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G’hälter.

Gaden, Speicher, Scheune, Hütte.

D

 

as Haus für Menschen, das Gaden für Vieh und Futter, den Stadel für das Korn. So baut, in sauberer «Trennung der Gewalten», der Oberwalliser noch zur Stunde. Daß es einst auch im Berner Oberlande ähnlich gewesen sei, zeigen die gleichlautenden Eigennamen. Noch dient in der Nähe des Chlụụsi der ehemals 1 sogar bewohnte Chlụụsistădel — zu winterlicher Viehwart, während der Strich ze Stä̆dlen, 2 nun mit Gasthäusern überbaut, mit Bahnhof und Post das heutige Grindelwalddorf eröffnet. Auch «Gaden» figuriert im alten Sinne, den nachmals der Stadel mit übernahm, bloß noch in zusammengesetzten Eigennamen. So gibt es zwei Găde nstatt, 3 deren eine aus dem Schulhaus hinder Scheitegg und dem benachbarten alten kleinen Bauernhause besteht, und drei Găde nstettli. 4 Es waren dies ursprünglich Komplexe von Alphütten, oder auch von bloßen Scheunen für Vieh und Heu, wie noch jetzt in Graubünden. 5 So erwähnen die bernischen Geschichtsquellen 6 von 1309 «fünf Gadenstette auf Bußalp und das Mulchen, das in den Gadenstetten wirt», als zinsbare Objekte. Nun liegt im zweiten Teil unserer Zusammensetzung jedenfalls immer der Sinn des gruppenweisen Beisammenstehens alpwirtschaftlicher Gebäude. Bedeutet hiebei der erste Teil «Stall» 7 oder «Scheune» oder beides, so kann für 411 die Zusammensetzung die pluralische Fügung «ze Gadmen» eintreten, wie im «Gadmen» am südlichen Bergabhang von Blitzingen (Goms), oder in dem heutigen Kirchort des Gadmentales, welcher vormals aus bloßen Ställen und Scheunen des Klosters Engelberg bestand. 8 Ähnlich sind zu deuten das Seegăden hinter Scheitegg, das Fŭ̦hreṇgăden und die nunmehr bewohnten Orte bi’m Doreṇgăden, 9 ze’m Mŏsgăden, 10 bi’m Chilchgăden, 11 bi’m Wịịdigăden. 12 Eigenartige Bedeutung kommt den Gădellichchren ( S. 43) zu. 13 Dem unterbernischen Sinne 14 angenähert, ist dem Lauterbrunner das über dem Wohnteil des Hauses gelegene Stockwerk, in welchem er über Winter seine Käsevorräte birgt, das Chääsgăden, während der Grindelwaldner es die Loiba (Laube) nennt. Dagegen ist letzterem das Găden in dessen einzig verbliebener Bedeutung: die schmale Nebenstube.

Der alte Stadel zu Mättenberg.

Während der Alpzeit aber gibt der Spịịher den Stapelplatz ab für die Tag um Tag sich mehrenden Produkte der Milchwirtschaft. Auch der Oberwalliser hat hiefür nun ein eigenes Gebäude, wenn nicht noch der Stadel dessen Zwecke mit erfüllt. 15 Wie vielgestaltig waren aber diese im alten Grindelwald! Die Speicher dienten als Vorratskammer, als «Gewandhaus» (im Doppelsinn für Gewand und Waffen), sogar ausnahmsweise etwa als Schlafraum für Alpgäste. 16 Sowohl in dieser Vielseitigkeit 412 des Gebrauchs, wie in ihrer äußerst niedlichen Ausstattung, gehoben durch malerische Umgebung, erinnern sie an die Speicher des Emmentals. 17 Es gibt denn auch, da man die Käselaibe und Zigerstöcke aus allen Lägern einer Alp an éine Stelle zu verbringen pflegt, ganze kleine Speicher­dörfelchen z. B. im Hŏhle nwang und im Grindel-Unterläger, unter dem Gasthaus der großen Scheidegg (hier teilweise als Ersatz des 1749 verschütteten Speichers am Spịịherbach). Derartige Gruppen wie z. B. an Itramen (und an Wengen) hätten sich bei längerer Frist in ganz reizenden Bildchen wiedergeben lassen. Innere Ausstattungen sodann, wie Öffnungen in Boden und Decke zum vermachen und e ntmachen je nach Wärmebedürfnis, erinnern in vielem an die fortschrittlichen Käserei­einrichtungen des Unterlandes.

Käsespeicher mit Spiiherschori.

(Holenwang, v. J. 1739.)

Nach einem Dokument von 1789  18 erstreckt sich ein Kaufakt auf «Scheür, Anteil Stadel und ganzen Speicher». Es handelte ich also da um Verbringungs­orte für Dürrfutter, Getreide und Molkerei­produkte. Auch dem Oberwalliser ist Schị̈ị̈r soviel wie Heuboden; 19 und in dieser beschränkten Bedeutung findet man das Hewschị̈ị̈rli, Schị̈ị̈rli, Schịịdli, als ganzes Eigentum eines Einzelnen oder als halbs Schịịdli für je einen unter zwei Teilhabern selbst auf jeder kleinen Landparzelle. Die Talschaft ist von Schịịdlinen 20 gleichsam übersät. Eine Schịịr hat demnach jeder größere Landbesitzer neben seinem Hause — oder neben jedem seiner Häuser — stehen; zwei, drei oder mehr andere erhoben sich vereinzelt da und dort, selbst in mancher Vorsaß neben der Hütte. Auch den Pfarrhof ziert seit 1790 die gegenwärtige stattliche «Scheir». 21 Manche solche hat aber im Laufe der Zeit, um vermehrter Bevölkerung Platz zu schaffen, einem Haus weichen müssen. 22 Bereits 1349 gab es ein Brüderpaar Ulrich und Heinrich «zer Schüra». 23 Manch ein Haus könnte bi’r alte n Schị̈ị̈r 24 heißen, wie deren eine 413 mit der Jahrzahl 1519 noch gut erhalten auf der Egg bei der Horbachbrücke steht. Bemerkenswerte Zeugen alter Zeit sind ferner die Orte bi’r Mŭ̦rwende n­schị̈ị̈r (Murmeltierscheune), 25 bi’r Hëejje nschị̈ị̈r, 26 bi’r Bärgschị̈ị̈r, 27 die Geißschị̈ị̈r, 28 das Louischị̈ị̈rli, 29 die Teïffischị̈ị̈r, 30 die Straaßschị̈ị̈r. 31 Die Geißschị̈ị̈r ermangelt auch nicht ihrer Pendants der Chïehschị̈ị̈r, Rinderschị̈ị̈r, Schaafschị̈ị̈r. Eine ganze Vorsaß «mit dem zudienenden Weidhäusli und Scheuer» (1821) nennt sich Stei nrschị̈ị̈r.

Iilegischiir in der Bodmi.

(Im Hintergrund der Eiger.)

Über den Vorsaßgürtel hinaus steigt aus bereits angeführten Gründen die Scheune nicht. Dies bringt den Vorteil mit sich, daß die Mühsale der Erstellung nicht ŭ̦berli ch (übermäßig) groß sind und daher an solche Gebäude eine etwas vermehrte Sorgfalt gewendet werden kann. Dies ist besonders der Fall bei den Ịị nllĕgi­schị̈ị̈rinen oder Schwemmi­schị̈ị̈rinen wie der hier abgebildeten Bŏbmischị̈ị̈r. Diese «Einlegescheunen» werden i n Pfësten u nd Strä̆be n gstelld; dann werden zirka 15 cm breite Lị̈ị̈sti vo n Lăde n g’schnitten und i’ n d’Pfësten ị̈ị̈ ng’leid, wie die Abblildung es veranschaulicht. Auf einfacherm Wege werden die gewöhnlichen Tolde nschị̈ị̈re̥ni mittelst aufeinander gelegten Tëlden ( S. 182) z’sä̆me ng’wätted ( S. 439), jedoch nicht z’sä̆me ng’fueged. Bei beiden Bauarten sind natürlich d’Schị̈ị̈rs­wẹndeni g’schwemmtŭ̦: scheinbar haltlos «schwimmend» werden die Tëlden derart übereinander angebracht, daß auch sie die bekannten zirka 5 cm breiten Chleck zur Durchlüftung des Futterstockes zeigen können.

Zur Unterbringung von Holz- und Streuvorräten dient auf der Alp der ins Freie «vorgeschobene» Dachvorsprung. Der unter solchem Wetterschutz nach drei Seiten offen stehende oder nach Belieben und Bedürfnis absperrbare Raum heißt der Schopf. Solchen kann auch das Haus in verschiedenem Maße bieten: Dás Hụ̆ụ̆s hed vi̦i̦l Schopf, wenig Schopf. Das Unterland zumal 32 macht sich solchen Schutz ausgiebig 414 zunutze und ersetzt sich seinen Mangel allfällig durch eigene Gebäude. 33 Den «Fluehụ̈slinen» des Unterlandes aber bietet eine natürliche Felsenmauer sowohl die Rückwand (wie denen zu Lützelflüh) 34 als auch das Dach (wie denen bei Krauchthal). «Der Fels hat als Ägide die Hütte überdacht». 35 Zumal im Oberland (vgl. aber auch «Oberbalm» und «Ferenbalm») wölbt sich da und dort ein solcher Felsvorsprung zu einer Bale̥m ( S. 16 f.), in welcher die dem Steinschlag und Lawinendonner, dem Sturm und Wetter entronnenen kleinen Weidetiere samt ihrem Hirten im Wohlgefühl eines mächtigen Schutzes sich friedlich lagern. Kein Wunder drum auch, daß der Alpenbewohner ganz vorzugsweie solch schützenden Felsen als Schopf, im Lötschental als die «Schï̦pfa» bezeichnet. Nur hat sich die sinnvolle Benennung derart verallgemeinert und verflacht, daß nun auch jeder beliebige Fels, ja das lose Felstrümmerstück und schließlich der erste beste auf Weg und Feld liegende Stein Schopf heißt. 36 Mit der Hand hebt ein händelsüchtiger Bengel einen Schopf oder eine ganze Anzahl Schëpf vom Boden auf, steckt sie in die Tasche, und im nächsten Augenblicke kann die Klage eines Getroffenen laut werden: är hed mer e n Schopf a’ṇ Gri̦nd g’rïehrd! Auf den Wanderer im Gebirge aber kann das lose Gestein in lebensgefährlicher Weise Schëpf herunterregnen lassen.

So wird der schützende Fels zum bedrohlichen; die «Ägide» 37 bewahrt nicht bloß, sie schreckt auch. Gut darum, daß es im Gebirge neben dem so «vielseitigen» Schopf auch die ausschließlich schützende Hï̦tta gibt: die vom Faulhornwirt am Wege zu diesem Damenberg erstellten und unterhaltenen Hï̦tti; das Lory-Hï̦ttli 38 unterhalb des Gläckstein am Wetterhorn; die Gläckstein­hï̦tta und alle die andern vom Schweizer Alpenklub immer mehr den Bedürfnissen der Touristenwelt angepaßten Klubhütten ( S. 31). Alpwirtschaftlichen Zwecken dienen dagegen die in den Vorsaßen zerstreuten primitiven, bisweilen aber äußerst malerisch hingestellten Weidhï̦ttle̥ni (oder Weidhị̈ị̈sle̥ni).

Besonders aber gehören hieher die nun eigens zu besprechenden Sennhütten oder Alphütten, die in der Mundart einfach als Hï̦tti bezeichnet werden. Die ältesten derselben verdienen nicht einmal diesen Namen; sie erinnern eher an die auf S. 17 abgebildete «Bettlerküche». So die 415 ältesten Haslihütten z. B. in der Grimselgruppe, die weiter nichts als Erdhöhlen zwischen Felstrümmern und Blöcken darstellten, 39 ähnlich den armseligen alten Schäferhütten des Zäsenbergs. 40 Aber auch die von Scheuchzer um 1700 beschriebenen und seither als typisch geltenden Hütten, deren eine im «Läger» zu Itramen die Jahrzahl 1635 trägt, erscheinen nun heute als «Typen» primitivster Bauart.

Wenig anders mag es auf den «fünf Gadenstetten» an Bußalp ( S. 310) ausgesehen haben. Bildeten sie aber, wie wir S. 410 vermutet haben, das einstige dortige Unterläger, so spiegelt sich in «Statt» der noch heute so eigentümlich dörfchenartige Fernblick auf die meisten Alpläger. Unsere Abbildungen ( S. 310, 311, 312, 375) zeigen die an den Oberlägern Grindel und (teilweise) Baach, sowie am untern Läger Hŏle nwang.

Solche haufendorfartige Hüttengruppen zeigen immerhin bloß die ältesten und vorzugsweise die obersten Läger, in welchen sich zu frühern Zeiten die berühmten und von uns anderwärts besprochenen Älplerfeste ( der Dorf) abspielten. Die meist loser gruppierten unteren Läger gemahnen mehr und mehr an isolierte und unbewohnte Schirmhütten wie den Graatschäärm ( S. 95) und die Scheuern und Scheuerchen — Schị̈ị̈ri und Schị̈dle̥ni —, welde den Blick zu den Talwohnungen überleiten.

Allein auch der neuere Alphüttenbau huldigt nun diesem Gedanken der Vereinzelung und erinnert damit in vielem an das altalemannische Hofsystem des unterbernischen Berglandes 41 als Gegensatz zum Dorfsystem. Das zeigt der erste Blick auf ganze Läger wie Nŏdhaalten (an Bachalp) oder Mürrenberg, und auf beträchtlich entlegene Partien von solchen wie Spịịherbach (zum Scheidegg-Oberläger), wie Bärgelegg (zum Grindel-Oberläger). Da stehen geräumige Hütten, deren Eigner sich der Vorteile einer nicht zu starken und doch sehr angenehmen Isolierung erfreuen: sie sịịn bi̦’ n Llị̈ị̈ten und vö́’ n Llị̈ị̈ten.

 
1   Ch. 65. 1736 20/ 2.   2  F 3.   3  C 3; G 2 = W 5.   4  B 2; D 3; F 3.   5   Pfeiffer 350; Stalder 1, 411.   6   Font. 4, 388.   7   Goms 65; Lötsch 64 f.   8   AR. 1814, 248.   9  H 2.   10  F 2; D 4.   11  A 1.   12  A 1.   13  Vgl. Faulh. 19.   14   Lf. 230.   15   Goms 67.   16  Ortspfarrer Kuhn (1787) in Höpfn. M. 16. Vgl. das Leipziger Gewandhaus als ehemaliges Zeughaus, nun als Musikgebäude.   17   Lf. 136 ff; 236 ff. Vgl. auch die Käsespeicher in Bönigen und Brienz bei Gladbach 25 ff. und Taf. 26 ff.   18   Ger. Gw. 5.   19   Goms 65.   20  Erhöhung des r wie so häufig.   21   Cronegg.   22  Vgl. Lf. 244.   23   Font. 7, 406.   24  H 1.   25  H 1.   26  H 1.   27  F 2.   28  E 3.   29  E 3.   30  E 4.   31  E 3.   32  Vgl Lf. 213 f.   33  Komplexe solcher sind verewigt in Eigennamen wie Schüpfheim (Schopfheim) und Schüpfen, romanisch Tschappina und Ceppina.   34   Lf. 173 f.   35  Laut plumper Umdeutschung des schönen Reimwortes zu «Friede» hat «der große Fels schützend» usw.   36  So hat übrigens auch der Stein die vorhistorische Bedeutung Mauer, Wand ( Kluge 361) und die gut historische von Burg («der Stein zu Baden» u. dgl.; der «Stein» bei Seeberg, woher das Geschlecht «vom Stein». (S. Schmidlin, Geschichte von Kriegstetten, S. 82 ff.)   37  Der Schild des Zeus: Iliade 15, 308 usw.   38  W 4 (L).   39   Wyß 714 ff.   40   Stud. T. 74.   41   Lf. 234 ff.  
 

Die Hütte als Herdraum.

Unter dem einen und selben Dach geht man vom Stübelchen i n d’Hï̦tta ụsi, vom Stall oder Melkhaus i n d’Hï̦tta inhi, von der Gastern i n d’Hï̦̆tta ahi. Kein Wunder: ist doch dieser Hauptraum der heutigen Alphütte der vormals einzige Raum der alten, im vorigen Abschnitt behandelten Urhütte! Da betritt man noch jetzt ohne Vermittlung eines künstlichen Sollers den Erdboden und sieht meist 416 ohne Behinderung durch einen ob’re n Soller an das Dach hinauf. Da ist die in der Einrichtung uralt gebliebene Stätte der Milchtechnik. 1 Soweit nicht die letztere samt ihrem Mobiliar an eigener Stelle ( S. 391 ff.) besprochen ist, halten wir Umschau in dieser engern «Hï̦tten».

D’s Iinwändiga einer alten Sennhütte.
(Im Bach-Unterläger Hohlenwang.)
Das liegende Leiterchen weist auf die Gasterra

Eine Hääli.

Unter den Dachflügeln werden die Hüttenwände mit der First (d. i. dem Firstbalken) verbunden und vor Schneelast geschützt durch je eine Schalta inwendig und auswendig. Diese Schalti sind gezimmerte Tẹlden (Balken), welche durch einen Chlŏfe n schlüpfen. Unter «Chlŏfen» ist hier ein vorspringender Balkenkopf mit gemeißelter Durchhöhlung verstanden. Er bedeutet auch Türangel, und zwischen Bach und Grindel benennt er eine Bodenerhebung. 2 Von Schalte zu Schalte 3 reicht zuweilen 417 unter dem Dache durch als zusammenhaltende Holzli oder Band, sowie als Spannung, der Asniboim. Dieser trägt zumal in sehr niedrigen Hütten einen Bretterboden: die Asni. 4 Diese dient zum raschen Auffangen des alsdann leicht zu löschenden Schadenfeuers, das etwa mit dem Rauch durch die Spaltöffnungen des Dachs dringen sollte. Diesem Zwecke genügt übrigens auch ein einfacher Trääm, 5 der mit Steinplatten belegt wird. Ein unter der Asni sich hinziehender, dünner und geschälter Fichtenstamm, die Asnilatta, dient zum Trockenhängen der Käsetücher. — Die Feuersgefahr wird freilich durch den Chienrueß, d. h. hier: den schịịnnigen (glänzenden) Ruß der Innenwände, 6 fast gegenstandslos gemacht. Der Unerfahrene könnte sie übrigens eher in der offen lohenden und lodernden Flamme der Fị̈ị̈rgrueben der Alp (oder dem entsprechenden Chääsë̆fe̥lli des Talhauses) erblicken. Wird doch sogar in ihrer möglichsten Nähe — neben, oder in den neusten Hütten auch über ihm — das Brennholz zum dorren aufgeschichtet, ’tĭ̦schsched. Auch die Hääli, d. h. die Aufhängekette ( crémaillère) des äärigen Hăfen, wie sie noch 418 da und dort in einer Talküche ausgemustert in einer Ecke zusehen ist 7 und nun bloß noch als Übertragung auf ein nachlässiges, faules Weibsbild weiter lebt ( e n rrächti Hääli! die verdammt Hääli!), scheint in den Augen des ängstlichen Neulings geradezu dem Feuer den Weg ins Dach zu weisen. Bedenklich war oder ist jedoch an der Einrichtung lediglich die Holzvergeudung. Sie läßt sich indes bei der Verteilung der kurzen Alpzeit auf so manches Läger nicht leicht umgehen. Obendrein entschädigt solches «Kaminfeuer» durch die von ihm gebotenen Gelegenheiten zu einem gemütlichen Aabe ndsitz. 8 Als Sitzgelegenheit dient dabei jedem Mitglied der Tafelrunde der angeschnallte Mälchstuehl ( S. 389), wenn nicht der zu Balancierkünsten einladende Drịịbeinig 9 oder der Hï̦tteṇgri̦tti ihn ersetzt. Das ist ein aller und jeder Kunst entbehrendes Bri̦ttli mit drei eingezäpften Beinen; auch der Lä̆nen (die Lehne) fehlt. — Haben die Wärme, das Plaudern, Singen und hoiren (Jodeln) die Kehlen getrocknet, so ist vom «Gefühl des Mangels» zum «praktischen Verhalten» nur ein Schritt. Dort steht ja der Sụụffitotzen, dessen Name (vgl. S. 257) sich allerdings jede rohe Deutung des Unterländers verbittet. Der Sụụffitotzen ist ein mächtiger Tannwurzelstock, wie er sonst eigentlich zum Holzspalten dient. Als ebenbürtiger Genosse des zum Holzsägen gebrauchten Sagbock mag er auch etwa als Bild der Ungeschlachtheit gelten. Auf diesen improvisierten Ti̦i̦sch kommt nun zunächst alles, was zum sụụffen in des Wortes altem unanstößigem Sinne dient, und was die Hütte an Milcherzeugnissen bietet. Ein ähnlicher zweiter Totze n trägt u. a. etwa den spitze n Tangelstock und den breiten Tangelhammer, zusammen die Tangla geheißen, zum tẹnge̥llen der Sense für Fax, Lische oder Bergheu. Die neuern Hütten haben sich nun allerdings den Sụụffitotzen durch Tische ersetzt, von denen nur etwa der eine holziger ist (aus mehr Holz besteht, massiver aussieht), als der andere. Solidität muß eben in allen Dingen das Wahrzeichen der Alphütte sein.

 
1  Vgl. das «Herdhaus» im Kapitel vom Grindelwaldnerhaus.   2  «Klofen» ist in letzter Verschiebungsstufe = Kloben (ahd. chlobo) als gespaltener Stock zum Vogelfang, dann als Fessel in irgendwelchem Sinn und stellt sich zu mhd. kliube, kloup, klûben, gekloben, svw. spalten ( WB. 1, 845). Man denke an «Kluft», an «klauben» (stückweise wegzerren), zürch. chlüüben (ụ̈, kneifen) und g’chloben (ŏ, gekniffen), an bern. Chloopen (scheltenswerte Finger oder Hände).   3  In mhd. schalte, schielt, geschalten ( WB. 2, 2, 78 ff.) steckt wohl als Grundbedeutung «stemmen» und zwar i. S. v. 1. schützend absperren (vgl. Schalter, guichet); 2. stoßen (z. B. ein Schiff, wie gr. kéllein und lat. céllère; dahin auch schelten: «hart anfahren». Kluge 320); 3. stützen, unterstützen, nachhelfen; so in unserer Schalta; vgl. ferner schalten = dem schlecht brennenden Feuer oder Licht nachhelfen ( Lf. 302. 305), und das Schaltjahr; 4. lenken, regieren (schalten und walten).   4  Vgl. «Asni» in Lf. 224 f.   5  Auch mhd. ( WB. 1, 391) ist der drâme, trâme (neben der trâm oder trääme) männlich, neben sächlichem drum. Drumen und drûmen (in Stücke springen) u. a. könnte auf ein Verbum drim, dram, drâmen, gedromen führen, wenn man diesem eine Bedeutung wüßte, die sowohl z. B. mit fz. tramer als mit lat. terminus sich vereinigte.   6  «Kien», mhd. kinboum ist eben nicht bloß die Kiefer (aus «Kienföhre») sondern pînus überhaupt. Mhd. WB. 1, 228.   7  Eine solche kam letzthin ins bern. hist. Musenm. Zu «Häli» vgl. Lf. 224.   8   GlM. 63.   9  Substantiviertes Adjektiv.  
 

Zu Rast und Ruh.

An einer Alphütte neueren Schnitts ( S. 415) fallen uns bereits aus einiger Ferne zwei mittelgroße Fenster auf, die auf eine große, helle, luftige Stŭ̦ba als Obergemach schließen lassen. Vom freundlichen Besitzer über die Innentreppe hinaufgeführt, finden wir die Vermutung 419 bestätigt. Neben dem gastlichen Gemach bleibt noch viel Raum über Stall und Schopf zur Verfügung, um für eine größere Zahl Alpbesucher zur Găste̥rren oder Gastren ( S. 420) alten Stils hergerichtet zu werden. Der ebenerdige Raum zeigt außer dem sehr zweckmäßig eingerichteten, großen Stall, der das Mälchhụụs ( S. 426) der alten Hütten ersetzt, die gewöhnliche Sennerei-Einrichtung ( S. 397 ff.). An Wohnlichkeit kommen solcher Hütte am nächsten: die Hälfte der zehn alten Hütten am Grindel-Oberläger, zwei der elf am Scheidegg Oberläger, und zwei der vierzehn am Bachläger. Alle diese besitzen nämlich solid eingewandete, mit ob’rem und und’rem Soller (Zimmerdecke und Fußboden) aus Brettern versehene Alpstübelchen: Stu̦be̥lleni, und fünf mitgezählte an Grindel sind sogar heizbar gemacht: mit Efe̥lli̦nen ausgestattet. Ein solches Öfelchen bietet auf seiner recht rauhen, aber hinlänglich geräumigen Fläche von Fụụlblatten (Faulhorngestein) oder von gleichartigen, nur etwas härtern Ofenblatten die fortan kaum mehr entbehrliche Gelegenheit zum Trocknen des Gewandes bei anhaltendem Regen oder Frühschnee. Die übrigen Hütten entbehren jeder stubenähnlichen Einrichtung, die dagegen z. B. in einzelnen Hütten der Wasserwendi an Itramen stark an die Bequemlichkeit des Talhauses gemahnt.

In den primitiven alten Hütten vermißt der nicht abgehärtete Alpbesucher wohl am schmerzlichsten das Bett, welches z. B. in zwei Scheidegghütten doch noch vor dem Ofen zum Notinventar des Stübelchens gerechnet wird. Denn herrlich schläft sich’s hier in den auf eigenem Buckel zur Alp getragenen Bettstücken, welche man in den bettgestellähnlichen Brĭ̦tschen über die gut durchsonnte Lĭ̦scha ( S. 283) hinbreitet. Zum Bett gehört aber auch hier der ordentliche Ti̦i̦sch (s̆), auf welchem doch allerwenigstens die Lantäärna nebst altmodischen Zi̦ndhëlzlinen (mit Phosphor- und Schwefelbelag) für nächtliche Notfälle bereit stehen. Ihn umgeben der ganzen und der durchs Fenster unterbrochenen Wand entlang der fixe Wandstuel (der Oberstuehl des Lötschentals) und der ebensolche Pfẹisterstuehl, an der freien Langseite der bewegliche Bajch (die Bank). Auch das Bẹichli unter der Zimmerdecke erinnert an den Komfort des Talhauses.

Den aber verachtet der junge Alpensohn von altem Schrot und Korn gründlich. Wie unlängst ein solcher vor einem Nichtraucherwagen der Talbahn kehrt machte: I ch wollt nid i n d’s Chranke nzimmer! so überläßt er mit leicht an Mitleid streifendem Wohlwollen das Stu̦be̥lli mit all seinem Behagen dem fremden Gast oder dem bejahrten Vater, dem unpäßlichen Bruder als seinem Alpgenossen. Für seine eigene kurze Nachtruhe besteigt er wohlgemut das Leiterli, welches 420 aus dem Innenraum der Hütte nach der kleinen Bühne über dem Melkhaus ( S. 416) oder über dem Stall hinaufführt, und birgt sich in dem über den Boden hin ausgebreiteten Riedgras, mit oder ohne Bettzeug. Diese Găste̥rra, Găstra trägt einen historisch interessanten Namen. Derselbe bezeichnete ursprünglich einen ganzen Komplex von G’häältren (Gehältern, Einzahl: das G’haalt oder G’chalt, mit welchen Worte man jegliche Art von Gebäuden zusammenfaßt). Zum Beleg haben wir noch das Gasterntal, das Tal «an» oder «in 1 Gasteren», d. h. das mit Hütten besetzte Tal. Der Schlafraum heißt hier die Fĭ̦melen. 2 Da nun aber die noch so primitive Schlafgelegenheit gleichsam die Quintessenz des Schutzes, der Geborgenheit in Haus und Hütte, in sich schließt, konnte sich füglich mit der Zeit der Begriff der Gastren auf dieselbe konzentrieren.

Bezeichnenderweise nun auch wird sich der Älpler sein Lager in der «Gastren» nicht etwa hin «betten», sondern er nä̆sted, macht sich seine Näste̥rra zurecht. Darin liegt aber, wie schon das vorhin Angebrachte vermuten läßt, ja nichts Abschätziges. 3 Will der Älpler solches in seine Sprechweise bringen, so nennt er auch ein unordentliches, verhottetd’s Bett der Talstube nicht etwa «Nest», sondern er ruft vielleicht aus: das ist jetz f rịị n ḁ lsó en Ggu̦scherra (s̆). 4 I n d’Näster schickt denn auch hier unten ganz freundlich die Mutter alten Schlages ihre Kinder; erst mit der Mehrzahl Nästi würde sie da Bett dem Tierneste gleichstellen. (Vgl. S. 295.) Aber auch das Tierlager und ganz speziell das Sï̦wnäst ist dem Älpler ein Gegenstand großer Sorgfalt ( S. 284) — schon aus einem sehr praktischen Grunde. Wird er doch empfindlich in seinem kurzen Schlafe gestört, wenn unter seiner Gastren oder seinem Stu̦be̥lli, in der Sï̦wstịịjen, die auf der Alp so lebhaften 421 Borstriche sich die ganze Nacht hindurch auf mangelhafter Streu um die besten Plätze zanken! Das ist bei der primitiven Einrichtung dieser Stịịjinen auch nicht verwunderlich. Ist doch die Stịịja, altes stia und noch älteres stiga 5 im Grund nichts anderes, als etwas, das man «ersteigt». Man beobachte, wie die Ziegen und die mit ihnen weidenden Schafe der Alp jegliche irgendwie sich bietende Erhöhung über dem naßkalten Erdboden benutzen und besonders die knappen Räume unter dem Hüttendach aufsuchen, um nur irgendwie im Trockenen stehen, geschweige liegen zu können. Da ist schon jede irgendwie an einen Verschlag gemahnende Schutzvorrichtung eine «bessere» Stịịja, und am besten richtet man sie eben für die bereits im nächsten Winter einzuschlachtenden Schweine her. An Grindel z. B. können die Tiere ihren Verschlag, der außen an der Hütte angebracht ist, mittelst beschwerter Zugschnur selber öffnen und schließen. Gewöhnlicher indes schlüpfen sie unter einem hängendem Brett: dem Fẹllbalken oder Falltï̦̆ri aus und ein, wobei die anfangs regellos herstürmende junge Bande in bemerkenswerter Weise Zeitabmessung und Disziplin lernen muß, um nicht durch das niederfallende Brett empfindlich getroffen zu werden. — Einen ähnlichen Anbau bildete die auch in Grindelwald noch häufig genannte Mordsstịịja auf Planalp über Brienz, von welcher im historischen Kapitel die Rede ist.

Der Fellbalken an der Siwstijen.

(Hängetürchen am Schweineverschlag.) Im Grindel-Oberläger.

Ganz primitiv gehalten, wenn nicht völlig weggeblieben, sind im Gegensatze zu solcher swînstîge, verherstîga die schâfstîgen. Ihr lagerartiges Beisammenstehen hat zu Ortsnamen wie Schaffŭ̦sen (Schaf- 6 oder Schaffhausen), wie Owistwilare (Auswyl, U̦sŭ̦), wie z’em Eisten, Z’neisten (Lötschental), Eistlenalp und Eistlenbach (Brienz) u. dgl. geführt. 7

Da schaaffe̥lled’s drum auch (es riecht nach Schafen), wie es bei schlecht gehaltenen Ziegen (und ähnlich riechenden Tabakspfeifen) mä̆gged.

Wenn nicht die Ziegen, so finden doch die auf der Alp gebornen Zicklein im Stall einen provisorischen Verschlag: eine Gitzichĕbia, kürzer nur eine Chĕbia geheißen. 8 Auch Hühner, von welchen die 422 Hausfrau fünfzehnräppige Wintereier erwartet, werden im Stall in einer Hïenderchĕbien warm gehalten.

Der Chrŏmen 9 endlich ist ein Verschlag, der zum Verbringen und Einschließen — ịị nchrŏmnen — von Streue und dgl. dient. (1808: «ein streie-Kromen»). Solche Chrë̆men (1821: «Kremen»), unter welchen selbstverständlich auch der Härdepfel­chromen des Talhauskellers nicht vergessen sein will, stehen zuweilen auch isoliert und können damit zu Fluenamen führen: «1 Mad lit uf em Kromen». 10

Wie sticht gegen so dürftige Unterkunft der Kuhstall ab, der drum auch einzig die einfache Bezeichnung Stall trägt! Zumal in der Vorsaß- und Talscheune ist er in gewissem Grade rationell eingerichtet. Selbst an milden Wintertagen findet mittelst des weggehobenen Stallbalkli über der Tür eine zuträglich anhaltende Durchlüftung statt. Eine weithin sichtbare, graulichweiße Färbung der sonst so intensiv wetterbraunen Scheuerfront zeigt denn auch die «Kraft» der hier ausströmenden Dünste an. Dieser Chraft schrieb man ehemals einen heilsamen Einfluß auf kranke Lungen und auf die Knochen rï̦ppsï̦chtiger (rhachitischer) Kinder zu. 11 Aber auch dem Alpenrind ist dieser Stalldunst heimliha («heimelig»). Um seinetwillen gilt ihm der Stall so sehr als Inbegriff aller Geborgenheit, 12 daß es sogar dem brennenden Stall immer wieder zueilt, so oft es schon aus demselben getrieben worden. Wenn daher der Stall bri̦nnd, su̦ sëll mu̦ drịị Găble̥ti Mist ụsi rïehrren und erst den n (nachher) aafan ụụslaan. Einzig das bischen ins Freie verpflanzten Stallgeruchs weist, nach Aussage alter Älpler, den mit so feiner Nase begabten Weidetieren den rettenden Ausweg.

Zum Glück äußerst selten kommt es zu solchem Brennen des Stalls. Um so häufiger ist das Entbrennen hitzigen, ja lebensgefährlichen Streits unter den nicht zweckmäßig angeketteten Tieren. Infolge ihres all sommerlichen Zusammenweidens kennen sämtliche Glieder eines Viehstandes einander genau. Jedes Tier weiß, welche andern es mag, d. h. welche es im Hörnerkampf schon besiegt hat. Daher muß jedes im Stalle so eingereiht werden, daß nie eins zwischen zwei kommt, welche beide es më̆gen. Es wäre sonst seines Lebens nicht sicher. Jedes muß auf der einen Seite einen schwächern, auf der andern einen stärkern Nachbar haben, als es selber ist. Stichd dann der stärkere Nachbar nach ihn, so darf es, soweit die Seili ( S. 424) es gestattet, nach der andern Seite ausweichen; der schwächere Nachbar wird nichts dagegen einwenden dürfen. Dem letzten Tier einer Reihe muß dann ein wenig 423 mehr Platz eingeräumt werden, damit es gegen die Wand hin ausweichen könne. Übrigens soll auch sonst da Vieh nicht zu dicht neben einander stehen: es tarf ni̦d in enandre n g’gï̦rteds sịịn. Ein ähnliches ŭ̦f de n Sti̦i̦ch binden ist auch bei den Ziegen geboten. Denn aufs zanggen oder chriegen verstehen sich sowohl die gehörnten wie die ungehörnten Geiß oft meisterlich; statt der Hörner brauchen letztere die Zähne, mit denen sie der Nachbarin ins Ohr beißen, als sehr wirksame Schutz- und Trutzwaffen. Ja es gibt neben ungemein loiben (friedlichen, gutartigen) äußerst bëësi (bösartige), bi̦nnigi (zanksüchtige) Tiere, die als zornig gescholtene binnig Chrï̦ppla bloß noch, von einem binnige n Wịịbli (allzeit keifenden Weibsbild) übertroffen werden können. Aber kunstgerechtes anbinden hält die gesamte Bande, groß oder klein, unter fast militärischer Disziplin: die ganze Stalle̥ta stellt eine Stufenleiter physischer Kraft und moralischer Kontinenz dar.

Hienderchebia.

Und zwar geschieht die Bändigung mittelst des nämlichen Geräts, das den Stalltieren ausschließlich die Winternahrung bietet. Es ist die Baarni, welche die Krippe und die Raufe des Unterlandes in einem dartellt 13 — nicht gerade zum Vorteil der Ökonomie, welchen die Raufe zumal noch mit der in halber Höhe hinlaufenden Querleiste ( Trăväärsen) bietet. Aus der Baarni gibt es bisweilen ein beträchtliches Maß verschmähten Futters: d’Urßi zu schaffen. 14 Die dem Zweck der Heufütterung entsprechende Tiefe der 424 Krippe war schon mehr als einmal verhängnisvoll für junges, erstmal herangestelltes Vieh, das über Nacht hineinfiel — i n d’Baarni g’hịjd ist — und über den Versuchen, sich herauszuarbeiten, zugrunde ging. Die Art und Weise, wie man das einzelne Tier ankettet, ist daher abermals ein Gegenstand großer Sorgfalt. Es dient hiezu die Seili (Mehrzahl Seile̥ni). Das ist ein ziemlich schweres, nur für Kleintiere zäärter (dünner) u nd liechter geschmiedetes, eisernes Kettenwerk. Bloß für die kurze Melkzeit im Melkhaus oder Alpstall bei ungünstiger Witterung darf die Seili durch den aus Haif (Hanf) gefertigten Hä̆lsig oder das Hälsigli ( S. 425) ersetzt werden. Das Mittelstück der Seili wird gebildet durch den drehbaren eisernen Wällring. Von ihm aus geht einerseits das Baarnitroom, dessen Endstück, der 1 Dezimeter lange geradlinige Chẹngel, durch das Baarnilooch in der Vorderwand der Krippe schlüpft. Anderseits setzen am Wällring zwei gleich lange Kettenstücke ein: die Halstrĕmer (Mehrzahl zu -troom). Beide schlingen sich um den Hals des Tieres, und der Chẹngel des einen Trooms schlüpft durch einen der beiden Ringe des andern Trooms. Im Zank nun etwa kann es begegnen, daß ein Tier in die Halstrë̆mer des andern mit hineingerät und zu ersticken Gefahr läuft. Das ist eine heikle Situation, aus der es nur eine halb mystische, an alte Geisterbeschwörung gemahnende Befreiung gibt; und zwar gelingt diese bloß einem, der noch nie geflucht hat. Mit der Mistgabel oder mit dem hölzernen Stallrĭ̦gel, der von außen die Türe schließt, oder auch nur mit dem hölzernen Stallnăgel, welcher außen schräg eingesteckt, denselben Dienst leistet, wird handgreiflich nachgeholfen. Das halb im Spaß, halb in bitterm Ernst auch vom Aufgeklärten befolgte Rezept lautet: Mu̦ sëll d’Găbla ergrịịffen, old de n Stallrigel old de n Stallnăgel usaziehn und dărmịịd uf de n Chengel schlaan, und ei ns Tonnder i n d’s andra fluehen. Durch diese von solcher Erregung genährte augenblickliche Kraftleistung werden die Tiere befreit. Auch die Chẹngla können gelegentlich ụụsschleiffen (ausschlüpfen) und müssen daher gesichert werden. Über dem Nacken der Tiere geschieht dies mittelst des Seililä̆ders, in der Baarni mittelst des Seiliholzes oder des Seilitĭ̦tschi. Dieses kürzt zugleich das Barnitroom für unruhige Tiere. Wie unbedeutend ein solch schmuckloses Holzstückchen! und doch ist es (etwa wie der Glockenriemen im Emmenthalerhumor) eine Vorstufe zum Besitz einer Kuh. Wenigstens meinte einer in seither sprichwörtlicher Ruhmredigkeit: Mier chënnen denn no ch meh Chchï̦eh aa nrreisen, mier hein no ch fï̦̆rigi Seilitĭ̦tscheni (fï̦̆rig: vorrätig, überflüssig).

425 Zum Anbinden der Kälber und der Ziegen diente sonst, wie noch heute vielfach, im Oberland und Wallis, die Chalber- bezw. Geißchämma. Es ist ein aus Vogelbeeren oder Esche (im Lötschental: aus «Alẹtschholz», d. i. Traubenkirschholz, Prunus Padus) gewonnener Bogen, der sich um den Hals des Tieres legt und das Baarnitroom (im Lötschental: das eiserne «Aanband») aufnimmt. Die Geischämma schließt sich mittelst eines widerhakenartig auslaufenden Endstücks, das durch eine Öffnung des andern Endstücks schlüpft, die hufeisenartig bleibende Chalberchämma mittelst eines sinnreich konstruierten Holzschlüssels. So hat man das Tier und ähnlich einen überwältigten Menschen in der Chämmen; und wer einen schuldigen Gehorsam verweigert, dem ruft man zu: I ch will de̥r d’Chämma ịị ntuen!

Drehbarer Stallriegel aus Holz.

Behufs bloßen Führens von Ort zu Ort schlingt sich um den Hals des Tieres, der Hälsig. An demselben wird auch die Kuh zu Markte gebracht, aber nicht mit ihm wird sie verkauft! Denn der Hälsig geid ni̦d mit der Chueh, su̦st tued mu̦ d’s Glï̦ck verchoïffen. Wie bedeutsam für die bäuerliche haushälterische Sorgfalt im kleinen und kleinsten (ohne die es auch keine rechte Volkskunde gibt)! Dem Mangel an solcher ist es zuzuschreiben, wenn einer so gründlich verarmt ist, das e̥r nid meh en Hälsigchnopf hed g’hä̆ben. Den Hälsig kann bei einem empfindlichen Tier das Halsband mit Ringge n zum Zuschnallen ersetzen.

Die angeketteten Tiere stehen oder liegen auf dem einfachen oder doppelseitigen Stand, welcher auch das Lä̆ger oder die Brï̦̆gi heißt. Der Zimmermann läßt ihn sich etwas senken: stelld n en aan sowohl gegen den Gang, Schŏrgăng (Ablaufrinne) des Alpstalles, wie gegen den Schŏrgrăben des Talstalles hin. (Bezeichnend ist für die Älplersprache, daß ihr auch das so eng und tief eingeschnittene Lauterbrunnental als «Schorgraben» erscheint.) Schorgang und -graben senken sich, hinwieder um d’s merken (eben merklich) nach dem Schŏrlooch, welches vor den neuen Alphütten sich nach dem leicht entleerbaren, umzäumten Misthof entladet. Etwas anderes ist die Spịịherschŏri: eine Art Perron vor oder unter der Türschwelle des Käsespeichers ( S. 412), gebildet durch die etwa meterbreit ins Freie vorspringende Fortsetzung des Fußbodens. Sie dient zum bequemen und saubern Verladen der Käse. (Der etwas seltsame Name mag ursprünglich bloß den durch schŏren des Erdbodens sauber gehaltenen Zugang bezeichnet haben.) Zu mehrerer Sicherung des kostbaren Speicherinhalts wird die Treppe durch ein mobiles Leiterchen ersetzt.

426 Bei dieser Darstellung hatten wir den Stall der Winterscheune im Auge. Sommerställe auf der Alp sind nämlich eine Einrichtung erst der neuern Zeit und fehlen noch heute, wie im Oberwallis, 15 so auch an Scheidegg zumeist. Es entspricht dies der züchterischen Tendenz der älteren Alpwirtschaft, welche ihr Ideal in der Fortvererbung einer allen Wettern und allen Nöten gewachsenen Bourbaki-Armee erblickte. Wie berechtigt solche Tendenz teilweise ist, zeigt die Verweichlichung zuehag’choị̈fter Tiere, welche bei jeder kleinen Unannehmlichkeit der Witterung den Schutz des Stalls suchen und ung’weidigi bleiben. Daher ist in den alten Hütten der Stall (nicht sowohl für das Vieh, als für den Menschen) ersetzt durch das Mälchhụụs. Das ist ein unter das Hüttendach gezogener, auf halbe Höhe eingewandeter, nach einer Seite ganz offener kleiner Vorbau, in welchen bei ungünstiger Witterung Kuh um Kuh zum Melken eingelassen wird. Der Raum ist zugleich ein Aufbewahrungsort für die zum Melken benötigten Gewänder und Geräte.

Besitzer alter Hütten aber, welchen an den neuen Errungenschaften des Alpbetriebes gelegen ist, wandeln nun doch einer nach dem andern das Mälchhụụs zum Kuhstall um.

 
1   Grun. 1, 132.   2   Kasth. in AR. 1812, 176. Der «Fimelen» liegt hier zugrunde lat. foenile = Heuschuppen, wie es z. B. auch in «Vinelz» steckt. In «Gasterra» ist -erra (lat. aria) das so häufige Suffix der Fülle (vgl. die Bohnerra = fabaria, die Haberra, die Härdöpflera u. dgl.). Gast- aber ist eingekürztes mlat. casatium = Gebäude, zu spätlat. und it. casa = Haus. Ursprünglich war casa nur eine primitive ländliche Wohnung für Städter, aus Schilf und Ruthen geflochten ( Gatschet 119, 208 nach Isid. Orig. 14, 12).   3  Das wird schon durch die Herkunft des Wortes (Nest aus ni-sad: sich niederlassen) und die daran sich knüpfende Vorstellung vom kunstreichen und zierlichen Vogelnest ausgeschlossen. Unbefangen redet denn auch z. B. Rebmann 466, 339 vom «gnist» der Freiherren auf Thorberg und vom «nisten» Julius Cäsars bei St. Moriz. — Niedrigen Sinn müßte die Wortgeschichte vielmehr dem Bett eintragen, da ja das Flußbett und das Gartenbett («Beet» ist erst mitteldeutsche Differenzierung) auf altes badjan = lat. fodere (graben) hindeuten und damit das Bett i. S. v. Schlafgelegenheit als ursprüngliches (gegrabenes) Tierlager erweisen.   4  Zu fz. coucher, mit dem so häufigen abschätzigen Sinn der Entlehnung.   5   Mhd. WB. 2, 2, 680; Graff 6, 624.   6   Lf. 650.   7   Brandst. 47 auf Grund von lat. ovis (Schaf).   8  Lat. cavea, fz. la cage, zürch. das Chefi (der Käfig), bern. die Chefi (das Gefängnis; vgl. den Chefiturn = Käfigturm).   9  Vgl. Lf. 223.   10   Font. 9, 228.   11   Osenbr. 6, 134 f.   12  Zell 12.   13  Schon ahd. konnte es gleichbedeutend « in parnin» oder « in chripin» heißen. Mhd. ( WB. 1, 87 f.) die bar, die barre und der barn bedeuten einen Balken als Schranke ( la barrière); ebenso die Vorrichtung zum beschränkten Gewähren von Speise ( le bar), und gleicherweise die Krippe. « Die Barni» ist eine Weiterbildung aus «der barn» mit dem Suffix der Ein- oder Vorrichtung (vgl. die Richti, Schlichti, Stampfi, Gärbi, Walki usw.) Wo im Gegensatze zur modernen Fütterungsweise des Unterlandes nur Dürrfutter verabreicht wird, ist der Behälter zugleich als Sperre gegen vergeudendes Herauszerren und als ein dem «Korb» (vgl. Kluge 216) ähnliches Geflecht (vgl. lat. praesepe) gedacht.   14  Die Abstraktform gehört zu einem Verbum «ursen» (Futter vergeuden; schlesisch urschen: im Futter herumwühlen). Diesem liegt ein rückläufig zu erschließendes urss, uress, uraezze, ur-āz, ur-āzi mit der Bedeutung ausessen, d. i. vom Essen abstehen (vgl. «jetzt ist’s ausgesungen» u. dgl.) zugrunde. ( Schwz. Id. 1, 469. 499.) Räumliches «aus» dagegen steckt im gotischen Namen der Baarni: «der» uz-êta (Luc. 2, 7. 12. 16).   15   Goms 98; vgl. v. Tav. 92.  
 

Der Bauer als Zimmermann.

Ein Gebäude zu Moosgaden trägt die Jahrzahl 1447. So alt es ist, so wohlerhalten sieht es doch aus. Cum grano salis gilt das nämliche von Hütten und Speichern der Alp. Das eine und andere dieser Ghälter sähe man freilich lieber durch ein neues ersetzt — so lange man nicht an den mühseligen Transport des Baumaterials und an die fast unerschwinglichen Taglöhne eines Fremdenorts (bis fịịf Franken u nd fịịfmal z’ässen) denkt. Da mutet uns denn die Unverdrossenheit und die oft beinahe genial zu nennende Anschmiegung an die Erfordernisse der Neuzeit, die im bïeßen oder reisen so einer alten Hütte zutage tritt, ganz sympatisch an. Doppelt ist das der Fall, wenn wir hören und selber sehen, wie der Vater oder ein Sohn der Eigentümerfamilie solche Erneuerung zumeist allein besorgt. Ja von mancher derselben darf ihr Urheber versichern: Da hed me̥r kei n Mmensch kein Hand dra n g’hä̆ben. Zu einem Berufsmann ist beispielsweise der älteste Sohn des Hauses gerade so in die Lehre gegangen, wie eine seiner Schwestern, die fortan das ganze Haus «beschneidert», zur Nähterin. 427 Schauen wir jenem eine Weile bei seiner ebenso anspruchslosen wie interessanten Arbeit zu.

Mit schwer beladenem Găbe̥lli ist er aus seinem Talheim oben angekommen, und alsbald langt er de n Wärchzị̈ị̈g aus sorgsamer Verpackung hervor. Besonders achtsam geschieht dies mit einer Anzahl Bë̆hrer und Bë̆hre̥rle̥ni oder alt grindelwaldnisch: Nä̆gwe̥r und Nä̆gwe̥rle̥ni. (Anläßlich dieses «Nägwer» als Umstellung aus nabagêr, nabger, d. i. eigentlich: spitzes Eisen, um Naben zu bohren, 1 sei eingeschaltet, daß Năba auch die Stelle des Melkstuhls bezeichnet, in welcher das Bein steckt.) Einer der Bohrer ist der Baarni-Nä̆gwer, der in die Vorderwand der Krippe die zum Anketten der Tiere erforderlichen Löcher bohrt. Ein anderer heißt Tŭ̦bel-Nä̆gwer. Mit ihm bohrt man Löcher vor für den Tŭ̦bel. Das ist ein sehr starker Holznagel; anderwärts bezeichnet das Wort den Stier, und «Du̦u̦bel» heißt dem Basler ein Querkopf oder auch Dummkopf; 2 vgl. unterbernisches «Tŭ̦belgrindli», «tŭble n» (schmollen und grollen). Der Tŭ̦bel dient zur Verbindung je zweier Wandbalken oder «Flẹcken»; das Verbinden heißt z’sä̆me ntï̦̆be̥llen. Jeder Bohrer wird gleichzeitig an dem hölzernen Nägwerhefti und an der eisernen Stangen, welche in die Chä̆ba ausläuft, ergriffen. Chä̆ba heißt zunächst die Hülfe von Bohnen und Erbsen. Ihr spitzes Ende veranlaßte die Anwendung auf die Bohrspirale, und die Beschaffenheit derselben hinwieder die Übertragung auf die «spitze» Zunge eines zanksüchtigen Weibes: eh, du̦u̦ bist e n Chchä̆ba! Als Unterschied empfindet man bloß, daß die Bohrspirale ihr Tun häufig unterbricht zum ụụslëësen (entfernen) des Bohrspans: des Schï̦̆bels. Kleinere Bohrlöcher macht der mittelst einer Kurbel zu drehende Windel mit den nach Bedürfnis einzufügenden Bĕhre̥rlinen. — Ferner packt unser Mann aus: eine Anzahl Strụụbi (Schrauben), Nä̆gel, ein Hammerli. Der Hammer seinerseit wächst bis zur Größe und Wuchtigkeit des Ịịse nschlĕgels von 12 kg Schwere. (Dieses Gewicht von 12 Kilo läßt noch eine entsprechende zweite Deutung des Zwelfischlĕgels neben der auf S. 182 zu.) Solche Hämmer aller Schweregrade ersetzt sich unser Alpzimmermann einfach durch das einhändige Biel (Beil; das Waaffen oder Waaffe̥lli des Oberhaslers), oder durch die zweihändige Zimmerăx. Bevor er aber die letztere zu deren eigentlichem Dienst: zum ăxen, an das Stück entrindeten Baumstammes ansetzt, gibt es umständliche Vorbereitungen. Um letzteres kunstgerecht zum Balken zu zimmern, muß er vorzeichnen oder särwen oder schnïeren. Dazu braucht er Schwẹrzi. Als solche 428 dient ihm im Notfall Rueß. Lieber aber holt er sich gelegentlich, beinahe mit Lebensgefahr, aus einer Bergspalte am Wetterhorn, deren Umgebung Rinderstutz heißt, einen Vorrat an fast breiartig dickflüssiger Masse ( S. 405), die ihm Rinder­stutzdräck oder einfach Rinderstutz heißt. Mit solcher Masse füllt er sich den Schwẹrzichï̦̆bel, Raa nchï̦̆bel, Schnïerchï̦̆bel und sättigt mit ihr die durchgezogene Raa nschnuer. 3 Hat diese vorgezeichnet, so wird der Stamm ụụsg’hï̦wwen. Zur sichern Handhabung der Axt hat unser allzeit zum Humor aufgelegte Mann vom letzten Grindelwaldner­schützenfest her noch fï̦r n en Bätze n Bb’rreihi (Treffsicherheit) aufbewahrt und mitgebracht. Zufolge launiger Inschrift an der Festhütte war nämlich in einer eigenen Marktbude solche zu kaufen gewesen. Nebst der Treffsicherheit bedarf der Zimmermann einer bedeutenden Muskelkraft der Arme. Auch die ist glücklicherweise in Grindelwald als Ermelwind, in Lützelflüh als «Ellbŏge nschmalz» käuflich zu erstehen. Ist sie doch ebenso unentbehrlich zum «Aushauen», wie zum Glätten der Flächen mit der Breitax: zum breitaxen. Mit solchem es bitzli abschä̆blen muß es, soweit das alte Alpgebäude selbst in Betracht kommt, sein Bewenden haben; der Hŏbel kommt bloß für die unentbehrliche Möblierung in Gebrauch.

Um so genauer arbeitet die Spă nnsaaga oder auch der Fu̦xschwanz. Sie bringen hier einen Hälblig, dort ein Brï̦tt genau ins erforderliche Maß. Jede Braaua (Kante) wird mit dem breiten Zimmermannsstift, die Blịịfä̆dra genannt, oder bei deren Ermangelung mit dem gewöhnlichen Bleistift: dem Blịịwịịß oder Rịịs sblịị, vor dem saagen genau vorgezeichnet. Denn es ist hintenher auf der Alp bös helfen, wenn z. B. ein Pfẹisterbalken (Fensterladen) nach dem Einhängen mittelst des Schlängge n (Schließhaken) lŏgge̥lled, wenn er lŏggellig oder im Gegenteil z’strẹng (zu knapp und daher nur unter Müheaufwand) schließt. Es ist mißlich, wenn das Stallbalkli ( S. 422) das Balklislooch über der Stalltüre mangelhaft schließt, oder wenn das Fueterlădli zum Fueterlooch über der Fueterlï̦cken hinten in der Stalldecke nicht paßt. Schlimm ist es ferner, wenn der Obertï̦̆dler (Obertï̦rler), d. ist der Türsturz (und humoristisch auch der Kopf) seine schön waagrechte Haltung hoffnungslos aufzugeben beginnt. Und recht verfallen sieht vor der Zeit eine Hütte aus, wenn am Melkhaus das Spränzeltoor aus den Fugen zu gehen scheint. ( Spränzel: Stützsprosse, schräge Sperrleiste; auch z. B. ein Gatter ist ein Sprossen- oder Spränzeltor. Spränzel heißt auch ein überschlanker Mensch).

429 Ein ganz verzweifeltes Bessermachen aber ist es, wenn eine Hütte einen Ggŏdel darstellt: baufällig und verlottert — ggŏdulocht — aussieht. Ja wie, wenn der Gastre nsoller (Fußboden der Gastren) so brëëda geworden ist, daß er unter dem Schläfer einbricht! Zum Glück schlief ein dergestalt in das Melkhaus Hinabbeförderter so fest, daß er gar nicht erwachte. Är hed grăd bloß im Schlaf eṇ Grunza (Grimasse) g’schnitten; duḁ hed er si ch trääjd (gewälzt) u nd si ch es bi̦tze̥lli uf d’Sịịta g’welpd und hed wịịters gschlaaffen.

So bb’richted (erzählt, redet, spricht) unser Gewährsmann, während er ununterbrochen emsig arbeitet. Denn er ist kein Tä̆gge̥ller (gutmütig gemächliches Männchen), der nur so mit Hammer oder Axt an eppḁs umha tä̆gge̥lled old fi̦sled, halb ziel- und zwecklos jetzt hier, jetzt dort etwas in Angriff nimmt: umha sălidierd, und ohne anhaltenden Fleiß nummḁ n so pfi̦ste̥rred, alle Viertelstunden sịị ns Pfịịffli ụụstägge̥lled, um es dann noch recht gemächlich mit dem Gï̦̆fe̥ller (Pfeifenstocher) ụụsz’g’ï̦̆se̥llen und wieder neu zu stopfen: To̥báck ịị nz’lĕgen. Obendrein aber mahnt unser Mann (der überhaupt nur diesen zur Heuernte ungeeigneten Tag der Alpbauerei widmen konnte) drohendes Ungewitter zur Eile. Eben hatte er einen Holzhammer — Holz- oder Wandschlẹgel — ergriffen. Der erinnert an einen Schindel­plu̦wwel zum Schlagen auf den Schindel­spaltmeißel — Schindelịịsen ( S. 183), oder an einen Strange n­plu̦wwel oder Strangen­nĭ̦tscher zum Weichklopfen des gebäuchten Webgarns; oder an den Flaxabni̦tscher zum Abschlagen der Flachssamenkolben, einigermaßen auch an den Chŏre nplu̦wwel zum Chŏren abnitschen (Abklopfen der Getreidekörner vom Halm: S. 270). Eben hatte er zum Schlage ausgeholt — er hed ịị nzŏgen — da krachte der erste ferne Donner.

Es heißt also: i n d’Hẹnd spewwen, sich sputen! Da ist ein Răfen angefault und muß mit dem Hebịịsen dänna­g’weigged werden. Da ist auch schon das Stämmịịsen (der große starke Meißel) zur Hand, um in den bereit liegenden neuen Rafen die nötigen Falze einzubauen. Er ist übrig geblieben vom Bau einer Zueschị̈ị̈r (eines kleinen Anhängsels an eine Scheune für Futter und Streu) oder wie man dafür auch sagt, einer Tĭ̦li, eines Tĭ̦lti. Zugleich hatte in der also vergrößerten Talscheune der Tĭ̦lisoller (Heuboden und Stalldecke in einem) erneuert werden müssen.

Noch gibt’s der Kleinarbeiten eine ganze Menge: en Hụụffen oder e n Schĭ̦ri. 4 Sie wird bewältigt, und gerade will unser Mann 430 noch an der Hïttestï̦ï̦r eine kleine Bïeße̥ta vornehmen — da klatscht der Regen und verspricht tagelange Dauer. Genug also für jetzt; unser Mann mueß d’s Jahr o ch no ch eppḁs z’tue n finden; jetzt hat er dringende Berufsarbeit im Tal.

Holzigs Ziit.

Bemalte Wanduhr aus Holz. Zifferblatt aus poliertem Stahl.
Engelköpfe aus Messing. 18. Jahrh.

 
1   Kluge 265; schwz. Id. 4.   2  Vgl. Seiler 89.   3  Vgl. Lf. 185.   4  Vgl. e Schiri Gäld; gleichsam eine «Schooreten».  
 


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