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17. Capitel

Etwas von der Hawaiischen Geschichte. Der rechte Wallfisch und seine Jagd.


Das wackere Schiff Kamehameha hatte, wie ich schon in einem der ersten Capitel erwähnte, seinen Namen von dem Könige dieser Inseln erhalten, und Kamehameha der Erste (der Urgroßvater des jetzigen Regenten) war der Gründer der heutigen Herrschaft auf den Sandwichs-Inseln.

Der Ursprung der Sandwichs-Insulaner ist ziemlich dunkel. Manche behaupten, daß die ersten Menschen auf den Inseln von den Göttern erschaffen wären, nach Anderen sollen sie von Tahiti aus bevölkert worden sein. So viel ist gewiß, daß vor einer längern Reihe von Jahren unternehmende Insulaner Reisen nach Tahiti in einem Doppelcanoe gemacht haben und von dort zurückgekehrt sind, und der junge Leser wird sich einen Begriff von der ungeheuren Entfernung für ein solch kleines Boot machen können, wenn er die Karte zur Hand nimmt und die beiden Inselgruppen aufsucht, von denen die eine nördlich, die andere südlich vom Aequator liegt.

Ein Priester Namens Kamapiika Ein Kind, das über die See läuft. soll der Erste gewesen sein, der diese Columbus-Reise unternahm, und zwar in Folge einer göttlichen Offenbarung, worin ihm die Lage, Größe und Entfernung Tahitis angegeben wurde, weshalb er sich von Hawaii aus mit vierzig Gefährten in vier Doppelcanoes einschiffte. Die südliche Spitze von Hawaii, von wo aus sie in See gingen, heißt noch heute »die fremde Straße.« Nach fünfzehn Jahren kehrte er von dieser ersten Reise zurück und unternahm noch außer derselben drei andere. Von der vierten kehrte er aber nicht wieder und blieb spurlos verschwunden.

Die Sagen dieser Insulaner gehen weit in das Alterthum zurück, und merkwürdigerweise findet sich hier sowol wie auf den Gesellschafts-Inseln die Sage einer großen Fluth, die vor vielen Menschenaltern stattgefunden. Einige der Bewohner retteten sich in einem großen Fahrzeuge mit Vieh und Nahrungsmitteln, bis die Wasser wieder sanken und das Boot auf dem Gipfel von Mauna Kea sitzen blieb.

Die Sage der Sündfluth in Tahiti erzählt nur, daß sich ein Mann und eine Frau auf den höchsten Gipfel des Berges retteten, und daß diese eine Spitze über Wasser blieb.

Die Urgeschichte des Volkes und seiner Könige ist übrigens entsetzlich verworren, denn sie wurde nur durch Ueberlieferungen aufbewahrt. Es giebt aber wol kein unsichreres Geschichtsblatt in der Welt, als die menschliche Zunge. Merkwürdig und komisch eigentlich ist es, daß ihre Stamm mutter Papa heißt. In früheren Zeiten wurden diese verschiedenen Inseln der ganzen Gruppe auch von verschiedenen Königen regiert, die unabhängig auf ihrem Eigenthume herrschten und auch wol dann und wann mit einander Kriege führten. Es soll unter diesen einige entsetzlich böse Burschen gegeben haben, und Huakau, ein früherer König von Hawaii, soll besonders so eifersüchtig auf seine Macht und seine Schönheit gewesen sein, daß er, wo er z. B. ein schöner tätowirtes Bein erblickte als er selbst besaß, das unglückliche Stück augenblicklich abhacken ließ, und Aehnliches auch bei Kopf und Armen befahl. Er wurde zuletzt, wie es meist solchen despotischen Gesellen geht, in einer Revolution getödtet.

Diese Häuptlinge scheinen überhaupt in alten Zeiten ziemlich barbarisch geherrscht und besonders ihrem Adel, der sich ebenfalls schon gebildet hatte, gewaltig viel Macht über das »ungebildetere« Volk eingeräumt zu haben, von dem er eine ziemlich streng geschiedene Kaste bildete.

Ihre Religion erkannte, wie die der alten Griechen, nur allerdings mit weniger Schönheitssinn in der malerischen Ausschmückung derselben, verschiedene Götter an, und ihre Mythologie ist oft nicht weniger bilderreich und poetisch als die griechische.

Pele, die Göttin des Feuers, die ihren Sitz in dem Hauptvulcan der Insel hat, war ihre oberste Gottheit, und es läßt sich denken, daß diese einfachen Kinder des Oceans in der furchtbaren Wirkung einer unbegriffenen Naturkraft irgend ein hohes göttliches und mächtiges Wesen sehen mußten, dessen Gewalt sie fürchteten und dessen guten Willen sie durch Opfer zu erkaufen suchten.

Auch den ersten Weißen, der ihre Insel betrat, Capitain Cook, verehrten sie und hielten ihn für einen Gott, brachten ihm Opfer und sanken in ehrfurchtsvollem Staunen in die Knie, wenn die Donner der Geschütze den Widerhall in ihren Bergen weckten, oder die Offiziere des Bootes, um ihnen eine Freude zu machen, Feuerwerk, Schwärmer, Raketen und Drehfeuer losließen. In diesen sahen sie nämlich nichts Anderes als »springende Teufel«, die mit ihrem Pelaberg verwandt sein müßten. Es geschah damals Alles für die Europäer, und was man an Lebensmitteln oder sonstigen werthvollen Gegenständen auftreiben konnte, wurde ihnen reichlich geliefert. Diese aber mißbrauchten die Güte der einfachen Naturkinder, und die übermüthigen Fremden entweihten zuletzt sogar das, was Jenen bis dahin als das Heiligste gegolten, ihre Götter.

Die erste Unzufriedenheit mit den Europäern scheint erregt zu haben, daß Capitain Cook die Umzäunung eines Tempels und Grabes verlangte, um sie als Brennholz auf den Schiffen zu verwenden. Die Eingeborenen fügten sich allerdings dem Befehl, weil sie den Capitain selbst für einen Gott hielten, aber von dem Augenblick an war der gute Wille gegen die Fremden zerstört, während Diese durch immer neue Uebergriffe das Volk mehr und mehr reizten. Aber erst, als sie sogar einen Häuptling getödtet hatten, rüsteten sich die Männer von Hawaii zur Rache. Zuerst beschränkte sich der begonnene Kampf allerdings noch auf Neckereien, Blut war jedoch schon geflossen, und einer der Häuptlinge, Kalaimano-Kahoowaha, sprang endlich, als die Soldaten auf seine Unterthanen gefeuert und viele getödtet hatten, auf Capitain Cook zu, ihn zu halten. Er trug dabei eine Art Dolch von Eisen in der Hand, soll aber im Anfang nicht daran gedacht haben, den Fremden zu tödten, da die Eingeborenen den Capitain noch immer für unsterblich hielten, bis Dieser rief: »ich falle«. Da dachte der Häuptling – wie die Eingeborenen die Geschichte erzählten – »wenn er fallen kann, ist er auch kein Gott, sondern ein Mensch,« und stieß ihm das Messer unter der Schulter durch, tief in die Brust, daß er augenblicklich zusammenbrach und todt mit dem Gesicht in das Wasser fiel. Die Schiffe feuerten dann, ihren Capitain zu rächen, ihre Kanonen auf das Volk ab, und viele Unglücklichen wurden niedergehauen und getödtet, so daß die Eingeborenen den Leichnam des erschlagenen Capitains aufgriffen und damit in das innere Land flohen. Hier opferten sie den Körper, lösten das Fleisch von den Knochen, verbrannten es und bewahrten die Knochen auf, von denen ein Theil auch später dem Schiffe zurückgegeben wurde. Nur das Herz wurde, wie die Indianer erzählen, von einigen Kindern gegessen, die es für das eines Thieres hielten, und die Namen der Knaben giebt der indianische Geschichtserzähler als Kupa, Mohoole und Kaiwikokoole an.

Kamehameha, später mit dem Beinamen der Erste und der Große, war in jener Zeit ein Häuptling auf Hawaii und wurde sogar in dem Gefechte mit den englischen Soldaten leicht verwundet. Es war ein kühner, ehrgeiziger Charakter, und wie er nach und nach Hawaii selber unterwarf und sich zum Alleinherrscher der Insel emporschwang, faßte er den Entschluß, die Nachbar-Inseln ebenfalls zu erobern, und führte ihn im Laufe der Jahre nicht ohne ziemliches Blutvergießen auch endlich aus. Den letzten Widerstand fand er auf Oahu, der jetzigen Hauptinsel und Residenz der Gruppe, da sich dort der sicherste Hafen befindet. Dort trieb er die Tapfern von Oahu in das Innere der Insel bis zu einem furchtbaren Abhang, dem sogenannten Pali, und zwang sie, wenn sie nicht in seine Hände fallen wollten, sich da hinunter zu stürzen.

Kamehameha der Erste war übrigens nicht allein ein tapferer, sondern auch ein guter Mann und verdient den Beinamen des Großen, der ihm später geworden. Er starb am 8. Mai 1819, sechsundsechzig Jahre alt, im Glauben seiner Väter. Bis zu dem heutigen Tag lebt sein Name im Mund des Volkes, und die Hawaiier sind stolz auf ihren kriegerischen edlen Fürsten, der Alles that, was in seinen Kräften stand, sein Volk einig und glücklich zu machen.

Seit der Zeit sind die Insulaner zum größten Theil Christen geworden, und die Missionäre haben die vollste Gewalt auf den Inseln, ja regieren jetzt anstatt der früheren Könige, wenn diese auch noch dem Namen nach bestehen. Kamehameha der Dritte aber starb vor ganz kurzer Zeit an den Folgen übermäßigen Trunkes, und sein Volk ist entnervt, demoralisirt und halb ausgerottet. Darf man sich da wundern, daß es den Einfluß der Weißen mit eben nicht so günstigen Augen betrachtet? –

Der Abend verging an Bord noch mit einigen Vorbereitungen zur Reise; Eingeborene waren gemiethet, die in großen Fässern Wasser brachten; Holz wurde ebenfalls eingenommen, und als am andern Morgen die Sonne aufging, beschien sie die an der Winde beschäftigte Mannschaft, die mit lustigem Sang den schweren Anker aus der Tiefe hob.

Wieder hielten sie hinaus in die See. Von einer frischen Landbrise gebläht, spannten sie ihre Segel, und das wackere Schiff ließ bald den sichern Hafen des schönen Landes hinter sich, den nördlichen Meeren zuzusteuern.

Es war für Carl ein eigenthümlich wehmüthiges Gefühl, das Land, das er betreten, wieder verlassen zu müssen, um sich noch weiter von seiner Heimath zu entfernen. Der Capitain hatte ihm allerdings versichert, daß er seinen Brief so gut besorgt habe, wie es auf diesen Inseln nur irgend möglich sei, und daß dieser wahrscheinlich bald mit einem von Valparaiso oder einem andern Hafen einlaufenden Schiffe abgehen könne. Aber lange Zeit mußte immer noch vergehen, ehe er in die Hände seiner Aeltern kam, und weiter als je war für ihn selber die Hoffnung hinausgerückt, sein Vaterland wiederzusehen.

Die Mastenspitzen wurden indeß, sobald sie in offene See kamen, bemannt, um nach Fischen auszuschauen, und die leichten abgenutzten Segel mit stärkeren und meist neuen vertauscht, um, wenn sie die Passate verließen, den unregelmäßigen und oft stürmischen Winden besser begegnen zu können. Acht volle Tage liefen sie aber in ziemlich nördlicher Richtung ruhig ihren Cours fort, ohne auch nur das Mindeste anzutreffen, was einem Wallfisch ähnlich gewesen wäre. Ein paar Mal wurde freilich vom Mast signalisirt, das erwies sich jedoch stets als blinder Lärm. Einmal kam ein Finnback-Wallfisch bis ziemlich dicht an das Schiff heran und warf seinen hohen, scharfen Strahl empor; diese Fische geben aber nur sehr wenig Thran, und ihre Jagd ist so gefährlich und der Fisch selber so schwer zu fangen, daß die Wallfischfänger nicht gern etwas mit ihm zu thun haben. Gewöhnlich läuft er, sobald er von der Harpune getroffen ist, mit so furchtbarer Schnelligkeit fort und taucht manchmal so tief, daß die Bootsmannschaft das Tau, an dem er hängt, kappen oder abhauen muß und dadurch Fisch, Harpune und Tau verliert, um nur das Boot zu retten. Seinen Namen hat er von der hohen großen Rückenflosse oder Finne bekommen.

Der »rechte Wallfisch«, von dem der gewöhnliche Thran und das sogenannte Fischbein kommt (denn der Pottfisch oder Cachelot hat kein Fischbein), wird größer als dieser, ist dicker im Rumpf und trägt längere Seitenflossen, womit er seinen schweren Körper vorwärts bewegt. Er stößt zwei Strahlen in unregelmäßigen Zwischenräumen und weit höher als der Spermfisch aus, aber natürlich nur dann, wenn sich der Kopf unter Wasser befindet. Schwimmt er dagegen an der Oberfläche, wobei jedoch seine ungeheure Fettmasse so von dem Wasser getragen wird, daß ein Theil des Rückens und des Kopfes über der Oberfläche bleibt, dann bläst er nur den warmen Hauch mit lautem Zischen aus, der besonders bei kaltem Wetter wie eine Rauchsäule emporsteigt und weithin sichtbar ist.

Das Merkwürdigste an diesem Fische ist, wie bei dem Cachelot, der Kopf, hier des Fischbeins, bei dem Cachelot des Wallraths wegen. Im Oberkiefer trägt der rechte oder gemeine Wallfisch nämlich statt der Zähne Barten, die in schichtartigen Blättern, wie die Planken an den Wallfischbooten, nur viel dichter übereinandergelegt, senkrecht herunterhängen. An den inneren Rändern, wie vorn an den äußersten Enden, haben diese Barten Fasern, die der Wallfisch wie ein Sieb gebraucht, um sich seine Nahrung zu verschaffen. Das ungeheure Thier lebt nämlich hauptsächlich von ganz kleinen, dem Auge kaum bemerkbaren Geschöpfen, die in jenen Gegenden das Meer oft in unglaublicher Masse füllen. Die Zahl derselben zu beschreiben, hat ein Engländer berechnet, daß 40,000 Menschen von Erschaffung der Welt an, nach unserer Zeitrechnung, wenn sie mit weiter Nichts beschäftigt gewesen wären, also etwa 6000 Jahre gebraucht haben würden, um nur eine einzige Quadratmeile dieser kleinen Thiere zu zählen. Es wäre das aber jedenfalls eine entsetzlich langweilige Arbeit gewesen, und hat sich damit auch gewiß Niemand abgegeben.

Der Wallfisch, der einen Schlund hat, durch den er kaum einen Häring bringen kann, nährt sich von diesen Thieren, nimmt das Maul, in das ihm dabei natürlich das Seewasser läuft, richtig voll und drückt dieses dann durch Schließen des Maules wieder aus, wobei die faserigen Enden der Barten die kleinen Thiere verhindern mit hinauszuschlüpfen. Der rechte Wallfisch wird 110 bis 120 ja 130 Fuß lang und giebt oft bis zu 200 Fässer Thran. Die breite Zunge allein soll oft drei Fässer liefern.

Den neunten Tag nach der Abfahrt aus Hilobai sahen unsere Seefahrer den ersten rechten Wallfisch und machten Jagd mit allen Booten darauf. Diese Thiere sind indeß seit langen Jahren schon so abgehetzt und scheu gemacht, daß sie aufmerksam auf jedes fremde Geräusch horchen und ihren Feinden durch schleunige Flucht zu entgehen suchen. Mit dem Fange war es auch diesmal Nichts. Die Boote ruderten den ganzen Tag auf der See herum, während ihnen das Schiff mit gerefften Segeln langsam folgte, und sie mußten endlich spät am Abend mit todesmüder Mannschaft unverrichteter Sache an Bord zurückkehren.

So ging es noch eine ganze Woche fort, und der Kamehameha hatte sich indessen so weit nach Norden hinaufgearbeitet, daß das Wetter schon merklich kalt wurde und die Leute, die jetzt an das warme Klima gewöhnt waren, alle ihre Winterkleider wieder hervorsuchten, um sich gegen die schneidende Luft und die oft bitter-kalten Nächte zu schützen. Land bekamen sie aber immer noch nicht zu sehen und hielten mit unverändertem Cours nach Norden hinauf der Behringsstraße zu, wo der Capitain bessere Jagdgründe vermuthete, als sich ihm hier zu bieten schienen.

Wie lang wurden jetzt die Tage! Carl hatte es bis dahin gar nicht für möglich gehalten, daß es so lange hell bleiben könnte. Es wollte gar nicht mehr Nacht werden, und wenn die Sonne zu Nord-Nord-West unter dem Horizonte verschwand, ging sie nach ein paar Stunden in Nord-Nord-Ost schon wieder auf; es war die geschäftigste Sonne, die er in seinem ganzen Leben gesehen hatte.

Den funfzehnten Tag nach ihrer Ausfahrt von Hilo kamen sie an den ersten Wallfisch fest, und als ihn die vier Boote im Schlepptau hatten und damit zum Schiff hinüberrudern wollten, blies dicht vor ihnen ein plötzlich aufkommender anderer Wall seine Strahlen fast in die Boote hinein.

Wetter noch einmal! wie rasch sie da den todten Burschen liegen ließen und auf den lebendigen Jagd machten! Nur ein Boot mußte bei dem schon erlegten zurückbleiben, um die sichere Beute nicht der ungewissen wegen zu verlieren. Aber selbst das hielt nicht lange dabei aus, es stieß eine kleine rothe Fahne, die der Bootsteuerer bei sich führte, an einen Harpunenstiel befestigt, in den todten Koloß, um den Platz später wiederfinden zu können, und folgte den übrigen. Carl war mit in Barthels' Boote und führte jetzt den vordersten Riemen, als der Wallfisch, der bis dahin kaum eine Ahnung von der nahenden Gefahr gehabt zu haben schien, plötzlich die ersten Boote gewahrte und untertauchend in einem scharfen Winkel abfuhr, seinen Verfolgern zu entgehen. Dadurch kam er gerade Barthels' jetzt unter vollem Segel heranpressendem Boote vor den Bug. Der Bootsteuerer hob sich hoch empor, den Oberkörper zurückgebogen, die Harpune fest und wie krampfhaft gefaßt; die Leute aber saßen mit funkelnden Augen und regungslosen, wie aus Stein gehauenen Körpern, den Moment des Wurfs erwartend, während der Harpunirer, der bis dahin das Boot zu steuern hatte, mit dem langen Steuerriemen in der Hand jede Bewegung des Bootes lenkte und richtete. Das Boot schoß indessen eine kurze Strecke blitzschnell dem hier keinen Feind vermuthenden Ungethüm nach und kam ihm näher und näher.

Das ist der interessanteste Augenblick der Jagd, ein Bild voller Kraft und Leben, voll Energie und fast peinlicher Spannung, der Augenblick, in dem die Bootsmannschaft Nichts sieht und hört, als eben nur den Fisch, und wo die Blicke der Männer in athemloser Erwartung an dem dunklen, durch die Wogen schäumenden Streifen hängen, den Punkt zu erspähen, wo das scharfe widerhakige Eisen einfahren wird.

Jetzt zischt das Boot hinan; dicht neben der Larbordseite peitscht der mächtige Schwanz des riesigen Thieres das Wasser, und eben hebt er sich wieder zu neuem Ansatz halb über die Oberfläche empor. Der Bootsteuerer mit der gehobenen Harpune biegt sich noch weiter zurück, jede Muskel seines Körpers angespannt, den Mund halb geöffnet, die Augen funkelnd und blitzend, und im nächsten Moment fährt das scharfe Eisen, mit voller Sicherheit geschleudert, in die dunkle Haut.

»Tau frei! – steht bei hier – habt Acht!« tönt der Ruf des Harpunirers, während der Bootsteuerer wie eine Schlange nach rückwärts gleitet, um den Steuerriemen jetzt zu nehmen, und der Harpunirer in zwei Sprüngen vorn im Bug steht, die Lanze aufgreift und zum tödtlichen Wurfe hebt. Der Fisch aber, der den scharfen schmerzenden Stahl jetzt in dem Fleische fühlt, schießt mit Blitzesschnelle nach vorn, das über die Rollen laufende Tau hinter sich herreißend, und Einer der Leute greift das vorn befestigte haarscharfe Beil auf, im Fall das Tau sich verwickeln sollte, es durch einen raschen Hieb zu trennen und das Boot vor sonst sicherem Untergange zu bewahren, denn die Gewalt, mit der der Fisch es vorwärts oder mit sich in die Tiefe reißt, ist unwiderstehlich. Jetzt ist die Leine ausgelaufen, aber die Eile des »Leviathans der Tiefe« läßt auch nach. Noch zieht er, jetzt dahinüber, jetzt dorthin, aber das Boot hängt an ihm fest, und die Leute vorn holen das Tau schon wieder ein, sich mehr und mehr der Beute nähernd. Jetzt sind sie hinan, der Harpunirer hebt zum Wurfe aus, die Lanze fliegt, und hinter der Seitenflosse die Stelle suchend, wo des Fisches Leben sitzt, fährt das lange scharfe Eisen tief hinein. Hui! wie der Koloß da bäumt und schlägt und die Ruderer – denn das Segel ist schon lange eingenommen – mit den schon aufgegriffenen Riemen so rasch in die Fluth einfassen, um das Boot aus der gefährlichen Nähe des niederhauenden Schwanzes zurückzutreiben. Ein Schlag von der furchtbaren Waffe des Thieres, und zu Atomen wären die Planken des schwachen Fahrzeugs zerschmettert.

Aber der Todeskampf des Thieres lohnt bald Jagd und Mühe der Verfolger. Es hebt sich aus dem Wasser, peitscht mit dem Schwanze die Fluth und spritzt Wasser und Blut aus den schnaubenden Nüstern. »Hurrah!« jubelt und jauchzt die Mannschaft, »Hip hip hip hurrah!« und wenige Minuten später schwimmt der dunkle Körper ruhig, mit den Wellen langsam steigend und fallend, auf der nur leichtbewegten, rothgefärbten See.

Das war eine Jagd! zwei Fische in kaum so vielen Stunden! Das Schiff hatte aber jetzt alle nur erdenkliche Arbeit, gegen den Wind zu ihnen hinanzukommen und die Beute langseit zu nehmen. Von da an begann nun wieder die gewöhnliche Arbeit des Einschneidens, womit drei volle Tage und Nächte zugebracht wurden und wobei die einzelnen Wachen sich unter einander ablösen mußten, um die Feuer fortwährend in Gluth zu halten. Erst als das beendigt war, wurden die Segel wieder gelöst und die Fahrt gen Norden fortgesetzt.

Am dritten Tage von da sichteten sie Land – die Fuchs-Insel, ohne sich jedoch dabei aufzuhalten. Hier wurde das Meer auch belebter, denn hier und da ließen sich Segel am Horizont erkennen, deren vom Deck aufsteigender Qualm sie ebenfalls als Wallfischfänger ankündigte. Andere Fahrzeuge, russische Kriegs- und Transportschiffe ausgenommen, kamen selten in diese nördlichen Meere, in die sich der weiter im Süden so arg verfolgte Wallfisch zurückgezogen, und der Kamtschadale befuhr sonst ungestört das weite Meer mit seinem kleinen Ledernachen, meist allein oder in Gesellschaft von mehreren Booten, das riesige Ungeheuer der Tiefe anzugreifen und zu bezwingen. Die Zeiten sind freilich für ihn vorbei; der civilisirte Europäer handelt nicht mehr nach dem Grundsatz, daß der Mensch der Herr der Schöpfung sei, sondern versteht unter diesem Menschen nur den mit weißer Hautfarbe, der sich alles Andere, wo nicht dienstbar, doch nutzbar macht. Seine Schiffe durchstreifen alle Meere, nehmen, was sie entdecken, d. h. was sie finden, und achten keine Nationalität als die, welche sich mit den Waffen in der Hand eben Achtung von ihnen erzwingen kann. So haben denn auch die Europäer jetzt mit ihren Enkeln, den Nord-Amerikanern den Fischfang im nördlichen Eismeer an sich gerissen und die Wallfische, die sie nicht tödteten oder vertrieben, so scheu gemacht, daß der arme Nordländer mit seinen unvollkommenen Fahrzeugen und Waffen Noth und Mühe hat zu erlangen, was er eben nothwendig braucht und haben muß. Aber was kümmert das die Europäer, die ihre Schiffe ausrüsten den Wal zu jagen und reich dabei werden wollen? Der Kamtschadale, Esquimo und Lappe mag sehen, wie er sich behilft oder durchkommt; das Meer ist frei, und die beutegefüllten Schiffe der Europäer ziehen mit stolzgeblähten Segeln zur Heimath zurück.

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