Emile Gaboriau
Aktenfaszikel 113
Emile Gaboriau

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7.

Raoul von Lagors hatte nicht übertrieben, als er von Fauvels schlechtem Aussehen und Niedergeschlagenheit sprach.

In der Tat war der Bankier seit dem Tage, an welchem sein Kassierer auf seine Anzeige hin verhaftet worden, von tiefer Schwermut ergriffen und der sonst so tätige Mann kümmerte sich kaum um sein Geschäft. Den ganzen Tag fast saß er in seinem Arbeitskabinett eingeschlossen und war für niemand, nicht einmal für seine Familie zugänglich.

Am Tage von Prospers Freilassung saß Herr Fauvel wie gewöhnlich vor seinem Schreibtische, hatte die Ellbogen aufgestützt, den Kopf in die Hände gelegt, und starrte trübsinnig ins Weite. Plötzlich trat der Kammerdiener mit bestürzter Miene ins Zimmer und meldete: »Herr Bertomy ist mit einem zweiten Herrn, einem Verwandten, wie er sagt, hier und will sich durchaus nicht abweisen lassen, er wünscht Sie zu sprechen.«

Der Bankier war bei der Meldung aufgesprungen.

»Wie, er wagt es . . .« rief er zornbebend . . . aber er faßte sich sogleich, der Diener sollte seine Erregung nicht sehen und in ruhigerem Tone fügte er hinzu: »Ich lasse die Herren bitten . . .«

Einen Augenblick später standen sich die beiden Gegner gegenüber und maßen sich mit haßerfüllten Blicken; Fauvel war hochrot, mit zorngeschwollenen Adern auf der Stirne, Prosper dagegen war totenbleich und seine Lippen zitterten.

Herr Verduret brach das peinliche Stillschweigen. Er stellte sich als nahen Verwandten Prospers vor und fügte hinzu: »Es wird Ihnen bekannt sein, Herr Fauvel, daß mein Neffe freigelassen worden ist.«

»Ja,« entgegnete Fauvel, der sich nur mit Mühe beherrschte, »ja, aus Mangel an Beweisen.«

»So ist es, und da dieser Umstand der Zukunft meines Neffen schadet, so hat er sich entschlossen, nach Amerika auszuwandern.«

Fauvels Gesicht hellte sich bei dieser Mitteilung auf.

»So, so, er wandert aus, so, so,« wiederholte er mehrmals und mit einer Betonung, die einer Beleidigung gleichkam.

Prosper hatte Mühe, sich zu beherrschen, Herr Verduret aber blieb vollkommen ruhig, als ob er den Schimpf nicht verstanden hätte.

»Ich meine, mein Neffe tut gut daran, nur habe ich gewünscht, daß er sich vor seiner Abreise von seinem ehemaligen Chef verabschiede.«

»Herr Bertomy hätte sich den Schritt, der für uns beide peinlich ist, ersparen können,« entgegnete Fauvel finster. »Ich glaube, wir haben einander nichts zu sagen.«

Das war eine deutliche Verabschiedung; Verduret verbeugte sich stumm und zog Prosper, der keine Silbe gesprochen hatte, mit sich fort.

Erst auf der Straße fand Bertomy die Sprache wieder.

»Sie haben es gewollt, sind Sie nun zufrieden, daß ich diese Demütigung, die gar keinen Zweck hat, auch noch erdulden mußte?«

»Lieber Freund, es mußte sein, ich konnte nicht allein zu dem Bankier gehen und doch mußte ich ihn sehen, um mir Gewißheit zu verschaffen, jetzt weiß ich, daß er mit dem Diebstahl nichts zu schaffen hat. übrigens hatte ich noch einen anderen Grund, ich wollte auch wissen, ob er argwöhnischer Natur ist – und auch dies weiß ich nun.«

Während sie sprachen, waren sie langsamer gegangen und zuletzt stehen geblieben. Verduret hatte den Kopf gewendet, als suche er jemand mit den Blicken und in der Tat kam Cavaillon plötzlich auf sie zugelaufen. Er mußte es sehr eilig gehabt haben, denn er hatte nicht einmal einen Hut aufgesetzt und war so aufgeregt, daß er seinen Freund Prosper gar nicht begrüßte und sich nur an Verduret wandte, dem er die seinem Freunde unverständlichen Worte zuflüsterte: »Sie sind seit einer Viertelstunde fort.«

»Schon so lange? da ist Eile nötig. Vorher aber nehmen Sie dies und übergeben Sie es ihr. Und nun machen Sie, daß Sie in Ihr Bureau kommen, es war unvorsichtig von Ihnen, ohne Hut davonzustürzen.«

Verduret hatte das Zettelchen, das er vorher bei Prosper geschrieben, hervorgezogen und Cavaillon eingehändigt und dieser eilte was er konnte zurück.

Prosper war von der ihm unverständlichen Szene befremdet.

»Sie kennen Cavaillon?«

»Wie Sie sehen; aber wir haben keine Zeit zu verlieren, kommen Sie rasch.«

»Wohin?«

»Das werden Sie sehen, folgen Sie mir.« Und fast im Laufschritt eilte er vorwärts.

Endlich machte er Halt, wendete sich zu Prosper, der atemlos folgte, und sagte: »Wir sind zur Stelle.« Dann trat er in ein Haus, führte Prosper zwei Stockwerk hinauf und hielt vor einer mit einem Porzellanschild versehenen Tür, auf dem zu lesen stand: »Modesalon.«

Ohne anzuläuten, klopfte Verduret leicht zweimal an und als ob jemand auf dies Zeichen gewartet hätte, öffnete sich die Tür sofort.

Eine ältere anständig gekleidete Frau empfing die Ankömmlinge mit stummem Gruß und führte sie in einen kleinen Warteraum.

Verduret zeigte auf eine Tapetentür und fragte: »Ist sie da drinnen?«

»Ja,« entgegnete die Frau, »im kleinen Salon.«

Ohne weiteres öffnete Verduret die Tür und schob Prosper sanft hinein.

»Kaltes Blut,« flüsterte er ihm zu.

Was soll die Mahnung? dachte Prosper und ließ den Blick über das Gemach gleiten – aber schon stieß er einen Schrei der Überraschung aus: »Magda!«

In der Tat stand das junge Mädchen in einer Ecke des Salons vor einer Gliederpuppe und glättete an den Falten eines prächtigen goldgestickten roten Samtkleides – das ohne Zweifel ihr Ballkostüm war.

Bei Prospers Ausruf wandte sie sich jäh, sie erbleichte und war einer Ohnmacht nahe, sie klammerte sich an eine Sessellehne, um nicht umzusinken.

»Magda, Magda,« wiederholte Prosper, noch immer fassungslos.

Sie aber hatte inzwischen ihren Schwächeanfall überwunden. Stolz richtete sie sich auf und sagte: »Was gibt Ihnen die Kühnheit, meinen Schritten nachzuspüren? Wie können Sie sich erlauben, mir zu folgen und hier einzudringen?«

Prosper hätte ihr gerne gesagt, daß er daran unschuldig war, allein er fühlte sich außerstande, ihr alles zu erklären und deshalb schwieg er.

»Hatten Sie mir nicht Ihr Ehrenwort gegeben, niemals den Versuch zu machen, mich wiederzusehen? Sind Sie so wortbrüchig?«

»Wohl habe ich Ihnen mein Wort gegeben – allein – –« er hielt inne.

»Fahren Sie fort.«

»Es hat sich seit jenem Tage, an dem ich so schwach war, jenen Schwur zu leisten, soviel ereignet, daß ich wohl berechtigt wäre, ihn auf einen Augenblick zu vergessen. Aber ein Zufall, oder vielmehr ein Wille, der nicht der meinige ist, führt mich hierher, ich hatte keine Ahnung von dem Glück, das mir bevorstand. Ach, daß ich Sie endlich wiedersehe, wieder in Ihrer Nähe weile! Mein Herz erbebte vor Seligkeit, als ich Sie erblickte, und Sie sind so unbarmherzig und stoßen mich zurück! Als ob ich nicht ohnedies unglücklich genug wäre!«

»O, Sie wissen Prosper, daß ich den innigsten Anteil an Ihrem Schicksal nehme, daß ich wie eine Schwester für Sie fühle.«

»Wie eine Schwester!« wiederholte Prosper bitter, »ja, das ist das Wort, das Sie an jenem Tage aussprachen, als Sie mich aus Ihrer Nähe verbannten. Wie eine Schwester! Warum haben Sie mich dann drei Jahre lang hoffen lassen, daß ich Ihnen mehr bin, denn ein Bruder? Ja, als wir die Tante auf ihrer Wallfahrt nach Notre Dame de Fourrières begleiteten, haben wir uns da nicht am frommen Ort ewige Liebe geschworen, Andenken getauscht? Ich habe das Madonnenbildchen noch, das Sie mir gaben, aber Glück – wie Sie mir damals wünschten, hat es mir nicht gebracht!«

Magda machte eine flehende Bewegung, als wollte sie ihn bitten, ihrer zu schonen, aber er merkte es nicht und fuhr erregt fort: »Wenige Wochen nach jener beglückenden Wallfahrt gaben Sie mir mein Wort zurück und entrissen mir das Versprechen, Sie zu meiden. Wenn ich wenigstens wüßte, was Sie dazu veranlaßt hat, was ich begangen habe, um Ihre Neigung zu verscherzen. Aber Sie würdigten mich keiner Erklärung, Sie sprachen nur von einem unüberwindlichen Hindernis, forderten meine Entfernung und ich mußte die Welt glauben lassen, daß es meinerseits freiwillig geschehe. Ach – warum haben Sie Ihr Herz von mir gewendet, Magda, warum?«

Große Tränen waren in Magdas Augen getreten und rollten langsam über ihre bleichen Wangen herab.

»O, Prosper, wozu dies alles, Sie sollten mich vergessen . . .«

»Vergessen!« rief er, »vergessen, als ob man das könnte! Ach, ich sehe wohl, daß Sie mich nicht mehr lieben und so bleibt mir nur eins – der Tod.«

»Unseliger!« . . . stieß Magda hervor.

»Jawohl, unselig,« antwortete er traurig, »unselig und unglücklich, mehr als Sie ahnen können. Seit einem Jahr, seit ich Sie verloren habe, gab es für mich kein Glück. Ich sollte Sie vergessen, sagten Sie – ich habe es versucht, ich wollte mich berauschen, betäuben, ich habe aus dem Taumelbecher der Lust getrunken, mich in den Strudel wilder Vergnügungen gestürzt – vergebliches Mühen, ich habe nicht vergessen gelernt, nur wurde mir mein Dasein noch unerträglicher – wundert es Sie nun, wenn ich mich nach dem ewigen Frieden, dem Tode, sehne?«

»O, sprechen Sie nicht so,« rief Magda, »o Gott, das ist zuviel des Leidens!«

Prosper mißverstand sie, er glaubte, sie sagte die Worte mit Bezug auf ihn und antwortete: »Sie bemitleiden mich, Magda? Ach, was soll ich noch auf der Welt? Ich habe Ihre Liebe verloren, ich komme aus dem Gefängnisse, entehrt, schmachbedeckt, für mich gibt es keine Hoffnung, keine Zukunft mehr, mir bleibt nur die Verzweiflung und der Tod!«

»Ach, Prosper, wenn Sie wüßten. . .«

»Ich weiß nur eins, daß Sie mich nicht mehr lieben und daß ich Sie unwandelbar liebe und ewig lieben werde!«

Er schwieg, aber Magda antwortete nicht.

Da ertönte plötzlich durch die Stille unterdrücktes Schluchzen, erstaunt wandten sich die beiden: es war Magdas Kammerjungfer, die im Hintergrunde saß und heftig weinte. Magda hatte ihre Anwesenheit völlig vergessen, Prosper sie nicht bemerkt, aber jetzt erkannte er sie zu seinem nicht geringen Schrecken: das einfach und bescheiden gekleidete junge Mädchen war Nina Gypsy!

Und Nina hatte alles gehört! Mitleid beschlich Prospers Herz, sie liebte ihn und mußte Zeugin seines Geständnisses, das er einer anderen machte, sein! Und an seinem eigenen Schmerz, da er sich verschmäht wähnte, konnte er die Qualen, die Nina erduldete, ermessen. Aber zu seinem Mitgefühl schlich sich eine zweite Empfindung: die des Erstaunens; wer und was hatte die wilde, leidenschaftliche Nina Gypsy so verwandelt, daß sie – die wohl nur ihm zuliebe die Stelle einer Dienerin angenommen – jetzt so ruhig sitzen blieb und nur still weinte, statt aufzufahren und ihre Rechte als seine Geliebte geltend zu machen?

Magda hatte sich inzwischen etwas gefaßt, sie trat an Prosper heran und sagte weich: »Warum sind Sie gekommen? Wir bedürfen beide unseres ganzen Mutes, denn – auch ich bin unglücklich, Prosper – o, noch viel unglücklicher als Sie! Sie dürfen wenigstens Ihrem Herzen durch Klagen Luft machen, mir ist es sogar verwehrt, auch nur eine Träne zu vergießen und während mein Herz bricht, muß ich lächeln. – – Wir müssen jetzt scheiden und das für immer, aber wenn es Ihnen einen Trost gewähren kann, so will ich Ihnen zum Abschied sagen, daß ich nichts vergessen, ich mich nicht gewandelt habe. Aber aus diesen Worten dürfen Sie keine Hoffnung für die Zukunft schöpfen – für uns kann es kein gemeinsames Glück geben, wir müssen für ewig getrennt bleiben. Leben Sie wohl und geben Sie mir zum Abschied das Versprechen, daß Sie Ihr gräßliches Vorhaben nicht ausführen werden; Sie wollen mich doch nicht noch unglücklicher machen, als ich schon bin . . . Vielleicht wird auch noch dereinst der Tag kommen, an dem ich mich rechtfertigen kann. Und nun zum letzten-, letztenmal Lebewohl, Prosper, Lebewohl – Bruder!« . . .

Sie ging, Nina folgte ihr und Prosper blieb allein.

Er war von dem eben Erlebten mächtig erschüttert, aber nach und nach wurden seine Gedanken klarer und mit Staunen erkannte er die Macht des fremden Mannes, der sich für den Freund seines Vaters ausgab und den er im Leben vorher nie gesehen! Und dieser Fremde griff nun so in sein Leben ein, wußte alles, kannte alles und lenkte ihn selbst wie eine willenlose Marionette!

Heftig erregt trat er Verduret, der eben an der Schwelle erschien, entgegen und herrschte ihn an: »Wer sind Sie, mit welchem Recht mischen Sie sich in mein Leben?«

»Wer ich bin? Sie wissen es ja schon, der Freund Ihres Vaters, der mich gebeten hat, Ihnen beizustehen. Soll ich Ihnen etwa meine Lebensbeschreibung geben? Die hätte doch wenig Interesse für Sie, es genüge Ihnen, daß ich Ihnen helfen will und helfen werde.«

»Durch welche Mittel? ich muß wissen, ob ich sie annehmen kann oder nicht; auch bin ich nicht länger geneigt, mich meines freien Willens zu entäußern und mich ähnlichen Auftritten auszusetzen, wie dem heutigen. Ich glaube, ich bin alt genug, um zu wissen, was ich tue.«

»Wenn einer blind ist, mein lieber Prosper, dann läßt er sich eben führen, das Alter spielt dabei gar keine Rolle . . .«

Diese Antwort Verdurets, die Prosper als Hohn erschien, reizte ihn aufs äußerste.

»Ah,« rief er, »zum Schaden fügen Sie noch den Spott! . . . Übrigens, ich danke Ihnen, Herr Verduret, ich bedarf Ihrer Hilfe nicht, ich verzichte auf jede weitere Nachforschung. Was gilt mir jetzt noch Ehre, Leben? Magda ist unwiederbringlich für mich verloren – ich gebe den Kampf auf!«

»Ich glaube, Sie haben den Verstand verloren.«

»Nein, aber was soll mir alles andere, da Magda mich nicht mehr liebt.  . .?«

»Haben Sie sie denn nicht verstanden . . .?«

»Wie, Sie haben gehorcht?« rief Prosper empört.

»Ja, ich bekenne es, es war vielleicht nicht gerade sehr zartfühlend, aber der Zweck heiligt die Mittel und Sie können nur froh darüber sein, weil ich jetzt in der Lage bin, Ihnen zu sagen, daß Fräulein Magda Sie noch immer liebt.«

»O, wenn ich das glauben könnte, aber ich fürchte, nur aus Mitleid hat sie . . .«

»Nein, nein, sie liebt Sie und sie leidet, haben Sie denn nicht erraten, gesehen, daß dieses edle junge Mädchen ihre Liebe einer übernommenen schweren Pflicht zum Opfer bringt? Wofür sie sich opfert, für wen, das ist eben das Geheimnis, das wir enthüllen müssen und dann werden wir auch gleichzeitig die Umtriebe kennen, denen Sie selbst zum Opfer gefallen sind!«

»O, wenn Sie recht hätten!«

»Ja, ich habe recht, öffnen Sie doch die Augen und Sie werden die Wahrheit erkennen: Magda weiß, wer der Dieb ist . . .«

»Nicht möglich!«

»Ja, es ist so, aber irgend etwas bindet ihr die Zunge, sie muß Sie aufgeben, wir dürfen aber ihr daraus keinen Vorwurf machen, denn sie hat sich selber aufgeopfert.«

Prosper war erschüttert. Er streckte dem Freunde seines Vaters die Hand entgegen und sagte: »Können Sie mir verzeihen, Herr Verduret? Ich muß in Ihren Augen sehr lächerlich und töricht erscheinen, aber Sie wissen nicht, was ich leide . . .«

Traurigen Tones erwiderte Verduret: »Ich habe keine Ursache, Ihrer zu spotten, denn was Sie leiden, habe auch ich einst empfunden. Auch ich habe ein junges Mädchen geliebt – wenn auch kein so edles, reines Fräulein wie Magda. – – Und eines Tages hat sie mich um eines anderen willen verlassen.«

»Und Sie kannten den anderen und haben sich nicht gerächt?«

»Nein,« entgegnete Verduret und fügte mit eigentümlicher Betonung hinzu: »Aber der Zufall hat meine Rache übernommen.«

Beide schwiegen. Prospers Gedanken wandten sich wieder seinen eigenen Angelegenheiten zu und nach einer Pause sagte er: »Ich sehe ein, ich habe kein Recht, mich selber aufzugeben, ich bin es meinen Angehörigen schuldig, meinen bemakelten Namen wieder reinzuwaschen, ich bin bereit, Ihnen bis ans Ende zu folgen, Herr Verduret; bitte, verfügen Sie über mich.«

Am selben Tage noch verkaufte Prosper sein Mobiliar und schrieb seinen Freunden, daß er Europa verlasse und sich nach San Francisco begeben werde.

Am Abend bezog er mit Verduret das Hotel zum Erzengel, wo ihm Frau Alexandrine ihr schönstes Zimmer zur Verfügung stellte – es war jenes, das Nina Gypsy bewohnt hatte.

Prosper hatte sich, von all den Aufregungen und Anstrengungen des Tages erschöpft auf das Sofa geworfen und die Ereignisse zogen noch einmal vor ihm vorbei. Er dachte und grübelte, daß ihm davon der Kopf schmerzte. Er erhob sich, um das Fenster zu öffnen – denn er hatte das Bedürfnis nach frischer Luft – aber ein heftiger Wind, der ihm entgegenschlug, zwang ihn, das Fenster gleich wieder zu schließen. Durch den entstandenen Zugwind waren die Vorhänge aufgeflogen und ein Papierschnitzel wirbelte plötzlich mitten im Zimmer herum.

Prosper hob es auf und betrachtete es zerstreut, aber wie staunte er, als er Ninas Handschrift erkannte – es war das Bruchstück eines Briefes. Die unzusammenhängenden Sätze ergaben keinen Sinn und doch gaben sie Prosper unendlich viel zu denken. Immer wieder und wieder las er: ». . . von Herrn Raoul, ich war sehr im . . . gegen ihn geschmiedet . . . Prosper benachrichtigen und dann . . . beste Freund, er . . . Fräulein Magdas Hand . . .«


Prosper konnte die ganze Nacht keine Ruhe finden.


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