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Aus Grindelwalds Bergwelt.

Bergnamen und Zeugen des Bergsinns.

G

Initial «G» a. d. Schreibbuch d. Peter Betschen v. J. 1738.

 

rindelwald — eine Welt für sich! Ringsum sozusagen von der Außenwelt abgeschlossen, bleibt es doch, bei allem regen Verkehr mit ihr, voll Eigentümlichkeiten in Land und Leuten.

Auf éinen Zauberschlag eröffnet Lauterbrunnen dem entzückten Besucher ein Gesamtbild, in welchem tausend Züge landschaftlichen Reizes sich in vollendeter Harmonie in den Rahmen des jungfraubeherrschten Panoramas einfügen. Die Talstufen des Oberhasli hinwieder wollen jede mit ihrem originellen Charakter für sich aufgesucht, angeschaut, verstanden, gewürdigt sein. Die Gegensätze vermittelt in eigenartiger Weise das zwischen beiden Längstälern sich hinbreitende Quertal Grindelwald. In der beispiellosen Mannigfaltigkeit seiner kleinen Reize — wie vo’ n Tĭ̦ĭ̦be̥lline n sịị n s’ z’sä̆me n’traagen! — und seiner großen Effekte muß der sprachlos übernommene Neuling sich erst zurechtfinden. Nicht lange aber, so erkennt er die wirkliche Einheit dieser Schaubühne, auf welcher ungezählte Ereignisse des gemeinen Naturlebens sich in überwältigend vergrößertem Maßstab abspielen.

Diese Bärga vorab, die himmelanstrebenden Titanen gerade aus der Mitte der Alpenwelt! Als schreckhaft drohende absolute Herrscher, wie aber auch als mächtige Schützer umstellen sie in wenig durchbrochenem 2 Kreis des weiten Talgrundes sommerliche Smaragddecke und winterliches Schneegewand, halten Wache über die verschwenderisch hingesäten Häuser und Häuschen und Hütten. Wo aber ihr Ring sich löst, da entsenden sie zwei grotesk ruinenhafte Gletscher als Boten der menschenfernen Hochwildnis tief ins Bereich der Kultur hinab; und diesen entgegengesetzt, bahnte ihr Sohn, der heutige Talfluß und einst mächtig brausende Talstrom, den einzigen Weg d’s Land ahi, zur Gesellschaft der übrigen Menschen.

Wie ist auch, entsprechend solcher Stellung der Naturriesen zum kleinen Menschen, von ihrem kolossalen Aufbau doch alles Klotzige und Plumpe, Ungegliederte und Ungeschlachte so glücklich ferngehalten! Ein Blick auf jene Viescherwand, die als so wirtungsvoller Hintergrund die graulich schimmernde Fläche des untern Eismeers, die dunklere Gletscherlinie und das schwarze Geröll der einstigen Zunge abschließt! Wenn der unvergleichlich reine, duftige Madonnenschleier des frischen Sommerschnees in der Nachmittagssonne blinkt oder vom vollendeten Zauber einer Grindelwaldner Mondnacht übergossen ist, dann scheint dieses in erdenfernen Äther getauchte Naturgebilde kaum etwas mit unserer Wäld 1 gemein zu haben. Welch ein Vergleich mit dieser nahen Eigerwand im Vordergrunde rechts! Es ist bezeichnend, daß noch nicht orientierte, aber denkende Fremde angesichts der beiden etwa fragen: Ist nicht jene «in Ewigkeit verschleiert Sitzende» die Jungfrau? Der Mönch aber «dieser finster-trotzige Gesell, der es unter seiner Würde hält, auch nur einmal ein freundliches Gesicht zu machen?» Haben sie dann vom «Kloster» Interlaken, oder von der Station Wilderswil, ja wohl gar von Isenfluh aus die Königin der Alpen in der ganzen Schönheit ihrer Formen und der Reinheit ihres Gewandes erschaut; haben sie hierauf auf der Wẹngrenalp dem überwältigenden Gesamteindruck der drei Majestäten Eiger, Mönch und Jungfrau sich hingegeben: welch überraschende Orientierung! Die Trägerin des strahlend weißen Prämon­stratenser­gewandes, als welche die «reine Jungfrau» in ursprünglichster Namensdeutung von den Mönchen Interlakens geschaut wurde, hat ja einen Mönch zur Linken wie zur Rechten. Aber der zur Rechten ist der ursprünglich einzig rechte und eigentliche 2 Mï̦nch. 3

Grindelwald vom Wartstein (Schulhaus Wärgistal) aus

Es ist der weltliche Vorbau der Jungfrau. Derselbe gemahnt, von Mürren aus gesehen, ja wirklich in seiner Positur mit dem gleichsam andachtsvoll hochgerichteten Kopf und den auf einen Schemel vorgestreckten 4 Füßen an einen Domherrn, 4 sowie in seinem stetig schwarzen Gewand an einen Benediktiner. Er mußte daher der «Schwarzmönch» heißen, seit der stattlichere und um seiner Aussicht willen in Mode gekommene heutige Mönch diesen Namen usurpierte und bloß vorübergehend sich rücksichtsvoll als «Weißmönch» neben den enterbten Bruder stellte.

Vordem 5 hieß der heutige Mönch «Heigers» oder «Eigers Geißberg». Als sein nördlicher Nachbar galt «Heigers Schneeberg», unter welchem vermutlich die Eigerspitze und die Mittellegi, zusammen im Volksmund der wịịß Eiger genannt, zu verstehen sind, während der schwarz Eiger oder die Hĭ̦re̥lle̥ni die «Hörnlein» oder «Eigers Breithorn» hießen. Der letztere Name erklärt sich aus der Gestalt des Absturzes gegen den Mettenberg hin. Das diesem entgegengesetzte Westende: das über den Eigergletscher vorspringende, aus riesigen Felsstufen aufgebaute Halbrund hieß zusammen mit dem Eigerrotstock und dem Mönch, als «Geißberg» der «hintere, kleine oder innere Eiger». Der «vordere, große oder äußere» war demnach ungefähr der heutige Eiger. Unentschieden bleibt die Tragweite des Namens sowohl durch die älteste Form «Eger» 6 vom Jahre 1252, als durch den Gutsnamen under Eiger, 7 der schon 1302 als «das len under Eigere» 8 und 1349 als Besitz des «Uolrich under Eiger» 9 erscheint, und den zugehörigen Flurnamen d’s Undereigerli.

Für den herrlichen Berg im heutigen Sinne aber, der da so unmittelbar aus breiter Talsohle in éinem imposant kühnen, stolzen, freien Aufschwung durch alle Abstufungen organischen Höhenlebens bis ins Bereich des ewigen Schweigens emporbringt, paßt sein Name ausgezeichnet. Er ist ja wirklich der «schneidend scharfe», 10 der «schwertscharfe» Berg — eine Deutung, wie sie uns 11 auch für die zahlreichen Egg (Scheidegg, Strahlegg, Bäregg, Trịịhelegg, Schonegg, u. s. w.) sich aufdrängt. Man vergegenwärtige sich vorerst die Eigerspitze, deren Konturen im Winter noch durch die messerscharf zugeschnittene G’wäächta 12 vergrößert hervorgehoben werden. Von drei Seiten laufen die Kanten in eine Spitze zusammen, die den ersten Ersteigern gerade Raum für die in den Firn eingetriebene Fahnenstange bot. 13 Die dritte dieser Kanten zieht sich wie die Schneide eines gründlich abgebrauchten Hĕgels über die ganze Länge des Berges hin. Mit der Beträchtlichkeit 5 derselben kontrastiert auffällig die außerordentliche Schmalheit des Massivs (der Hufeisenförmige Bahntunnel mißt bis zur Station Eißmeer bloß bei 1200 m.). Gerade diese Gestalt aber, welche auch die Ersteigung zu einer Leistung ersten Ranges erhebt, verleiht in den Augen des vertrauter Gewordenen der doch gewaltigen Bergmasse mit ihren starren, nackten Felswänden dennoch den Eindruck des Gefälligen, unwiderstehlich Anziehenden.

Vollendet wird der Eindruck des kunstvoll Zugehauenen und stellenweise zierlich Gemeißelten durch die ganz eigenartige Gestalt der Hĭ̦re̥llĭ̦nen. Hĭ̦re̥lle̥ni 14 heißen nämlich die jederzeit schwarzen, weil mit ihrer Steilheit keinen Schnee ansitzen lassenden, figurenreichen Zacken des östlichen Bergrückens. Den gleichen Namen trägt der Südostabfall des Röthihorns gegen den u̦ußren Spitz hin (vergleiche den Waldspitz und die Stellen im Spi̦i̦ß), 14a wo e̥s băr Ggrăffla ḁ lsó i’ n Luft uehi stotzen. Auch den Grat der großen Scheidegg nannte man noch vor hundert Jahren z’Hĭ̦re̥llĭ̦nen, und z’uuß’ren Hĭ̦re̥llĭ̦nen hieß eine Spitze über dem Dräckstutz am obern Lauchbühl. Der Spott der Jungen über den altväterischen Klang tötete hier das Wort, das doch in der Sprachgeschichte eine so gute Stelle hat. Denn das Hĭ̦re̥lli ist eine Verkleinerung zweiten Grades aus der Bildung das Hĭ̦ri (Hörnchen). 15 Eine gut gebaute Hasliziege hed liechti, chlị́ị́nni Hĭ̦re̥ni, und an solche erinnern den Aelpler sowohl d’s Hĭ̦ri: ein kleines, spitzes Felsstück rechts des hangenden Wang auf der großen Scheidegg-Alp, wie d’s mitten Hĭ̦ri: 16 das wirklich, in einer benachbarten Felsgruppe mitten inne stehende «Hörnchen».

Es älpelt auch auf dem Wätterhŏren — wenigstens in halber Höhe in der Gesellschaft zutraulicher Ziegen und Schafe, wie in märchenhafter Vorzeit unter den Gemsen, mit welchen die in dem wundervollen Zeltbau wohnenden Zwerge g’chị̈ej’red («gekühert») hein. Ganz so heimli ch (heimelig) indes mutet den Bergsteiger der mit Wätter (Ungewitter) und Steinschlag drohende Berg durchaus nicht immer an. Nur unter steter Vorsicht erklettert er die vorderste der drei «Wetterhorn»-Spitzen: die (in wirklicher Mundart niemals so geheißene) Hasli-Jungfrau, 17 auch etwa das Mittel- und das Roosenhŏren. Der erstgenannten 6 Spitze kommt die engere mundartliche Bezeichnung Wätterhŏren wirklich mit Recht zu. Mehr noch aber «schreckt» nach gut volksmäßiger Deutung das ebenfalls im engern Sinn so geheißene Schreckhŏren (das große Schreckhorn südwestlich des kleinern). Das sehr harmlose Schreckfäld (d. i. das g’sch treckd Feld an Grindel (vgl. «das mahd uffen Schrekke» 1345) 18 beweist freilich, daß die Wortform auch noch andere Deutungen zuläßt. In der Tat ist es bei «Schreckhorn» das ursprüngliche sinnenfällige scrëckôn (aufspringen wie die Heuschrecke), was der Anschauung des turmhoch, schmal und fast senkrecht «aufgeschossenen» 19 Berges zugrunde liegt. Hinter dem Schreckhŏren bleiben die kleineren Genossen seiner Gruppe: Mättenbärg, Gwächtenhorn, d’s chlịị n Schreckhŏren, kleines und großes Brändler- oder Rässihŏren 20 und Lụụteraarhoren schon nach Ausweis der mundartlichen Formen in der Beachtung zurück. Aus respektvoller Ferne dagegen schaut der Talbewohner auf zu dem majestätischen Fịịsteraarhoren, dessen im Abendschein rotglühende Nordwestseite doch jeweils so freundliche Gutenachtgrüße nach unserem Dorf herübersendet. 21 Dann schweift der Blick zur Rechten nach dem kleinen und großen Biescherhoren, ebenfalls Grindelwalds Grenzwächtern gegen das Wallis.

Die Bezeichnung «Horn» tragen mit gleich großem Recht das Rëëtihŏren und das benachbarte sĭ̦mel Hŏren der Faulhorngruppe, Altes sin-wel 22 ist emmentalisches «simbel» und grindelwaldnisches sĭ̦mel (zylindrisch, so daß der Körperdurchschnitt wirklich oder ungefähr einen Kreis zeigt). Das wie «Schwarzhŏren» ( S. 7) als ein Wort schreibbare Sĭ̦melhŏren, welches den rumdturmartigen Aufbau gut charakterisiert, wurde von ältern Führern den Kartographen halb schriftdeutsch als das «sĭ̦meli Horn» (etwa wie «die gueti Kueh») bezeichnet, und von daher schleppen sich das «Simelihorn» wie der «Simeliwang», der Guggisberger «Simelibärg» u. s. w. als Erbgut weiter. 23 Ein «Felsenzahn» wird das Simelhorn auch geheißen, wie der (in Grindelwald nicht zur Vergleichung herangezogene) Zand im westschweizerischen 7 « dent» häufig wiederkehrt. Mancher dieser «Zähne» hieße richtiger Pyramide. 24

Als die schönste und vollkommenste Pyramidalform der Alpenkolosse 25 gilt das vorderste Wetterhorn, als «schönster Felsenkegel» ( Chĕgel) der Berneralpen 26 das große Schreckhorn. Etwas freigebig geht das Französische auch mit der « aiguille» ( Naadla) um. Treffend heißt so bei Gottlieb Studer 27 das Finsteraarhorn, dessen «ätherdurchschneidende Nadelspitze auf prachtvoll regelmäßiger Pyramide» dem Vieschergrat entsteigt.

Der Anblick unserer herrlichen Berggestalten, dieser «kristallisierten Schöpfungsgedanken», 28 wie schon das Schwarzhŏren oder wie das Hŏren schlechthin: das Faulhorn ihn bietet, 28a kann ein wahres Schwelgen in Bildern hervorrufen. Wie wenig es alsdann mit der Zeit auf die Genauigkeit derselben ankommt, und wie die Bilderrede sich abstumpft gleich der Nadel, dem Zahn, dem Horne selbst, ist begreiflich und liegt im Wesen der Sprache begründet. Gerade das Faulhorn ist vielmehr ein halber, nach der sehr breiten Basis hin entzweigeschnittener Kegel. Seine familiäre Bezeihnung d’s Hŏren besagt daher dem Grindelwaldner nicht viel anderes, als wenn er den breiten, sanften, gleichmäßig verlaufenden, keineswegs hohen Abhang über dem Bĭ̦dem-Läger der großen Scheidegg mit der Richtungsangabe ŭber d’Hŏren ụụs bezeichnet. Wie füglich kann man daher schließlich «Horn» als entbehrlich gefundenes Anhängsel am ursprünglich bloßen Bestimmungswort weglassen 29 und z. B. statt «das Burghorn» (1787, 1808) einfach die Burg sagen! Viel häufiger auch als das Rëëtihŏren oder das Rëëtihĭ̦ri hört man das Rëëti, nicht selten statt «Finsteraarhorn»: d’s Fịịste̥rra. Der erste und nun einzige Wortteil besagt ja alles. Der dunkle Schieferton z. B., welcher die Kette des so stark verwitternden Fụụlhŏren und der benachbarten Fụụlegg aufbaut, die rechtsseitigen Zuflüsse der schwarzen Lütschine im Vorsommer Kohlschwarz färbt und besonders in der höchsten Erhebung des Schwarzhŏren sich sichtbar macht, ist sehr ausgiebig im Rötihorn von Roteisenstein durchsetzt.

Zu lohnendem Ausblick laden auch der niedrige Tŭ̦ren der Burg und das Rasenstück an dem spitzen Kegel z’Hohturnen am Mettenberg ein. Ebenfalls als natürliche Burg erscheint das Schloß oder Schloos (Wildschloß) im Schlŏßhŏren, der Schlŏsloui und den Schlŏsblatten an der Südostseite des Eiger. An Verteidigung 8 gemahnen auch alle die Schilt, wie z. B. der Bergschopf am Südfuß der Grindelalp, das Schilthorn und das Schilthĭ̦ri an der Bußalp, die Schiltegg ebendort, die Schiltweid und der Schiltwald u. s. w.

Einen entgegengesetzten Eindruck hiezu machen die auffälligen Lehnsesselformen, welche vom Ịịsch aus die Viescherwand, von Mürren aus die stattliche Berggestaltenreihe vom Mönch bis zum Großhorn hin sehen lassen. Einigen von ihnen fehlt sogar das Paar der zugehörigen Armlehnen nicht.

Verständnisvoller jedoch schaut der Natursohn der Berge im Hochsommer auf zum emsigen Wildheuer auf den Bẹndren: den Streifen bewachsenen Bodens, welche — oft in schwindliger Höhe — quer an den Felswänden hinlaufen. Ein solches Bẹndli oder ein solcher Bẹndel ist z. B. das Rajftbŏdenband am untern Gletscher. Bandartig verläuft auch der Tschingel ( cingulum, Gürtel). Nach ihm benennen sich der Tschingelbärg mit der Tschingelei Burglauenens, der Tschingelgrat usw. Der Gurt erinnert an die verschiedenen Sättel und Sätte̥lli des Gebirgs, diese wieder an die Jï̦̆chcher (Jöcher, Joche) als Übergangsstellen, z. B. das Mï̦nchjooch.

Wie reich sind die Bergnamen nach Gliedern der Menschengestalt! So gilt die Winteregg- Bĭ̦ra (Birra oder Berra: pierre, aus petra, Fels) als der Tụụmmen der Hand, welche ein fünffach gezackter Felsrücken am Faulhorn dem Älpler zu bilden scheint. Bis zur Mechanisierung häufig redet man vom «Fuß» und ebenso vom «Rücken» des Berges. So ist der Geisrï̦gg auch die oft sehr schmale Kante zwischen zwei Gletscherspalten. Nach einer uralten Grundform 30 des Wortes benennen sich beide Rugen. Der Rücken ist die gerundete, der Grat die zugeschärfte obere Abschlußform eines Höhenzuges. Wie zutreffend ist darum der Vieschergrat mit seinem fast durchsichtigen Eiskamm benannt! So scharfkantig, daß sich auf ihnen gri̦ttlige n (rittlings) sitzen läßt, sind die Gräte des vordersten Wetterhorns und des großen Schreckhorns. Ihnen gebührt daher auch die Bezeichnung First. Die ụụßer und die innder First trennen als unersteigbare Schranke die Baach- von der Grindelalp. Mit Recht tragen ihre Namen auch die Schaafgräät, der Widderfäldgrat, das Chrinnen- und Ri̦tzeṇgräätli der Faulhornkette, das Wildgräätli am Wetterhorn, das J̣e̥gigräätli am Mettenberg, der schwindeltief abstürzende Itrameṇgrat. Die große Scheidegg hieß früher der Eselsgrat oder kurzweg der Grat, wie die kleine Scheidegg das «Grätlein». 31 Das Gasthaus 9 auf der ersteren trug den Namen Graathu̦u̦s, und noch zur Stunde vereinigen sich dort die Hasler mit den Grindelwaldnern am Älplersonntag als am Gräätlidorf. Von der Grindelalppartie im Ru̦ppi (emmentalisch «das Rü̦ppi» = die Rippe) bläst der Ru̦ppitị̈ị̈fel her. (S. « Luftmeer».)

Die mächtige Seitenmoräne des obern Gletschers unterhalb des Milchbachlochs und der Halsflueh heißt die Halsegg. In ihrer Nähe hat 1808 eine Lawine den Halswald teilweise zerstört. Das einfache «Hals» für «Tobel» 32 ist nun vergessen; nur der Chällerhals, «Kellerhals» und neck of a cellar, 33 sowie umgekehrt der «Flaschenhals» und le col oder cou de la bouteille lassen an ein zugrunde liegendes ex-cellere und ex-celsus 34 im analogen Doppelsinn z. B. eines «hinauf» und «hinab» Steigens denken. Der Nacken heißt «Näcken» (emmentalisch «Äcke»). 35 Wie engl. neck und «Genick», sind auch la nuque und der Nu̦ck Ablautformen. Örtlichkeiten uf dem Nu̦ck gibt es zu Wärgistal und Bußalp. Der Nollen unter der Burg erinnert an den Challigrind, d. i. den rundköpfigen Aufsatz des «Oberchalli» am Eiger. («Kalli», schon 1252: Challi, gehört vielleicht zu keltischem gall, Fels.) 36 Auch der Absturz eines solchen Felskopfes heißt Grind; so die Tschingeleigrinda der östlichen Männlichen-Partie. Zu all den Figurenspielen der abtragenden Naturkräfte gehört die halb oder fast gelungene Nachahmung des Menschengesichts. (Vgl. den Mönch S. 2.) Das Antlitz einer liegenden Frau wird am Gemsberg erblickt ( S. 11). Ein Manndli mit Kappe sieht man zwischen Eigerspitze und kleiner Scheidegg von der großen Scheidegg aus. Das «Hardermanndli» ist durch Arnold Halder besungen worden 37 und lebt literarisch fort durch das «Oberländer Volklsblatt». Das Napoleonsgesicht am Mont-Blanc und der Napoleonshut am Breithorn bedürfen bloßer Erwähnung.

Nicht etwa zu «Kopf», sondern zu altem kapfen (aufpassen, Durch «gaffen» entstellt und verdrängt) gehören der Kapf am Zusammenlauf von Simme und Kander, sowie die Berghöhen Chäpf, das darunter liegende Heimwesen uf dem Chapf 38 und das Chapfli. «Aufpassen» gehört zur Funktion des Landjägers, des Schandarm ( gens d’arme). Der Bezwinger des Eiger, des Grates zwischen Mittelhorn und Mitteljoch der Wetterhorngruppe, des Gspaltenhorns, des Matterhorn u. a. kennt ihn als widrigen Wegsperrer, der ihm noch im letzten Augenblick den Aufstieg zum ersehnten Ziele streitig macht.

10 Das Wang erscheint schriftdeutsch 39 als singularisierte Mehrzahl: «die Wange». Davon unterscheidet sich als geographischer Begriff (begraste Halde) der Wang. Dies Wort erlitt jedoch mannigfache Verdunkelung. Aus Meisterswang wurde Meisterschwanden, 40 aus Hindelwang 41 Hindelbank und aus dem Meie nwang (Blumenhalde) 42 der Grimsel machte man die «Maienwand», als ob hier an den steilen, felsigen Absturz einer Viescher- oder Eigerwand, an die Wandflueh u. drgl. zu denken wäre. Besonders aber verwischten sich die Biegungsformen. Sehr gut kennt der Grindelwaldner den Schaafwang, den hangende n Wang und den lätze n Wang (der sich vom Grindelwaldner weg gegen Hasli wendet), den Buehiwang, Jochwang, Wildwang, Jŭ̦de nwang. Er ist heimisch im Hŏhle nwang der Bachalp, am grị̈enne n Wang des Eiger, am Tierwang als Westabsturz des Gassenhorns. Er weiß, wo die sĭ̦me̥le n Wẹng oder Sime̥le nweng ( S. 6), Firstweng und Gĭ̦gliweng des Faulhorngehänges, die grị̈enne n Weng als unterste Fluhsätze des Grindelwaldner-Grünhorns sich hinbreiten. Lauterbrunnen hat seinen Wengbärg, bereits 1349 seinen Wängwald. 43 Eine Verkleinerung gewohnter Art ist das Wengli. Ein solches bewohnte 1347 Uolrich an Wengi. 44 Fremde aber deuteten die Biegungsform «in den Wänginen» als «die Wengenen», «die Weng» als «im Weng» (1578); 45 neben die Bezeichnung i’ n Cherwengen, i’ n Firstwengen, i’ n Stotzwengen uehi, 46 i’ n Zịịle nwengen (den «Seitenwängen» der Topographen), us den Helle nwängen setzten sie «der grüne Wengen». 47 Es ist dies ja die nämliche Fallverschiebung, durch welche «der Bären», der «Löwen» (Leue n) uns zur Einkehr laden, wenn wir Orte wie «Meiringen», «Gadmen» 48 betreten. So entstand (schon vor 1372) 49 aus den sehr deutlich durch kleine Seitenhalden getrennten Wängen die Ortschaft, aus welcher die «Hotelstadt» Wẹngen in ihrer behaglichen Ausdehnung erwachsen ist; und aus der darüber wie ein vielfach gefaltetes Papier hingebreiteten «Wenge̥rren» (Komplex von Wängen 50 ) setzt sich die Wẹngrenálp («Alpwengeren» 51 ) zusammen.

Das Menschengesicht am Gemsberg.

Wo es starch ablitz (äußerst steil) ist, oder eine Ablitzi sich breitet, oder auch wo der Abhang etwas weniger abheltig, anhaldig aussieht, 11 da würde ein nicht waagrecht fundamentierte Gebäude nach unten halden (emmentalisch: chiere n), als hätte man es absichtlich g’helted. Danach sind die zahlreichen Haalti (Halden) benannt. Die Haalta braucht uns indessen hier 52 ebensowenig näher zu beschäftigen wie Stalden, stotzig, im Stotze̥nden, an der Stotzhaalten und jeder Stutz, jedes Stutzli. Auch der Hubel, der Rein (Rain), der Bị̈el bieten nichts Neues, so mancher der nach ihnen benannten Abhänge sich mit der Chratze̥rren des Faulhorngehänges in den Namen teilen könnte. Denn das Grindelwaldner-Land (Erdreich) ist nicht bloß g’hŭ̦bleds, sondern ụụf’zŏge ns: sehr steil. Dieses «steil» ist altes stëchal, welches sich in der Stächelegg des Tischingelberges, im Stächelbärg Lauterbrunnens erhalten hat. Der Grindelwaldner kann wie der Lütschentaler scherzen: Der Herrgott hed’s gued mid ï̦̆ ns g’meind! Är hed ị̈ị̈ ns ví̦í̦l Land welleṇ gään, wa n er d’Wäld g’machd heed; aber är hed dekei n Platz funden, fï̦̆r’s darz’tuen; duḁ ist mu duḁ z’Sï̦̆ï̦̆ n chchoon, är well’s uf enandre n tï̦̆schen (s̆s̆). Ähnlich erklärt man die Stotzweid unter der Grindelalp: Der lieb Gott hed dekei n Platz g’hä̆ben fï̦r sa z’lĕgen; duḁ hed er sa duḁ g’stï̦tzd (steil wie eine Leiter aufgerichtet). 12 Wie manche Hëëjji, manche Verhëëhug gibt’s da zu ersteigen! Manch eine Flueh auch bildet gleichsam als riesiges Tălibort ( talus, Böschung) zugleich ein Bort als Feldgrenze. Hieran denkt der Grindelwaldner, wenn er von einer endlich zu erledigenden Angelegenheit sagt: jetz mues ’s ei ns an e̥s Bort dḁrmid!

Ein Zugtier, das sich frei macht und bergauf flieht, geid z’Bärg in allerdings 52a anderem Sinn als der Älpler. Es geht ins Gebirg, welches in älterer Sprache einfacher das Birg hieß. Noch hat Mürren sein Birg, sein Weiß- und Schwarzbirg; und der Hexen- oder Hinderbirgsee deutet darauf, daß noch unlängst 53 der hohe Gebirgswall, welcher westlich vom Schwarzhorn sich gegen das Faulhorn hinzieht und die Wasserscheide zwischen Brienzersee und Grindelwaldtal bildet, die allgemeine Bezeichnung Hinterbirg trug. Auch «der Bärg» bedeutet noch mitunter, wie früher 54 regelmäßig, das Gebirg. Von ihm wird, oft mit dem Anklang des Heimeligen, das einzelne Bärgli für sich herausgehoben; so das an der Viescherwand, wo die Bärglihï̦tta steht; so das Joggelisbärgli 55 : eine Schafweide, über welcher der prächtig ziselierte Bärglistock sich erhebt.

Der «Stock» selbst, dem Baumstrunk im Walde verglichen und auf so manchen Berg, wie den Rootstock und das Rootstëckli, Pfaffe nstëckli angewandt, erscheint noch viel häufiger 56 in der Übersetzung Tschugg, Tschuggeli, Tschụggen (zu tessinischem Zocco, zu französischem soc, lateinisch soccus, vgl. Socke und Sockel). So wird heute der mächtig aufgesetzte Stock zwischen Lauberhorn und Männlichen genannt. Der letztere, so schöne Berg hieß früher Thunertschuggen, wobei «Thun» auf Thunerherren als einstige Grundbesitzer deutet. Auch unterhalb Mürren gibt es einen Thunertschuggen, und der Wengenberg begegnet uns 1811 als Tschuggenberg.

Wie Mürren und Grindelwald auf mehreren übereinander liegenden Terrassen sich hinbetten, wie wir ähnlich den Hasliberg stufenmäßig gegliedert sehen, hat auch Grindelwald seine Wï̦ï̦rf: Fluhsätze, abwechselnd mit kleinen Ebenen. In Hewwï̦ï̦rffen heißt eine solche Partie am Wetterhorn, im obre n Satz eine andere. Solch steiles und meist felsiges Ansteigen des Bodens zu hochgelegenen Terrassen und gleich weiter zu den schuttbedeckten Felseinöden des Gebirges gehört eben zur Charakteristik des östlichen Berner Oberlandes 57 . Dies führt uns auch 13 über von der hu̦bben (konvexen) zur ị́ị́nhohlen (konkaven) Bodengestaltung.

Eine «wohlgelegene» Berghöhe ist eine Lä̆ä̆gi oder auch eine Gg’lä̆gni. — Am Männlichen-Absturz über dem Tschingelberg aber liegen die Ruhrlẹge̥ni, und eine für sich so geheißene Ruhrlĕgi ist ein gangbarer Pfad nach dem Männlichen. Über der Wärgistaler-Rinderalp hinwieder erstreckt sich die Mittellĕgi zum Rücken des Eiger empor, um nun kartographisch als Mittellegi diese schon weniger wohlgelegene Bergpartie zu bezeichnen. — Die waagrechte Ebene heißt die Äbni (ä̆) oder das Äbnit (ä̆). In grindelwaldnischem ä̆ben wie in altem «eben» 58 kann allerdings, wie sehr anschaulich die «ä̆bni Fluh» der Jungfraugruppe beweist, auch jede andere Linien- und Flächenrichtung, z. B. die sẹnkelgradi (senkrechte) und die e̥twä̆rist (quer: twäris 59 oder zwäris), 60 widerzwärch gerichtete angedeutet liegen. Wer in auffälligem Stolze gstrackd, bolzgrădụụf gerichtet einhergeht, chund ä̆ben dahar; das ist en ä̆be̥nna! «Eben» bedeutet auch: einer Person oder Sache gemäß. Ee wch wei n mer flăxen dem Tị̈ị̈fel ä̆ben! revoltiert der Gweren-Enti. 61 Das Gegenteil von «eben» ist u nrrichtig. Ein holpriger Weg ist en u nrrichtiga Wääg, unebenes Erdreich u nrrichtigs Land, welches so verdrießlich im U nrrichtige n z’määjjen gi bd; wem seine Ohrmuscheln immer zu schaffen machen, grï̦bleb geng im U nrrichtigen; und d’s u nrrichtig Bŏri war ein Soldat (Bohren), welcher mit der Disziplin allzeit auf gespanntem Fuße stand, seinem Korporal viel Ärger bereitete und den andern Aanbäck (Anreiz) gab, ein gleiches zu tun.

Gewissermaßen Naturmuster einer ebenen Fläche bieten das root Brätt am Eiger (in der Nähe des Hohnịịsch), das gelbe oder rote Brett an der Jungfrau-Rotfluh, und des schwarz Brätt. Diese in das untere Eismeer um etwa 30° steil eingebettete und im ewigen Bergschatten liegende riesige Gneißplatte, welche am warmen Mittag das auf sie herunterrinnende Schmelzwasser sichtbar verdunstet, heißt auch die heiß Blatta. Das Gebirge charakterisieren ebenso die Strählblatten am Schwarzmönch, die Challiblatta am Eiger, die Zybachblatti am Wetterhorn, die schị́ị́nig Blatta. In bewohntem Gebiet liegen das Blatti und die Orte an, in, uf der Blatten, bi’r Seeblatten. Schon 1275 erscheint ein Leibeigener Chonradus Blattere. 62 Auch Orte uf dem Blätz fehlen nicht. Wer seinen Bauplatz gut gewählt hat, hed sịịs Hụụs uf ’nen gueta Blätz ab’gstelld.

14 Eine teï̆ff, in der Teïffi 63 gelegene Fläche heißt Grund, im Grund, uf dem Grund. Im vielfach gehörter Redensart erweisen sich «Grund und Boden» als Synonyme; allein das letztere Wort ist viel gebräuchlicher. Auch Grindelwald hat zunächst seine Orte im Boden, und es half mit seinem Bergschutt das «Bödeli» nähren; es zählt seinen gmeinen, späten, feißten Boden, seinen Garten-, Weid-, Stëëßi-, Schindelboden und die Bergidylle des Ịịschbodens, seinen Enzi-, Locher-, Stählis-, Seilers-, Schịịbersbŏden und den historisch so bedeutsamen Gassenbŏden. Allein auch die alte Form bodam, Bodem (wie Fadem in «ịị nfä̆dmen» und Fä̆demli, Gadem in Gädmer, Gadmen) ist nicht vergessen. An die alten Leibeigenen «von Ysbodme» (1302), Ykhspodeme (1238) 64 und das «gut uffen Rotenfluo, dem man sprichet ze dem ungetrüwen Bodme» (1345) 65 erinnern die Bŏbmi (Bodmi) 66 und deren Mehrzahl Bŏbme̥ni, die Wid derbobmi und das Gut ze Hăgibŏdmen. Aber mehr. Die beiden Scheideggen haben ihre Bị̆dem-Lä̆ger; nach beiden geht man i n d’ Bĭ̦dem; am 5. Oktober 1789 «hat es das krut in Bidem verschneit». 67 Demnach gilt «Bĭ̦dem» für beide Zahlformen, und daneben entspricht noch der «Wengren» ( S. 10) eine Bĭ̦dme̥rra. In Schmị̆digen Bị̆dme̥rren erblickt man eine der ersten Ansiedlungen,

Eine gleiche Bildungsfähigkeit zeigt die Wortgruppe, welche schriftdeutsch bloß noch in «Tal» weiterlebt. Neben Dala und Tällenbach 68 gibt es die Tŭ̦la — die Gletschertu̦la hinter der Haldegg — und das Tŭ̦li. Neben dem Mund des Lachenden graben sich anheimelnde Tŭ̦le̥ni (Grübchen) in die Wangen. Dagegen hat gut mundartliches Taal in Grindelwald eigentlich nur historische Bedeutung. Als wäre man sich «hie Taals» der Eigenart des heimischen Quertals bewußt, freut man sich, in ị̈̆ị̈̆sem Tellti daheim zu sein; ị̈̆ị̈̆s’s Teltti ist wie kein anderes in der Welt «das Tälchen der Heimat, so wonnig und schön, so traulich umflochten von blumigen Höh’n». Alle Ansiedler alter und neuerer Zeit, selbst die recht hoch hinauf gestiegenen, wohnen seit sehr alten Zeiten «in dem tale ze Grindelwalt» (1308 und häufig). Sämtliche Bergschaften finden ihre Vereinigung und deren Verfassung im Tăleinug, und das alte wie neue Tălhụụs neben der Kirche entspricht dem «Landhaus» (Landschaftshaus) des Haslitals, dem «Stadthaus» der Stadtbürger. Nur etwa noch das eigenartig wilde Hị̈endertaal oder Hï̦endertẹllti klingt ebenfalls mundartlich an.

Wie die Tu̦wwa oder Daube, gibt auch die Fŭ̦hra — under und uf der Fŭ̦hren, die Lï̦tschifụ̈̆hra — Ortsnamen ab; ebenso 15 die Gu̦mm, das Gu̦mmi, der Gummenbach. Auch «Goms» gehört dahin. 69

Der Gumm gleicht die Chä̆la, 70 womit häufig «die Chella» sich mischt. Tiefer gehen die verschiedenen Grăben und Grä̆bli (Wannengrăben, Scheidgrăben u. s. w.) und das Rohr, 71 im kleinen veranschaulicht durch die Iị nwị̆ni: eine ins Holz, in den Erdboden u. s. w. eingerissene Vertiefung.

Der Weg zum Faulhorn führt an der chlịịinne n Chrinne n vorüber; die groß Chrinna liegt näher dem Schwarzhorn und zeigt das Chrinneṇgräätli mit schieß­scharten­ähnlichem Durchbruch. Auch das Wetterhorn weist zwei solche Chrinni auf. Tiefer und enger schneidet beim Milchbach der Chrachchen ein. Er leitet über zur Schluecht, 72 Teïffischluecht, Mählboimschluecht, dem Ällschlị̈echtli. Die eigentlich niederdeutsche Form 73 (für Schluft, zu schleïffen, schlụ̈ụ̈ffen, schlüpfen) gemahnt an den inndren und ụụßre n Schlŭ̦pf am Wetterhorn (beide durch den Weißbach getrennt), oder an das «Graaggi» der Hasliberge. Begrifflich aber ist «Schlucht» s.v.w. gorge und Klamm (zu klemmen), oberländisch: die Lamm. 74 Solche Lammi entstehen sonst, wo enge Seitentäler mehrere hundert Meter über dem Haupttal münden und nur der Fluß sich sein Nivellement ausgräbt. 75 So liegt der Lammgrăben oder die Lamm am Weg nach dem Gutzgletscher. Zur Aarschlucht gehört die «trochchen Lamm», und eine Lamm ist für Grindelwald insbesondere seine Lütschinenschlucht. Die geschwundene Zunge des untern Gletschers läßt dieselbe nach deren im Herbst 1906 mit großen Kosten bewerkstelligten Erweiterung und Verlängerung bis auf 600 m nun sehr schön sehen; insbesondere treten die «Gletschermühlen» (Strudellöcher) deutlich hervor. 76 Der um Mittag farbig besonnte, liebliche Stoïbfaal und die Kessibachfällchen bereiten vor auf den imposanten Gletscherfaal, welcher am Ende der Schlucht bei 180 m tief vom ungetrübt blauen Eise herunterdonnert. Ähnlich bricht sich das Wasser mit Gewalt Bahn in den Durchbruchstälern z. B. des Jura: 77 den Klusen. Miniaturbilder derselben bieten die Klusialp 16 am Stockhorn, der Ort im Chlụụsi 78 am Mühlebach mit Chlụụsistădel und Chlụụsiweid.

Auch die Engi, welche unter dem Zäsenberg hin und besonders vom Iischboden zum Gläckstein hinanführt, sowie der durch altes «angi» und «Angst» vermittelte Anggi oder der Anggistalden erhalten ihr Relief erst durch die Enge der Ortweid. Hier, wo von Norden die Engischëpf und von Süden die Tschingelei­grinda so nahe zusammentreten, daß gerade ein knapper Raum für Lütschine, Eisenbahn und schmale Fahrstraße übrig bleibt, hat wohl einst ein Gewässerdurchbruch das aufgestaut gewesene Grindelwaldner Seebecken niederwärts entladen. Ortweid 79 heißt also heute die Stelle. Doch klingt die sehr alte Bezeichnung «Ort» nach im Blick gäge’ n d’s Ort ụsi als dem «Wätterloch» Grindelwalds, sowie in der offiziellen Unterscheidung zwischen «Bueßalp ụßert Orts» (Burglauenen) und «Bueßalp innert Orts». Was der oder das Ort bedeuten (nämlich Spitze, Ecke, Angel oder Wịịhel, 80 Winkel), zeigt besonders die Ortflueh: eine Felsenecke, die vom Mettenberg gegen das Eismeer vorspringt. Ähnlich bedeuten die Braaua und die Schnaara eine scharf vorspringende Kante. Eine Schnaara bildet der Eiger gegen die Wengernalp hin, und über das Heidenloch am Mettenberg hängt die Heide nschnaara herein. «Schnarra» bedeutet auch ein zänkisches Weib.

Die Ortweid, an welder die das Tal einkreisenden Berge und Felsen so nahe zusammentreten, ist die äußere Pforte des Tales. Eine innere wird gebildet durch das Eë̆rtli: ein Landstück mit dem Eë̆rtlibach östlich der Schwẹndi und südlich vom Burgbühl. 81

Mit der Hẹll, vergl. Hellbach, ist stammverwandt die Hëhli (Höhle): eine Einstülpung der Erdoberfläche, welche der Wind, das Wasser oder die Atmosphäre im Gestein ụụsg’hŏld hein. Bekannt sind die Chaste nsteinhehli unter der Schwarzegghütte, die Eigerhehli in den Felsen des Kalligrindes, das Burglooch: eine Tropfsteinhöhle im Kamin der Sägishörner, das Milchbachlooch: ein alter Abflußstollen des obern Gletschers, das Heide nlooch im Mettenberg. Vom Heiterlooch oder Martinsloch im Eiger ist später zu sprechen. Zur Jungfraubahn gehören die Eigerlïchcher oder Eigerpfẹister der Station Eigerwand. Zwei Heimwesen heißen im Looch. Die Chammeri: Steine mit Einhöhlungen, führen über zum Begriff der Băle̥m (Balm) oder Uberbálmŭ̦g: der sanften Einbuchtung einer Felswand mit deren Überhang als Vordach, unter welchem der Brienzerhirte «balmet». 82 Eine Felsenhöhle über dem Kallischafberg heißt die groß Bale̥m; 17 zwischen unterm und oberm Kalli liegt das Challibäle̥mli. Zum Bälmli als Rastplatz und schönem Aussichtspunkt erweitert sich die Enge am Wetterhorn. Solennen Angedenkens ist die Nällenbale̥m oder Bale̥m schlechthin, obwohl ihre gegenwärtige Benutzungsweise sie wenig von den Bättlerchuchchinen am Mettenberg und in der Ortweid unterscheidet. Heimeliger sieht es aus ze Hŏhbălẹm, 83 dem «guet zer Balme» (1361, 84 1363). 85

Die Blättlerchuchchi (eine Balm) am Mettenberg.

Von dieser Hochwart Itramens überschaut man prächtig den größten Teil der Talschaft bis zum großartigen Ostabschluß, in dessen Mitte der Mättenbärg bebaglich breit und ungegliedert, doch in allerlei Eck- und Seitenpfeilern, Erkern und Pyramiden zierlich angemeißelt, sich hinpflanzt. Dieser Südwest-Absturz der Schreckhorn-Kette empfing aber nach allen Anzeichen 86 seinen eigenen oder sundrigen Namen erst auf dem so gewöhnlichen Weg 87 der Übertragung von einem am Fuß gelegenen Weidebezirk, einem Bärg im älplerischen Sinn. Aus den Hütten desselben erwuchs allmählich ein (ehemals größeres, aber 1808 durch Ueberschemmung stark geschädigtes) Dorf, eben Mättenbärg (Mettenberg). Das Dörfchen, das zu Heugütern vorgerückte Weideland und der gelegentlich als Mätten unterschiedene Schreckhornabsturz liegen ja in mitts 88 oder n mitts 89 zwischen beiden Gletschern und deren Abflüssen: der Schwarz- und der 18 Weißlütschine. (S. d. Karte.) Wie geläufig dieses «e̥ n mitts» auch sonst der Sprache ist, zeigt z. B. die Rede von einem entlarvten Lügner, welcher sich durch die Schuldbeweise wie «der Nagel auf den Kopf getroffen» fühlt: där hed duḁ d’s Nä̆ge̥lli uf d’s Hoï pt uberchoon, und das e̥ n mitts! 90

Die Schafalp des Mettenbergs und teilweise die Kuhalp der Bäregg ist die zur Rechten des unteren Gletschers so reizvoll hingebreitete Bänisegg. Zur Linken gegenüber liegt «eine grüne Oase mitten in Eis und Schnee»: die Gletscheralp oder der Zäsenbä́rg, dessen herrliche Futterkräuter eine über alles kostbare Milch liefern. Der soll uns noch zum Abschluß unserer sehr knappen Auswahl aus der Fülle von Grindelwaldner Bergnamen kurz beschäftigen. Für den vom Tal heraufkommenden Hirten liegt nämlich der Zäsenberg «zur Rechten» des mit den Tieren so mühevoll zu überschreitenden Gletschers: er ist der zëswe bërg des Mittelalters, liegt dem Hirten zuo der zëswen hant. Im Grunde freilich bedeuten «recht» 91 und zëswe eine Richtung, welche geradlinig fortgeht, zisemet, eine Zi̦̣i̦̣ßa bildet, sich ’zi̦̣i̦̣ßled (gestreift) ausnimmt. Zugrunde liegt zîsen, zeisen (Wolle u. dergl. zupfend in die Länge ziehen) und die Zeisi (lange Reihe). Ein leidenschaftlicher Flucher hed ei n Zeisi in die ander inhi g’fluehed, und einem, der ahnungslos irgend ein Anhängsel am Gewandsaum nachschleppt, ruft man zu: was hest du da fïr n e n lẹngi Zeisi! An einem Scheideweg ist also die gerade fortgehende Linie die «rechte», wie man auch zur Vermeidung eines Umweges den graaden nimmd. Was von dieser Richtung «ablenkt», stellt die Sprache als «link», lingg dar, und zwar mit der Nebenbedeutung «linkisch», die auch in sinister liegt. Noch schärfer spaltet sich der Begriff der «Rückseite» (vrgl. « le revers de la médaille»): lätz ist sowohl umgekehrt als verkehrt, sowohl link als verfehlt. Wer abwechselnd linke und rechte Maschen strickt, lĭ̦smed lätz u nd rächt. Grindelwald hat einen lätze n Wang ( S. 10), die Grimsel eine lätzi Si̦i̦ta, Interlaken einen lätzen Morgen (am Morgenberghorn), das Simmental eine lätzi Mähren, 92 und eine Alp Guggisbergs heißt (im Gegensatz zum «sonnigen Hengst») im lätze n Hängst. In anderm Sinn heißt die von Fremden etwa als die Jungfrau angesehene Schwalmeren «die lätz Jungfrau» — ungefähr wie der Grindelwaldner die Hïenderggu̦tzlouina als die unechte: die unehlich Wätterlouina bezeichnet. Soweit ist alles in Ordnung. Wenn dagegen ein Schneider die nicht präsentable lätzi Si̦i̦ta eines Tuches als die rechte hervorkehrt, 19 dann ist dieses i n lätz Händ gfallen; und wenn die Mutter, die Rute in der Hand, dem Bübchen d’Hŏsi lätzu machd, denn is’ ’s lätz g’gangen! Wenn aber erst einer, der im Haus alls d’s under ụụf rïehrd und ei’m d’Hï̦tta lätzi machd, seine Rolle an die Gewalt einer Lawine, eines Erdbruchs, einer Wassergröße abtritt, dann ist die Begriffssteigerung des zugrunde liegenden «letzen» (aufhalten, stören, zerstören) vollendet. «Mit Sündfluß» hat einst, nach ehrwürdiger Urkunde, Gott «die Welt verletzt», 93 weil die Menschen sie nicht zu «bauen» verstanden. Denn auch der schönste Fleck Erde bleibt — im alten und neuen Sinn 94 — nur schön, wenn seine Bewohner ihn in Ehren zu halten wissen.

 
1  «Welt» ist in altem Sprachgebrauch svw. die «Erde».   2   Rebm. 487; Reise 2, 35.   3  Wie auch im Stubayertal der Tiroleralpen das «Hochfräuli» den «wilden Pfaff» (d. i. Mönch) zum Nachbar hat. ( Stud. P. 3.)   4   BOB. 31.   5   Grun. 92 f.; Stud. P. 206. 211.   6   Font. 2, 352; bei Schöpf 1, 115 b (1578) lesen wir «Eiger».   7  D. 4.   8   Font. 4, 109.   9   F. 7, 406.   10  Verwandtschaft mit lat. acer und gr. akros (scharf, spitz, äußerst), im fernern mit gr. aké (Spitze, Schneide, Schärfe), mit acutus = aigu usw. legt sich durch altes Eger, Eeger (und Eiger) unabweisbar nahe.   11   Lf. 10. 12; vgl. Wals. Sch. 21. 37.   12   SAC. 40, 106.   13   Stud P. 205.   14  Bemerke die strenge Auseinanderhaltung der Casus obliqui (Genitiv und Dativ) und der Casus recti (Nominativ und Akkusativ) in der Mehrzahl, auch wo kein Artikel Weisung gibt.   14a  Spitz und Spiez, Spiß und Spiis gehen parallel.   15  Die Grundform kor bildete neben lat. cor-nu (frz. cor) und deutschen Horn auch die Ablautformen cervus (cerf) und Hir-z = Hirsch (der «Gehörnte»); vgl. auch Hir-n (eigentlich die Hirnschale) neben gr. kranion ( Kluge 169).   16  Vgl. Note 89 zu «Mettenberg».   17  So seit Maler König (1814).   18   Font. 7, 137.   19  Är ist (vor Entrüstung, Schreck od. dgl.) uufgschossen: emporgeschnellt.   20   Stud. 7. 73; P. 224; Cool. BO. 80 ff.   21  Vgl. das farbige Bild i. d. Alpz. Mai 1906.   22  Ahd. sin (immer und überall): Graff 6, 25; idg. wel = wäl-zen, drehen, wozu Wall, Welle u.a.   23  Neben diesem sinwel und sinwelli, sinnverwandt mit sinwelbi und sinwelbî (vgl. «ein g’welte Brugken» bei Rebm. 329 und «e g’wellte Chäller» im Enmental = gewölbter Keller) gibt es Graff 6, 26) ein ahd. simblum, simble, simple = lat. semper (immer); und noch bei Rebm. 86 ist die Rede vom Wasser, welches «Sich zwischen Lufft vnd Erden halt Beweglich sinbel fücht und kalt». Mit den «simelen Wängen» ( ÄFG. XVI.) vergleichen sich die schönen «Wellhörner» neben den so malerisch schroff aufragenden Engelhörnern.   24  Vgl. die Definition im AM.   25   Grube 1, 86.   26   Stud. B. 224   27   P. 3.   28   Tschudi.   28a   Stud. P. 64-66; Baltz. 1, 126.   29  Vgl. Bauersmann neben Landmann u. dgl.   30  Vgl. altn. hrûga (Haufen) und got. « brugja»: Kluge 306.   31  ZB. 1711 bei Wyttenbach.   32   Neum. 470.   33  Vgl. Singer K. 18.   34   Kluge 153.   35  «En Äcken» statt «e Näcken», vgl. «z’Einigen» statt «Zeinigen» u. dgl.   36   Stud. P. 209.   37   Str. BO. 20-22.   38  G 2. Vgl. die «Spiegel», «Chutzen» und «Howachten» ( Lf. 5) des Flachlandes.   39  Schon mhd.: WB. 3, 501.   40   Habsb. 1, 171.   41  Kib-Urb. 2 a, 14.   42   Stud. P. 10.   43  Wengwalt: Font. 7, 406; d’s Vechli im Mos ze ober Wenggwalt (1344): F. 7, 80.   44   F. 7, 263.   45   Hugi 48.   46  Ueha ist sowohl hinauf (eigentlich: herauf) als: droben. Dem Grindelwaldner vermischen sich in den Ortsadverbien auf -her und -hin (ueha und uehi, aha und ahi usw.) Richtung und Ziel.   47   Rohrd. 28.   48  «Bei den Nachkommen des Landschaftmeiers» (von Hasli), «bei den Scheunen» (des Klosters Engelberg).   49   Font. 9, 307.   50  Wie Flaxnerra, Haberre, Fäncheren mit dem Suffix der Fülle: -eren, lat. -aria und -arium.   51   Rebm. 489.   52   Lf. 23 ff.   52a  Vgl. Lf. 7 f.   53  Vgl. Stud. P. 55.   54   Rebm. 139 u. ö.   55   Stud. P. 228.   56   Brandst. Gfd. 59, 1-12 und in der eigenen Schrift über «Tschuggen».   57  Walser in Bern V. 14.   58   Kluge 82.   59  1431 im Zürch. Ratsb.: en-tweris.   60  v. Tav. «Jä gäll» 32. Mit Zwerchfell vgl. Zwerchtal: Grun. 1, 129.   61   Gw. Rs. 6.   62   Font. 3, 146.   63  H. 1.   64   Font. 4, 109; 2, 176.   65   F. 7, 152.   66  F 2; C 3.   67   Cronegg.   68  E 3.   69  Eine concava vallis: eins der vielen Seitentobel des Wallis, nämlich bei Münster ( Goms 55) hieß 1272 parochia apud Gomes, 1277 p. de Conches. Von da verbreitete sich der Name «Goms» über den ganzen obersten Zehnten. Dem «Gummi» entspricht frz. combe, alemann. «Sumpf». (Vgl. Birlinger, Alemannia 8, 143.) Gauchat 6 erinnert an lat. concha (Muschel und ihr ähnliches Gefäß).   70  F 2.   71  E 4.   72  ED 2, Vgl. «Tobel», «Tavetsch» und «Davos» bei Muoth II, 31. 26.   73  Vgl. sachte mit sa-n-ft und soft, Nichte mit neptis.   74  Vgl. die Aussprache von engl. knife, knight u. dgl.   75   Wals. Sch. 17 f.   76  Bild BOB. 68 f.   77   Brückn. 320 mit Bild.   78  G 2.   79  C 1.   80  E 2.   81  D 2.   82   Brienz 24.   83  C 3.   84   Habsb. 2 b, 570.   85   Font. 8, 536.   86   Cool. JS. 46.   87  Vgl. Brandst. Gfd. 59; PB. 170.   88  Mit dieser Form des Lokal-Genitivs vgl. rings, jenseits, «hie Thals» u. dgl.   89  Neben enmiten, inmitten.   90  In «Metten»berg, «Mettmen»stetten u. dgl. zeigt sich altes metam neben mitam.   91  Vgl. tout droit neben à droite; zum Mhd.: WB. 3, 862.   92   Stud. P. 113.   93   Rebm. 75.   94   S. 151.  
 

Bergfahrer und Bergführer.

Die Heimat lieben heißt vor allem: sie kennen. Und daß diese Kenntnis und diese Liebe auch beim Grindelwaldner vorhanden seien, läßt sich aus den aufgeführten Namensproben wohl schließen. Es gääb’s hin. Eine Durchmusterung der Namen weist aber auf eine bemerkenswerte, allerdings auch begreifliche Tatsache hin: nur was mit nächstliegenden alltäglichen Interessen verknüpft ist, erfreut sich bei vorhandener Eignung auch der liebevoll eingehenden Namengebung. Sobald jedoch das Hochgebirg als kulturfeindliche Macht des Menschen Tritte von sich abwehrt, da werden Sinn und Sprache gleichgültiger gegen seine Schrecken wie gegen seine Reize. Was mangled doch da n es je gli chß Hampfe̥lli Häärd un d e n je gl iha Tropf Wasser sịịn Name n z’haan. «Berge heißen nicht!» erklärt rundweg ein Geißenpeter 1 seiner wissensdurstigen Jugendgenossin, und ganz im nämlichen Ton kann ein Frager zu hören bekommen: das heißd nịịd! däm seid mu̦ nịịd!

So bleibt das Bärgwä̆sen (die Alpinistik) zumeist dem Secklimaan (Touristen und Führer mit dem Rucksack) und dem Pï̦nte̥llitrëger (Träger) anheimgestellt. Im Landmann unterdrückt nur zu häufig der Existenzkampf mit seiner kurzatmigen Ausspannung samt allen fernerliegenden Lebensinteressen auch den idealen Natursinn. Manch eine sehr gescheidte und sonst weitblickende Kreuzträgerin begreift zwar auch dies recht wohl, daß und warum der Heer da de̥s uehi will găn d’Ụụssiht nähn, uf Hăsli uber g’sehn u. dgl., kommt jedoch für ihre Person nicht über den Standpunkt der «praktischen Vernunft» hinaus: Ach, was hein mier da fï̦r n es chratzigs Weidli! Äs 20 ist gar grịịse̥lli ch strịịtbar! 2 Kei ns g’rächt’s Land! Wie mag’s e wch nụmmḁn hie g’fallen!

Um ein eben merkliches — e̥s Nụmme̥ro — unfreundlicher läßt sich der Existenzkampf heraushören, wo Tag um Tag das Entzücken des einen die Not des andern, der Sportsweg des Fremden der Sorgenpfad des Einheimischen ist. Auch wo mu̦ si ch nịịd will laa n merken, wird manch eines gedankenlosen Bummlers Luft zur Last dem heimlich scheltenden Eigner einer mit Flaschenscherben bestreuten Wiese, einer durch kindisches Steinewälzen gefährdeten Herde, eines liederlich offen gelassenen Zauntores, ja eines mutwillig ruinierten Notbesitzes.

Fehlt es aber dem Einheimischen nicht etwa auch an Gụraaschi ( courage) fï̦r i n d’Bärga? Man muß den Sennen gesehen haben, der zu purer Kurzweil in müßiger Stunde auf grausig vorragendem Felsgesims anderhalba Schueh i’ n d’Luft usi mißd (so daß der eine Schuh halb, der ihm vorgesetzte ganz frei in die Luft hinausragt). 3 Man denke an den Mähder über dem Itramengrat, der im Zorn die unhauig Sä̆gisa in die schwindlige Tiefe wirft und, ruhiger geworden, mit überhängenden Beinen sitzend ihr nachblickt, ohne von jenem magischen Zuge des fallenden Körpers ergriffen zu werden. Unbedenklich wie ein den Tod verachtender Engländer überspringt der Schafhirt Gletscherspalten, und Geisbueben wiegen sich zur Luft über schauriger Tiefe auf überhängenden Legföhren. Fï̦rcht de̥r nịịd, su̦ g’schehd de̥r nịịd! So ist der echte Sohn der Berge von Kind an wilda, ist schwindelfrei; ihm g’schwinded nịịd, ihm wird ni̦d g’schwindig. Am Schrecken und Grauen vor der Bergwildnis, wie bis vor zwei Menschenaltern — e̥s ist sịịtna no ch nï̦̆d en Hụụffe n Jahr — eine große Anzahl Schriftsteller 4 sie kundgaben, hat er keinen Anteil.

Der alt Almer.

Es bedurfte darum nur der Anregungen einzelner hochsinniger Fremder und der von ihnen besuchten Ortsgeistlichen, um auch in geweckten Köpfen Einheimischer das Interesse für die Herrlichkeit der Alpennatur anzufachen. Die Betätigung desselben begann mit «Leistungen», 5 welche heute zehnjährige Grindelwaldnerkinder in eintägigem Besuch, des Hŏren ( S. 7) oder des Gläckstein vollbringen. Für einen derart von Kind auf Trainierten ist deshalb auch ein Bärg heute etwas ganz anderes, als was der gewöhnliche Sinn besagt. Dieser oder jener Ruhmredige ist 21 eppa uf d’s Hŏre n gsịịn; old uf b’Bäregg un d uber den Gletscher i n Zä̆senbärg u nd dï̦r ch d’Bä̆nisegg e̥m z’rụgg; old bi der Engi ụụf ze’m G’läckstein un d uber d’Leitri ze’m Milchbach ahi; old uf de n Männlichen und dem Tschuggen naa ch uf d’s Loïberhŏren; aber vŏn Bärgen weiß där dekei ns Gottsigsdinge̥lli, kei ns Herrgotts­brëësme̥lli nịịd! Auf den «Bergen» ist gewesen, wer doch wenigstens d’s Schreckhŏre n g’machd heed, und wer auf des Eigers Spitze sich im Sommer mit einem Halbdutzend Sportgenossen zusammengefunden hat. Ja in einer Zeit, wo die hehre Jungfrau ihr erhabenes Haupt unter dem Fuß eines Dreizehnjährigen und eines elfjährigen Mädchens beugte, da wird so eine Hasli-Jungfrau in rücksichtsvoller Großmut Anfängern zur Vorübung auf nennenswerte Taten überlassen. Steiger von innerm Beruf hälfe n d’Bärga ụụftuen (ihre erklimmbaren Seiten auffinden) und durch Errichtung von Stein­mandlinen oder Aufpflanzung des Bläächfahnen erste Bezwingungen feiern. Dauerhafter als diese Denkmäler sind freilich die Berge selbst, welche die Namen ihrer ersten Besteiger oder anderer hochverdienter Alpenforscher tragen. Agassizhorn, -joch und -grat reden von Ludwig Johann Rudolf Agassiz (1807-73). Hugisattel und -hörner erinnern an die lang verdunkelten Verdienste des kühnen und der Wissenschaft seiner Zeit vorausschreitenden Solothurners 22 Franz Josef Hugi (1796-1855), der auch 1828/29 das Finsteraarhorn erstmals bestiegen, gemessen und so benannt hat. 6 Nach Hans Konrad Escher von der Linth (1767 bis 1823) sind Escherhorn und -joch benannt. (Dabei wird das zürcherische ä des Anlauts zu ẹ verwandelt.) Die Ehre der Bezeichnungen Studerhorn, -joch und -firn (vgl. auch den Studerstein bei la Muraz im Wallis) lenkte (1839) der verdienstvolle Gottlieb Studer von sich ab auf den großen, ebenfalls stadtbernischen Geologen Bernhard Studer (1794-1887). 7 Nach dem großen Zürcher Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) tragen Scheuchzerhorn und -joch ihre Namen. 8 Zum Gedächtnis des Berners Gottlieb Sigmund Gruner (1717-78) ragen die Gruenerhörner vor dem Oberaarhorn auf. Auch der Altmann ehrt einen Bernernamen (1697-1758) dank dem genannten Agassiz und dessen Neuenburger Forschungs­genossen: dem Hessen Eduard Desor (1811-82), welcher seinerseits im Desorstock verewigt ist. 8a Im Vergleich mit all diesen Ehrennamen des Finsteraar­hornmassivs steht die Düfourspitze des Monte Rosa sehr vereinsamt da. Der Name des Grindelwaldner Pfarrer Gerwer ist unterdrückt im «Pfaffe nstë̆ckli», das übrigens auch selbst der topographische 23 Atlas mit dem Grindelwaldner Grünhorn zu identifizieren scheint.

Biisi-Ruedi.

Führerobmann von Grindelwald.

Gänzlich abgewiesen aber wurde von der offiziellen Namengebung die von edlen Engländern 8b vorgeschlagene Umwandlung des «großen Viescherhorns» in ein «Almerhorn». Dafür hat diesem unvergleichlichen Führer Christian Almer (1826-98) sein Herr und Freund Rev. W. A. B. Coolidge, der hervorragende und um Grindelwald hochverdiente Alpenforscher und Alpendarsteller, in einer liebevoll eingehenden Lebensbeschreibung ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Eine verwandte Art von Dokumenten verwahrt Witwe Almer: sie würde die Fïehrer­bị̈echleni ihres Mannes nicht um Tausende von Franken in fremde Hände legen.

Bejahrter Führer.

Christian Almers Führerlaufbahn wiederholt abgekürzt 9 die Geschichte des Führerwesens insofern, als auch er gleich dem Jungfrauführer von 1828, Bụụmmḁ n-Peter oder Duftli Peter, als Hirt und gleich Bŏhren-Peterli, dem «Gletscherwolf» († 1882), 10 als J̣e̥ger seine Führerdienste begonnen hat. Vor Jahrhunderten aber verhüteten selbst diese Berufe es nicht immer, daß Angeführte statt Geführte sich uf n es falsches Troom g’fị̈ehrd oder der Unverschämtheit unhëfli ch wïester Aufdringlinge 11 ausgeliefert sahen. An derartiger Qualität waren aber bisweilen Herrschaften auch selber schuld. Die Ausrüstungen Rohrdorfs (1828) wie zu einer 24 fürstlichen Afrika-Expedition, oder das Prinzessinnengefolge der Damen, welche sich auf Sẹnften oder Tragstïehlen nach Wẹngrenalp oder Fụụlhoren befördern ließen, lockten an Weg und Steg helle Scharen der Lotzer, Her re nlotzer, welche das Dogma prägten: Mu̦ verdiened bị̈̆m lotze n meh wan bi’m hewwen. Der Spëtterbajch vor der Dependenz des alten «Adler» weist auf die vermeinte Überlegenheit solcher ehemaliger Führer gegenüber dem ehrlich sich mühenden Bauern hin.

Der Führervereinspräsident — d’s Jellis Gottfried —

glinda u ggrächta vom Schreckhoren em aha.

Solches G’lotz als «Fremdenindustrie» in des Wortes häßlichstem Sinn begann erst anrüchig zu werden, als von sich aus das beruflich gereifte und organisatorisch gefestigte Führerkorps zunächst den Titel Her re nfị̈ehrer und schließlich den einfach und würdig klingenden Namen Bärgfïehrer, Fïehrer zu vollen Ehren brachte. Es darf nun mit gebührendem Standesbewußtsein vom Haupt einer Familie heißen: Är ist e n Fị̈ehrer, oder: är geid mid Heernen. Die «Herren» aber, 25 welche auf gewisse Zeit chë̆men gan abstellen («Besuche machen»), heben mit geschulter Wahl auch selber den Führerstand derart, daß nur Unberufene nị̈ị̈d meh wissen a nz’gaan (keinen Verdienst mehr finden).

Der Gguggen-Buummen.

Es braucht oder e̥s mangled aber o ch eppḁs zur Qualifikation eines Führers! Wie «Roth, der Fluhmensch» 12 muß einer dụụrhafta ị̈n gä̆ge n d’s Wätter: muß Unbilden der Alpennatur gewachsen sein, die aller Beschreibung spotten; und bis ins hohe Alter hinein 13 muß er wie von Iị̈sen u nd Stăhel gmachta erscheinen. Der mehrerwähnte Christian Almer verlor 59jährig als Führer eines wahnwitzigen Engländers sämtliche Zehen des rechten Fußes. Gleichwohl blieb ihm sein unverwüstlicher Humor treu. Als er sich zur Amputation nach Interlaken begab, erklärte er, er mị̈eß lan gă n tschăggnen. Ja, er setzte mit der Energie eines Jungen seinen Beruf fort, erstieg noch 66jährig das Schreckhorn und andere gleich schwierige Gipfel und feierte als Siebzigjähriger auf der Wetterhornspitze die goldene Hochzeit mit der Gattin, die noch nie das Hochgebirge betreten hatte. 14 — Fernere Gaben sind Behendigkeit — Ggleitigi — und eben so fester wie fühlungsfähiger Tritt: der Fïehrer hed Oị̈gen i n Schuehsŏhlen. Zu den äußerst scharfen Oïgen und Ohren kommen der ganz besonders wunderbare, instinktartige Ortssinn und ein erstaunliches Pfadfindertalent. Ein Almer z. B. fand sich selbst in Nacht und Nebel auf selten betretenen 26 Pfaden wie auf ebener Straße zurecht, ging auf einem seit 25 Jahren erstmals wieder besuchten Berg keinen Tritt irre und erstieg den ihm noch neuen Montblanc mit der Sicherheit eine Savoyerführers. 15 Für solch geniale Veranlagung wissen die Begabten selber keine andere Erklärung als: Eh, mu̦ g’sehd halt dän Bärg z’erst an, und denn geid mu̦! Damit paart sich auch augenblickliche Entschlossenheit 16 in kritischer Lage. Mit kaltblütiger Selbstbeherrschung und vorsichtigem Mannesmut gilt es in einer einmal angetretenen schwierigen Situation z’gstaan: Stand zu fassen und zu behalten, und Fügungen schlimmster Zufälle anhiz’machen. 17 Kommt nun zu alledem noch die unermüdliche väterliche Sorgfalt des niemals rụ̆beesch («rauzig», barsch) oder schnụụzig Werdenden um die Anvertrauten, die goldlautere Treue im Worthalten, 18 die anspruchlose Bescheidenheit, sowie die unaufdringlich unterhaltende, urwüchsig gescheidte und gewandte — tï̦figi — Gesprächigkeit des G’spraacheten (des Französischen, Englischen und sogar des Schriftdeutschen Mächtigen): welch ein Verein seltener Eigenschaften! Da gleichen sich aber auch in gemeinsam eingehaltener Manneszucht und Kontinenz die Unterschiede aus, und äußerst anmutig lautet ein Bericht 27 wie dieser: Mier sịịn ni̦d nụmmḁn Heer u nd Fị̈ehrer g’sịịn, mier sị n Fri̦nda g’sịịn. 19 Öfter gilt es freilich zuvor eine ernste Geltendmachung unbedingter Autorität der so streng verantwortlichen Führer: Hie ueha sị n mmier Meister! Im Dorf u̦nna chënnd iehr denn umhi bifä̆hlen.

Die Kaukasusführer Jossi, Vater und Sohn.

Wie hätte unser «Bärndütsch» Raum, um neben Vater Almer noch irgend einen andern aus dem gegenwärtig beiläufig achtzig Grindel­waldner­führern namhaft zu machen! Bloß um der Namensformen willen seien als Tote erwähnt: der leng Grăbe n-Peter (Peter Kaufmann), 20 Gärwi-Peterli (Peter Egger), der Spĭ̦s s-Peter (Peter Inäbnit), 21 an welche «Felsenmänner» sich der noch lebende Greis Ggu̦ggen-Bụụmmḁn anschließe: der 76fache Ersteiger der Jungfrau, der 60fache des Schreckhorns. Wenn aber der Lämpe n-Choïfmḁ n unter dem bekanntern Namen Kaukasus-Choïfmḁn sich neben einen Himalaya-Choïfmăn und die Kaukasus-Jossi stellt, so werden wir damit an die Grindelwaldner-, Lauterbrunner-, Hasli- und Gsteigwiler-Führer erinnert, welche Sommer um Sommer zur Erforschung der asiatischen, ja nun auch der amerikanischen und australischen Gebirgswelt herangezogen werden.

Kaukasus-Choifmen.

In viel engern, ja bescheidenen Grenzen, die aber doch weit außerhalb des Gebiets eines Modetouristen liegen, sehen wir einen jungen Naturforscher in Ferien das Gebirge durchstreifen. So einem bedürfnisfreien und frohmütig beherzten Alpenwanderer nachzuschauen: wie geistbefreiend und herzerquickend! Lingig und gä̆big (so daß ihm alles zu gelingen scheint und jeder Vorteil sich ihm wie von selber an die Hand gibt), gäbig und g’schmeidig (leicht und ohne Beschwerde) schreitet er den 28 steilen Hang hinauf, hinunter. Ein erfrischender Gegensatz zum schwerfälligen umhaplumpsacken eines Chnịepi, einer Chnịepen, die nie von der Stelle kommen! Mädchenhaft zimpferlig ist allerdings unseres Wanderers Gang nicht. Er geht den ruhigen, aber ausgiebig gemessenen Bärgschritt 22 eines Mannes, der mit Zeit und Kraft hụụsed.

Schiibersboden-Ueli

Hamalaya- und Neuseeland-Führer.

Denn zu weiter und schwieriger Bergfahrt ist er ụụsgri̦ckd, und zum wăten und hacken ist er ausgerüstet. Darauf deutet schon der prallgefüllte sehr große Bärgsack (Rucksack). Was wird er enthalten? Den Löwenanteil des Raumes beschlagen ein dünner Schlafsack für verschiedene prekäre Nachtlager und etliha Brustblätz gegen Erkältung. Ein Futteral birgt den Flor und de n Bri̦llen oder Spiegel zum Schutz vor Schneeblindheit und daneben noch einen andern Spiegel, auch Glas geheißen: das zum spieglen dienende Fernrohr. Das Vermehru̦gsglas 23 (Mikroskop) dagegen, welches sehr groß zeichned (stark vergrößert), mußte natürlich zu Hause bleiben. Auch für den Magen ist zwar genügsam, aber genugsam gesorgt. Ein kleines Wịịngeist­maschine̥lli (s̆s̆) dient dem aller Menschennähe Entrückten, um da und dort, wa’s e̥s grăd bb’reichd, sich e̥s Ggaffee old e̥s T’hee, wä̆ders das er wil l, zu brauen, wohl gar an naßkaltem Abend e n Punsch a n’z’reisen.

Rüstung zur Bergfahrt.

Braawands Uelis Hansen Ueli.

30 Die Rechte handhabt mit Eleganz das zum Bärgstock zugeschnittene Hasel- oder Fichten­stämmchen mit solidem Eisenstift. Diesen Străffel oder «Stefzen» umfaßt die Zwinga so straff, das s er nid cha nn logglen. Besondere Sorgfalt aber ist dem Bärgschueh gewidmet worden. Der Beschlag ist zwar nicht, wie ehemals, so chrịịdendicka, 24 daß er einen förmlichen Eisenrand bildet; die Nä̆gel gestatten vielmehr einzeln ein jeweils passendes Eingreifen in Eis oder Stein. Es sind Glarner mit seitlich eingreifenden Haken, oder ähnlich geschmiedete Chappennä̆gel; vielleicht auch Acht- oder Säxstreichler mit acht bezw. sechs Schlagflächen am Kopf, so daß dort ein Grat, oder ein Spitz den Boden berührt; das «Neuste» besteht in g’firsteten Nä̆glen oder liechten Bärgnä̆ge̥llinen. Zur Bezwingung steiler Eishänge werden überdies die Schuhe mit Grĭ̦fị̆snen (Griffeisen) bewaffnet. Derart g’gri̦ĭ̦fed Schueh sind abermals ein Gegenstand fachmännischer Sachkenntnis. Es gibt Grĭ̦fịịsen mit zwei, drei, vier 31 Spitzen, also Zweiangel, Drịịangel, Vierangel. Solche Griffeisen, oder auch die sechs- bis zehnzackigen Stịịgịịsen, ersetzen nunmehr die ehemaligen Grä̆ppe̥ni, welche man mit umständlicher Sorgfalt und geringer Sicherheit für kritische Fälle an die Schuhabsätze erst aufband, dann aufschraubte. Das Gräppi 25 diente ehemals sogar zur Bewaffnung der Hand unbeholfener Steiger, 26 was allerdings e̥s u nsichers Ding gsịịn ist.

Nach recht ermüdender einsamer Reise hat unser Wanderer das Glück, in einer der drei Grindelwaldner Klubhütten sich einem Gefährten anschließen zu können, der vorsorglicher e n Fị̈ehrer mid mŭ̦, gnu̦u̦n oder aṇgaschierd (s̆s̆) g’hä̆ben heed. Es ist dies einer der ältern Garde, der in unheimlich überraschendem Nebel dem Kompaß naa ch chunnd (solchen bei sich hat und zu gebrauchen weiß). An gefährlicher Stelle löst er sich die Lịịmma (das Gletscherseil) 27 von den Schultern, um das freie Ende um die zu Führenden zu schlingen. Solches anbinden oder a nmmachen ist unerläßlich bei Gletscherübergängen sowohl, als wo es über glatte Steilhänge hinabzuklettern gilt und zum abseilen 28 etwa die zweimetrige Seilschlinga als Ersatz des Gurts mit Ring herhalten muß. Als Anhalt dient der ins Eis eingeschlagene Pickel, Gletscherpickel, dieser Chumm-mer-z’Hilf in tausend Nöten. Wie unentbehrlich machten ihn ehemals Stellen wie der bëës Tritt am Kalli, d’s bëës Bärgli am Wetterhorn! Zugleich ersetzt er eine ganze Reihe alter « subtilz engin», die man vormals in unglaublicher Zahl und Beschaffenheit neben Bettstücken, Kochgeräten und Proviantmassen in Hutten, auf dem Rääf oder Găbe̥lli mitschleppte. 29 So bauschte sich die einfachste Bergreise zu einem Sensationsereignis ersten Ranges auf: e̥s hed e n Krawall g’gään.

Auf das Unentbehrlichste dagegen sich beschränkend, bringt sälbdritt unser Wanderer forschend vor in die Wunder und Geheimnisse der Gebirgswelt mit ihren so eigenartigen Gesetzen, «steigt über die Wolken und tritt den rauhen Donner mit Füßen». 30 Möge er nicht unter die «Opfer der Berge» geraten, welche Jahr um Jahr fallen, erfallen, ụụsghịjen, abg’hịjen, 31 z’Tood troolen, massakrierd werden; oder welche der Blitz erschießd; oder welche sich 32 verrăgled old verstelld hein und einsam verschmachten; oder welche knapp als Gstruppierti davon kommen: mit erfrëërten Gliedern oder schweren Wunden infolge Steinschlag. Was kann auch der ganz unberechenbare Zufall bringen! Unter dem Schreckensruf der Kameraden: Egger ist g’hï̦wna! stürzt, vom schartigen Bruch einer Flaschenlaterne durch ein ganz kleines Bi̦cki am Arm tötlich geritzt, ein Führer unter Führern verblutend zusammen. 32 In der Mitte zweier erstklassiger Führer und samt ihnen verschwand spurlos im Jahr zuvor (1880) der Unvergessene, von dem der Hallerstein im Angesicht des Wetterhorns redet. Wie unerforschlich ist die Macht, die über der Spannenlänge eines Menschenlebens waltet!

 
1  Im «Heidi» der Johanna Spyri.   2   Lf. 83.   3  Über die Fluh messen: Neue AP. 8, Nr. 1. 14.   4  Vgl. Dr. Dübi im Niblatt der Lit. Gesellschaft Bern 1902 und die Besprechung im «Bund» 1902; EvG. 1902, 63; direkt: Wyss 732; Höpfn. M. 2.18; Reise 1, 261; 2, 28. 29; Rebm. 482; Stumpf 284 a.   5  Vgl. die Stockhornias (1536) des Johannes Rhellikan, die Faulhornfahrten Königs (56-59) und Kuhns ( Höpfn. M. 22) usw.   6   Krehbiel 18.   7   Stud. P. 78; Cool. BO. 34. 43. 45.   8   SAC. 40, 75.   8a  Vgl. Sterchi N. 75-78 (Agassiz); 40-47 (Escher); 55 ff. (die Studer); 15 f. (Scheuchzer); 84-97 (Gruner); 62 (Altmann); 97-100 (Desor).   8b  Vgl. John Ball in Central Alps 109. 111; Murray 235.   9  Gleichsam nach Häckels biogenetischem Gesetz.   10   Alp. Journ. 11, 93; Stud. Ü. 4, 76; GlM. 127.   11   Ch. 1682.   12   Hugi 31.   13   Stud. P. 201; ÄFG. 134.   14   Cool. A. 216 f.   15  Ebd. 209. 217.   16  Der Führer Leuthold: Krehbiel 31 f.   17  Hochdramatische Szenen schildern Grube (1, 120. 125) und Roth (131).   18   Cool. A. 213 f.   19  Vgl. ebd. 213. 219. (Ausnehmend schön!)   20   ÄFG. 120.   21   Stud. Ü. 1, 252.   22  Vgl. BOB. 40.   23  Bemerke dieses gute alte «mehr» (= major) für «größer» wie «minder» (= minor) für «kleiner».   24  Aus chriidewiiß mechanisch fortgeführtes Bild, etwa wie «stocktaub», oder «riich wi n e Stier», tubacke wi n e Stier» ( Lf. 261).   25  Verkleinerung aus grappe (d’acier), zu gripper aus altholl. gripan; vgl. graffe (de fer) zu ahd. grîfan, und grampon zu Krampe (Haken u. dgl.).   26   Cool. JS. CXXXVIII. CXLIV.   27  «Leine», mit Wechsel der Artikulationsstelle.   28   SAC. 40, 108.   29   Grun. 3, 208; Stud. T. 75 und besonders Rohrdorf.   30   Celsior exurgit pluviis et rauca tonitrua calcat. (Silius Italicus bei Grun. 3, 16.)   31   G’hijen mit all seinen Zusammen­setzungen ist im Wertgefühl identisch mit 1. fallen und 2. werfen. Die Grundbedeutung ( schwz. Id. 2, 1007) sticht in keiner Weise durch.   32   Neue AP. 19. Nov. 1881; Stud. Ü. 4, 29-31.  
 

Flagoona.

Weisse Flasche mit Glasschliff (30cm hoch).

Gemalt von W. Gorgé.

Das Wetterhorn.

(im Vordergrund das Briggmeder).


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