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Aus dem Wildtierleben.

Morgenkonzert in Wald und Heide.

N

 

och schweigt der Tann. Kei ns Mị̈xe̥lli unterbricht die Stille des Morgengrauens. Auch der Lauscher hält mit Gewalt an sich. Da ist’s, als schlügen im Geäst einer Fichte zwei harte Stecken aneinander. Dem sonderbaren Geräusch folgt so etwas wie ein Glockenlaut. Klappernde und schnalzende Töne gestalten sich allmählich zu einer Art Triller, der leise verhallt, um plötzlich in einem Puffen wie vom Entkorken einer Schaumweinflasche zu enden. Jetzt ein tschirgg! tschirgg! als wetzte man eine Sense. Darauf von unten ein breites, schmachtendes gack! gack! Da quietscht es obna (oben naha), wie wenn ein gehemmtes Wagenrad über Steine fährt; sodann klappt es wie zornig: tack tack tack! Der Geleitsmann chï̦sche̥lled (flüstert) oder er wirfd ï̦ ns i n d’s Ohr: A lsó machen d’U̦u̦rhä̆hne n! 1 Sie warnen damit ihre Hennen, um dann, in seligem Sichvergessen die Augen schließend, bis nach Sonnenaufgang die Lockrufe fortzusetzen und d’Spargimänter z’machen.

Viel lauter erschallt das grụ̆dlen und chrääjjen des Spĭ̦lhăhnen (Birkhahn, als Tetrao tetrix vom Auerhahn als dem T. urogallus 195 unterschieden). 2 Im Spi̦lhahn uehi (unterhalb des Waldspitzes), im Schrooteggen oder am Dräckstutz der großen Scheidegg, auf dem «Spilhăhne nschopf» über Mürren kann man sein dumpfes Kollern und zischendes Fauchen vernehmen: er spĭ̦ld. 3 (Einen balzenden Birkhahn s. bei Tschudi.) In Grindelwald findet sich da und dort auch der Păster (Bastard) aus Birkhahn und Moorschneehuhn: 4 der Răggelhahn ( T. urogallo-tetrix). 5

Wie überhaupt der U̦u̦rhahn erst durch die mächtigen Rodungen der Ebene in die Gebirgswälder hinauf verschlagen worden ist, 5a so hausen in der Hïenderteïffi und deren Umgegend zu Itramen mehrere Auerhahndynastien. Wo sonst ohne nähere Bezeichnung von Hị̈endren als Wildhühnern die Rede ist — so im Hị̈endertäälli, Hï̦endertẹllti, Hï̦endertaal am Schwarzhorn, am «Hühnerstock» nahe dem Pavillon Dollfus, im «Hïendertäällistock» der Gadmerberge, an den «Hühnerhörnern» der Gruppe Monte Leone —, ist in der Regel an das Schneehuhn ( T. lagopus mutus) gedacht. Spezieller ist unsere Schneehenna das liebliche und freundliche Alpenschneehuhn. 6 Im Dürrenberg war wenigstens früher 7 die niedliche Hăselhenna ( Bonasia silvestris) heimisch. — Mit dem Schneehuhn verwechselte man vormals 8 die so hübsche Steinhenna oder das Steinfeldhuhn, 9 hier gewöhnlicher die Pérnịịs 10 oder mit seltsamer Volksetymologie der Părịịser 11 geheißen. Es ist Cacabus saxatilis, 12 nach früherer Benennung aber Perdix saxatilis. Perdix cinerea dagegen ist das Rä̆bhị̈endli, das gleich der Wachtlen sich gelegentlich hieher verfliegt. Mit ihrem rụụggen machen sich die Wildtụụba (Turteltaube, Turtur communis) und die Holztụụba (Hohltaube, Columba oenas) bemerkbar.

Durch Hühner und Tauben vorbereitet, wird das frühmorgendliche Waldkonzert begonnen durch die Ringelamsla (Ring-, Schild-, Stein-, 13 Bergamsel oder Ringdrossel, Turdus torquatus) und das Hụụsrëëte̥lti (Hausrot­schwänzchen, Erithaeus tithys). 14 Nun erheben sich auch all die Amsli und die Trëëstli oder Dru̦u̦ßli des Gebirgs, um den Tagesanbruch und — laut dem Volksmund — zugleich den Frühlingseinzug anzusagen. Sie flịịschen (s̆s̆) gleitig d’s Tau ab de n Fä̆dren 196 und heben an zu schmelzenden Einzelsängen. Das schmettert und das flötet in die Lichtung hinein! Selber uf dem Waldspitz 15 uehi gibt der melancholische Einsiedler, die Blaudrossel, ihre ererbte Scheu 16 auf und mischt in die Vorträge der hier so geheißenen Goldamslen (nicht Oriolus galbula, sordern Turdus iliacus, Weindrossel), des Mistler (Misteldrossel, Turdus viscivorus), des Räckhaltervŏgels (Krametsvogel, T. pilaris) ihren volltönigen Gesang 17 mit den schalkhaft schnarrenden Übergängen.

Nun machen sich auch die Finken hörbar. Es schlagen der Zịịßig oder das Zịịßli 18 (Erlenzeisig, Fringilla spinus); das Diste̥lli oder Distelzwingli (Distelfink, F. carduelis); das dem Zitronenfink ( F. citrinella) ähnliche Zị̆trịịndli oder Zị̆prịịndli (Goldammer, Emberiza citrinella). An das emmentalische «Zị̆perịịndli» als überfeines Mädchen erinnern sehr wenig die häufigern Namen dieses so eifrig auf Getreidekörner fahndenden Vogels: er heißt der Mistfink, der Chŏre nplu̦nz, der Tĭ̦liplu̦nz. Nicht mit dem Rot«kehlchen» kann verwechselt werden der Rootbrï̦stel, Ggị̈gger oder Brommbịịßer (gemeiner Gimpel oder Blutfink, Fringilla pyrrhula). Auch der Grị̈enfink ( Chlorospiza chloris), 19 der seinen Namen gelegentlich auf den Landjäger überträgt, hebt sich zu augenfällig ab vom lieblich bunten Buechfink ( Fringilla caelebs) oder vom eleganten Schneefink ( F. nivalis), der noch im Herbste spät a’n Gräten uehi seinen Standort behauptet. 20

Zum vielstimmigen Rufen, Trillern, Schlagen gesellen sich die helltönenden Strophen des Rotkehlchens ( Ruticilla rubecula). Es ist das Rootbrï̦ste̥lli, die Reekla, daß Reeki oder Reeke̥lli, welches, obwohl bis auf Faulhorn fliegend, 21 auch in Grindelwald sich zutraulich an Menschen hält und ihren besondern Schutz genießt. We nn mu̦ d’Reekli blaged, su̦ gää n d’Chieh rooti Milch. 22

Mit vi̦i̦l Gschäär fï̦r nịịd machen sich schon in der Morgenfrühe die Meisen bemerkbar. Im Itramenried haust das Schwanzmeisi oder das Pfanne nsti̦i̦lti (die Alpenmeise, Parus caudata). Zu Hunderten bewohnen die Edle nmeise̥ni (Sumpfmeisen) die Erlengebüsche der Lütschine. Das Tschụụbelmeisi, das Waldstrịịßli oder der Waldhu̦ppel (die Haubenmeise, Parus cristatus) erinnert mit dem Namen an die Waldmeise̥ni, Tannmeise̥ni: Tann- oder die «kleinen Kohlmeisen» ( P. ater). Der einheimische Name der eigentlichen Kohlmeise ( P. major) lautet dagegen Spiegelmeisi. Wie dieses 197 Tierchen durch komische Neugierde sich auffällig macht, so das quecksilberhaft bewegliche Blaaumeisi ( P. coeruleus) durch die drolligen Posituren, in denen es an den Zweigen hängt.

Wie eine Maus schlüpft durch den Grünhaag der Zaunkönig ( Troglodytes parvulus): 23 das Haag­schleïfferli. In diesen Dialektnamen teilt sich aber auch das Goldhähnden ( Regulus flavicapillus und R. ignicapillus), das ebenfalls in Hecken wie an den Säumen des Tannwaldes sein Wesen treibt.

Unter den Lerchen macht sich der Plïemdtrittlig (Feldlerche, Alauda cristata) durch das Stöbern nach Heublumen bemerkbar. Er teilt deswegen auch mit der Goldammer die Bezeichnung Tï̦̆liplunz. Er hält sich also an die Umgebung der Scheunen, indes die Alpenbraunnelle ( Accentor alpinus) oder Flüelerche: der Flïehvŏgel selbst dem Faulhorn Besuche abstattet. Er heißt anderwärts Häärdvŏgel. 24 In Grindelwald aber konkurriert dieser Name mit dem der Graasmï̦gg (Grasmücke, Curruca).

Der Spatz als Feldsperling und Passer montanus muß als Dore nspatz oder Schildvëge̥lli den Fliegenschnäpper ( Muscicapa) benennen helfen. In die Monotonie seines Geschlechts bringen als Clowns die Bachstälza ( Motacilla alpina) und die Chuehstälza (gelbe Bachstelze, M. flava) Abwechslung. Jene antred (imitiert wie spöttisch) den Lerchengesang, diese treibt sich, Insekten fangend, zwischen dem Weidevieh umher. Der Rinderstaar aber oder die Rinderstrahla (Staar, Sturnus, «Rĭ̦nscher») fliegt den Kühen gleich auf den Rücken und treibt als Păjjaß ( bajazzo, paillasse) seine Possen. Er miaut wie die Katze, quakt wie der Frosch und antred so fast alle Tiere. 25

Ähnliche Spaßmacher sind die Häher. Die (tschä̆gget) Schiltheera oder der Her re nvogel (Eichelhäher, Garrulus glandarius) und der Nußbrä̆chch (Nußhäher, Nucifraga caryocatactes) 26 machen sich freilich durch Plündern besonders der Arvennüsse für ihre Künste überreich bezahlt. Unschön wie ihr Gekreisch ist auch das des Wĭ̦thopfs ( Upupa epops). Immerhin ist es noch erträglicher als das umharä̆tschen der Agristen (Elstern, Pica caudata), die ja auch als Todesvorboten gelten. Da zudem die Agrista vielen Singvögeln geid gan d’Eier g’schẹnten (rauben), sieht man ihre allmähliche Verdrängung nicht ungerne.

198 Wie viel Vergnügen bereitet dagegen wieder das g’wirbig (behende) Volk der Spechte! Da bohren und trommeln der Grïenspächt ( Picus viridis), der Bluemspächt (d. i. der Buntspecht als Dendrocopus major, minor oder medius), der allerdings seltene Wịịßspächt (weißrückiger Sp., D. leuconotus), der Schwarz- und der Grauspächt. Schildspächt ist ein seltenerer Name für Picus tridactylus: den Drịịzingger, der nur drei Zinggen, Tschinggen, Zääjji (Zehen) hat. Das stundenweit hörbare, bald heller schnarrende, bald dunkler knarrende rwww! womit alle diese «Baumhacker» 26a unter erstaunlicher Arbeitsleistung in angekränkelte Linden, Kirschbäume, Eschen ihre ellenlangen Gänge schnäbeln, um auf deren Grund ihre Eier in die Hackspäne zu legen, heißt rollen und hat den Spechten den gelegentlichen Gesamtnamen Rollspächt eingetragen. Eine Bezeichnung ähnlicher Art, der erstaunlichen Gewandtheit in dem sich aufstützenden Klettern — chlä̆nen 27 — entnommen, ist Chlään. Der Name gilt speziell dem Baumläufer oder der Spechtmeise ( Sitta familiaris). Der «Blauspecht» ( S. europaea) aber ist der Blaauchlään, und der Name Fluechlään oder Fluelëị̈ffer eignet dem ebenso farbenprächtigen wie gescheiten Alpenmauerläufer ( Tichodroma muraria, neben welcher Art im Berner Museum eine T. phoenicoptera im Frühlingskleid mit Nest und Eiern figuriert). Welch eine Zierde auch unserer Berge! An diese Kletterer erinnern durch, die Gerwandtheit der Flügel, mit denen sie anstatt der Kletterfüße die senkrechte Felswand beherrschen, die Spịịrra als der Alpenmauersegler ( Cypselus melba) und die groß Spịịrra (Turmschwalbe oder Mauersegler [ C. upus]). Der Mauersegler heißt auch «Mauerschwalbe»; die Mụụrschwalba dagegen oder die Felsenschwalbe ( Hirundo rupestris) ist eine wirkliche Schwalba mit dem Merkmal der nach hinten gerichteten vierten Zehe, während Cypselus einen Klammerfuß, d. h. vier nach vorn gerichtete Zehen hat.

Welch ein Konzert von Stimmen! Und alle wollen gehört sein, die kunstvoll modulierten wie die ungefälligen, wie man auch im Konzert 28 politischer Stimmungen und Stimmen «die andere Partei ebenfalls hören soll»: we nn mu̦ nu̦mmḁn éi n Vŏgel g’hëërd pfịịffen, su̦ g’heerd mu̦ nu̦mmḁn ei ns G’sang. 29

 
1  Der Auerhahn: Haacke 83 ff.; «Orhanen»: Stumpf 292 a und «Ohrhanen»: Rebm. 377; ohrnon: mhd. WB. 1, 626 und daraus erschlossen: ahd. orro (Männchen): Kluge 21 (vgl. «Uurfel», verschnittener Widder). Tschudi 162-7 denkt an das (andersartige) ur- in «uralt» usw.   2   Haacke 87.-90. Es ist Geßners «kleiner Orhahn».   3  Altes spellen: seine Gefühle (und Gedanken) äußern. Vgl. Kluge 35 unter «Beispiel» und unsere Erörterung zu «Spilstatt».   4   König 108.   5  Zwei Rackelhähne aus dem Haslital (einer aus Gadmen) sind im naturhistor. Museum Bern zu sehen.   5a   Haacke a. a. O.   6   Tschudi 458-462.   7   Faulh. 19.   8   Cool. JS. 304; Altm. 221; Alpina 1, 208-226.   9   König 108; Tschudi 288 f.   10  Parnisse, Parnise: Rebm. 329, 377.   11  Der Grindelwaldner dehnt das germanische Betonungsgesetz nicht bloß auf Wörter wie Phótograph, sondern selbst auf Eigennamen wie Páris, Bérlin, Gráubünden aus.   12   Haacke 584-6.   13   Altm. 225.   14   Tschudi 90.   15  Coiffeur Schwerzmann.   16   Berd. 3, 238.   17   Friderich 200 f.   18  Mhd. die zise, seltener der zïseg.   19   Frid. 307.   20  Vgl. S. 79.   21   König 58.   22  S. auch «Charfreitag».   23   Tierwelt 1995, 1.   24   Tsch. 84.   25   Tsch. 95; Frid. 56.   26  In «Nußbräch» bemerke wieder die gute alte Stammbildung (wie in «Steinbrech» u. dgl.)   26a  Eben Dendrocopi; vgl. den rätischen Namen des Spechts: picialenn (Holzklopfer).   27  Vgl. «lehnen» bei Kluge 231.   28  Aus it. concerto und dies von lat. concertare: zusammen streiten, wetteifern.   29  Man sagte altdeutsch ( mhd. WB. 2, 2, 303 ff.) «der» und «das» sang, aber nur «das» gesang.  
 

 

Leise Stimmen und stumme Welt.

So laut nun, wie der Vogel rïefd und z. B. der Ggu̦gger (Kuckuck) sogar brị̈eled, die Schwalbe zwitschert, zwitsche̥rren Tierchen wie der Hewstu̦ffel (die Heuschrecke) oder die Feldgrille ( Grillus campestris) nicht. Weniger noch als dieser Mụ̆heim, nach dessen Gebahren man einem zögernd und unsicher sein Anliegen Anbringenden zuruft: wolltist mụ̆heimen? macht sich die Maulwurfsgrille ( Gryllotalpa vulgaris): das Härdepfelmŏli hörbar. Sie gilt lediglich als des Menschen Todfeind gleich dem Meie nchä̆fer (Maikäfer, Melolontha vulgaris), obschon dessen Larve, der Enger (Engerling), hier oben nicht so verheerend wirkt wie im Unterland. Mit dem G’speiz (Mḁden oder Grodlen, Einzahl: der Grŏdel an nicht frischem Fleisch u. dgl.) verwechseln Dialektfremde etwa das G’fleig (Geschmeiß) wie z. B. den Oïge nstächer (Holzwespe, Sirex gigas) oder die Giftmu̦gga (Schnake, Tipula), die Su̦rra (graue Fleischfliege, Sarcophaga carnaria), den Brääm (die Biesfliege oder «Bremse»). 1 Hinwieder hält begreiflicherweise die Volkssprache die «Honigwespe» oder die Biene: das Bịji (welches leider trotz der außerordentlichen Wichtigkeit der Alpenbienenzucht durch Raummangel aus unserm Band ausgeschlossen wird), und das Wä̆xi (die Welpe, Vespa vulgaris) weit auseinander, Wer ziel- und sinnlos herumfährt, fĕhrd umha wie n es g’stŭ̦r mes Wäxi; und wer wie der Hü̦̆rnụụß (Hornisse, Vespa crabro) umhervagiert, ist e n rächta Hu̦rnụụußi. Ein derartiger Junge, der zerzaust und beschmutzt die Stube betritt, wird interpelliert: wa bist jetz aber umha g’hu̦rnụụßed! Interessant ist, daß auch die überwinterte Wespenkönigin als Hu̦rnụụß angesehen wird. Man scheut ferner die Ohre̥lla (Ohrwurm, Forficula auricularia) und den Chällerhälblig (die Kellerassel, Oniscus); besonders aber den Spinnen ist der Mensch spinne nfịjend, wie die Spinni selber es unter sich sind. Einen mit Lippenausschlägen Behafteten hed e n Spinna a ng’seichd. Hinwieder ist ein von Schuld und Schulden Gedrückter einer, wa vi̦i̦l Guegen heed. Der Grindelwaldner Gueg vertritt ungefähr die Klassen der Käfer und Würmer, bei den Alten sogar auch die Ordnung der Schlangen. Der Schịịngueg aber ist sehr zweideutig sowohl das Johanniswürmchen ( Lampyris splendidula), das im stillen «so für sich hin» leuchtet, als ein heimli ch feißta Egoist. Heimeliger ist daher auf dieses Tierchen der Name «Hĭ̦melgị̈̆egi» übertragen worden, der sonst auch dem Marienkäferchen ( S. 209) gilt.

200 Luftmangel infolge allzulangen Frostes, Armut an Wasserinsekten und andere Umstände lassen begreiflich erscheinen, daß die Alpengewässer mit zunehmender Meereshöhe mehr und mehr auch an Fischen erarmen. Daß dagegen z. B. im Hinterburgseelein und im Sägistalsee Fische erblinden, 2 wird heute von Kundigen als lächerliche Fabel erklärt. Zahlreich und munter wie im Brienzersee der Eeg (Flußbarsch), tummeln sich noch in den genannten Hochseen das Egli (ègli) und die Forelle. Erfolgreicher fischt man allerdings die altberühmten Foorni und selbst die kleinern Fĕ́re̥lle̥ni 3 der Lütschinen (nur nicht, wenn sie zum Leich aus den Bödeliseen heraufkommen) mit dem flächsernen «Barren» oder Schöpfgarn. Dasselbe heißt die Hărnụta; und da die darin gefangene Foorna lebhaft für ihr Leben si ch wĕhrrd, sieht sich auch ein in lebhaften Disput Verwickelter oder ein ins Verhör Genommener i n d’Harnụta g’nu̦u̦n. 4 «Einen Zug tun» konnte man jedoch besonders ausgiebig an Seehäupten wie dem « tractus» oder «Zug» oder «Fach» 5 oben am Thunersee und dem ehemaligen Fischer- und Schifferdorf «das Tracht» bei Brienz. 6

Wie dem Emmentaler, 7 ist auch dem Oberländer der vielfach verschätzte Gropp (Kaulkopf) nid e n Fi̦i̦sch (s̆), während dagegen alles Lebende, was zu schwimmen pflegt, Fi̦i̦sch heißen kann. (So redet ja selbst die Wissenschaft vom «Walfisch», vom «Tintenfisch», und was kann man nicht alles «fischen»!) Etwas naturkundiger unterscheidet man doch Fi̦i̦sch und Frëësch (Fisch und Frosch); 8 aber begreiflicherweise so, daß der gemeine grüne Wasserfrosch ( Rana esculenta), der auf stehenden Gewässern die Freeschmoltri (Froschlaich) absetzt, die gesamte Froschsippe vertreten muß. Nicht besonders benannt sind der zierliche Laubfrosch ( Hyla arborea) und der braune Grasfrosch, ( Rana fusen), welche das große Reich dessen, was da ggu̦mped (hüpft) oder ggraagged («kreucht»), eröffnen. Die Ooggli oder Chrotti (Erdkröten, Bufo 201 vulgaris) zählen unter ihre Arten namentlich die kleine schwarze Gglogge nchrotta (Unke, Bombinator igneus) mit den eigentümtlich anmutenden großen Augen und der ụụfg’hụụbeten (aufgebauschten) Năsen. Sie ist’s, welche am Abend jenes sanfte, hochtonige ggụụ! ggụụ! ụụ! zum besten gibt. Wegen ihres Wohnens in feuchtem Steingeröll und in Mauern heißt sie auch die Stei nchrotta, das Stei nchrëttli. Unter den Molchen («Mollen») 9 sind auffälligerweise nicht z. B. der gelb gefleckte, gleichsam lackierte Erdsalamander ( Salamandra maculosa), wohl aber das schwarze Rä̆ge nmŏli ( Salamandra atra) und der Rootbị̈ị̈hig (Wassermolch, Triton vulgaris) eigens bekannt und benannt. Wie liebliche Tierchen sind die Bergeidechse ( Lacerta vivipara) und die Mauereidechse ( L. agilis)! Beide werden als der Heidox zusammengefaßt. 10 Als Schlange wird immer noch der Blindschlịịch selbst von der gelehrten Bezeichnung ( «Anguis» fragilis) in Anspruch genommen. Unter der ältern Gesamtbezeichnung Wŭ̦re̥m machen wirkliche, und zwar auch giftige Schlangen namentlich die Sonnenseite Burglauenens unsicher. So besonders die rötlichgelbe Chupferschlanga (redische Viper, Vipera aspis) 11 und die schwarze Viper.

Die alte Sprache dehnte übrigens den Begriff «Wurm» auch auf Eidechsen und Molche, auf Spinnen und selbst auf fliegende Insekten aus. Die Biene war der bînenwurm, der Salamander der «Feuerwurm»; der Seidenspinner ist der «Seidenwurm», die nackte Schmetterlings­raupe der Grăswure̥m. Wure̥m ohne nähere Bezeichnung bedeutet auch den Spulwurm ( Ascaris lumbricoides). ( Dás Chind hed Wï̦re̥m.) Der Regenwurm ( Lumbricus terrestris) dagegen ist der Chärder, mitteldeutsch Quärder, schriftdeutsch Köder. 12 Als solchen spießt man ja Chärdra an das Wĭ̦derhääggi des Angels.

202 Keines solchen bedarf der Fischotter (die Fischotter, Lutra vulgaris, Otter), welcher fast gleich der Natter 13 seine Beute beschleicht. In diese teilen sich aber mit dem «schamper boßhaftigen tier» 14 die gefräßige Fischreigla (der Reiher, Ardea cinerea) und die so überaus interessante Wasseramsla ( Cinclus aquaticus). 15 Nach dem Mettenberg verflog sich im November 1864 vom Bachalpsee her ein Wasserhuehn ( Fulica atra); 16 nach der Lütschine hinunter verirren sich mitunter vom Schwantwaldwịjer her Wildẹnti ( Anas boschas). Am Talfluß lụụred auch etwa der prächtig gefärbte Ịịschvŏgel ( Alcedo ispida) in komisch stupider Haltung, welche die so äußerst interessante doppelte Schutzfärbung zu studieren gestattet.

Wie sogar die Büchersprache z. B. die Flä̆dermụụs und die Mị̈ị̈s verschiedenster Gattungen in ein Band nimmt, so werden von uralter Volksvorstellung die so harmlos am Teiche flatternden großen Libellen mit Wespen und Hornissen zusammengeworfen. Nicht nur bedroht das Rŏswäxi (die «Pferdewespe») 17 wie die «Weiernaadle n» des Emmentals — gleich der Fledermaus — den Haarschmuck furchtsamer Zuschauerinnen. Gleich der Hornisse sind auch d’Rŏswäxe̥ni ḁ lsó vergifti, das s ihru̦ sĭ̦bni më̆gen es Roos tëëten. Nur die kleinern Abarten oder Exemplare dieser großaugigen Wasser- oder gemeinen Seejungfer ( Callopterix virgo), die in augenscheinlichster Harmlosigkeit auf hervorragendem Felsblock eine blühende Wasserpflanze umschweben, dürfen sich des Ehrennamens Wasserjumpfer erfreuen.

 
1  Niederdeutsch, für altes «der» brëmo, brëm ( Graff. 3, 303; mhd. WB. 1, 238), zu brimmen = brummen.   2   Faulh. 23.   3   Grun. 1. 126; König 19; Kyburtz A 11. Zu gr. perknos (bunt, gesprenkelt) stellt sich westgerm. forchna, ahd. forhana, mhd. vorhen, vorhe, Salmo fario. Die mittelrheinische Verkleinerungssilbe -le schuf die fórelle oder (mit mechanischen Accent wie in «lebendig» neben holländ. lévendig, oder in oberhaslischen «usserordäntlich» die «forélle». Vgl. Kluge 115.   4  Vgl. emmentalisches «i d’Hääre nääh»: in Behandlung nehmen, «Das hâr» (Haar) hat eine alte Nebenform «der hare, der har» (Flachs). Dazu gehört der harluf ( Häürlef) des Webers ( Lf. 384), und an nämliches « har» kann man sich altes hnuttên, notten (schwingen, die Hand hin- und herbewegen besonders beim Weben, Flechten, Knüpfen) gefügt denken. Vgl. Graff. 4, 982. 987. 1126; mhd. WB. 1, 633; 2, 1, 418; Kluge 148.   5   Reg. 89; schwz. Id. 1, 638; Font. 3, 8; Argovia 3, 350; 4, 65; Kib.-Urb, 2 a, 22.   6   Wyß 863.   7   Lf. 40.   8  Das zum Kollektiv- und von hier aus rückwärts zum Einzahlsinn vorgedrungene Freesch (unterbernisch Fröschsch) erhielt mittelst schwacher Biegung eine neue Mehrzahlform. (Vgl. die Obst- und Beerennamen usw.)   9   Stumpf 286 a.   10   Rebmann (175) «Heidechs», im Emmental «das Heidöchsli». Die an «Heide» und «Ochse» gelehnte Volksetymologie ist nicht drolliger als die gelehrte Dekomposition «Echsen», womit man seit Oken die «Saurier» (z. B. die vorweltliche Fischeidechse: den Ichthyo-sauros oder die Ichthyo-saura) ersetzte. Deutlich hebt sich die Ei-dechse in altem egi-dëchsa auseinander. Die dëchsa ist eine langstielige Art, dichsila die Deichsel. ( Graff 5, 123.) Am durchgesteckten dëchsîsen oder dëchsschît hielt, bevor man Breche, Kunkel und Rad kannte, die Linke der Spinnerin den Flachsbündel, die dëchse, zum schwingenden Klopfen (Verb dëchsen dachs gedochsen: mhd. WB. 1, 330) und nachherigen Abspinnen. An einen langgestreckten Kloben oder Rocken gemahnt, wie auch Jakob Grimm (bei Graff 1, 129) fand, das in der Ruhe so starr erscheinende Tierchen, das dann plötzlich in so zierlicher Gewandtheit wie eine Schlange (gr. ophis, lat. anguis, ahd. egi-, vgl. das Egli S. 200, den Egel und den Blutegel: Kluge 85) vorwärts schießt. Seiner Leibesgestalt gemäß könnte auch der Dachs, Tax (gewöhnlich und sehr sachgemäß als «Archi-tekt», gr. tektoon, gefaßt) hieher gestellt werden.   11   Neue A. 171-181; Tschudi 54.   12   Kluge 207.   13  «Die Natter» ( natrix, gegenüber vi[vi]pera = die Lebendiggebärende) und «die Otter» (d. i. Wassertier: Kluge 277) glichen gegen einander ihr Geschlecht aus.   14   Stumpf 290 a   15  Die unsagbar anziehenden Lebensbilder bei Tschudi (156-9) und Friderich (214-7) muß man unausgezogen lesen.   16   Tsch. 63.   17  Vgl. «Roßkur» u. dgl. Lf. 272.  
 

Tisch und Bett.

«Froh wie die Libell am Teich» haben «Aktive und Passive» sich zur Tafel gesetzt. Und fürwahr, sie më̆gen! Man sieht’s, und die im Wortlaut 1 daran erinnernden Mä̆gen erklären es. Kann doch die mit Raupenhaaren gespickte Magenhaut des Ggu̦ggers nach dem Strich gebürstet werden! Ist doch der hinder Hals (Schlund) des Lämmergeiers zum ahirï̦̆tschen der Beute im Tempo der Verdauung eingerichtet! 2 Hinwieder ist Tieren wie dem Gemschi (der Gemse) die Ausnützung der kläglichen Winterspeise auf bemerkenswerte Art erleichtert. Wie n e n Saaga (Säge) fühlt sich bei der anderthalbjährigen 3 Gemse 203 der Unterkiefer an, dessen Meißla (Schneidezähne) mit ihrer löffelartigen Biegung das kürzeste Gräschen unmittelbar über dem Boden abchlempen. Die Măhlzẹnd ihrerseits zerkleinern mit Leichtigkeit das trockenste Gras, die lederfeste Flechte, insbesondere den Gemschbart (die Bartflechte, Usnea barbata) der Fichten. Außerdem halten die Grattiere es lange Zeit aus, daß si e hungred, und der G’lust nach Schnee läßt keinen Durst aufkommen. Es ist die nämliche Lebenszähigkeit, mit der sie zääjju̦ wie b’Chatzi von den furchtbarsten Verwundungen rasch genesen oder solche jahrelang durchs Leben schleppen. Sie erinnern an die Aammeißi und die Chäärdra ( S. 201), welche noch mit bloßem Vorderleibe fressen und arbeiten. 4

Vögel, die solche Entbehrung nicht aushalten, gaa n furt. Schier nie sieht man freilich Zug- und Strichvögel über Grindelwalds Alpenwälle ihren meist bequemen Bummelflug 5 vollführen. Nur auf einer Irrfahrt hieng im Herbst 1870 ein Vogelzug fịịf Minụụten an es anders 5a über der großen Scheidegg. Solchen Wechsel des Brotkorbes ersetzen sich die bekannten Winterschläfer dadurch, daß sie dem Sparschlaf, diesem Vermächtnis des Eiszeitalters, 6 frönen: sie schlaaffe n wie e n Mŭ̦rwe̥nda (wie ein Murmeltier).

Der langen Ruhe des Murmeltieres geht freilich ein sehr lebhaftes sommerliches Treiben voraus. Beobachten wir, aber mäuschenstill, eine Kolonie aus der Ferne! Hundeartig sitzt dort auf einem flachen Stein ein etwa hasengroßes Tier. Es spreizt die Beine und läßt ein Junges durchschlüpfen, damit es zu den Bï̦ppinen (Zitzen) gelange. O weh! trotz aller Vorsicht gewahrt uns die Mutter. Sie pfịịffed und ist verschwunden. Das Junge zwịịggled und humpelt nach. Doch ein Nachfolger des Mu̦rwe̥nde n-Christen, der bei Mettenberg ein gefangenes Tierchen um Geld sehen ließ, kann uns ein Weiteres berichten. Er weiß zunächst, daß man gut grindelwaldnisch (dissimilierend) die Mŭ̦rwe̥nda sagt, in Dorf und Umgebung aber «die Mŭ̦rme̥nda», im Haslital «das Mŭ̦rme̥ti»; und wir können ja schon rückschreitend ergänzen: im Tessin: la mure montana, bei Plinius: 7 mus alpinus, neulateinisch: Arctomys marmota, im Unterland: das Murmeli. 8 Vielleicht ein Dutzend Jahre bringt unser Mann das nämliche Tier durch mit Löwenzahn und Kohl, Brot, Milch und Wasser. Daß die dem freien Alpenleben entzogenen Mu̦rwe̥ndi immer so gut fortkommen, ist damit nicht gesagt. Sogar 204 unter der roote n Flueh am Eiger suchte man umsonst Murmeltiere aa nz’pflanzen; kein Wunder denn, daß die Kolonie im Berner Hirschpark einging. Wie schon die Murmeltierknochen beweisen, welche man 9 zu Dutzenden im eiszeitlichen Gletscherschutt um Bern gefunden hat, will das Tier sein Freiland zwischen den Grenzsäumen des Waldes und des ewigen Schnees haben. Der kleine und der große «Murme̥tenstock» sind Wahrzeichen seines Aufenthaltes. Nur besonders zutrauliche Familien wagen sich in die Nähe des «Murmeltiersteins» bei Monthey oder suchten ehemals sogar Unterkunft 10 in der Mu̦rwe̥nde nschị̈ị̈r 11 Grindelwalds. «Das fröhliche Murmeltier» 12 kann also ohne gewaltigen Zeitaufwand nur unter den Händen eines so kundigen Pfleger wie Stumpf 13 in seiner «wunderbahrlichen art und natur» beobachtet werden. «Nidertrechtig» ist sein Wuchs, zottig sieht es in seinen «Schlotterhosen» aus, bärenmäßig sind seine «tapen»; «umb d’nasen vnd das ober maul ( d’s ober Mụụl) hat es schwartze rauhe bürsten als ein katz, mit aller gestalt vnd lydmaß aber ist es einer maus oder ratzen nit vngleych.» Und doch wird das Tierchen uns sehr sympathisch wegen seiner seelischen Eigenschaften. «Ist es des menschen gewonet, schimpffet (scherzt, g’spassed) es gantz freüntlich, vnd mit den zenen lauset es den menschen gleych wie ein Aff. Fleisch, brot, gmüß, obs ( Obs) usw. nimmt es in seine vordern kläwlin ( Chrä̆wla) wie ein eychorn ( der Ei chhŏren) vnd sitzt darmit auffrecht wie ein Aff. Es gadt auch etwan auff den zweyen hindern füssen wie ein Bär. Sy schimpffend vnd gopend ( ggoolen) miteinander vnd murrend und bällend ( bịịllen) darzu. Sy mögend jr phantasey vnd abentür nid lassen. Mit strauw, höw, lumpen und der gleychen tücher schoppend sy das Maul voll und schleppen, was nit dareyn mag, in jr nest» usw. Darin verschlafen sie auch in Gefangenschaft und unter guter Pflege den Winter. Im Freileben chrŭ̦ge̥llen oder chrï̦̆ge̥llen (kugeln) sie sich dabei zusammen, zehn bis zwanzig in einer Hëhli (Höhle) ringsum gelagert, um möglichst wenig Leibeswärme zu verlieren. Ze’m alte n Michelstag (19. September) gaa n s’ under und verharren in ihrer Lethargie bis zum George ntag (23. April), ja bei schlechten Sommern fast das ganze Jahr. Im vollen Mond sollen sie sich welpen, um auf der andern Seite zu schlafen ( S. 137). Schlafend aber — hieß es ehedem — stecke n s’ d’Nasa i n d’s Hindra u nd laan den Aaten grad umloïffen.

Von weitern Alpentieren gilt der Steinbock als hierzuland ausgestorben. Doch brachte der seither in der Ferne so tragisch verunglückte 205 Dr. Streun im Sommer 1902 ein prächtiges Steinbockhorn von der Strahlegg herunter. Sonst figuriert das Tier bloß noch symbolisch als Amtswappen von Interlaken und daher auch häufig als Wirtsschild.

Bist z’Interlache, bis nid blind:
Der Steibock het e herte Grind

lautet denn auch der Spieß’sche Vers zum Interlakner Wappen im Berner Kornhauskeller. Auch der Hirz (Hirsch) hinterließ ein Geweih als letzte Spur seines Daseins in den Späätinen am Männlichen. Dagegen gibt es, seit einigen Jahren dort darg’schlagen, im Itramenwald einige Rehe. Sonst reden von diesem Edelwild bloß noch die Örtlichleit Rehhaalta 14 hinter der Kirche, sowie der Rehhuesten als Keuchhusten, falls dieser wirklich (nach hiesiger Deutung) an das hustende Reh erinnert, und nicht vielmehr altdeutsches râhi, raehe, altbaslerisch «rääch, reehig» zugrunde liegt. 14a An dieses «Rehtier» ( rahdeor) der Angelsachsen 15 , das «Reech» des älteren Deutsch 16 könnten auch die «Thierberge» 17 über dem Rhonegletscher erinnern, wenn nicht bei ihnen wie schon beim «Dammastock» 18 vielmehr an die Gemse zu denken wäre. Deswegen heißen auch andere Tiere mit ähnlicher Färbung wie der der Gemsen: tierfarw; ja statt e n tierfarwi Geis sagt man auch nur kurzweg e n Tiera. Nur auf die Gemse kann sich der Tierstein an der Bä̆regg beziehen, wo die Gemsjäger in ihr Mettenberg-Jagdgebiet einzudringen 19 und ihre Tierbï̦xa in Bereitschaft zu setzen pflegen. Auch der Tierwang am Westgefälle der Burg hilft den Satz bestätigen: «Die Gemsen sind unsern Bergbewohnern (auch den Wallisern) Tiere im ganz ausschließlichen Sinn des Wortes. Daher das ‹Gsụ̈ụ̈r› im Adelboden, dies unzugängliche Gemsenasyl, eine Mutter aller Tiere genannt wird.» 20 Es begreift sich dies auch aus der Grundbedeutung von «Tier». Es ist das auf der Flucht hörbar «atmende» 21 Hauptjagdwild einer Gegend, in und um Grindelwald eben des «Gemstier», 22 in alter Abkürzung: «das Gems». 23 Es war dies die umfassende Bezeichnung für den Gemsbock oder den gamsgamuz») 24 und die Gemsziege oder die gemsegamiza») 25 , etwa so, wie z. B. «das» Huhn als «der» Hahn und «die» Henne sich differenziert. «Das Gems» bildete aus sich die kosende Verkleinerung 206 Gemschi mit der Mehrzahl Gemsche̥ni. 26 Die auch hier vergessene Deminutiv­bedeutung muß, wo man ein kleines junges Tier bezeichnen will, durch Gemsche̥lli ersetzt werden. «Das Gems» der ältern Schriftsprache bildete die regelrechte Mehrzahl «Gemse», 27 welche nach so häufiger Analogie in die Einzahl vordrang und der neuen Mehrzahl «Gemsen» rief.

Die Gemse ist heute Grindelwald Wappentier; und ihm würde die Ortschaft wohl längst einen Park, ähnlich dem in Interlaken und dem Fluhpark zu Brienz erstellt haben, wenn die Mittel zu besserm, als zu jenen traurigen Gefängnissen langten, wie sie da und dort außer der Talschaft zu sehen sind. In solchen Verschlägen kann höchstens etwa (an den vier Stri̦i̦chen oder Zitzen u. s. w.) die Antilopenart unserer «gewundenhornigen» 28 Rupicapra tragus 29 veranschaulicht werden. Die Spezies der Gemse entfernt sich also stark von der der Ziege, mit welcher dennoch tatsächlich 30 äußerst muntere Blendlinge erzeugt worden sind. Nur Fabeln dagegen erzählen von Mischungen zwischen der Gemse und dem ihr so widerwärtigen Schaf, 31 so daß en Bänz e̥’nem Gemschi na chg’schlăgen hätti. 32 Unmittelbar veranschaulichen läßt sich in der Gefangenschaft etwa noch der dunkelfarbige Gemschistriich über dem Rücken der hübschen Gemschgeißen. Sonst aber läßt sich die wahre Natur des Tieres nur erforschen in dessen wildem Heim an den Gemschbärgen nahe dem Schwarzhorn und dem Rötihorn, in der Gemschilï̦cken oder auf dem Rothornsattel der Finster­aarhorn­gruppe, 33 auf der «Gemsenspitze» der Dossengruppe, 34 auf dem glarnerischen «Gemsistock» nahe dem «Zuetreibistock», auf Unterwaldens «Gemsispi̦i̦l». Auf Grindelwalds Faulhorn-, Wetterhorn- und Schreckhorn­gruppe kommt dann und wann eine Häärd von vielleicht dreißig Tieren in Sicht, in Graubünden aber laut eidgenössischem Ober­inspektorats­bericht für 1906 bis zweihundert Stück. Ein sechzighäuptiges Rudel im Neßlerntale bei Saxeten 35 und ein achtzighäuptiges im Kiensuldtal bilden 207 hübsche Bruchteile der beiläufig dreizehnhundert bernischen Gemsen. 36 Das nun zumeist preisgegebene Wildheu (S. « Seil und Sense») mit Kräutern wie der Gemswurz — Gemschichrụụd —, sowie der obrigkeitliche Wildschutz könnten wohl die ehemals gewöhnlichen hundertköpfigen Rudel 37 wieder anwachsen lassen, wenn nicht durch Bergsport und Flinten von allerhand Eigentümern die Grattiere immer schị̈ị̈her gemacht würden. Immer losere und kleinere Rudel sehen sich veranlaßt, Standorte wie das ober und under Wäxel über dem Milchbach­looch, die ebensolchen «Wechsel» am obern Eigersattel, in der Engi und im obren Gang des Wetterhorns, an der Wande̥llen u. s. w. «ein- und auszuwechseln». Es ist also doch nur bittere Not, aus welcher z. B. am 25. April 1887 drei gehetzte Gemsen «die Flucht in die Öffentlichkeit» bis nahe zur Grindelwaldner Kirche wagten, oder welche sie in dem fast beispiellosen Schneewinter 1906/07 bis in die Nähe menschlicher Wohnungen trieb. Die gewöhnliche Zumessung der weißen Erddecke bereitet dem Grattier, welches sich als das alleinig rächt Gemschi in der Lebensweise (nicht als Spezies) von der Waldgemse unterscheidet, eitel Luft. Unter irgend einer schützenden Balm wird kurzer Nachtschlaf gehalten. Den Tag über läßt das Tier mutwillig sich den Schnee um die dargebotene Schnauze wirbeln, nur hie und da energisch ein zu groß geratenes Häufchen abschüttelnd. Stallwärme aber wäre bereits der Jungen Tod.

So auch mues s der Steinbock chaald haan, su̦st wird er blinda. 38 Acht Tage läßt die Schneehenna sich einschneien und streckt nur zum Aate m ziehn ein wenig den Kopf fï̦rha. Wie Eskimos hüllen der hübsche Schneefink ( Fringilla nivalis) und der wịịß Haas ( Lepus variabilis, S. 210) sich in das Flockengewand. Ohne Unterbruch verweilen an der Schneegrenze die Schneekrähen ( Pyrrhocorax alpinus) — Tä̆hi — und die Steinkrähen ( P. graculus) und machen Jagd auf Schneemilben, Tausendfüßler, Spinnen. Unter diesen ist es besonders auf den Weberknecht abgesehen: den Lẹngscheichler ( Phalaugium parietinum) oder Geishirt, der ja doch so wịịt mag g’choon. Auch Pfịịffoltren (Schmetterlinge, z. B. dem kleinen Fuchs, Vanessa urticae) und ihren Raupen sächche n s’ naa ch. Zu den Murmeltieren hinwieder gesellt sich die Schneemaus.

Für unterirdische Lebensweise sind wie diese eingerichtet 39 und graben sich demgemäß ihr Bett 40 der Blindschlịịch, 41 die Aammeißi und die Chlempi (die gemeinen roten und die großen Waldameisen). 208 Auch hier versteht man den Aammeißeṇgeist als Mittel gegen Gliedersucht zu gewinnen; man weiß aber ebensogut, daß, wer Aammeißenhŭ̦bla und Chlemphị̈ị̈sse n zerrï̆ehrd und verruinierd oder verruṇschenierd, mit dem Veh im Stall U ngfeel heed. Mit der nämlichen Feinfühligkeit, die dem bessern Oberländer eigen ist, wird auch das so kunstreiche und wissenschaftlich interessante Schnäggenhụụs geschont. Die Schnecke selber kommt freilich auch hier lediglich um ihrer Langsămi willen i n der Lị̈ị̈te n Mị̈ị̈ller. «Eile mit Weile» lautet grindelwaldnisch: Der Schnägg hed gseid: ịịllen tue dekein gued.

Gerade solch feinere Veranlagung könnte für bösere Zeiten einmal den Gedanken an rationelle Schnecken-, Ameisen- 42 und Mehlwürmerzucht 43 nahelegen.

Nicht so viel Schonung findet trotz seiner enormen Nützlichkeit der Schäär (Maulwurf), 44 weil er d’s Land zerggŏrd (den Rasen zerwühlt) und so viel Frühlingsarbeit mit Schä̆rhị̈ị̈ffen brächen verursacht. Findet der Maulwurf an Regenwürmern das ganze Jahr durch Nahrung genug, so soll der Igel — sowohl der Hunds- als der Sï̦wĭ̦gel, wie nach der Schnauze unterschieden wird — sich im Fallobst wälzen, um solches aufgespießt in seine Höhle zu schleppen. Plinius, der dies erzählt, 45 hat auch die Fabel vom Murmeltier, das sich als Heuwagen hergebe, in die Welt gesetzt. Der wirkliche Sachverhalt ist kurz folgender: Sụụfer wie g’määjd beißen die Murmeltiere heißhungrig im Vorsommer besonders die zarte Muttne̥rra (Liebstock, Mutellina) ab, an schönen Augusttagen aber auch Murwe̥ndengraas: das zähe Borstengras (Făx, Nardus stricta) als winterliche Lagerstreu. Sie dienen mit letzterm dem Älpler als Wetterpropheten: we nn Murwe̥ndi hewwen, su̦ gi bd’s b’stẹndigs Wätter. Zum Einheimser sodann stecken sie sich Büschel um Büschel Heu in den Mund, formen diese durch Hin- und Herschieben zu ordentlichen Ballen, klemmen solche zwischen die Beine und brauchen den Schwanz als Bindbaum. Schließlich nehmen sie noch es Mụụl volls oben dru̦u̦f und wandern, so gut es geht, mit der Last der Höhle zu. Fast alle Rückenhaare sich ausreibend (daher die Fabel vom Heuwagen) schleï̆ffen, schlüpfen sie durch den sehr engen Eingang der Höhle. Diese ist im Winter vermachti mit einem der Umgebung angeglichenen Schĭ̦bel oder Zapfen 209 von Heu und Erde. Vom Schattlooch her führt ein bisweilen meterlanger Gang in einen Kessel, dessen größte Abteilung als Winter­schlafraum mit mehr als einer Mannslast (bis fünfundsiebenzig Kilogramm) Heu ausgepolstert wird. Für den Sommer zweigen sich vom Kessel einerseits eine Fluchtröhre, anderseits ein Wohnraum mit eigenem Abort ab.

Ein besonders sụụfers G’lĭ̦ger läßt sich der (an der Lütschinen und bis in die Vorsaße hinauf hausende) Dachs angelegen sein. Der Jäger unterscheidet — analog wie beim Igel — den Schwịị ntăx und den Hundstăx. Nach einigen soll jener d’s Wịịbli, dieser d’s Manndli sein. Auf wirklichem Sachverhalt beruht die Unterscheidung, daß der Hundsdachs graaua ist, der Schweinsdachs meh uf D’Rëëti ziehd.

Der schwerfällig-harmlose und doch so arg verfolgte Einsiedler bildet einen scharfen Gegensatz zu dem ebenso graziösen wie blutgierigen «Nagetier» Ei chhŏren (Eichhörnchen), in dessen perfide Vogelfalle Meisen und Goldhähnchen ahnungslos geraten. 46 Diese Falla ist der Außenteil des Nestes, das also hier funktioniert wie die Wï̦pper (Gewebe) z. B. räuberischer Spinnen und Wickler, wie die ab’zog’nen Hemmle̥ni des Äämdwolfs (der langhaarigen Raupe, z. B. der Bärenraupe), des Grăswure̥ms (der nackten Raupe, z. B. des Kohlweißlings). Sonst nästen (nisten) ja die Tiere, zumal die Vögel, unter zumeist peinlicher Vermeidung jeder Unordnung, jedes Vernästens (Verlegens) einer Sache, zwecks sicherer Wohnung. List 47 im alten und neuen Sinn findet sich hier allerdings in allen Graden abgestuft. Gleichsam ein Hŭ̦belnäst 48 legen unvorsichtige Tiere sich auf dem Erdboden an, und häufig werden auf entlegenen Mähdern Hăsennäst ụụsgmääjd. Wie kunstreich und schlau hinwieder bauen Schneefinken, 49 Mauerläufer, 50 Felsenschwalben, 51 Alpenflühvögel 52 ihre Nester, und wie heben sich von ihnen die rohen Räuberhorste eines Geiers, eines Adlers 53 ab!

 
1  Kaum etymologisch.   2   Alpina, s. u. Fußnote 20.   3   Zürn 7.   4   NW. 1905, 273.   5   Berd. 1, 206.   5a  Weitere Einkürzung des bereits brachylogischen «aneinander»: so daß ein Stück des Ganzen sich je «an ein anderes» knüpft.   6  Gilberts Annalen der Physik 40, 348; 41, 361; dtsch. Arch. f. Physiol. 1816, Heft 4; Berd. 3, 202-4; NW. 1904, 403-7.   7  8, 37.   8   Rebm. 481: das Murmelein.   9  Vgl. Naturf. 1891, VII.   10  SdB. 1904, 190.   11  H 1.   12  So betitelt sich eine Straßer’sche Liedersammlung.   13  288 f.; vgl. Sebastian Münster 349 f.   14  G 3.   14a   Mhd. WB. 2, 1, 548; Seiler, Basler Mundart 236; schwz. Id. 6, 91.   15   Kluge 298.   16   Rebm. 139. 428; vgl. den Rechberg («Reechbärg») in Zürich.   17   SAC. 40, 90. 297; vgl. Stud. T. 81.   18  Arch. f. schwz. Gesch. 3, 271 aus dem Jahr 1487.   19   Wyß 663.   20   AR. 1819, 331.   21   Kluge 376.   22   Höpfn. M. 6.   23   Altm. 184; Grun. 1, 103; Reise 2, 31.   24   Kluge 134; vgl. Graff 3, 207, wonach eine Wienerglosse des 12. Jhd. mit gamz den Steinbock bezeichnet.   25  Hieraus floß it. «die» camozza, wie aus gamuz «der» chamois der Franzosen und Engländer.   26  Es ist die aus «Meidschi» u. dgl. bekannte Vergröberung des noch im Wallis erhaltenen -ji, des holländ. -je ( bankje usw.)   27   Altm. 28; Reise 2, 48 usw.   28   «Strepsiceros»: Stockhornias 58, cf. Cool. JS. 27.   29   Haacke 563-570.   30   Keller 153-173.   31  Ebd. 223.   32  Der «Verschlag» (die «Hürde»: Joh. 10, 16 nach Luther) zur Sönderung der Schafe kann allenfalls die Ausdrücke «Schlag» (Rasse), einem naa g’schlaan oder «nachschlagen», aus der Art «schlagen», von Hause «schlagen», vom Räst g’schlaan, darschlaan ( S. 205), ung’schlacht, « gislacht» (edel geartet), «Geschlecht» erklären helfen, wenn man nicht an Spezifika wie das «beschlagen» durch den Hengst denken will. (Vgl. Kluge 136.) Man denke aber behufs ersterer Deutung aus «schlagen» auch an ahd. slëcht = gehämmert, daher eben, gerade, glatt (vgl. schlichten), schlicht, die slëchti und slëchtida = Ebene, die worolt-slichtî = Erdoberfläche.   33   Cool. BO. 42; SAC. 40, 77.   34   Cool. BO. 177.   35  Oberländ. Volksbl. 1905.   36  Bern V. 152.   37   Wyß 603.   38   Grun. 1, 127.   39   NW. 1903, 101 ff.   40  Vgl. Kluge 38.   41   Tschudi 53.   42   NW. 1899, 16. Apr.; Frid. 40.   43   Frid. 45 f.   44   Berd. 2, 237 f. An «graben» knüpft sich ebenso mhd. tëlben talb tulben getolben ( WB. 3, 37; Graff 5, 420), wie lat. fz. talpa, taupe. Das deutsche «Schäär» gilt der vermeintlichen Schädigung der Planzenwurzeln.   45  Vgl. Tschudi 122.   46   Berd. 3, 201; 5, 201.   47  «List» ist eines Stammes mit lehren und lernen; vgl. Kluge 239.   48  A 2.   49   Tsch. 453-8.   50   Frid. 281-4.   51  Ebd. 162 f.   52   Haacke 577.   53   Neue AP. 428.  
 

Putz und Schutz.

Wer kennt nicht das «Sonnenkind», 1 das «Himelgüege̥li», das Marienkäferchen, den «Siebenpunkt» ( Coccinella septempunctata), welcher um seiner Gestalt und Färbung willen der Liebling kleiner 210 und großer Kinder ist! Als eifriger Blattlausvertilger und damit indirekt als Schädiger der Ameisen erfreut sich zudem das Tierchen des Schutzes aller Gartenfreunde. Nicht so gut haben es die teils um ihrer Schädlichkeit, zumeist aber um ihrer Farbenpracht 2 willen verfolgten Alpenschmetterlinge, 3 welche nicht etwa bloß das Faulhorn, 4 sondern das Ewigschneehorn 5 und die Eigerspitze 6 erflattern. Die Mundart benennt unter den Prachtfaltern etwa das (Tag-) Pfaauenoï̆g ( Vanessa io) und den Sămetmantel (Trauermantel, V. antiopa), wendet aber die Hauptaufmerksamkeit einem Schädling wie der Chabe̥spfịịffoltren (Kohlweißling, Papilio rapae) zu. Komisch hinwieder ist ihr der Nachthŭ̦del nicht bloß der «Müller», der im Freien das Licht umschwärmt, sondern gleicherweise der sehr haushälterisch gekleidete Alpenwanderer und der jugendliche Nachtschwärmer. Bursche letzterer Art heißen aber verblümt auch Pfịịffoltri. «Die Pfịịffoltra» entspricht altdeutschem « fîfaltra», in dessen Reduplikations- und Ablautspiel einer (wie in « papilio») leicht das Farbenspiel der Schmetterlings­flügel symbolisiert sehen könnte. «Die lebende Alpenrose» wird der Fluehlään ( S. 198) geheißen; «aus allen Farbentöpfen des Schöpfungsmorgens» wurde das Distelzwingli ( S. 196) gemalt.

Wie vielen Tierarten aber würde Schönheit zum Verderben und Untergang gereichen! Belangreicher als die Putz- ist drum die Schutzfärbung. Man denke an die die Wärme sammelnden und aufspeichernden Pigmente der dunkelfarbigen Rindviehhaare, an den Farbenwechsel des Gemschi! Die Gemsenhaare variieren von ihrer Spitze gegen die Wurzel hin, vom Frühling an gegen den Winter, von der Jugend an gegen das Alter zu derart, daß allmählig die Rostfarbe sich an Braunschwarz austauscht. 7 Regelmäßigen Farbenwechsel vollzieht das Häärmli (großes Wiesel, Hermelin, Putorius ermineus). Vom rötlich-grauen rooten Haas (Tal- oder «Grundhasen»), 8 nach welchem das Weibchen des Chï̦ṇgels (Kaninchens) die Häsa genannt wird, unterscheidet sich gleich sehr in der Färbung wie an Schlauheit und Wildheit der Alpenhase ( Lepus variabilis). Es ist dies der (winterlich) wịịß Haas ( S. 207) in der Doppelspielart des sommerlich dunkelgrauen Waldhasen und des sommerlich lichtgrauen Höhlenhasen. 9 Der letztere wird spezieller Schneehaas oder Bärghaas geheißen. Auch die Schneehenna hat Anteil an dieser trefflichen Schutzfärbung des winterlichen Weiß. Als Krankheit 211 dagegen muß der Albinismus betrachtet werden, der zuweilen einmal e n wịịßa Schäär, viel seltener e n wịịßa Ei chhoren und so selten e̥s wịịßes Gemschi hervorbringt, daß die Existenz des letztern gänzlich ins Gebiet des Zelli 10 verwiesen worden ist.

Zu entschiedenem Vorteil gereicht hinwieder z. B. dem Alpenhasen gleich sehr seine «Saisonfärbung» — wie seine Schlauheit, die das Gerede vom Hăse nchopf als dummem Menschen so gründlich, ad absurdum führt. Ohne solchen Doppelschutz würden ihm die unveränderlich breiten Talpen bei dem rapiden Schnee- und Gesteinswechsel hundert Mal zum Verderben ausschlagen. Was es damit auf sich hat, zeigt aufs augenscheinlichste der gegenteilige Bau der Gemsenschale. Wie können diese Tschăggen, die doch vor Härte bei schleuniger Flucht wie ein Pferdehuf aufschlagen, jetzt mit ihren scharfen Kanten und Rillen einen spitzen Stein erfassen, jetzt mit ihrer feinen Gliederung sich zu Schneeschuhen ausbreiten! — Dazu kommen die «stahlharten» und gleichwohl höchst elastischen Närven (Sehnen), die ebenso festen und zähen, wie äußerst dehnbaren Muskeln ( d’s Fleisch). Der leiseste Wind trägt der Năsen die Witterung eines Feindes zu, und das stark gewölbte Oïg mit der dreikammrigen Linse 11 unterscheidet auf den ersten Blick den Holzhauer und den Wïrzer ( S. 240) vom Jäger. Alle diese Ausstattung hilft mit, der Gemse den Preis der Gewandtheit einzutragen. «Gleitig wie d’Gemscheni» bezeichnet das Ideal der Behendigkeit; und der Federkraft, Tragfähigkeit und Sicherheit des Gemschisprungs kommt nichts gleich.

Zur Tĭ̦fĭ̦gi im vollen Sinn dieses Grindelwaldner­worts gehört aber die von straffster Aufmerksamkeit beständig geübte seelische Beweglichkeit. Wie widerwärtig der Anblick einer in engem Stall gefangenen Gemse! wie unschön selbst der eines sorglos weidenden Grattiers! Unter dem unförmlichen Pu̦ggel scheinen die plumpen, schief angezogenen Bein in lauer, schleppender, ja fauler Gangart nur so zu hängen. Da — ein Knall! und im Nu steht ein völlig anderes Tier vor uns. Wie aus dem Boden geschnellt, wächst sie Gestalt im Freien auf doppelte Höhe, und weit vor streckt sich der so erstaunlich biegsame Hals. Mut und Kühnheit blitzt aus den Augen. Alle Fasern des Leibes geraten in Spannung, die Läufe setzen sich in stramme Haltung, jede Sekunde zum Sprung bereit.

Besonders auffällig ist die an der Matrone, welche (analog wie bei Hirschen und Rehen, Wildenten und Rebhühnern 12 ) eben jetzt in ihrer Reihe dem Späherdienst der Wachtgeis oder Fuehrgeis obliegt. Ein schneidend heis’raams (heiseres) pfịịffen durch die Vorderzähne 212 — ähnlich wie beim Murmeltier — warnt in bekannter Weise das gesammte Rudel schon vor der fernsten Gefahr.

Bloß für seine Familie oder gar nur für die eigene «Person» hält der Haas, hält das Murmeltier Wacht. Sie tun es, indem sie vor der Höhle oder dem Nest si ch stï̦tzen oder sprị̈ị̈zen: das Männchen machen. Solche Wacht ist natürlich auch ihnen nur am Tage möglich. Daß der Hase mit offenen Augen schlafe, gehört seit Xenophon 13 ebenso zu den unausrottbaren Fabeln, 14 wie Lampe’s angebliche Feigheit und Dummheit. Die Schlauheit, womit dieser gleich dem Fu̦x in absonderlichen Kreuz- und Quersprüngen jede Spur zu seinem Lager meidet, erinnert an den Fluechlään, der weit entfernt von seinem Nest an- und abfliegt und dasselbe auch auf lauter Schleichwegen erreicht. 15 Schlaue Einfalt hinwieder könnte es genannt werden, wenn die Spịịrri um Pfingsten bei ihrer Sammlung zum Südzug auf dem Grindelwaldner Kirchturm sich fallen lassen, 16 um erst so des Aufflugs mit ihren kurzen und schwachen Beinchen fähig zu werden. Welch lockende Beute! Aber im Nu sind sie fort. Einen Augenblick zwar flätzged (flattert) das bloß; dann aber entfalten die Fäcken (Flügel) ihre Meisterschaft, die unsere Tierchen in blitzartigem Zickzack oder in einer graden Linie von fast fünfhundert Stundenkilometern entführt. So darf es auch bei einem Menschen heißen, der trotz enormen Schwierigkeiten ein großes Unternehmen durchzusetzen hofft: i ch mag das scho n g’fäcknen! Dazu gehört freilich nach anfänglichem Aufschwung eine fortwährende, nur durch kurze Ruhepausen unterbrochene Emsigkeit. Auch diese kann das Wildtierleben dich lehren. Ein Blick in diese groß und kleine Welt: wie das wimmelt und sich regt! wie das wi̦msled, wie dad graamsled!

 
1  Sünkind: Lüneburg 21.   2  Vgl. Tschudi 252 f.   3  Für Grindelwald haben sie aufgeführt: Meisner in Naturw. 1817, 25-31; 1818, 4. 77 f.; König 122 f.; Faulh. 43.   4  Vgl. Schubert 28 und 259.   5   ÄFG. 47.   6  Ebd. 96.   7  Vgl. die Gemsenmontre im AM.; Keller 11 ff.; Rebm. 141.   8   Altm. 210.   9   Höpfn. M. 6.   10   Wallis 58 ff.   11   Keller 14.   12  Ebd. 99-103.   13  Jagd 5, 11.   14  Zell 68-73.   15   Frid. 382; Tsch. 273.   16   Tschudi 77; Berd. 2, 246 f.; Haacke 580 f. gegen NW. 1905, 200.  
 

Kinderstube und Schulbank.

Zieht der Aammeißenhŭ̦bel 1 mächtiges Interesse auf sich durch seinen Einklang mit dem Staatswesen dieser wunderbaren Tiere, ist die Wäxne̥rra der Schlupfwespe ein aller Beachtung wertes Gebilde und zeugt das U̦mmelnäst (die «Ummlere n») wenigstens der Steinhummel von viel Ausdauer und Geduld, 2 so erscheint z.B. das von andern Hummeln ohne weiteres in Beschlag genommene, weil verlassene Mụụsennäst als ein Muster liederlichster Vorsorge. Was kann hier 213 aus den Jungen werden? Die Hausmaus aber ( Mus musculus) logiert sich als die «Näscherin» 3 auf der verlassenen Alp kurzerhand in einer Hütte ein, wie’s e̥s grăd ’bbreichd, ohne die geringste Baukunst. Wie müßten da die Jungen fï̦r d’Chatz gued sịịn, wenn auch diese als Mauserin sich hier hinauf verirrte? Und doch gibt gerade die Maus ein drastisches Bild ab für ruhelose Muttersorge und mit ihr verglichene anderweitige Emsigkeit. Ein Mensch, der kaum je zu rechter Ausspannung gelangt, hed z’tuen, wie n e n Mụụs in der Chindbetti. Der Kuckuck aber gar gilt als Vŏgel, wa vom Näst gschlaad. Man weiß ja, daß der Ggu̦gger nicht brütet. Da liegt nun freilich das Muster einer Verleumdung auf Grund liederlicher Orientierung vor. Das Weibchen muß seine in sehr langen Abständen reifenden Eier notgedrungen in die Näster jeweils brütender Vögel legen und tut dies unter sehr sorgsamer, mitunter gefahrbringender Wahl der Pflegeeltern. Die schon dem künftigen Jungen zugewandte Mutterliebe ist hier nicht geringer, als wo das kunstvollste Nest gebaut wird, in welches nachher die Alten unermüdlich von früh bis spät traagen (den Jungen Futter zutragen. So traagen z. B. auch die Bienen).

Daß fast durchweg im Tierreich einzig die Mutter mit ihrer Liebe das Leben der Nachkommen verbürgt, das Manndli nur selten an solcher Fürsorge sich beteiligt, ja zuweilen die Jungen vor diesem geschützt werden müssen, charakterisiert in denkwürdiger Weise die Welt der «niedern Triebe». Häsin und Hindin legen sich gegen ihre brutalen Männchen für die wimmernden Kleinen tapfer ins Zeug. Wo Auerhahn, Rebhuhn- und Wachtelmännchen vor dem Fuchs Reißaus nehmen, stellen ihre Wịịble̥ni sich lahm, lëëken und zëëken damit den lüsternen Räuber langsam von den Jungen weg hinter sich her, kehren auf langem Umweg blitzschnell zu diesen zurück und locken sie in entgegengesetzter Richtung ins Sichere. Da ggŏrd d’s Mị̈eti en Aammeißenhu̦bel ụụf, durchwühlt Laub und Moos nach Insekten und Würmern und weist den Jungen das leckere Mahl. 4

Ausführlicher lassen wir hier Fachmänner 5 das unvergleichlich reizende Bild der erziehenden Gemsenmutter entrollen.

Im Meieṇ gi̦tzled d’s Gemschi. Es setzd eppa under ’ner Băle̥m es Gi̦tze̥lli, säältenerwịịs o ch zwei. Das sịịn uberụụs loibi, härzigi Tierle̥ni! Sie mi̦gge̥len grad wie die jungen Geiß, u nd mu̦ cha nn si o ch an e’r Geis z’wä̆glĕgen. 6 Aber die Alt nimmd ĭ̦hra Junga lieber sälber a n d’Milch. Das ist aber o ch e n starchi, g’wï̦rzhafti Milch! 214 D’J̣e̥ger wisse n’s wohl, und etliha 7 trachted fï̦̆r Gemschmilch z’uberchoon, wen n er nid darf es Tier tëëten, fï̦r us dem Bluedbächer das g’fị̈ị̈rig Blued z’trịịhen. Das soll ’mu̦ Chraft gään, daß’s ’mu̦ nid g’schwindi und das s er nid’s hi nfallend Weh uberchë̆mi. 8

Schoon in der erste n Viertelstund feckd’s Tierli ụụfz’răglen un d uf sịị n Gnä̆gle̥ni z’staan. Am zweite n Tag cha nn’s das schon gued, und es loifd u nd springd dḁrvon, daß mu̦’s nịị-meh mag b’siehn. 9 Aber d’Mueter wollt scho n jetz, daß’s das no ch besser lehrri. Es ist grad, wie we nn s’ wißt, wie u nsicher ḁ lsó es Gemschiläben ist u nd wie alls uf d’s springen u nd fliehn aa nchunnd. Drum nimmd si’s uf’ nen ä̆be̥nna grïenna Platz u nd ggoiggled u nd gganggled u nd het ĭ̦hra Vertwelli mid mu̦. Sie machd aller Gattug Sprï̦ng u nd Tänz vor’mu̦, fï̦r das s’s geng u nd ggeng gleitiger naahichë̆mi. Z’erstist geid s’nu̦mmḁṇ ganz chlịịnni churzi Blätzle̥ni. Aber den n uf ei ns Mal nimmd sie en großa mächtiga Ggu̦mp gä̆g’nem Hŭ̦bel zue. D’s Gitze̥lli g’sehd, wie wịịt das ist u nd versuechd naahi z’choon. Das g’raated ’mu̦ natị̈ị̈rli ch ni̦i̦d, u nd jetze n tued’s gar grị̈ị̈selli ch mĭ̦gge̥llen; es chlăgd u nd jaamm’red u nd tued si ch g’haan, wie wenn nịịd meh gueds wää r. Aber d’s Mïeti tued nịịd d’rum u nd blịịbd uf sịịm Hŏger anhĭ̦; es chëtted bloß dem Junge n mid ’nem teïffe n, schwache n, mĭ̦gge̥llige n Ton. Aber das wollt um kei n Prịịs anhĭ̦ chchoon! Es laad si ch i n d’Chnew u nd mï̦gge̥lled, was us ṣịim Mị̈ị̈lli ụsa bringd. Entli ch, entli ch chunnd die Alt e̥m anha u nd ggumped u nd fatzed um d’s Junga umha, bis dás entli ch willigs ist, naahi z’choon.

So tued’s Mïeterli sịị ns Chindschi b’schuelen 10 all Tag ei ns old zwĭ̦ren, bis daß’s an nfḁn orde̥ ntlli ch cha nn Ggï̦mp nään. Deṇṇ geid s’ wịịters u nd nimmd eppḁ e n Schopf 11 zem Zi̦i̦l. Sie machd ’mu̦ e n Ggu̦mp vor, old zween; denn blịịbd s’obna u nd g’sehd ganz g’spässig ze’m Jungen ahi, wie we nn s’sä̆ge n wellti: chŭ̦m, probier’s oo ch! D’s Chlịịnna probierd’s, u nd rrichtig fähld’s ’mu̦. Duḁ laad’s e s si ch umhi uf d’Chnew u nd mueled an es anders ze’m erbarmen. Aber die Alt laad ni̦d lu̦gg! Sie ggumped ahi und e̥m uehi, ahi und e̥m uehi, un d nó chs ei ns, bis d’s Gịtze̥lli ẹntli ch zue ’mmu̦ sälber seid, das wärd wohl eppḁ fi̦r ihn’s o ch z’mache n sịịn. Ja, äs faad aan, sälber Sprïng z’undernään, u nd das g’falld der Alteṇ ganz ụụsnä̆hmend wohl. Mid grëës’rem Stolz cha n kei n Mueter uf ihra Chind ahig’sehn. Und das machd ’ra Mued, geng grë̆ë̆ser Sprïng z’undernään: uf chlịịnde̥ri Schë̆pf und uber Grä̆ben uberhi. U nd d’s Chlịịnna uberchu̦nnd o ch geng meh Ggu̦raasch. Äs ggu̦mped u nd rrăgled u nd rrä̆bled i’ n Schëpfen umha u nd wird 215 etli ch’ß Mal ganz wild’s dḁrbịịḁ; äs vergißd eppḁ gleed, 12 daß’s no ch Lehrbueb ist; es schlaad’s an em Schopf ganz leid aan. De nn chunnd die Alt zue’mmu̦ u nd läcked’s u nd flattierd ’mu̦ u nd machd ’mu̦ Bị̆si Bä̆si und Tịịri Tääri u nd bịpääperled ’mu̦, bis’s alli Wehtaat vergäßni heed un d umhi ganz loib’s ist u nd z’fri̦den und um d’s Mị̈eti umha ggoiggled, ḁ ls we nn ’mmu̦ nịịd g’scheh n wää r.

Sịịn die jungen Gemsche̥ni drịị Maanenden alti, su̦ chë̆me n s’ der Mueter schon naahi uber die g’fährlihiste Flïeh, wa’s lẹngsten u nd llẹngste n kei n Stääg u nd Wääg meh gi̦i̦ bd.

Aber d’s Brïederli old d’s Schwesterli vom fär ndrige n Meien hilfd der Mueter oo ch, d’s Chlịịnna naahiz’ziehn, u nd sie hein bi n allem ggumpen u nd springen gar grị̈ị̈se̥lli ch Sorg zue’mmu̦. G’hë̆ë̆re n s’ en Amsla pfịịffen old e n Schiltheera 13 brïelen, old wen n e n Steinhenna rïefd, old en Blăgrapp, 14 old we nn s’ gar en Adler g’sehn i’ n Li̦ften dahar choon: aangänds 15 nää n s’ d’s Chlịịnna in ihru̦ Mitti. Old das schlị̈ị̈fd der Mueter grăd ei ns zwissen die vord’ren Bein underhi und hed si ch da still wie n es Mị̈ị̈sli; chụụm, daß’s eppa umhi ei ns fï̦rha ggï̦̆gge̥lled u nd gleitig umhi d’s Grindli zuehi zï̦ckd u nd si ch zi̦pfd.

Es anders Mal gaa n s’zä̆men uber n es Felsennäst, wa’s Stei nschlag gi̦i̦ bd. Was machen die grë̆ë̆sre n Tier von e’r ganzen Häärd? Sie gaa n vorab ánhi u nd tïen die chlịịnnen hinna z’warten, bis d’Steina verggu̦mped’s hein. Un d we nn s’ni̦d merke n wein, um was e̥s z’tuen ist, su̦ stäche n 16 sie sa mid den Hĭ̦rĭ̦nen dert anhi, wa s’sellen staan old gaan.

 
1  Prächtig veranschaulicht in der alpinen Sammlung des Schulhauses Interlaken.   2   NW. 1904, 299; Tschudi 246 f.; Naturf. 1820, 50.   3  Bemerke den Zusammenhang von «Maus» und «mausen».   4  Vgl. Frid. 755-761.   5   Keller 82-86; AR. 1811, 122; Alpina 1, 916; Wyß 592.   6  Aufziehen.   7  Manch einer.   8   Kyburtz A. 39 f.; Wyß 585; Osenbr. 6, 134.   9  Einholen.   10  Unterrichten.   11  Steinblock.   12  Häufig.   13   S. 197.   14  Kolkrabe, S. 217.   15  Sofort.   16  Stoßen.  
 

Das Tier ein Schrecken dem Tier.

Der Sommer vergeht unter Jugendspielen, possierlich und lehrreich in einem. Da gibt’s Rutschpartien, Hörnerkämpfe — d’Gemsche̥ni stächen —, listige Scheinangriffe, Überrumpelungen, mutwillige Herausforderungen! 1 Auch die jungen Murwe̥ndi treiben Kurzweil: stï̦tze n si ch u nd marschieren auf den Hinterbeinen, «umarmen» sich, tanzen und vertwelle n si ch, um bald auf dem nächsten Steine sich zu sonnen.

Aber blë̆tzli ch (im kurzem) tụụchled’s, und sein dunkles Treiben beginnt das niedere Raubwild. Einen höllischen Chor lachender, wimmernder, schnarrender Töne erheben der Hu̦ww (Uhu) und die Nachtvëgel (Käuze); die Wi̦ggla (Steinkauz, Athene noctua) und das Hoïri. Die letztere Bezeichnung umfaßt das Uhu («kleinen Uhu», 216 gemeine Ohreule, Otus vulgaris) 2 und das groß Uhu (große Ohreule, Otus Bubo, 3 wohl auch die Waldohreule, O. silvestris). 4 Ihrem wenig erkannten Wesen entspricht aber die schwankende Geltung ihrer Namen. So gilt die Wĭ̦ggla zuweilen als das Weibchen des Hoiri. Mit dem Hoiri vergleicht man übrigens ein ungekämmtes, unordentliches, zerzaustes Mädchen. Ein ebensolcher Junge ist etwa durchs Gebüsch gekrochen und rechtfertigt sich: Vor den Hoirinen mues mu̦ si ch tịịßen, si brïelen gar verfluecht wïest. Auch die Bestimmung der Wĭ̦gglen schwankt zwischen dem Steinkauz (s. v.), dem Waldkauz ( Syrnium aluco), der Schleiereule ( Strix), der Zwergohreule ( Pisorhina scops). Mehr oder weniger können ja alle das Bild von einem leidenschaftlich Klagenden veranlassen: är tued wie n e n Wĭ̦ggla. Still dagegen schleichen durch Busch und Baum der Goldmarder (Edel- oder Baummarder, Mustela martes) und der Stei nmarder (Hausmarder, Mustela Foina). Drollig schlau schleicht sich hinwieder daß Häärmli (Hermelin, S. 210) in Vorsaß- oder Alphütten, leckt den Rahm weg und sucht das verräterische Loch mit Erde, Steinchen und Halmen unsichtbar zu machen. 5 Ein unheimlicher Geselle ist dagegen wieder der Tääs (Iltis, Putorius foetidus) und zwar sowohl der wịịßflụụmig Silbertääs als der gelbe Goldtääß einerseits mit seinem tä̆sen (stinken, was auch der Name besagt), anderseits mit seinem tääße̥llen («tụ̈ụ̈ßele n», einherschleichen). Geradezu eine stehende Plage des Gebirge ist der Fuchs, trotzdem seine Mäusevertilgung ihn vor der Hand noch fast unentbehrlich macht und sein Balg oder Flụụm manch schönen Batzen gilt. Man unterscheidet als Hauptspielarten den schwarzbäuchigen und schwarzkehligen Brand- oder Chohlfu̦x, und den Gold- oder Buech- oder Bärgfux. 6 Man kennt aus der Tierfabel auch den Namen «Reinegg».

Welch lange, bange, angstvolle Nacht also wieder für das kleine Vögelchen im Walde! Den Kopf ins kuglige Gefieder gedrückt, gewahrt es der Eule leisen Flug durch die Zweige, bemerkt es des Raubzeugs Heranschleichen. In der Luft, auf dem Baum, am Boden lauert hundertgestaltig das Verderben. Doch auch für diesmal wieder verbergen es ein kleines dichtes Gezweig, ein paar von Feuchtigkeit schwer herunterhangende Blätter; und in der Morgenfrühe hüpft es hervor, dankt für die Sicherheit des Lebens und lobt den Schutz des Lichtes. 7

Wo will man übrigens den wahren, nicht willkürlichen Begriff «Raubvogel», «Raubtier» abgrenzen? Nach Katzenart überfallen schon 217 die Wẹnte̥lli (Bettwanzen, Cimex lectularius), Spinni (Spinnen), Wï̦̆re̥m old Schlangi ihre Opfer. Vom Ei chhoren als Vogelmörder war bereits ( S. 209) die Rede. Dagegen soll der Tax als outsider der puren Klassifikationsnot zulieb ein «Raubtier» sein. Katzenartig beschleicht auch die Chuehstälza ( S. 197) ihre Opfer, ohne doch als Vŏgel unter die «Raubvögel» gerechnet zu werden. 8 Ein rechter «Vŏgel» war dagegen der Lammerggịịrt ( Gypaëtus barbatus), welcher z. B. an der «Vogelfluh» über Isenfluh hauste, nun aber auch hier ausgerottet ist. Der Vŏgelstein, 9 der Vogelbăle̥mbach 10 und die Vogelbăle̥m hinter Wärgistal reden vom Hị̈endervŏgel oder Hị̈enderggịịr, Ggịịr, worunter gewöhnlich der Habicht ( Astur palumbarius), aber auch etwa das Geschlecht der Ggaaggen: der Krähen verstanden wird. Denn sorglich beschützt die Grindelwaldnerin ihr Geflügel vor allem vor dem Ggaagg: dem gemeinen Raben ( Corvus corone). Schlauer und kühner als dieser ist nur der Kohl- oder Kolkrabe ( C. corax), der sogar uf Murwe̥ndi stichd und von dem ein Exemplar auf dem Faulhorn erst nach zehnjährigen Versuchen geschossen werden konnte. Er heißt Rapp, Bärgrapp, aber auch Blăgrapp (Aasrabe) wegen seiner weitreichenden Sanitätspolizei. Von dem ehemals viel ausgebreiteteren Hausen dieser Schwarzröcke zeugen die «Kramburg» («Krähenberg») des 13. Jahrhunderts, 11 die mehr als zwanzig bernischen Chrääjjenbị̈el (Krähenbühl) und die speziell nach der Nebelkrähe ( C. cornix) benannten « cornicularii montes»: der Gurnigel, das Gu̦rnĭ̦ge̥li. — Nächst verwandt der Alpenkrähe ( Pyrrhocorax graculus), 12 bildet eine außerordentlich charakteristische Erscheinung des Faulhorns und der Talschaft Grindelwalds die Alpendohle oder Schneekrähe ( P. alpinus). Es ist die Tä̆ha; 13 der Mehrzahl Tä̆hi entsprechen die «Dä̆fi» des Simmentals, die «Chä̆fen» des Oberhasli. Im Tä̆he nlooch am Itramengrat, im Burglooch und andern Wonneplätzen für die Nase halten sie ihre Guanolager einem unternehmenden Ausbeuter ohne Entgelt offen. Eine wirkliche Augenweide aber bietet eine Schar scheinbar unbeweglicher lang gestreckter Kreuze, die als ein dichtgeschlossenes Ganzes hoch durch die Luft schwebt. Solches Aufgehen des außerordentlich gescheiten Individuums in einer noch viel intelligenteren Gesamtheit macht sich auffällig in allerlei Einzelzügen. Wie auf Kommando findet eine Anzahl sich zusammen, um 218 mit angesetzten Schnäbeln eine Felsplatte zu welpen, unter der sie reiche Beute wittert. Und von welchem Solidaritätsgefühl beseelt, schießd die Schar in wiederholten Anfällen zischend und fauchend auf den Jäger los, der mit oder ohne Erfolg zue ’nne n gschossen heed!

Dem diebischen und geschwätzigen Dohlenraben ( Corvus monedula) eignet die Bezeichnung Tŭ̦la. — Zahlreich wie die Krähe hat auch der Hăbch 14 oder Habich, 15 Habicht Eigennamen veranlaßt. Das Hăbcherbächli oder Hăgkerbächli ist ein Nebenfluß des Bärgel. Grindelwalds g’wirbigi und tapfere Gemüsefrau (Frau Wenger), welche mit Unrecht sich durch den Zunamen d’s Hăbchi verunehrt fühlt, kommt aus Habicherron (1308), Hapcheren, Habkern. Habsburg, «Haptsburg» (1497) 16 ist Habechesburg usw. Als «Habicht im Kleinen» bezeichnet Tschudi 17 den Sperber ( Astur nisus). Der grindelwaldnische Spä̆rmwer 18 aber dehnt gleich wie der Stächcher oder Stächvogel und der Wanner oder das Wannerli seinen Namen auf alle die Habichte und Falken aus, welche in ganz besonderem Maße der panische Schrecken der kleinen Vögel sind. Wie wenig diese volksüblichen Namen sich mit zoologischen decken, geht aus dem alten Volksglauben hervor: Wenn der Ggu̦gger ụụfhëërd brïelen, su̦ gi bd’s e n Spä̆rwer old e n Wanner us ’mu̦. Wenn der Kuckuck sich nicht mehr gewahren läßt, so ist der Vorsommer so weit vorgerückt, daß die Hühner sich dauernd ins Freie wagen und damit richtig ihre Räuber anlocken. Vom Kuckuck heißt es aber auch: Der Ggu̦gger chann nid brị̈elen, ẹb er sịịn Hals mid Vogelei’ren g’salbed heed. Besser als die derart Fabelnden kennen die bedrohten Vögel selbst ihre Feinde. Starr vor Entsetzen bleiben sie sitzen, wenn der Finken- oder Hühner- oder Taubenhabicht, der rotfüßige oder Lerchen- oder Turmfalke die Flügel wie eine Wanne (Getreideschwinge) scheinbar regungslos ausspannt und derart dahar wanned. 19 In ähnlicher Abweichung vom Schriftdeutschen bedeutet Wịj (Weih) den Mäusebussard («Moosbụtz»), und unter Ggịịr sind die S. 217 genannten Vögel verstanden, seit der Lämmergeier ( S. 217) 20 nicht mehr als Kinderräuber 21 der Schrecken der Gegend ist. Wie auf diesen «bärtigen Geieradler», könnte wohl (wie 219 im Gịịre nschï̦tz, s. unten) der Name «Geier» sich auch auf den Steinadler (Königsadler) ausdehnen, wenn dieser König der Lüfte nicht mehr über Grindelwald thronte. Aber immer noch zieht der seine Spiralen von den Schrattenflühen und Brienzergräten her über die Faulhornkette gegen Wetterhorn und Eiger hinüber bis zur Waldisklamm im Lötschental und den «Adlerspitzen» 22 des Hohgleifen.

 
1   AR. 1811, 123-5; Keller 92-95.   2   Schubert 28.   3   Frid. 488-496.   4  Ebd. 490 f.   5   Tsch. 275.   6  Vgl. Haacke 51-57; Tsch. 365-373.   7  Viel schöner sagt dies die ergreifende längere Stelle Tschudi 112.   8  Namen sind eben nicht Definitionen. (Schleicher.) Sie halten sich an den — selbst auch oberflächlichen und ungenauen — Augenschein. Das lehrt ebenso «Raubtier» wie «Vogel». Letzteres Wort bedeutet den hervorragenden «Flieger» ( Kluge 391), wie auch gr. ornis (Vogel) eines Stammes ist mit arn und aro (im Wallis), Aar, Adel-Aar = Adler   9  D 2.   10  E 3.   11   Font. 2 (Register).   12   Frid. 423.   13   Haacke 581; AR. 1812, 181; 1814, 77.   14  So schon Stumpf 219 a.   15  Ebd.   16   Strettl. 184.   17  102 f.   18  Sperwer: Stumpf 291 a; Rebm. 142. Altdeutsches sparw-âri, d. i. Sperlings-Aar oder «von Sperlingen lebender Adler» ( Kluge 353).   19  Aus dem «Wanner» machte die gelehrte Zoologie einen «Wanderfalken» und übersetzte diesen als « Falco peregriṇus». Ähnlich wurde aus dem «Wannenweher» ( Cerchneis tinnunculus: Frid. 476-8) bei Stumpf (291 b) ein «Wandwäher». Wie «Wanner» zu «wannen», gehören «Habich-t» zu «happen» ( capere) und «Falke» zu falx (Sichel).   20   Tsch. 274; Altm. 211 f.; Alpina 1, 176-207.   21  Auf Mürren: Wyß 452; Stud. P. 195; das Gyren-Anni von Habkern: König 75-77.   22  So seit Edmund von Fellenberg: Stud. Ü. 4, 111.  
 

Der Mensch als Quäler und als Schützer.

Was der Geier in der Luft und der Wolf auf der Erde, das ist der Maulwurf im Boden. Kein Tier vereinigt, wie er, Gefräßigkeit und Bosheit. 1 Das büßt er aber auch, trotz seinem enormen Nutzen, mit bitterer Feindschaft des Menschen. In ein Band nimmt dieser den Schäär mit der Schärmụụs oder Stosmụụs ( Arvicola arvalis), der Glịịrmụụs (d. i. Haselmaus) und dem harmlosen Mï̦tzer («Schmü̦tzer», Spitzmaus). Allesamt sollen sie von Grindelwaldner Knaben gefangen und dem Schä̆rervogt jeder Bergschaft abgeliefert werden; und der am Jahresschluß fällige Preis von fünfzehn Rappen für jeden als Beleg vorgewiesenen Schwanz ist für die angehenden Gewerbsmänner der Gegenstand eines regelrechten Börsengeschäfts, wohl auch eines echt kommerziellen Check- und Giroverkehrs.

Männlich ernstes Waidmannswerk gilt dagegen der Gemse, dem Hasen, dem Murmeltier, dem Fuchs, dem Wildhuhn. Dazu locken schon das mu̦rw Fleisch der nach Volksetymologie danach benannten Murwe̥nden und der Schmutz dieses Tieres, der gleich dem Fux- und Gemschischmalz im Rufe hoher Heilkräfte steht. Die Bildne̥rra (das Zahnfleisch) zahnender Kinder wurde ehemals mit Hăsenhirni eingerieben, 2 während genossenes Geierhirn «die gedechtnuß» stärkte. 3 Gemschiballi aber (unverdaut zusammengebackene Wurzeln, Haare u. s. w. im Gemsenmagen) benahmen als Amulet Angst und Schwindel, machten als eingenommenes Pulver für einen Tag wundfrei und treffsicher. 4

Bernet-Jossi.

Ungleich dem ehemaligen Gịịre nschï̦tz (Adlerjäger s. oben) und Bärentreiber, welch letzterer bloß Kopf und die rechte Tatze abzuliefern hatte, 5 muß nun der J̣e̥ger d’s Pădänt nään. Unterläßt er dies, so läuft er täglich Gefahr, als Schlịịchịe̥ger ’trappierd z’wärden. Nun wird er nach dem J̣e̥gigräätli am Mettenberg u. s. w. berufsmäßig 220 z’Jagd gaan oder wenigstens als Dilettant (hoffentlich doch nicht als Sonntags- und Aasjäger) eppḁs ịe̥gerlen. Er geid i n d’Spĭ̦lhănen, i n d’Mu̦rwe̥ndi; und hat er es băr Mu̦rmwe̥ndi g’reichd («geholt»), so geht’s na ch de n ghornete n Mu̦rwe̥nden: den Gemsen. Er geid găn gemschinen, wie ein anderes Mal găn hăsnen und găn fu̦xen. Dabei gilt es eine Reihe hoher seelischer Eigenschaften zu entfalten, 6 worunter die Verwegenheit eines Michel und Baumann, 7 die Schicksals­herausforderung eines Zurflüh, 8 eines Hans Laueners, 9 eines Jonathan 10 nicht zu gehören brauchen. Die Gefahren der Jagd sind ohnedies groß genug. 11 Die Jagdmethode gründet sich auf Überlistung des Wildes in unzähligen Formen. Die Lŭ̦pe̥rtscha (Eisenhut) weist auf das ehemalige lëëken (ködern) der Füchse, die man einfach vergiften wollte. Ist es, wie heute, auf das Fell dieses Räubers abgesehen, so lockt ihn en Beizi, Fuxbeizi, z. B. 221 e n ’bratni Chatz. Mit dem verstreut Daliegen desselben vergleicht man das umhablăgen oder umhablĕgren eines Tagediebes, eines fụụlen Blĕgers. Von einer eingegrabenen Fu̦xhï̦tten aus sucht der Lauernde dem Tier uf d’s G’spoor z’choon; sei nun diese Spur ein zusammenhängendes Treib oder bloß ein hie und da leise eingedrückter punktartiger Tu̦pf. Hat der Jäger die Spur erli̦ckd, so muß er versteckta sịịn (sich verborgen halten) und als geduldiger, oft halb erfrorner Glị̈ị̈ße̥ler halbe Mond- oder Sternennächte lang glị̈ị̈ße̥len, speziell dem Fux lotzen. Nach selten gewordenem Ausdruck lụụßed mu̦ auf irgend ein Jagdwild, z. B. auf der Lụụßegg über dem Scheidegg-Oberläger, auf dem Lụụshubel über dem untern Grindelläger; vielleicht auch an dem seither umgedeuteten Lu̦u̦s zu Itramen 12 und Bußalp, dem «Lus ze ober Wenggwalt» (1334) 13 oder dem ( masc.) «usser Lus» zu Beatenberg (1359). 14 (An «Loos» zu denken, verbieten wenigstens für Grindelwald Lautstand und Sachverhalt.) Solches lụụßen und lotzen kann allerdings 14a schließlich zu den müßiggängerischen Gewohnheiten eines grindelwaldnisch gedeuteten Lụụsbueb, Lụụser, Umhalụụser, zu nichtsnutzigem umhalụụsen führen. 15

Einäugiger Jäger.

Streng berufsmäßig dagegen übt der richtige Gemsjäger seine Beobachtung mit Hülfe des Spiegels, Fernrohrs, Rohrs, Feldstechers von seinem Lueg aus (man sagt das Lueg), hinter dem Luegloch hervor. Solche Lueg, Mauerstücke mit Ausguck, legt sich aber auch das Murmeltier vor seinem Bau an. Unter tausend Listen nun sucht 222 der Jäger sich anzuschleichen. Er plaudert natürlich derartige Geheimnisse nicht aus, sondern gibt an ihrer Stelle allenfalls klassisches Jägerlatein zum besten, das selbst ein gelehrter Professor 16 für ehrliches Deutsch halten kann. (Ein solch aufgebundener Bär ist das platt Niederliegen und Bestreuen des eigenen Rückens mit Salz, damit der Jäger in Gesellschaft nahe weidender und den Gemsen vertrauter Ziegen in Schußnähe gelange.) Der Spĭ̦lhahn wird durch ant’ren (nachahmen) seines gru̦u̦dlen auf einen vermeintlichen Nebenbuhler und damit aus seinem Verstecke gelockt. Steinhühner sucht man zu erloïffen (einholbar müde zu jagen), was freilich schwer genug ist; denn sie loïffen unerchánnt. Verhï̦eted hinwieder werden die Gemsen, indem man sie über blendendes Eis, in eine Engi, eine «Gemsenklemme» treibt.

So gelingt es schließlich, das Wild z’uberchoon (in der Grundbedeutung «unterkriegen»). 17 An das «fangen» erinnern die Fangisalp am Faulhorn, die Fangweid u. dergl. Es spielt aber auch in dem eingangs angeführten Sport der Knaben seine Rolle, wie schon ihre beliebten Verse anzeigen:

I u du wei z’sämestaan,
Mir wei z’sämen huusen:
Du chaist denn ga Schäre faan
und i will ga muusen.

Auf solches faan verstehen sich einige von ihnen meisterlich. Sie wissen eine Mị̈ị̈se nzanga oder Mụụse nzanga (als Ersatz der ehemaligen Schwingen) mittelst spitz (knapp) eingeschobener Steinlĭ̦ne n so spitz z’richten , daß die Maus in der Regel flu̦gs (bald), der schlimmer Maulwurf doch nach einigen Tagen ịịngeid, i n Richti geid. Die Disziplin der Solidarität verhütet, daß einer dem andern uber d’Richti geid; und auch die frechsten Jungen stehen unter dem Bann der Überzeugung, daß, je mutwilliger eine Schädigung der Kameraden geschehe, desto geringer das eigene Glück sei.

Von Richtinen ist auch die Rede im Gemsenrevier, wo zerklüftete Absätze — Sẹtzle̥ni — gleichsam Fallen bilden. In einem Bä̆re nfalli hat einmal ein Bär «den Rest bekommen». Im Fuxịịsen oder in der Fu̦xtru̦cken fängt sich Reinecke, im Sprẹnggholz (Schlagfalle) das Hermelin, früher auch das Murmeltier. Heute sind Murwende nfalli ebenso streng verboten, wie das Ausgraben der Winterschläfer und das entsetzliche Anbohren mit Schrauben.

Aufgegeben ist auch die barbarische Gemsjagd mit Hunden. Bloß der Stutzer oder die Bï̦xa, früher der schwerfällige Fuxpŏler mit 223 Gschrëët setzt den Jäger in die Lage, daß er cha nn g’schießen. Ist das Grattier gued ’troffe ns, so wird es gleich ausgeweidet. Anders steht die Sache beim Fuchs, der vielleicht noch der Waidtasche entspringt, oder, die Nacht durch an den zusammengeketteten Hinterbeinen hängend, noch am Morgen durch Schwingen des Vorderleibes frei zu werden sucht. Dem Fux ist nịịd ztruwwen, bis sịịn Balg ’beizta ist. Belebt sich das scheintote Tier wieder: das gi bd e n Fucht! Das gi bd es z’sä̆me nsä̆gen mit dem Bï̦xe ncholben, bis der J̣e̥ger mu̦ ụụsg’wischd’s 18 heed, daß ’s nịị-mmeh a n d’s verspringen (für immer entweichen) teichd!

Wildhüter Stoller.

Als Beispiel individuellster Jagdmethode mag folgendes Grindel­waldner­stï̦ckli die Fachmänner interessieren.

Da wä r 19 e n gschẹntiga Fu̦x gẹng de n Lịịten newwḁ n uehi i’n Hïenderstall ịị nbrochen. Da hed alls beizen u nd llotzen nịịd abtragen; só hei n s’ dä’n Pu̦rst nid chënnen uberchon. Hei n s’ ’mu̦ g’lotzed, su̦ ist er nid choon; u nd wenn s’ e̥m zuehi 20 sịịn u nd d’Beizi hei n la n lĭ̦gen, su̦ 224 is’ s’ am andre n Tag g’wi̦i̦ ß furt g’sịịn. Das ist ḁ lsó g’gangen, bis daß ’s de n Lị̈ị̈ten ei ns ist lẹngs gnueg g’sịịn, u nd das s ’nen d’Hị̈ender aa nfḁ n starch g’schwĭ̦nen hein.

Duḁ ist Bernet’s Hänsel z’wääg. Das ist däm chï̦nd’s g’sịịn, där hed mu̦ g’wi̦ßd z’tuen! Sie hein e n Chrĭ̦snaadel­hŭ̦tta g’nu̦u̦n, und Hänsel wä r da dri̦i̦n. Dḁrna ch sịị n s’ ze’m Schị̈ị̈dli, 21 wa s’ dem Fux g’lotzed hein. Dert hei n s’ d’Hutta ụụsg’lăden. Hänsel ist im Schị̈ị̈dli ’blĭ̦ben; u nd der Pụụr, wa n e n tragen heed, ist mid der Hutten abg’schŏben.

Der Fux hed dam Zị̈ị̈gli wie geng zueg’sehn und hed g’meind, jetze n sịịg d’Stu̦ba g’wi̦schti. 22 Är ist, wa ’s ’tụụchled heed, u̦f d’Beizi z’wääg. Aber éb e̥r rächt hed chennen anbịịßen, hed mu̦ der Hansi eina g’steckd, das s mu̦ d’Hïender­g’schentigi fï̦r gẹng vergangen ist.

Jagdabenteuer und Jagdleidenschaft stehen in bekanntem Zusammenhang. Daher wäre unsere Bergwelt längst verödet, wenn es nicht bereits zu Stumpfs 23 Zeiten einen eidgenössischen Hochwildbann gegeben hätte. Alt ist im Oberland auch der Begriff der «Schonvë̆gel». Das beste in der Sache tut aber der Wildschutz, wie er u. a. in den vier oberländischen Bannbezirken geübt wird. Als Wildhị̈eter des Bezirkes «Faulhorn» vollführt der zweiundachtzig­jährige Stoller im Lütschental noch heute seine zweihundert jährlichen Gänge. Zum Wildschutz sollte freilich noch die winterliche Gemsenhege kommen, 24 wie tierfreundliche Leute uf der Sulz sie im Bereich der Pfingstegg übten. Welche Aufforderung bieten hierzu so schneereiche Winter, wie der von 1906/07! Da ist die bündnerische Regierung mit trefflichem Beispiel vorangegangen.

 
1  Vgl. die Schilderung Tschudi 125 f.   2   Stumpf 290 a.   3   Rebm. 347.   4   Kyburtz A. 33 ff.; Keller 64 ff.   5   Habsb. 1, 508.   6   Keller 199 ff.; Tschudi 324-361; Osenbr. 6, 129-138 usw.   7   GlM. 150.   8   Roth 126.   9   Tsch. 350.   10   Osenbr. 6, 131 f. Feierabendkalender zu den Emmentaler-Nachrichten 1905.   11  Vgl. Kuhn’s «Gemsjäger», sowie Straßers «Grab des Gemsjägers am Wetterhorn»: Sänger 217 f.   12  C 3.   13   Font. 7, 70.   14   F. 8, 308.   14a  Emment.-Bl. 1904, 84.   15  Richtiger denkt man freilich an Lauser, Lausbube nach Lf. 444.   16   Wyß 589.   17  Vgl. overcome.   18  Das «Lebenslicht ausgeblasen»; Damit stimmt im Ideengang extinguere, éteindre, extinguish.   19  Dieser so beliebte referierende Konjuktiv wird in unserm Buch noch häufig begegnen.   20  Heim.   21  Scheuerchen.   22  «Das Feld rein»; vgl. Lf. 232.   23  288 a.   24   Keller 199 ff.  
 


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