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IV.
Frauen und Opfer.


Erstes Kapitel.


Sechs Jahre sind verflossen und diese sechs Jahre lassen unsere Erzählung bei einem Zeitpunkte anlangen, wo es, bevor wir dieselbe fortsetzen, nöthig ist, den Blick von den Schicksalen unserer Bekannten in Ungarn zu einer Ueberschau auf die Schicksale des Landes selbst zu erheben.

Jedermann kennt den letzten Act jenes größten Trauerspiels unserer Zeit, das mit dem Untergange Ungarns endete; aber weniger bekannt als die herzzerreißenden Schlußszenen sind die früheren Begebenheiten dieses gewaltigen Dramas, und doch sind sie es, welche erst die ganze Verwerflichkeit des Verfahrens zeigen, mit dem von Neuem der legitime Absolutismus Oesterreichs die Geschichte Europas befleckt hat.

Das Königreich Ungarn, das noch unter Ludwig dem Großen bestimmt schien, sich als ebenbürtige Groß macht neben das deutsche Reich zu stellen und mit diesem verbrüdert dem Osten die Stirne zu bieten, war nach und nach durch den Mangel an einer festgewurzelten Thronerbfolge, durch seine innern Zwiste und durch die Türkennoth so gebrochen, daß es im Laufe der Zeit zum Schauplatz jener unseligen Ränke werden konnte, welche man die habsburgische Familienpolitik nennt. Diese Familienpolitik, deren oberster Grundsatz lautet: Es giebt keine Völker, sondern nur Unterthanen, denen Gott die Fürsten als unumschränkte Herrscher gesetzt hat, war in allen österreichischen Landen siegreich geworden. Sie hielt den Deutschen in seiner gemüthlichen Dienstbarkeit, den Italiener in zitterndem Gehorsam, den Böhmen in strenger, chinesischer Abgeschlossenheit. Nur an Ungarn hatte sie sich gebrochen. Die Constitution des ungarischen Königthums war ein Bollwerk geblieben gegen die treulose und blutgierige Unterdrückungslust der Habsburger, deren Windischgrätz und Haynau des siebzehnten Jahrhunderts, die Henkersknechte Caraffa, Belgiojoso, Basta, schon vor vielen Menschenaltern umsonst das Blut der Magyaren hatten in Strömen fließen lassen. Die Ungarn hielten die Verfassung aufrecht, eine Verfassung, die mittelalterlich, ohne zeitgemäße Weiterbildung, die monströs – aber doch ein Bollwerk war.

So kam es, daß im Osten Europas bis auf unsere Tage ein Volk lebte, welches bestimmte Rechte sich erhalten hatte, das nicht ein willenloses Spielwerk seiner Fürsten geworden, ein Volk endlich, das einen hohen Grad von innerer Unabhängigkeit behalten, ein nicht freies, aber doch Rechte und Freiheiten besitzendes Volk. Welche Anomalie zwischen dem geknuteten Polen, dem in Schlummer gehaltenen, durch Cabinetsordres und Handbillets regierten Deutschland, der absterbenden Welt des Osmanenthums!

Es ließ sich voraussehen, daß der immer stolzer vorgehende Siegesschritt des Absolutismus dieser Anomalie ein Ende machen werde, wenn das Schicksal nur noch die Dauer weniger Jahre ihm beschieden habe.

Auch that dieser Absolutismus endlich sein Möglichstes; was Ferdinand II., was Joseph II., was jener Franz I., der sich den Gerechten nennen ließ, und der doch zu jenen Fürsten gehörte, die diesen Namen am wenigsten verdienten, umsonst versucht, das nahm der später in Metternich fortlebende Geist jenes abscheulichen Schleichers, Franz II., wieder auf. Die Verfassung Ungarns bot, wie erwähnt, große, ja lächerliche Schwächen, unausbleibliche Folgen jeder Veraltung. Das herrschende Volk der Magyaren übte Unterdrückung und Tyrannei über die andern das Reich be wohnenden Stämme. An diese Schwächen drängte sich das Minirsystem Metternichs und seiner Werkzeuge. Dieselben Menschen, die von der Wiener Haus-, Hof- und Staatskanzlei aus die Italiener mit brutaler Gewalt niederhielten und in Deutschland jeden freien Athemzug verfolgten, waren bis zu Thränen gerührt, wenn sie von dem Drucke sprachen, den die Magyaren auf die Slovaken und Kroaten ausübten! Dieselben Menschen, bei denen der Adelshochmuth bis zu einer titanenhaften Arroganz sich ausgebildet hatte, waren die philanthropischen Fürsprecher des Landvolks, das in Ungarn unter den Privilegien der Edelleute seufze!

Einem solchen heuchlerischen Miniren folgten bald die directen Angriffe auf die Verfassung der Ungarn. Die Legitimität, deren Wesen die Undankbarkeit ist, lohnte den Ungarn die Rettung des österreichischen Kaiserthums unter Maria Theresia und in dem Coalitionskriege gegen Frankreich schon lange durch das System der Grenzsperre, die Ungarn in seinem eignen Reichthum ersticken und verarmen ließ, durch die Beförderung Alles dessen, was zur Entsittlichung der Nation beitragen konnte, durch die Verkümmerung des öffentlichen Unterrichts, durch die Verfolgung der erstehenden Industrie. Aber endlich begann sie zu directen Angriffen und Verletzungen der Verfassung überzugehen und sandte als Werkzeug zu diesem Ende den Kanzler Apponyi nach Ungarn.

Je weiter jedoch Metternich vorschritt, desto weiter war auch in Ungarn der öffentliche Geist, die politische Bildung vorgeschritten, desto größer war die Wachsamkeit der Nation geworden. Das Glück wollte, daß sich Männer wie Kossuth und Batthiany im entscheidenden Augenblicke fanden, um sich als eifersüchtige Hüter vor die bedrohten Rechte der Nation zu stellen und in kurzer Zeit aus dem Reiche der Magyaren nichts Anderes zu machen, als ein einziges großes Feldlager der Opposition.

So kam der letzte ungarische Reichstag zusammen, der Reichstag Kossuths, der Reichstag der Märzrevolution. Der Kampf des Volkes wurde über Nacht zum Siege des Volkes. Am 19. April 1848 unterschrieb Kaiser Ferdinand alle Forderungen der Magyaren, er stellte dem Reiche der Ungarn seine volle Unabhängigkeit zurück. Ein selbstständiges Ministerium unter Batthiany, Verlegung des Reichstags nach Pesth, ein selbstständiges ungarisches Heer waren die gewährten Hauptgarantien dieser Unabhängigkeit.

Aber jetzt erhob sich im Innern Ungarns eine gewaltige Bewegung der slavischen Stämme, die in der Fortdauer der österreichischen Regierung eine Bürgschaft wider die Uebergriffe der Magyaren gegen ihre Nationalität sahen. Ihre große Versammlung in Karlowitz eröffnete diese Bewegung, welche alsbald in dem neuen Ban von Croatien einen entschlossenen und gewandten Führer erhielt.

Das ungarische Ministerium versuchte alle Mittel, diese slavisch-croatische Opposition friedlich zu versöhnen, und würde sicherlich diesen Zweck erreicht haben, wenn nicht die habsburgische Familienpolitik sich derselben zu ihren Zwecken bemächtigt und sie mit aller Macht unterstützt hätte, während sie zugleich den Magyaren gegenüber in einen wahrhaft trunkenen Taumel von Gesetzlosigkeit gerieth.

Der Ban von Croatien griff zu den Waffen. Vom österreichischen Hofe war keine Vermittlung zu hoffen, wohl aber jegliche Unterstützung des rebellischen, gegen die Krone Ungarn empörten Jellachich. Das Ministerium Batthiany nahm deshalb seine Entlassung. Der Palatin von Ungarn, Erzherzog Stephan von Oesterreich, entfloh. Kossuth wurde zum Dictator ernannt.

Ungarn bereitete sich auf einen großen Kampf vor. Die Ständetafel hatte am 13. September die Aufstellung einer Armee von zweimalhunderttausend Mann beschlossen. Der Ban von Croatien war bereits im Herzen Ungarns angekommen; daß hinter ihm ein größe rer Feind stehe als seine Croatenhorden, das ahnte ein Jeder. In allen ungarischen Herzen schlug deshalb die freudige Hoffnung Wurzel, daß es jetzt endlich zum entscheidenden letzten Kampfe zwischen den tausendjährigen Rechten Ungarns und dem Machiavellismus der Habsburger kommen werde.

In keinem Herzen erregte diese Hoffnung größeren Jubel als bei unsern ungarischen Freunden, der Familie Horvath und den Geschwistern Serenyi, Elisabeth vor Allen, ja auch bei Agnes, – jetzt Rose's Gattin!

Bei Agnes' Verheirathung hatte jene sich von dieser die Verwaltung ihres Gutes sammt dem Wohnsitze auf demselben erbeten, und als Agnes auf diesen Wunsch nicht eingehen wollte, weil sie sich nicht entschließen konnte, die praktische, heitre Freundin in ihrem neuen Hause in Pesth zu missen, wurde Elisabeth ganz traurig.

»Es ist der einzige Wunsch meiner Seele,« sagte sie eifrig, »hier auf dem Castell zu bleiben. Ich kenne das Gut und die Menschen, sie kennen mich und vertrauen mir, und dabei ist es die einzige, mir bekannte Gelegenheit, mich mit allen meinen Kräften recht nützlich zu machen und – lassen Sie mich es gestehen – das mir allein zusagende unabhängige Leben zu führen.«

Dies letzte Argument siegte bei der feinfühlenden Agnes und sie gab nach, und Elisabeth bewohnte jetzt seit sechs Jahren das Castell. Im Sommer kam Agnes auf Wochen und Monate heraus und im Winter gab Elisabeth ihren dringenden Bitten nach und besuchte sie auf einige Zeit in Pesth. Außerdem gingen mit jeder wöchentlichen Victualiensendung vom Gute nach Pesth noch Briefe her und hin, die Mischka, der auf dem Gute geblieben, auf's Treueste besorgte.

Elisabeth hatte bis vor Kurzem ihr Leben freudlos und reizlos verbracht, weil sie sich in ihrer wärmsten Hoffnung, der Erhebung ihres geliebten Vaterlandes, fortwährend getäuscht gesehen. Jetzt plötzlich war sie gehoben, die ersten Schritte zur Vertheidigung, zur Selbstständigkeit waren geschehen! Elisabeth strahlte verjüngt und verschönert!

Mit der Familie Horvath kam sie beinahe täglich zusammen. Die drei melancholischen Fräulein waren auch zum nicht Wiedererkennen verändert – sie hatten endlich eine Lebensaufgabe, eine Bestimmung gefunden – sich für das erwachende Vaterland zu opfern. Ihr jüngster Bruder war nach Pesth gegangen, um sich zum Eintritt in die neue ungarische Armee zu melden, und mit seiner militairischen Ausstattung hatten sie sich vollauf zu thun gemacht, denn seine junge Frau war unterdessen gestorben und er lebte seit drei Jahren wieder ganz unter dem mütterlichen Dache.

Die Merkwürdigste der Familie war aber auch jetzt wie immer die alte Mutter, die noch immer mit eiserner, nicht nachlassender Hand die Zügel hielt und über das Schicksal ihrer Kinder entschied. Sie allein, die alte Pythia, blieb ernst und gehalten, ja ernster als gewöhnlich, sie allein sah einen blutigen, lange währenden Kampf voraus und traf deshalb die umfassendsten und weitaussehendsten Vorbereitungen. Sie füllte ihre Ställe mit zahlreichen tüchtigen, schnellfüßigen Pferden, und ganze Heerden von Ochsen und Schweinen ließ sie schlachten und in Fässern einpökeln. Dann kaufte sie Getreide, Branntwein und Früchte, so weit nur ihre Kasse reichte, und als alle ihre Vorräthe gesammelt und geordnet, ließ sie durch treue Knechte in der Nacht verborgene tiefe Gruben graben und verwahrte darin die Fülle ihrer für die Kämpfer des Vaterlandes aufgehäuften Reichthümer.

Ihre Kinder erachteten diese Vorsichtsmaßregeln als überflüssig und eines Abends fand ihr Sohn, der gerade auf einige Tage von Pesth eingetroffen war, den Muth, ihr dies geradezu zu sagen, wobei seine drei Schwestern ihn freilich nur mit den Augen zu unterstützen wagten.

»Entweder,« schloß er zuversichtlich, »sind wir Sieger ohne Kampf, weil die Oesterreicher uns gar nicht in unserm Lande anzugreifen wagen, oder – wir überwältigen ihre Söldlinge mit leichter Mühe. Wenn Ungarn aufsteht, ist es unüberwindlich, denn jeder Magyar, der für sein Vaterland kämpft, ist ein Held!«

Die alte Dame entgegnete finster: »Auch Helden erliegen der Uebermacht. Ich habe für uns keine Siegesahnungen, aber eben deshalb bin ich auch bedacht, dem verhaßten Feind den Sieg so schwer als möglich zu machen, mit allen Mitteln, die mir armen Frau zu Gebote stehen, mit dem letzten Blutstropfen meines alten ungarischen Herzens!

Doch glaubt ja nicht, daß meine Zweifel an unsern Erfolgen bloß von trüben Ahnungen stammen, ach nein – es giebt eine wirkliche traurige Ursache, weshalb wir unterliegen werden.«

»Und das ist?« fragte gespannt Lajos.

»Unser gutes Recht! Ja staunt nur, das ist allein die Ursache unsers künftigen Erliegens. Das Einzige, was ich aus Büchern gelernt, ist die Geschichte der Völker des Erdballs. Lest sie selbst diese Geschichte und sagt mir, ob nicht von je die edelsten Völker geknechtet, besiegt, von Tyrannen niedergetreten worden. Die Massen sind immer elend gewesen, nur der Einzelne genießt hin und wieder ein erträglich Loos.«

»Mutter, Mutter!« riefen erschreckt die Töchter, »wie finster schaust Du die Welt an!«

»Und habe ich etwa nicht Recht? Der alte Gott hat vom Anbeginne der Welt bis zu ihrem Ende ein fürchterliches Wesen, das wir Schicksal nennen, über uns gesetzt. Einzelne Lieblinge entreißt er diesem Ungethüm, die Menge läßt er unter ihm verbluten. Nennt mir ein ein einziges edles glückliches Volk! Seht hin nach Spanien, Italien, Frankreich, Polen, Ungarn! Nennt mir nicht England und Amerika – England ist nicht edel, sonst gäbe es kein Irland, und die Amerikaner sind kein Volk; ursprünglich eine Hand voll zusammengewürfelter Abenteurer, von denen die meisten Krämer waren – deshalb sind sie praktisch! – Die vertriebenen Indianer sind wie ein Volk von Königen diesen kunstlosen, ideallosen, plebejischen Tagelöhnern gegenüber!

Und überall, wohin mein Auge sich kehrt, erliegt immer das Edlere dem Unedlen, nicht nur in der Geschichte, auch in der Natur! die Taube dem Geier, das Reh dem Wolfe, die Gazelle dem Schakal, das Weib dem Manne!«

»Weil sie schwächer sind,« sagte die jüngste Tochter.

»Warum sind sie schwächer? Weil der alte Gott sie schwach in die Hände ihrer Peiniger geliefert, und sein Statthalter es nicht ändert.«

»So glaubst Du wirklich, Mutter, Gott kümmere sich nicht mehr um uns?«

Die alte Sybille schüttelte traurig den Kopf. »Nur einmal hatte er Mitleid mit dem grenzenlosen Elend hier unten – als er uns Christum sandte! Christus, der unvergleichlich Schöne und Reine, er, das Gegentheil von Allem, was hier lebt, er, der das Gegentheil von Allem lehrte, was die Menschen bisher getrieben und errungen, er, der selbst ohne seine göttliche Abkunft das erste Wunder der Welt gewesen sein würde!

Seine Erscheinung ist das Einzige, was die Armen, Elenden und ungerecht Verfolgten zum Troste, zur Sicherheit haben, daß jenseits es eine Vergeltung giebt. Seine Worte sind der einzige Lichtstrahl im Unglück der Völker, wie des Einzelnen, sein Leben und sein Tod ihre einzige Genugthuung! Mag auch ein Volk noch so gerecht, noch so edel sein, wie er ist Niemand, und mag es auch noch so sehr geknechtet, geschändet und gemordet werden, wie ihm geschieht keinem!«

So hatte die Alte noch nie zu ihren Kindern geredet. Mit bangem Zittern blickten die Töchter, mit Scheu der Sohn nach ihr, die dastand wie eine Priesterin der Alten. Ihr dunkles Kopftuch hatte sich zurückgeschoben und zeigte frei die hohe, gebietende, weiße Stirne, die, von einzelnen ergrauten Löckchen umgeben, nur um so Heller leuchtete; dazu die schwarzen Augen mit den scharfen, pechschwarzen Brauen und über dem festgeschlossenen, noch immer edlen Mund die feine asiatische Nase – zum ersten Male fanden die Mädchen ihre Mutter schön, ein Gedanke, der ihnen bisher nie gekommen, was sich ziemlich leicht erklären läßt, wenn man bedenkt, daß sie sie nie anders als im braunen Kopftuch, der Tuchjacke und dem schwarzen Flanellrocke gesehen und zwar nie recht angesehen, weil sie aus Bangigkeit es nicht gewagt! Ihre Mutter war immer für diese schuldlosen, gutmüthigen Geschöpfe der Gegenstand des Schreckens, der Vertreter einer strafenden Macht gewesen.

Die alte Frau saß in tiefes Sinnen noch verloren, ihre Töchter wagten sich nicht zu rühren, als die Thüre sich öffnete und Elisabeth mit ihrem Bruder eintrat. Frau von Horvath eilte ihnen hastig entgegen.

»Sie kommen von Pesth; was bringen Sie Neues, Herr von Serenyi?«

Serenyi's Augen leuchteten. »O, Alles geht herrlich! Wir rüsten! Ich habe noch heute Morgen mit dem edlen Ludwig Batthiany gesprochen. Der hofft freilich noch immer auf friedlichem Vergleichungswege mit Oesterreich fertig zu werden, aber, Gott sei Dank, er hofft doch nicht zu fest!

Daß diese Oesterreicher uns ein selbstständiges Heer verbürgen mußten, ist doch trotz allem seinem ›Vertrauen‹ hauptsächlich sein Werk. Kossuth hingegen vertraut ihnen nicht so viel,« und er schnalzte dabei mit den Fingern; »der beste Beweis ihrer hinterlistigen Gesinnung ist ja, daß sie uns einen Croaten entgegen schicken.«

Frau von Horvath nickte. »Das ist die einzige Klugheit der Oesterreicher. Gute Mittel, um ihre verruchte Despotie zu erhalten, finden sie nie, aber gute Werkzeuge immer.«

»Das kommt daher,« sagte Serenyi, »weil sie nur den Instinkt, aber nicht das Genie der Tyrannen besitzen.«

»Ja, ja,« sagte die alte Ungarin lächelnd, »Genie haben sie wahrhaftig nicht. – Aber was führt Sie heute aus dem so ereignißreichen Pesth nach unserm stillen Lande?«

»Ich will meine Schwester abholen. Die Doctorin Rose hat mich dringend in einem Billet darum ersucht, ohne mir den Grund anzugeben, weshalb ich vermuthe, daß es ein wichtiger ist.«

»Da hört man den Advocaten,« sagte Elisabeth spöttisch.

»Oder nur den Mann,« setzte Frau von Horvath hinzu, »weil die Männer immer glauben, die Frauen theilten nur Unwichtiges mit!«

»Oho, meine gnädige Frau! Sie wissen wohl, wie hoch ich Ihr Geschlecht stelle. Aus lauter Verehrung habe ich nicht gewagt, einer davon einen so unwürdigen Menschen, wie ich bin, zum Gemahl aufzudrängen.«

Frau von Horvath bewegte nur abweisend die Hand gegen Serenyi; auf solche »Redensarten« gab die stolze alte Frau nie eine Antwort. Serenyi's Versicherung imponirte ihr ohnedem sehr wenig, da sie nur zu genau wußte, welche Mühe er sich einst gegeben, sie in Beziehung auf ihre dritte Tochter von ihrer Nichtverheirathungsmaxime abzubringen. Die Wangen der armen Marie verloren ohnedem noch immer etwas von ihrer gewöhnlichen Blässe, wenn Herr von Serenyi gegenwärtig war.

Elisabeth war nur auf die Pusta gekommen, Abschied zu nehmen, und schied deshalb bald mit ihrem Bruder. Noch denselben Abend fuhr sie nach Pesth.



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