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12. Capitel

Wie Carl zum ersten Mal die Harpune warf, und was für ein Abenteuer er mit den Braunfischen hatte.


So lange das Auskochen der Fische dauerte, wurde natürlich nicht an weitere Jagd gedacht, und das Schiff setzte mit kleinen Segeln seine Bahn langsam fort. Sobald aber nur das Meiste des Specks beseitigt war, mußten die Ausgucks schon wieder an ihre Plätze in den Masten, um keine Zeit zu versäumen, und hätten sie wieder Fische angetroffen, so wären sie ebenso wie die früheren gejagt worden, trotz dem fortgehenden Auskochen. Es ließ sich aber Nichts sehen, der Speck war beseitigt und das Deck wurde abgewaschen, wozu man wieder die scharfe Asche der Grieven benutzte, die den Thran der Pottfische mit Seewasser leicht vom Verdeck abnahm.

Eigenthümlich ist dabei, daß die schwarze, dünne, papierartige Oberhaut, die den Speck umgiebt und auf der eigentlichen Haut aufsitzt, vollkommen gut den Dienst der Seife vertritt, um alle Fetttheile des Spermfisches von den Händen zu entfernen.

Als das Schiff gereinigt worden, trat wieder ein längerer Stillstand in ihrem Fange ein, da sie ihre Richtung nach Norden hinauf beibehielten; aber die Leute an Bord hatten trotzdem keine müßige Zeit. Die Harpunen, Lanzen und Spaten mußten wieder geschliffen, die Boote selber nachgesehen werden, und am eifrigsten von Allen ist der Böttcher beschäftigt, die Fässer, die an Deck festgeschnürt stehen, und in die der warme Thran gefüllt ist, sorgfältig zu überwachen und die Reifen derselben mehr und mehr anzutreiben. Erst wenn sie vollkommen dicht sind, und der Thran durchaus abgekältet ist, werden sie in den untern Raum hinabgelassen.

Ballast führt ein Wallfischfänger nicht mit, um keinen unnöthigen Platz für später einzustauende Fässer zu verlieren, sondern der Kielraum wird mit Fässern geladen, die mit Seewasser gefüllt sind. Hat man dann eine Parthie Thran an Bord, so wird das Seewasser aus eben so viel unten liegenden Fässern herausgepumpt, und die vollen Oelfässer nehmen hierauf deren Platz ein.

Carl hatte sich übrigens während dieser ganzen Zeit so gut benommen und solchen Fleiß gezeigt, daß ihn der Capitain, der den Knaben überhaupt gern leiden mochte, noch weiter anzulernen beschloß, weshalb er einen der Harpunirer beauftragte, ihm Unterricht im Eisen- oder Harpunenwerfen zu geben. Als Ziel für den Wurf wurde ein alter, mit gezupftem Werg gestopfter Sack, als Waffe eine ziemlich leichte, stumpfgefeilte alte Harpune genommen, und nach jenem Ziele mußte er dann das Eisen erst auf zehn, dann auf zwölf Schritt und immer weiter, wenigstens so weit, als es die Kräfte seines Arms erlaubten, schleudern, damit er nicht allein darin Uebung bekam, sondern auch sein Auge an die richtige Entfernung, in der er einen Wurf wagen konnte, gewöhnte.

Es läßt sich denken, welche Freude ihm das machte, und er gab sich solche Mühe, daß er es bald zu einer wirklichen Fertigkeit darin brachte, und einen schwarzen Mittelpunkt, den er sich auf den Sack gemalt hatte, wenn auch nicht mit jedem Wurfe traf, doch ihm sehr nahe kam.

Von den Spermfischen waren außer dem Thrane und den Zähnen auch die unteren Kinnbacken an Bord behalten worden; sie sind stark und fest wie Elfenbein, nur grobkörniger und können deshalb nicht so schön geglättet werden. Die Capitaine nehmen sie aber gern mit nach Hause, weil sich doch Spazierstöcke und andere Dinge recht hübsch aus ihnen drechseln lassen, und weil der starke Knochen auch zu manchen kleinen Sachen an Bord gut verwendet werden kann. Der Zimmermann war denn auch eben dabei, den einen Kinnbacken in lange Stücke auszusägen, als der Ruf »there she blows!« wieder aus dem Maste erschallte, und der oben befindliche Bootsteuerer bald darauf eine Schaar Braunfische anzeigte, die sich zu windwärts von dem Schiffe herumtummelte und eben aufgekommen waren. Selbst vom Deck aus ließen sie sich jetzt schon erkennen, wie sie sich langsam mit den großen dunklen Körpern aus der See hoben, und mit zischendem Geräusch Luft und Wasser ausbliesen.

Wallfischfänger machen allerdings nur sehr selten, und wenn sie weiter gar Nichts zu thun haben, Jagd auf diese Thiere, da ihr Fang den Booten häufig gefährlich wird. Ist nämlich ein Fisch festgeworfen, so drängen sich die anderen oft um ihn her, und ein einziger Schlag mit dem Schwanze dieser schweren und oft doch bis zwanzig Fuß langen Thiere genügt, die leichten Boote gar sehr zu beschädigen oder auseinander zu treiben. Eine Uebung für die Leute ist's aber immer, und besonders wenn die Capitaine viel neue Mannschaft an Bord haben, die mit dem Rudern noch nicht recht umzuspringen wissen, lassen sie nicht leicht eine Gelegenheit vorbeigehen, sie mit solcher Arbeit einzuexerciren.

Ein Boot wird übrigens selten allein über Bord gelassen, da man nicht wissen kann, was ihm zustößt, und der Kamerad muß dann in der Nähe sein, um ihm Hülfe zu leisten. So rief der Befehl des Capitains denn auch jetzt den dritten und vierten Harpunirer zur Jagd, die Fische zu verfolgen, und Carl wurde statt eines der Matrosen, der seit einigen Tagen erkrankt war, in Barthels' Boot beordert, dort eines der Ruder zu führen, um zu sehen, wie er sich dabei anstellte.

Carl hätte laut aufjubeln mögen, als er in wilder Hast an der Schiffsseite niederkletterte und in das schon auf das Wasser gelassene Boot sprang. Dieses stieß vom Schiffe ab, und Barthels, der hinten am Steuerriemen stand und den Bug des kleinen scharfgebauten Fahrzeugs der Richtung zulenkte, in der sie die Fische jetzt deutlich konnten herumtummeln sehen, freute sich über die Sicherheit und Ruhe, mit welcher der Knabe sein Ruder führte und Tact hielt mit den Uebrigen, in gleichem, regelmäßigem Schlag. Der Capitain aber stand auf dem Hinterdeck und verfolgte mit dem Fernrohr die Fortschritte des Bootes, das rasch und flüchtig über das Wasser schoß.

Carl, der sich in Helgoland schon tüchtig mit dem Ruder geübt, fand sich bald darein, und mit einiger Aufmerksamkeit, den hier und da aufquellenden Wogen mit dem schlanken Holze auszuweichen, machte er auch nicht einen einzigen Fehlschlag. Aber ein sonderbares Gefühl war es für ihn, jetzt hier in der weiten, offenen See, von dem Schiffe, das ihn bis dahin getragen, abzufahren und die gewohnten Laute, den Lärm, das Hämmern und Klopfen an Bord, das Singen und Lachen der Leute nicht mehr zu hören. Wie still das hier draußen war, wie merkwürdig still und ruhig – nur das leise Plätschern des Bootes durch das Wasser, der Schrei einer einzelnen Möve und das noch ferne Schnauben der Fische klang zu ihm herüber. Weiter regte sich nichts, und selbst die von dem Ruder niederträufelnden einzelnen Wassertropfen konnte er fallen hören.

Die Ruderer sitzen in den Seebooten mit dem Rücken nach vorn, das Gesicht dem Steuernden zugedreht, um mehr Kraft in den Zug ihrer Riemen legen zu können, und Carl behielt deshalb auch das Schiff immer vor Augen, als ihm plötzlich der Harpunirer winkte, sein Ruder einzuziehen und vorsichtig nach vorn zu gehen. Die See war so ruhig, und die Fische spielten so langsam und unbekümmert im Wasser, daß Barthels beschloß, den jungen Burschen einmal einen Wurf darnach thun zu lassen. Wenn er fehlte, was that's? den Leuten selber war überhaupt Nichts daran gelegen eines so unbedeutenden Fisches wegen ihr Deck zu beschmutzen.

»Wo soll ich ihn treffen?« fragte aber jetzt Carl, der kaum den ehrenvollen Auftrag begriffen hatte, als ihm auch schon in Jagdlust und Eifer die Glieder zitterten – »mitten drauf?«

»Wo Du hinkommst,« flüsterte ihm der Bootsteuerer zu, der neben ihm stand, »am Besten aber dicht hinter die Finne; – nimm Dir nur Zeit, wir kommen dicht hinan.«

Carl stand vorn im Boote, die Harpune fest mit beiden Händen gepackt und zum Wurf zurückgehoben, und das schlanke Fahrzeug schoß blitzschnell gegen den nächsten Fisch, einen tüchtigen schwarzen Burschen an, der eben wieder den dicken Kopf langsam über die Oberfläche des Meeres hob und das Wasser in einem breiten nebligen Dunst ausspritzte. Kaum fünfzehn Schritt waren sie noch von ihm entfernt und Carl holte zum Wurfe aus.

»Noch nicht,« flüsterte der neben ihm stehende Bootsteuerer, der das Tau für den Fall, daß der Fisch wirklich getroffen werden sollte, klar und frei hielt; »wir kommen noch näher; – stehst Du da gut?«

»Zu niedrig,« flüsterte Carl zurück, »wenn wir dicht an den Fisch hinankommen, kann ich ihn nicht gut sehen; der Bug vorn hindert mich.«

»So steige hinauf,« sagte der Bootsteuerer leise – nimm Dich aber in Acht, daß Du nicht fällst, und sobald Du geworfen hast, springst Du ins Boot zurück.«

Carl trat rasch auf die kleine Back des Bootes – vorn über aufgenagelte dünne Bretter, auf denen das schmale Kappbeil und ein Messer in einer hölzernen Scheide befestigt war.

»Herunter von da!« rief ihm da Barthels mit unterdrückter Stimme ängstlich zu – »herunter von da – das ist zu gefährlich« – aber weder Carl noch der Bootsteuerer hörten den Warnungsruf, denn dicht vor ihnen – kaum zehn Schritte von dem Bug des Bootes entfernt, tauchte plötzlich mitten zwischen den wild zur Seite stiebenden Braunfischen der riesige Körper eines Spermfisches auf, hob sich mit dem Kopfe über das Wasser, blies den breiten, spritzenden Strahl aus und schoß dann, wahrscheinlich die Nähe des Feindes witternd, nach vorn.

Der Bootsteuerer sah ihn ebenfalls kommen, war aber von dem unerwarteten Erscheinen des Fisches so überrascht und ordentlich verblüfft, daß er im ersten Moment wirklich gar nicht wußte, was er thun sollte. Carl aber, der nicht einmal an einen Spermfisch dachte, und in dem schwarz vor ihm aufsteigenden Körper nur das Ziel für seine Harpune sah, je breiter desto besser, riß die Harpune zurück und schleuderte sie, ohne einen weitern Befehl abzuwarten, mit aller Kraft, deren er fähig war, in den die Fluth rechts und links mit der breiten Stirn zurückwerfenden Fisch. Die Entfernung war dabei so gering, und die Stelle so glücklich getroffen, daß er die Harpune wirklich durch die zähe Haut und den Speck tief in das Fleisch trieb, und der Wall, der das Eisen plötzlich an seiner empfindlichsten Stelle fühlte, schnellte sich in jähem Schreck nach vorn.

»Zurück da vorn – nieder ins Boot!« schrie Barthels, einem der ihm am nächsten Stehenden den Steuerriemen in die Hand drückend und nach vorn springend – »Bootsteuerer! an Euren Platz! – nieder ins Boot, sag' ich!«

Carl hörte die Worte wol, aber der Fisch nahm alle seine Sinne so in Anspruch, daß er halb bewußtlos dem Befehle Folge leisten wollte, als sich das verwundete und vielleicht durch den lauten Ton der menschlichen Stimmen gereizte Thier plötzlich nach ihnen herumdrehte. Der Matrose, welcher den Steuerriemen hielt, erschrak und drehte den Bug, seine ganze Geistesgegenwart verlierend, halb von dem heranschießenden Fische ab; dieser aber hob in der nächsten Secunde den riesigen Oberkiefer dicht über das Boot hinweg, um es im nächsten Moment schon mit dem Unterkiefer wie eine Nuß zusammenzuknicken.

Die Mannschaft des Bootes war, dem Instinct der Selbsterhaltung folgend, und von panischem Schreck ergriffen, nach rechts und links auseinandergestoben, denn erst das Schnauben des heranstürmenden Thieres verrieth ihnen, mit welchem Feind sie es hier zu thun hatten. Weiter blieb ihnen aber auch zu Ueberlegung keine Zeit, denn das Ungethüm tauchte, das Boot ein Stück mit sich unter Wasser reißend, nieder, und das zweite Boot, das ihnen glücklicher Weise dicht gefolgt war, glitt wenige Minuten später, gerade noch früh genug, heran, um die Leute, von denen einige gar nicht schwimmen konnten und sich nur an ihre Ruder klammerten, aufzunehmen.

Auffallend ist es in der That, daß ein so großer Theil der Seeleute – und gewiß weit mehr als die Hälfte derselben – gar nicht schwimmen kann, ja in einer Art eigenthümlicher Entsagung nicht einmal schwimmen lernen will, wenn sich ihnen auch die Gelegenheit dazu böte. Als Grund geben sie an, daß sie sich bei einem Schiffbruche, oder wenn sie einmal über Bord fielen, nicht so lange im Wasser zu quälen brauchten, sondern gleich untersänken; sie begeben sich aber dabei völlig der Möglichkeit, selbst wenn ihnen ein solcher Zufall bei dem schönsten Wetter zustieße, von dem rasch hinabgelassenen Boote gerettet zu werden.

Für die Mannschaft eines Wallfischfängers ist es aber fast unumgänglich nothwendig, daß die Leute schwimmen können, denn fast bei jedem Fange werden die Boote mehr oder weniger beschädigt, nicht selten sogar ganz zerschlagen, und ehe ein anderes Boot im Stande ist zu Hülfe zu kommen, sind die, welche nicht schwimmen können, wenn sie nicht gerade ein Ruder oder Bootstrümmer erfassen, rettungslos verloren.

Glücklicherweise unternahm der wüthende Fisch keinen zweiten Angriff auf die Mannschaft, und das Boot des vierten Harpunirers ruderte eben, nachdem es die Kameraden aufgefischt, den gerade wieder emporkommenden Trümmern des zerschmetterten Bootes zu, um die daran befestigten Harpunen und Lanzen zu bergen, als der verwundete Wallfisch, gar nicht weit von ihnen entfernt, wieder auftauchte und zum Erstaunen der Leute mit wildem, ängstlichem Schnauben, das Wasser in Grimm und Schmerz peitschend, einen blutigen Strahl zischend von sich blies.

»Alle Wetter,« schrie Barthels, von seinem Sitze emporspringend, »Junge, wo hast Du denn den Fisch getroffen, als er aufkam?«

»Nun, hinter die Finne,« sagte Carl erschreckt, denn er fürchtete schon seine Sache nicht recht gemacht zu haben.

»Hurrah, mein Bursche!« schrie aber der Harpunirer, auf die Bank springend, und seinen Hut in der Luft schwenkend »das war ein Meisterwurf und hat uns reine siebzig Fässer Oel gebracht, oder mein Name soll nicht Barthels sein. Hui! wie das Blut spritzt! nur noch ein Weilchen, Jungens, und wir können hinfahren, und ihn in Besitz nehmen.«

Er hatte Recht: der in der That in reinem Zufall tödtlich getroffene Fisch peitschte eine Weile das Wasser zu weißem, milchähnlichem Schaum, wand und krümmte sich dann zehn oder fünfzehn Minuten, ängstlich beobachtet von den Leuten, an der Oberfläche, streckte sich plötzlich, zuckte noch einmal zusammen, und lag jetzt still und regungslos auf dem Wasser.

Das donnernde Hurrah der doppelten Bootsmannschaft wurde aber ganz in der Nähe beantwortet. Der Capitain an Bord hatte recht gut den aufgekommenen Spermfisch und sein Erlegen mit dem Fernrohr beobachtet und die anderen beiden Boote ausgeschickt, um den Verunglückten Hülfe zu leisten und die Jagd auf andere, vielleicht noch aufkommende Fische weiter zu verfolgen.

Wie manchmal geschieht, so hatte sich dieser Bull – die männlichen Fische werden so genannt – allein von der übrigen Herde oder Schule abgethan, um auf eigene Faust den Ocean zu durchstreifen. Solche Fische sind den Wallfischfängern nicht selten gefährlich. Von einem andern, stärkern Fische vielleicht vertrieben und nach heißem Kampfe besiegt, fallen sie in ihrer Wuth Alles an, was ihnen in den Weg kommt, und das meiste Unglück auf See, das einzelnen Booten zustößt, rührt gewöhnlich von solchen gereizten Thieren her.

Ein merkwürdiges Beispiel ihres Grimmes, und das in der That einzig in der Geschichte des Wallfischfanges dasteht, hat einst ein amerikanischer Wallfischfänger, der Essex, erlebt. Der Capitain war mit den Harpunirern in den Booten aus, um in Sicht gekommene Spermfische zu verfolgen, und der Steuermann oder Navigator stand an Deck, während das Schiff bei einem leichten Winde ziemlich langsam Fortgang machte. Da bemerkten sie plötzlich einen gerade vor ihnen aufkommenden riesigen Pottfisch, mit dem Kopfe nach ihnen zugewandt, der zwei oder dreimal das Wasser ausblies und dann wieder unter der Oberfläche verschwand. Wenige Secunden später tauchte er wieder, viel näher dem Schiffe, auf, und zwar jetzt mit gerader Richtung auf den Essex zu. Er schien dabei nicht sehr rasch das Wasser zu durchschneiden. Nichts desto weniger rief der Steuermann dem Mann am Ruder zu, das Schiff mehr in den Wind zu halten, um ein mögliches Zusammentreffen mit dem Koloß, der dem Fahrzeug hätte gefährlich werden können, zu vermeiden. Der Befehl war kaum gegeben, und der Essex hatte dem Ruder noch nicht gehorchen können, als der Spermfisch mit einem ordentlichen Anlauf auf ihn zuschoß und ihn mit einer solchen Gewalt etwas seitwärts gegen den Bug traf, daß der mächtige Bau bis in den Kiel hinab erschütterte und so plötzlich in seinem Laufe anhielt, als ob er gegen einen Felsen gerannt wäre. Die Mannschaft konnte sich bei dem Stoße kaum auf den Füßen erhalten, und stand rathlos und bestürzt, während sie fühlte, wie der Feind unter dem Schiffe durchging und mit seinem Rücken den Kiel desselben streifte. Gleich daraus kam er an der andern Seite wieder an die Oberfläche des Wassers, wo er eine Weile, vielleicht eine Minute lang, wie selber von dem Stoß betäubt, liegen blieb; dann raffte er sich wieder auf und schwamm nach leewärts fort.

Der Steuermann, der sich rasch wieder von seiner Bestürzung erholte, fürchtete nicht mit Unrecht, daß der Zusammenstoß das Schiff beschädigt haben müßte. Er befahl die Pumpschwengel einzuhängen und zu sehen, ob sie Wasser zögen, bemerkte aber auch gleich darauf zu seinem Entsetzen, daß der Bug, durch eindringendes Wasser schwerer geworden, sich schon zu neigen begann.

Augenblicklich wurde jetzt das Nothsignal den draußen befindlichen Booten gegeben, so rasch als möglich an Bord zurückzukehren; aber noch ehe diese das Schiff erreichen konnten, entdeckten sie schon wieder den wüthenden Fisch, der nicht gar weit entfernt in Lee wieder aufgekommen war, und dort in zornigem Ungestüm das Wasser zu weißem, zischendem Schaum peitschte. Selbst von Bord aus konnten sie hören und sehen, wie er in grimmiger Wuth seine Kinnladen zusammenklappte und wieder und wieder das um ihn her weiß geschlagene Wasser mit dem riesigen Schwänze traf. Das trieb er aber nur kurze Zeit und schoß dann, dicht vor dem Schiffe vorüber, nach windwärts zu.

Das verletzte Fahrzeug sank indessen zusehends tiefer und tiefer, und während ein Theil der Leute aus Leibeskräften pumpen mußte, es wenigstens so lange flott zu halten, bis die Boote zu ihrer Rettung herbeigeeilt waren, ging ein anderer Theil daran, zwei der noch übrigen Boote, die am Deck lagen, herunterzuheben und für den äußersten Nothfall unter die Krahnen zu bringen. Noch waren sie damit beschäftigt, als einer der Matrosen laut aufschrie: »Da ist er wieder! er kommt gerade auf uns zu!«

Die Leute drehten sich entsetzt nach der Richtung um, und in furchtbarer Schnelligkeit, mit einem schneeweißen Streifen Wasser hinter sich, die Wellen wild und toll um sich her spritzend, den Kopf halb über die Oberfläche der See gehoben und den Schwanz rechts und links mit zischender Gewalt einschlagend, kam das Ungeheuer der Tiefe pfeilschnell heran und traf das seinem Untergang geweihte Schiff, ehe dieses auch nur im Stande gewesen wäre, ihm auszuweichen, zum zweiten Male mit furchtbarer Gewalt. Hieraus ging es wieder unter dem Kiel durch und verschwand nach leewärts zu.

Die übrige Mannschaft kehrte jetzt allerdings zurück, aber eben nur, um noch zu rechter Zeit das Nöthigste an Provisionen und Wasser zusammenzuraffen und wieder zurück in ihre Boote flüchten zu können. Das war freilich nur eine Rettung für den Augenblick, denn um sie her lag das weite Meer, und ihre einzige Hoffnung bestand darin, viel hundert Meilen vom Lande entfernt, kreuzende Schiffe anzutreffen und an Bord genommen zu werden. Zweien von den Booten gelang dies nach furchtbaren Entbehrungen und als das Loos schon geworfen werden sollte, welcher von den Unglücklichen geopfert werden müsse, den Uebrigen Nahrung zu geben. Von dem dritten Boote hat man nie wieder gehört.

Mehrfach ist es schon früher vorgefallen, daß Schiffe durch einen ungefähren Zusammenstoß mit einem Wallfisch leck geworden und gefallen sind; der Wallfisch war aber dann über das Zusammenrennen wol eben so erschreckt, wie die Schiffsmannschaft, wenn er auch besser wegkam. Hier jedoch kann es kaum einem Zweifel unterworfen bleiben, daß jenes Thier das Schiff absichtlich angriff und zerstörte, und wir finden dem Aehnliches auch bei Landthieren, die sonst den Menschen fliehen.

Es ist in Indien eine bekannte Thatsache, daß zu gewissen Zeiten einzelne Elephanten wüthend den Wald durchstreifen und, so harmlos diese Thiere auch sonst sein mögen, und ungereizt nicht leicht Jemand belästigen werden, doch aus freien Stücken anfallen, was ihnen in den Wurf kommt. Ebenso ist es mit den Bären, dem Rhinoceros, ja manchmal sogar, wenn auch freilich nur in sehr seltenen Fällen, mit dem sonst so scheuen Hirsch.

Hier übrigens hatte der, jetzt getödtete Spermfisch alle Ursache gehabt, böse zu werden, denn da er mit der Harpune in seinem empfindlichsten Theile, hinter die Finne getroffen war, was ihn arg schmerzen mochte, so kann es ihm Niemand verdenken, wenn er das nicht ruhig mit ansah, vielmehr das feindliche Boot wer weiß wie weit hinter sich her schleifte. Ein Glück nur, daß er blos an dem leblosen Gegenstande, dem Boote, seine Wuth ausgelassen, und daß die Mannschaft Zeit gehabt hatte ihm zu entgehen. So spannten sich jetzt die drei anderen Boote, ihre Taue um den Schwanz des Fisches schlagend, vor, und schleppten die Beute mit kräftigen Ruderschlägen dem so viel als möglich gegen sie aufkreuzenden Schiffe zu.

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