Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

11. Capitel

Der Sperm- oder Pottfisch und sein Fang. – Die Haifische.


Der Kamehameha segelte indessen der Stelle zu, wo die beiden erbeuteten Fische mit den zwei Booten lagen. Die übrigen waren noch ein Stück weiter den jetzt flüchtigen Wallen nachgesegelt, mußten aber die Verfolgung auch bald aufgeben, und nun wieder, gegen den Wind an, zu ihrem Schiffe zurückrudern.

Indessen waren beide Fische langseit genommen, und zwar mit einer um das sehr dünne Wurzelende des Schwanzes geschlagenen Kette, wie auch mit einem Hülfstau (um, wenn die Kette reißen sollte, den Fisch nicht zu verlieren) ganz vorn am Bug befestigt, so daß die Walle rechts und links am Schiffe hin zu liegen kamen, wobei die riesigen Köpfe bis weit hinter den großen Mast reichten.

Was für mächtige, gewaltige Thiere waren das, auf die Carl jetzt von dem hohen Deck des Kamehameha hinabsah! wie die riesigen schwarzen Leiber, selbst im Tode noch durch ihren Umfang furchtbar, jetzt so still und düster auf dem Wasser lagen und, nur manchmal von den Wogen gegen die Seitenwand des Schiffs geschlagen, dieses ordentlich erzittern machten. Und an einem solchen Koloß, der mit einem einzigen spielenden Schlage seines Schwanzes das dünne schwanke Boot in tausend Stücke zerschmettern und die Mannschaft, wie wir eine Fliege zerdrücken, zusammenschlagen könnte, wagt sich der Mensch, greift ihn in seinem eigenen Elemente an, und kehrt als Sieger mit der Beute heim.

Und welche Kraft ist es, die er hier bekämpfen muß! der Spermfisch, der, wenn er seine Stärke brauchen wollte, ein großes Schiff selbst vernichten könnte, wird bis zu sechzig, siebzig, ja achtzig Fuß lang, und sein Gewicht allein, gegen die Rippen eines Fahrzeugs geworfen, müßte es zerbersten. Aber was kümmert dies das kecke Menschenvolk? auf dünnem, gebrechlichen Boote fahren sie ihm nach, holen ihn ein, schleudern ihm das scharfe Eisen in die Haut, und wie er auch um sich schlägt und wüthet und mit dem festgeworfenen Boote flieht, ob er taucht und unter dem Wasser fortschießt, um der quälenden Harpune zu entgehen – vergebens. Das scharfe, mit Widerhaken versehene Eisen hängt ihm fest und tückisch in der Haut, und die scharfe Lanze sucht mit sicherem Wurfe die Stelle hinter seinen Flossen, wo ihm das Leben sitzt.

Der Spermaceti oder Spottfisch, auch Cachelot genannt, ist jedenfalls das merkwürdigste Thier seines Geschlechts. Er gehört, wie der rechte Wallfisch, auch schlichtweg Wall genannt, zu den warmblütigen Säugethiere der See, und ist seiner inneren Bauart wegen genöthigt, von Zeit zu Zeit an die Oberfläche des Wassers zu kommen, um Luft zu schöpfen; nur die Zeit, in der er nach oben kommt, ist verschieden, und soll von der Größe des Thieres selber abhängen. Man sagt, daß ein sehr starker Spermfisch anderthalb Stunden unter dem Wasser aushalten könne, worauf er dann, wenn er wieder nach oben kommt, vielleicht eine halbe Stunde lang lässig umherschwimmt, und jede halbe Minute einen nicht sehr hohen, mehr nach vorn gerichteten, in Staub zergehenden Wasserstrahl ausbläst.

Die Form des Spermfisches ist eigentümlich; der Kopf vorn vollkommen abgestumpft, und von einer Masse, die sich anfühlt wie Gummi elasticum; der Unterkiefer ungeheuer schmal und spitz und mit starken Zähnen besetzt, die im Oberkiefer ganz fehlen, oder wenigstens nur sehr selten einzeln stehen, und das Auge wie beim Wall sehr klein. Der mächtige Schwanz, der horizontal am Körper sitzt, ist an seiner Wurzel sehr dünn, und der Höcker, der sich auf dem Rücken des Thieres etwas weit nach hinten befindet, sieht beim Schwimmen desselben fast einer Flosse gleich.

Noch merkwürdiger aber ist die innere Bildung, besonders des Kopfes, auf die wir später zurückkommen werden, und dort findet sich auch das dem jungen Leser gewiß gut genug bekannte, ächte Spermacetiöl, der Wallrath.

Carl konnte sich nicht satt sehen an den riesigen Fischen, die, obgleich noch nicht zu den größten gehörend, doch über funfzig Fuß lang waren. Er freute sich sehr, als ihm der Capitain eröffnete, wie er von jetzt an dem Vorcastle zugetheilt sein sollte, weil er versuchen wolle, einen ordentlichen Matrosen aus ihm zu machen, und wenn er sich brav halte, wolle er sehen, ob er ihn zum Bootsteuerer anlernen könne. Dazu müsse er sich aber ganz besondere Mühe geben, und hauptsächlich erst Uebung im Werfen der Harpune erlangen; – mit dem Steuern eines Bootes wußte er ja schon umzugehen.

Das Einschneiden der Fische wurde jetzt in Angriff genommen, wobei Carl, als Beginn seiner neuen Laufbahn, ebenfalls mit arbeiten sollte, und das Schiff, das mit der ungeheuren angehängten Last natürlich nicht segeln konnte, blieb indessen ruhig auf dem Wasser treiben. Die Segel wurden sämmtlich auf ihren Raaen festgebunden, und das Steuerrad ebenfalls durch ein Tau so angeschnürt, daß sich das Steuer nicht bewegen und nicht herüber und hinüber schlagen konnte.

Jetzt wurde ein schon vorher von dem Zimmermann zusammengebundenes Gestell über Bord gelassen, das gerade über dem Nacken des einen Walles hing. Auf diesem nahmen zwei der Harpunirer mit ihren langen Spaten ihren Platz, um die Arbeit des Einschneidens zu beginnen, und ein Theil der Matrosen hatte indessen ein kolossales Windezeug, den Speck an Deck zu winden, mit einem über drei Zoll im Durchmesser haltenden Tau, das stark genug schien, den ganzen Fisch in die Höhe zu heben, oben an den Top des großen Mastes dicht unter die Marsen befestigt.

Die Spaten, deren sich die Harpunirer bedienten, waren vom besten Stahl, etwa fünf bis fünf einen halben Zoll breit, haarscharf und an einem langen dünnen Stiel befestigt, um von dem Gestell aus nach dem unten liegenden Fische hinunter stoßen zu können.

Auch die Lanzen, die zum Tödten des Wallfisches benutzt werden, sitzen an ihren Stielen fest, sind aber nur in ihrer ovalen Spitze gestählt, und noch mit einem sehr dünnen, vielleicht vier Fuß langen eisernen und biegsamen Stiele versehen, an dem erst der kurze Holzstiel, eben lang genug, um ihn bequem werfen zu können, befestigt ist.

Anders ist die Harpune gestaltet, die, mit zwei starken Widerhaken versehen, nur etwa drei Fuß lang und viel stärker ist. Sie hat eine Stahlspitze, aber einen Stiel aus weichem Eisen, und oben, wo der kurze hölzerne Stiel hineinkommt, eine Hülse, in welche der Stock nur, ohne weiter befestigt zu werden, eingesteckt wird. Das Tau ist an der Harpune selber und auch an dem Stock eben so befestigt, daß derselbe nach dem Wurf herausfallen kann, und daß nicht durch sein Hin- und Herschwanken die Harpune wieder ausreißt.

Der erste Harpunirer that den ersten Stoß nach dem Fische, indem er mit dem scharfen Spaten ein kleines Loch gerade über der rechten Seitenfinne des Fisches öffnete. In dieses sollte der Speckhaken gehängt werden, und der eine Bootsteuerer befestigte sich jetzt ein Tau um den Leib, das dann ebenfalls durch einen Flaschenzug Flaschenzug ist eine Vorrichtung, um ein Tau durch verschiedene, mit Rollen versehene Blöcke zu ziehen, wodurch man die Kraft bedeutend erhöht, und ein einzelner Mann das Drei- und Vierfache aufwinden kann, als wenn er nur mit der Hand und seinem eigenen Gewichte dagegen zöge. gebracht wurde, um ihn im Nothfall rasch emporheben zu können. Hierauf stieg er zu dem Wallfisch mit einem Haken nieder, der vielleicht funfzig bis sechzig Pfund wog, und welcher in das vorher mit dem Spaten gestoßene Loch hineingedrückt werden sollte. Der Fisch schwankte und schaukelte dabei in dem unruhigen Wogengang, und auf der schlüpfrigen Haut desselben war auch keine Sicherheit. So den Haken mit dem rechten Arme umschlingend und hebend, während er mit der Linken in die geöffnete Haut des Thieres griff, und sich da anzuklammern suchte, drängte er das schwere Eisen, mit der Brust nach vorn, der Oeffnung zu.

Carl, der mit an die Winde gestellt, jetzt aber noch Nichts dabei zu thun hatte, war ein höchst aufmerksamer Zuschauer des Ganzen, und verwandte kein Auge von dem Bootsteuerer, als er plötzlich, gar nicht weit von ihm entfernt, einen andern großen Fisch im Wasser entdeckte, der gegen ihn anschwamm.

»Was ist das?« rief er, die Hand darnach ausstreckend, denn er glaubte in diesem Augenblick wirklich, es sei ein junger Wallfisch, welcher der getödteten Mutter nachgeschwommen wäre, obgleich er freilich im Wasser eine ganz andere, viel hellere und grünliche Farbe hatte.

»Hast Du noch keinen Hai gesehen, mein Bursche?« lachte aber Jacobs, der neben ihm, ebenfalls mit den Ellbogen auf die Reiling gestützt, stand, »wenn sich Bill jetzt nicht vorsieht, kann es ihm schlecht gehen.«

Der Bootsteuerer warf auch wirklich einen scheuen Blick nach dem furchtbarsten Feinde hinüber, den der Seemann im Wasser hat, und dann nach den Harpunirern hinauf, ob sie auch ihre Schuldigkeit thäten. Diese aber hatten den Raubfisch schon lange ankommen sehen, und als er noch etwa drei Fuß weit von dem linken Beine des auf dem Wall sitzenden Mannes sich befand und sich eben ganz langsam und wie in aller Behaglichkeit auf die Seite legte, so daß das Weiße seines Bauches sichtbar wurde, so stieß ihm der erste Harpunirer von oben nieder den scharfen Spaten gerade auf die Kiemen, wodurch er den Kopf des Raubfisches halb vom Rumpfe trennte. Dieser sank, ohne auch nur mit dem Schwanze zu schlagen, langsam unter, und der Bootsteuerer, der sich nicht einmal nach dem jetzt unschädlich gemachten Feinde weiter umschaute, brachte den Haken glücklich in die Oeffnung hinein.

Als die Leute aber nur eben an der Winde anzogen, rutschte der Haken wieder aus; die Winde mußte noch einmal nachgelassen werden und die gefährliche Arbeit begann von Neuem. Das Schiff hatte sich indessen langsam gegen den Wind gedreht, und die Wellen fingen an heftiger gegen den Fisch zu schlagen. Der junge Bursche konnte sich kaum auf demselben erhalten. Der Flaschenzug, der ihn am Gürtel hielt, war indessen nachgelassen worden, da kein Haifisch sich weiter sehen ließ, aber der Harpunirer ließ ihn wieder straff anholen, um den Bootsteuerer in seinem Halt auf dem schlüpfrigen Rücken des Thieres besser zu unterstützen.

Wieder war der Haken der Oeffnung nahe gebracht; jetzt faßte er in die äußerste Haut, Bill hob ihn noch einmal zurück und ließ ihn einfallen, und durch rechtzeitiges Anziehen von oben griff er ein.

»Ein Hai! – ein Hai!« schrie Carl in diesem Augenblick entsetzt, und wie ein Pfeil aus der Tiefe, vielleicht zehn Schritt von dem Wallfisch entfernt emportauchend, kam ein riesiger Haifisch an die Oberfläche, und warf sich, ehe der Harpunirer, der, selber über das Plötzliche der Gefahr erschreckt, auch nur den Spaten zum Stoß heben konnte gegen den unglücklichen Bootsteuerer an. Dieser schien verloren, aber mit einem Ruck rissen die Matrosen, die das Fall des Flaschenzuges hielten, dieses nieder, und der Bootsteuerer flog mit einem Angstschrei in die Luft hinein, während dicht unter ihm hin der gierige Hai vergebens nach der ihm aus den Zähnen gerissenen Beute schnappte. So wild und gewaltig war dabei die Kraft gewesen, mit der er sich emporgeschnellt, daß er mit seinem ganzen, vielleicht neun Fuß langen Körper auf den Wallfisch trocken aufzuliegen kam, und zwischen diesem und dem Schiff, da derselbe dicht an die Seitenwand desselben angedrückt lag, nicht gleich wieder hinunter konnte. Ehe er aber im Stande war, sich in sein Element zurückzuschnellen, und während er die Haut des Walls mit dem Schwanze peitschte, daß es wie eben so viele Pistolenschüsse klang, fuhren ihm die Spaten der beiden Harpunirer in den Leib und trennten den Rumpf in drei, nur eben noch durch die Bauchhaut zusammenhängende Stücke.

Bill, der Bootsteuerer, wurde indessen, da der Speck- oder Blubberhaken jetzt fest saß, unter dem Jubelruf der Mannschaft an Bord gezogen.

Der Hai ist jedenfalls das dem Menschen gefährlichste Raubthier der Meere und scheint eben so beutegierig als unersättlich zu sein. Seine gewaltigen Seitenfinnen mit dem schlanken Körper geben ihm dabei eine große Schnelligkeit, und, keine Gefahr scheuend, wirft er sich rücksichtslos auf Alles, was ihm in den Weg kommt.

Der Hai gehört zu den Säugethieren, und bringt vier bis acht lebendige Junge zur Welt. Die Kleinen folgen eine Zeit lang Vater und Mutter, bis sie sich auf ihre eigene Faust ihr Brod, oder vielmehr ihr Fleisch erwerben können. Es ist behauptet worden, daß der alte Hai seine junge Brut selbst fresse. Möglich, daß es hie und da einen solchen Rabenvater unter ihnen giebt, im Ganzen ist das aber nicht anzunehmen, denn häufig treffen die Schiffe solche Familien an, und zwar im Frühjahr, mit Vater und Mutter und der jungen Brut, die vollkommen friedlich mit einander auf Beute ausziehen.

Der Hai verschlingt Alles, was ihm vorkommt, seinem Magen nachher überlassend, mit dem Gebotenen fertig zu werden; was er aber einmal von lebenden Wesen faßt, ist verloren. Daß diese Thiere Menschen ganz verschlingen, kann allerdings geschehen; dies müssen dann aber jedenfalls Fische von der größten Gattung sein, welche sich besonders in der Nähe von Havanna und an der nordwestlichen Küste von Amerika findet. Der Hai, von dem es übrigens mehrere Arten giebt, erreicht dort eine Länge von vier- bis sechsundzwanzig Fuß; ja sie sollen manchmal sogar noch länger werden. Der gewöhnliche Hai dagegen, der sich hauptsächlich im Atlantischen und Stillen Meere aufhält und den Seeleuten gerade deshalb so gefährlich ist, weil er sich bei stillem Wetter gern bei den Schiffen aufhält, und ihnen manchmal Tage und Wochen lang folgt, wird der Hundshai, auch manchmal Menschenfresser genannt, und hat eine graugrüne Farbe mit weißlichem Bauche, kleine, tückisch blitzende Katzenaugen mit langer Pupille, und wird selten über zehn bis zwölf, gewöhnlich nur sieben Fuß groß gefunden. Seine Zähne, von denen er je nach dem Alter mehrere Reihen im Rachen führt, sind nicht sehr groß und stark, aber spitz dreieckig und sägeartig eingeschnitten, und was er damit nicht im Biß trennen kann, dreht er durch das Herumwirbeln seines ganzen Körpers ab, wobei ihm die langen Seitenflossen besonders nützlich sind. Unmöglich würde es einem Hai von sieben bis acht Fuß Länge sein, das erfaßte Bein eines Menschen, wenn er nicht gerade das Gelenk träfe, abzubeißen, aber kaum findet er Widerstand, so fängt er an, sich wie ein Kreisel herumzuschlagen, und dreht das erfaßte Glied nun rettungslos aus. Der Haken, an dem ihn die Seeleute fangen, muß deshalb auch mit einem eisernen Wirbel versehen sein, der dem gefangenen Thiere diese Bewegung gestattet, oder er würde Kette wie Tau abdrehen, ehe er an Bord gezogen werden könnte.

Der Haken hielt jetzt, die Harpunirer stießen mit ihren Spaten über den Finnen ein etwa vier Fuß breites Stück los, das nun der Länge nach, quer um den Fisch herum, weiter gelöst wurde, und der vielleicht fünf bis sechs Zoll dicke Speck, der das ganze ungeheure Thier bis zur Schwanzwurzel umgiebt, wurde jetzt in der Art, daß die Leute an der Winde anzogen, abgewunden. Vorher hatte der erste Harpunirer den Kopf, der fast den dritten Theil des ganzen Körpers ausmacht, vollkommen von diesem mit dem Spaten abgetrennt, wozu eine besondere Fertigkeit jedenfalls große Uebung gehört, und während an der Winde der vier Fuß breite Streifen Speck, wie man ein Band von einem Stock abwickelt, aufstieg, drehte sich unten langsam der kopflose Rumpf um sich selber herum.

Wo kamen aber plötzlich all die Haifische her? – Als Carl nach einer Weile, wo ihm ein Augenblick Zeit wurde, wieder über Bord sah, schossen fünf von den wilden, bösartigen, tückischen Gesellen herüber und hinüber durch die blutige Fluth, die sie mit den hohen scharfen Rückenflossen blitzschnell durchschnitten. Hier und da faßten sie dann ein Stück von dem bloßgelegten rohen Fleisch, rissen eine Weile daran, und schwammen dann, bis sie es verschluckt, mit der eroberte Beute ein kleines Stück vom Schiffe ab, um nach wenigen Sekunden wieder eben so hungrig, wenigstens eben so gierig zurückzukehren und ihren Angriff auf den Rumpf zu erneuern.

Die Harpunirer ließen sie auch ruhig gewähren, denn sie mochten sich nicht an der rauhen harten Haut derselben, wie sie meinten, die Spaten stumpf stoßen. Nur immer, wenn ein Spaten durch die Arbeit stumpf geworden war und wieder geschliffen werden mußte (wozu der Schleifstein an Bord fortwährend in Gang gehalten wurde), warfen sie das immer noch genugsam gefährliche Eisen nach dem ihnen nächsten Hai, und vor Dunkelwerden hatten sie auf solche Weise elf Stück erlegt.

Die Matrosen hassen überhaupt auf der Welt Nichts mehr als den Hai, und halten sogar jede Grausamkeit gegen ihn für gerechtfertigt. Wenn sie ihn gefangen haben, schlagen sie ihm nicht selten den Schwanz ab und lassen ihn wieder schwimmen, wo er dann, da er seine Richtung nicht mehr steuern kann, elend verhungern muß. Ja an Bord von Wallfischfängern haben sie ihn schon manchmal aus dem Wasser gehoben und ihm einen Schöpfer voll heißes Oel in den geöffneten Rachen gegossen. Aber es ist das immer ein Zeichen von grenzenloser Rohheit, deren sich kein guter Mensch schuldig machen wird. Das Thier mag grausam und blutdürstig und dem Menschen entsetzlich gefährlich sein, – es ist von der Natur darauf angewiesen, sich, wie jedes andere Raubthier, auf solche Art seinen Lebensunterhalt zu verschaffen, und quält sein Opfer nicht länger, als es eben braucht, um es zu tödten, aber nie aus bloßer Lust an der Qual. Wenn wir die uns schädlichen oder gefährlichen Thiere tödten, wo wir können, üben wir an ihnen nur ein Vergeltungsrecht, eine That der Nothwehr, uns vor ihnen zu schützen und sie unschädlich zu machen. Wenn wir sie aber absichtlich quälen und martern, sind wir selber schlimmer als die schlimmsten von ihnen, und mißbrauchen den Verstand, den uns Gott zu ganz anderen Zwecken gegeben, auf die häßlichste Weise.

Der lange Streifen Wallfischspeck wurde indessen an Deck gleich durch ein paar von den Leuten in kleine, vielleicht Fuß große Würfel oder Stücke geschnitten und in den untern Raum, die sogenannte Speckkammer geworfen, während die übrige Mannschaft jetzt daran ging, den Kopf des Thieres, das Kostbarste am ganzen Fische, an Deck zu heben. Das war aber mit nicht geringer Mühe verbunden.

Der ungeheure Kopf, der fast den dritten Theil des ganzen Walls ausmacht, hat, wie man sich leicht denken kann, ein sehr bedeutendes Gewicht. Gerade in ihm findet sich aber auch das beste Oel, das in dem obern Theile desselben an der Stelle, wo man das Gehirn vermuthen sollte, und zwar in einem ordentlichen, von einer durchwachsenen Masse gebildeten Sacke ganz flüssig liegt. Muß man den Kopf, wie es später bei dem andern größern Fische nöthig wurde, in Stücken heraufschaffen, so ist dabei die größte Vorsicht nöthig, daß dieser Sack, den die Engländer und Amerikaner, wie auch die Deutschen nach ihnen »case« Sprich: Kehs. nennen, nicht beschädigt wird, oder das Werthvollste des Fanges geht verloren – der Wallrath.

Zu diesem Zweck mußten jetzt zwei von den großen Blubber- oder Speckhaken in dem Kopf befestigt werden, und außerdem wurde auch noch ein Tau um den ganzen Fleisch- und Speckklumpen gelegt, um ihn besser fassen und heben zu können. Haifische waren dabei ebenfalls noch vier oder fünf am Schiffe; als aber der letzte Speck von dem Rumpf abgestoßen worden, löste der Harpunirer mit einem einzigen Stoß den Schwanzwirbel, der den ganzen Körper hielt, ab, und die blutige Masse sank, von den Raubfischen verfolgt, nach unten. Dieser Moment wurde benutzt, die Haken einzulassen, und die ganze Mannschaft hing sich jetzt an die Winde, um den Kopf über Bord zu heben.

Die Haken hielten, und die schwarze Masse hob sich langsam aus dem Wasser; so gewaltig war aber das Gewicht des Kopfes, daß er das stattliche Schiff, als er voll in der Winde hing, ganz merklich auf die Seite neigte.

Als der Kopf an Bord lag, wurde er vor allen Dingen mit starken Tauen an die Reiling und an den einen Krahn angeschnürt, und Carl konnte jetzt erst recht sehen, was für ein riesiges Geschöpf es sein mußte, dem dieser gewaltige Schädel gehörte. Wenn er am abgeschnittenen Ende stand, war es ihm nicht einmal möglich, den obern Speck mit dem ausgestreckten Arme zu berühren, und der Wirbelknochen allein hatte wol anderthalb Fuß im Durchmesser.

Viel Zeit ihn zu betrachten blieb ihm aber heute nicht, denn trotz der jetzt einbrechenden Dunkelheit und obgleich dem Knaben die Glieder vor Müdigkeit zitterten, so ungewohnter Arbeit wegen, wurde, als nur einmal der erste Fisch geborgen war, sogleich mit dem zweiten Fisch begonnen.

Dasselbe begann nun hier von Neuem, wie er es schon vorher gesehen, und erst gegen Morgen, als der Kopf des zweiten Fisches allein noch übrig und im Wasser war, wurde Carl mit der Wacht, der er zugetheilt worden, zu Koie geschickt, und durfte bis Morgens um sechs Uhr schlafen. Aber die Zeit war sehr kurz. Als er wieder geweckt wurde, kam es ihm gerade so vor, als ob er erst eben im Augenblick eingeschlafen wäre, und er streckte und dehnte sich und wollte gar so gern noch ein wenig liegen bleiben. Auf Schiffen ist jedoch eine gar strenge Disciplin, und wenn einmal die Wacht, die den Dienst hat, geweckt wird, muß sie mit beiden Beinen aus der Koie fahren, oder die Langschläfer setzen sich allerlei Unannehmlichkeiten aus. Einer von der andern Wacht würde das zum Beispiel für einen ganz guten Spaß halten, dem faulen Kameraden einen Eimer Seewasser in die Koie zu gießen, was gar nicht etwa so sehr selten geschieht, und der also zum zweiten Mal Geweckte mag sich dann pudelnaß aus seinem verdorbenen Bett herausarbeiten und zusehen, wie er seine Decken den Tag über wieder trocken bekommt.

Das geschah nun Carl heute, zum ersten Male, wo er im dunklen, dunstigen Vorcastle schlief, allerdings nicht, aber an den Beinen zogen sie ihn doch aus dem Bette heraus, und setzten den noch schlaftrunkenen jungen Burschen lachend und fluchend auf die nächste Kiste. Das Frühstück war indessen oben bereit. Der Ruf des Kochs tönte durch die enge Luke nieder, und die Leute sammelten sich auf der Back, um ihren trockenen Schiffszwieback mit einem Stück gesalzenen Speck und einem Becher ziemlich dünnen Kaffees, ohne Milch und Zucker natürlich, zu verzehren. Heute gab es aber auch noch eine besondere Delicatesse, und zwar nichts Geringeres, als Wallflsch-Beefsteak, wie es der Koch nannte, der von dem Kopf des Fisches dünne Scheiben des dunkelrothen Fleisches abgeschnitten und für die Mannschaft geschmort hatte. Allerdings schmeckte es nicht besonders, sah auch eben nicht appetitlich aus; nichts desto weniger wurde es mit großem Appetit verzehrt, denn es bot doch endlich einmal eine Abwechselung von der ewigen und unvermeidlichen Salzkost an Bord; ja die Fricadellen, wie er ihnen am Mittag deren vorsetzte, wurden sogar für vorzüglich erklärt.

Frisch genossen, hat weder Fleisch noch Fett des Fisches einen thranigen, ranzigen Geschmack, der sich erst einstellt, wenn das Fett älter wird. Die für die Kajüte zubereiteten Kräpfeln aus Weizenmehl, die in zerlassenem Thran gebacken waren, und von denen auch einige heimlich ihren Weg zu den Matrosen fanden, schmeckten sogar vorzüglich gut, und genau so, als ob sie in frischer Butter gebraten wären.

Gleich nach dem Frühstück begann aber die Arbeit des Einschneidens wieder, und zwar galt es jetzt, den riesigen Kopf in mehreren Theilen an Deck zu schaffen. Zuerst wurde der lange, schmale Unterkiefer abgestoßen, in dem die Zähne des Spermfisches sitzen, und an Deck gehoben. Das war leicht geschehen – dann kam der untere Theil des Kopfes, und zuletzt, da man vorher den »case« nicht beschädigen durfte, das Werthvollste der Beute.

Eigentlich schöpft man diesen Theil, der den Wallrath in ganz flüssigem, sich nur an der Luft erhärtendem Oel enthält, bei ruhigem Wetter gleich unten aus, die Wellen gingen aber zu unruhig, und das ganz Stück wurde, freilich mit Verlust eines kleinen Theils des Oels, das trotz aller angewandten Vorsicht auslief, an Deck gehoben und dort wie das Andere festgeschnürt.

Auf dem Schiffe sah es jetzt entsetzlich aus; Alles war voll Fett und Schmutz; die Stücken Speck lagen haufenweis über einander und schwitzten in der heißen Sonne, und aus dem untern Deck oder der Speckkammer stieg ein Dunst auf, der kaum zu ertragen war. Die Mannschaft ging indessen scharf daran, das Auskochen zu beginnen, und während ein Theil nach oben geschickt wurde, die Segel zu lösen, schürte ein anderer die Feuer unten und reinigte die Kessel von jedem Schmutz.

Carl mußte heute wieder hinauf, die leichten Segel loszumachen; aber es ging schon viel besser als neulich, nur noch etwas langsam, und die ungeduldigen Rufe des Harpunirers unten machten ihn mehr irr und ängstlich, als sie ihm halfen. Nichts desto weniger bekam er die Knoten, ohne von den Raaen wegzufallen, auf, und erreichte glücklich wieder das Deck, wo er jetzt beordert wurde, beim Auskochen hülfreiche Hand zu leisten und den Speck mit zu den Kesseln tragen oder schleppen zu helfen.

Von oben hatte er einen flüchtigen Blick über die See hinausgeworfen, um nach Juan Fernandez auszusehen; von den Inseln ließ sich aber Nichts mehr wahrnehmen. Die hier nach Norden hinaufsetzende Strömung hatte sie, obgleich sie keine Segel geführt, doch schon zu weit mit fortgenommen, das Land noch erkennen zu können, und ohne Unterbrechung von irgend Etwas dehnte sich der weite Horizont um ihn her.

Tag und Nacht wurde jetzt das Auskochen fortgesetzt und das Wetter immer wärmer dabei; der im Anfang in die Speckkammer geworfene Blubber, der jetzt wieder heraufgeholt werden mußte, war dabei ganz weich geworden, und verbreitete einen entsetzlich scharfen, widerlichen Geruch durch das ganze Schiff. Carl ekelte sich auch zuerst so davor, daß er gar kein Fleisch mehr essen konnte und einige Mal schon glaubte, er würde wieder seekrank. Der Mensch gewöhnt sich aber mit der Zeit an Alles, und so machte er es denn auch wirklich möglich, schon am dritten Tag den ranzig werdenden Speck ohne weitere Unbequemlichkeit aufzufassen und zu den Kesseln zu tragen.

Der ganz an Deck gehobene Kopf des ersten Fisches war das Letzte, was ausgelassen wurde, und Carl hatte hier recht Gelegenheit, die wunderbare Einrichtung desselben zu betrachten. Der vollkommen flüssige Wallrath wurde mit einem großen Schöpfer aus dem Kopfsack genommen, als ob es schon ausgekochtes Oel gewesen wäre. Der übrige Theil des Kopfes schien wie in gleiche Streifen oder Gefache getheilt. Er enthielt eine vielleicht zwei Zoll breite haarwachsartige Masse und dann wieder eben so breite, voll mit Oel getränkte Theile wurde, auch eben so zerschnitten wie der übrige Speck, und in die Kessel geworfen.

Merkwürdig an dem Kopfe war auch der schmale Unterkiefer, in dem, spannenweit von einander entfernt, die einzelnen, vielleicht sechs Zoll langen, etwas nach rückwärts gebogenen Zähne saßen, zwar nicht etwa im Kinnbacken selbst, sondern nur fest in dem darauf liegenden knorpeligen Fleische. Sie konnten leicht mit einem Spaten losgestoßen und herausgenommen werden, und waren weiß und hart wie Elfenbein. Wie ein Vogelschnabel stach aber der spitze, höchstens einen Fuß breite Unterkiefer gegen den wenigstens fünf Fuß breiten Oberkopf ab; nur in dem erstern saßen dabei die Zähne, während sie in das obere Zahnfleisch eher kleine Löcher hineingedrückt zu haben schienen, als daß diese gleich von der Natur dazu bestimmt gewesen wären, sie aufzunehmen. Die Fische gebrauchen diese Zähne auch nicht etwa, ihre Nahrung zu kauen, sondern nur zum Angriff oder zur Vertheidigung, und derb genug zufassen können sie gewiß damit.

Interessant war für Carl auch die Feuerung, obgleich ihn die schwere, ungewohnte Arbeit dabei entsetzlich ermüdete. Trotz dem Schaukeln und Schwanken des Schiffes wurden die Kessel mit dem Speck gefüllt, die Feuer darunter geschürt und nur das große Segel, das sonst in zu nahe Berührung mit dem heiß aufsteigenden Qualm und Rauch gekommen wäre, war aufgegeit und an seine Raaen geschnürt worden. Im Anfang war dabei natürlich mit dem, auch zu diesem Zweck au Bord befindlichen Holze gefeuert worden; als aber die ersten Grieven aus dem Kessel geholt und abgelaufen waren, wurden diese mit unter die Kessel geschoben und verursachten, wie sich leicht denken läßt, eine gewaltige Hitze.

.


 << zurück weiter >>