der eingebildete Adel König und Erzbischof als heimliche Anhänger des römischen Kaisers an; und freute sich törichter Weise über die Verurteilung, die nach einem Schauprozesse von Bahram persönlich ausgesprochen wurde. Die Nachfahren des Arsaces gingen ihrer Königswürde verlustig, Ein Zweig dieses Könighauses der Arsakiden dauerte fort in der Stellung und mit den Besitztümern eines armenischen Satrapen. Siehe Moses von Chorene, Buch 3, p. 321. die sie immerhin für fünfhundertundsechzig Valarsaces wurde von seinem Bruder, dem Partherkönig, unmittelbar nach der Niederlage von Antiochus Sidetes, 130 v. Chr. (Moses von Chorene, Buch 2, p. 85.) zum König von Armenien ernannt. Ohne uns jetzt auf die unterschiedlich und z.T. gegensätzlich dargestellten Regierungen der letzten Könige einzulassen, können wir sicher sein, dass sich der Untergang der armenischen Monarchie nach dem Konzil von Chalcedon (A.D. 431) ereignete und zwar unter der Herrschaft von Veramus oder Bahram, Königs von Persien ca. A.D. 420-440. Siehe Assemani, Bibliotheca Orientalis, Band 3, p. 396. Jahre besessen hatten, und die Besitztümer des glückverlassenen Atasiris wurden zu einer Provinz mit dem neuen und kennzeichnenden Namen Persarmenia. Diese Besitzergreifung erfüllte den römischen Gouverneur mit Scheelsucht; aber die aufkeimenden Streitigkeiten wurden schon bald durch eine einvernehmliche, wenn auch ungleiche Teilung des alten Königreiches Armenien beendet; und so warf eine Gebietserweiterung, die Augustus wohl verachtet haben dürfte, noch einmal etwas Glanz auf das sinkende Reich des jüngeren Theodosius.


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