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3

Man hörte mehrere Jahre nichts von ihm, man wußte nur, daß er seiner Mutter von der See schrieb, und einmal erzählte jemand, er hätte ihn spät abends auf der Elbchaussee gesehen, wie er nach einem kurzen nächtlichen Besuch bei seiner Mutter, und ein Stück Wegs von ihr begleitet, dahin getrottet wäre, um in Hamburg wieder an Bord zu gehn. Weiter sah und hörte man nichts.

Im vierten Jahr nach seinem Weggang wurde Karl Kröger eines Tages in Antwerpen abgemustert, suchte ein neues Schiff, und wurde auf der Kalliope, einer Viermastbark, Kaptän Bosselmann, mit Stückgut nach Sidney, wieder angemustert. Er ging gegen Abend mit all seiner Gemächlichkeit an Bord und setzte seinen Sack gegen die Tür des Logis und sah hinein. Da sah er dicht vor sich einen rotblonden Kopf und hörte zugleich die schöne Stimme Jan Guldts.

Der saß von der Tür abgekehrt und redete in hitziger Weise mit ausgestrecktem Finger auf einen anderen Matrosen ein, einen vierkantigen, ehrlichen Gesellen, wohl einen Mecklenburger. Er stellte Fragen an ihn, und stockte in der Mitte jeder Frage, weil er sich jedesmal erst die Gestalt und Art der eignen Mutter vor die Seele rief. »Hat deine Mutter – dich reinlich gehalten? Hat sie – dich nie fallen, oder frieren, oder umsonst weinen lassen? Hat sie – dich abends oder nachts nicht allein gelassen, um mit Nachbarn auf der Straße oder in Gesellschaft zu sein? Hat sie – dir nie etwas Schimpfliches gesagt oder getan?«

Der Mecklenburger sah den hitzigen Frager jedesmal, wenn die Frage gestellt war, mit zusammengezogenen Brauen an, als wenn er einen Meisterschuß nach einem fernen Ziel tun sollte. Es wurde seinem langsamen Geist nicht leicht, eine solche Frage zu übersehn, dann sich seine Mutter vorzustellen, und dann eine wahrhaftige Antwort zu geben. Aber nach einer kleinen, ängstlichen Pause schüttelte er nach jeder Frage stark den Kopf.

Als das Examen auf solche Weise zu Ende war, sagte der Frager, indem er beide Hände auf den Tisch warf und den rotblonden Kopf nach vorn: »Dann mußt du also in jedem Hafen an sie schreiben! Gerechtigkeit muß sein auf der Welt! Gerechtigkeit muß sein! Also schreib! Morgen geht's in See, und Australien ist weit.«

Der Mecklenburger rutschte nach dem Ende der Bank, um an seine Kiste zu kommen und Briefpapier herauszuholen. Jan Guldt hörte hinter sich seinen Namen sagen.

Er wandte sich jäh um, mit großen Augen, aus denen Ablehnung und Zorn herausbrechen wollten. Als er aber sah, wer es war, atmete er auf und sagte unsicher: »Du bist es! Ich fürchtete ...«

»Was fürchtetest du?« sagte Karl Kröger.

»O ...« sagte er, und es blitzte ein jäher Haß durch seine Augen ... »Ich mag meiner Tage keinen Blankeneser sehn! Ich bin darum immer auf Engländern gefahren ... Aber mit dir ist es eine andere Sache.«

»Mir scheint, mich kannst du ansehn,« sagte Karl Kröger, stellte sich breitbeinig hin und dehnte die Brust.

»Ja,« sagte er, »das kann ich wohl!« und gab ihm die Hand und schüttelte sie. »Ich freue mich sogar, daß ich dich sehe.«

Am andern Tag im Morgengrauen verließen sie die Schelde und segelten mit einem guten Nordwestwind, der vierzehn Tage anhielt, dem Süden zu. Dann glitten sie in den Nordostpassat, als wenn er dort für sie bestellt wäre, und waren drei Wochen nach ihrer Abfahrt südlich von Kap Hoffnung.

Hinter Kap Hoffnung fuhren sie mit der Westwinddrift drei Tage mit vollen Segeln, mit solcher Fahrt, daß sie einen großen Dampfer, der denselben Kurs hatte, überholten. Kaptän Bosselmann, der noch nicht dreißig war und den Jungen noch nicht ganz abgestreift hatte, ließ näher an ihn heranhalten; sie glitten an ihm dahin, hielten ihm Tauenden hin und schrien hinüber, ob sie ihn schleppen sollten, und höhnten dabei mit lautem Lachen. In der dritten Nacht wurde der Wind zum Sturm. Sie jagten aber noch mit den großen Segeln weiter durch die ganze helle sternklare Nacht; über ihnen zogen schwere Wolken mit. Gegen Morgen, im ersten Dämmerschein, sahen sie vorn vor sich eine Bark, die mit schwerer Schlagseite, zerrissenen Segeln und zerbrochenem Ruderwerk hilflos trieb. An der Gaffel wehte geknotet die norwegische Flagge.

Kapitän Bosselmann ließ die Untersegel aufgein, lief nahe an sie heran und ließ dann beidrehn, daß sie neben ihr trieben, und beriet mit den beiden Offizieren, ob man es wagen könnte, zu helfen. Der Wind hatte etwas nachgelassen; aber die See lief noch sehr schwer. Die Leute standen in einem Klumpen beim Leeboot, sahen nach dem Norweger hinüber, dann wieder auf Kapitän Bosselmann.

Endlich kam sein langsamer, juhender Ruf: »Wer will ins Boot?« Da stand Jan Guldt schon oben, hinter ihm sprang der erste Offizier hinein; dann noch drei andere, Karl Kröger unter ihnen. Einen Augenblick später klatschte das Boot ins Wasser.

Sie legten sich mit aller Gewalt in die Riemen, und kamen glücklich frei vom Schiff, und fuhren mit dem Wind und den dunkelblau vorwärtsgleitenden Wogen, über denen der dünne Schaum jagte und sprühte, bald in der Tiefe der Woge, bald von der steigenden gehoben, rasch dahin. Der Erste, den Riemen in beiden Händen, stand breitbeinig am Heck, und achtete klug auf Wind und Wellengang und steuerte wacker; die anderen, zu seinen Füßen, zogen die Riemen, daß sie sich bogen. So fuhren sie bald um das Heck des Norwegers.

Sechs Mann standen und hingen mittschiffs beim Großwant an der Reeling; dann und wann stürzte eine See über, und überwarf sie mit Spritzern und Schaum. Zwischen ihnen, von ihnen gehalten, hing angebunden einer, dem das Blut über das weißgelbe Haar und die Augen lief; jede See wusch es ab; aber gleich war es wieder da. Der Kapitän, ein alter weißhaariger Mann, stand zur Seite am Hoftau und sah mit traurigen Augen auf seine Leute und ihre Retter; neben ihm stand der Steuermann, ein bärtiger Mann bei Jahren.

Die Leute wollten durchaus, daß ihr Kapitän zuerst von Bord ginge. Sie schrien und riefen in deutsch, englisch und norwegisch durcheinander: »Unser Vater zuerst! Er ist besser als wir! Er ist gut und fromm!« Aber der Alte schüttelte den Kopf und wehrte mit der Hand.

Da nahmen sie zuerst, zum Mutmachen, einen handigen schmucken Jungen in die Leine. Mit einem Hechtsprung sprang er tapfer über Bord. Da sprangen die sechs anderen ihm nach, nacheinander, jeder in der Leine; der eine geschickt, der andere ungeschickt. Dann kam der Verwundete, der wie ein schwerer Sack ins Wasser fiel; dann noch der Steuermann, und zuletzt der Kapitän.

Nun machten sie sich auf den Rückweg, mit dem tiefliegenden schweren Boot, in das von Zeit zu Zeit die Spritzer klatschten. Der Erste, den Riemen in beiden Händen, stand und arbeitete hart, das blasse Gesicht von Schweiß überströmt, daß sie immer gerade mit Wind und Wellen liefen. Die an den Riemen saßen stumm mit starren Augen, Wasser und Schweiß rann und fiel ihnen auf Schultern und Schenkel. Zu ihren Füßen lagen die Geretteten. Der alte Kapitän lag halb im Wasser, das Schiffstagebuch und ein abgegriffenes Neues Testament in der Hand. Vor dem Steuermann lag der verwundete Matrose auf dem Rücken, teilnahmlos, seinen blutigen Kopf auf des Steuermanns Knieen.

Als sie nun schon nah beim Schiff waren und Jan Guldt, der am Schlagriemen saß, von ungefähr auf den wirren Klumpen von Unglück und Not zu seinen Füßen sah, schlug gerade wieder Wasser ins Boot, und wusch dem Verwundeten das Blut vom weißgelben Haar und von den blutenden Brauen. Da stieß er aus beengter Kehle einen wilden Schrei aus, und stieß mit dem Fuß nach dem Liegenden: »He, du, he, wir kennen uns?!« Und jubelte mit heiserer, trockener Stimme, glücklich über den rechten Lauf der Gerechtigkeit: »Weißt du, wer hinter dir liegt, Karl Kröger? Paul Grien ist da!«

Der Verwundete versuchte den Kopf zu heben und zu dem schreienden Ruderer hinaufzusehn, vermochte es aber nicht, und das Blut lief ihm wieder über die Augen.

Sie kamen glücklich an, und die Schiffbrüchigen wurden an Deck gezogen, und dann auch das Boot.

Als die Retter der Arbeit plötzlich ledig, dastanden und erzählen wollten, schlotterten ihnen die Knie und die Stimmen versagten; die drei Stunden wilde Arbeit hatten ihnen alle Kraft genommen. Einer fiel ohnmächtig hin, die andern hielten sich mühsam. Jan Guldt setzte sich auf die Luke und sah stumm zu, wie der alte Kapitän nach achtern geführt wurde. Als sie aber dann den hin- und herfallenden Paul Grien anfaßten, versuchte er aufzustehen, und vorwärtsfallend und mit der Hand nach ihm langend, sagte er mit zornigen, flackernden Augen: »Den will ich haben, Kaptän ... Ich will ihn pflegen ... Er ist mein Freund!«

Da brachten sie ihn in die kleine Kammer neben der Kaptänskajüte, die als Lazarett diente; und ließen auch Jan Guldt dort schlafen.

Karl Kröger war nach diesem heißen Tag eine Zeitlang matt und wüst im Kopf. Es gab auch soviel zu reden und zu erzählen: bald mit den alten Kameraden, bald mit den neuen, den Schiffbrüchigen. Aber am Ende der Woche kam er doch wenigstens bis an die Tür zum Lazarett, um einmal zu beobachten, wie es dem hitzigen Jan Guldt mit dem Paul Grien erginge.

Er öffnete sachte den Türspalt, und sah Jan Guldt da sitzen. Er las aus einem alten Hamburger Geschichtenbuch vor, das sich seit Jahren an Bord herumtrieb. Mit seinem verwegenen Gesicht, mit feuriger Stimme, las er von dem Seeräuber Störtebeker: wie er von den Hamburgern gefangen genommen und samt seinen Genossen geköpft wurde.

Als die Geschichte zu Ende war, ließ er das Buch sinken und sagte großartig und verächtlich, und so nebenbei: so was gäbe es ja jetzt nicht mehr. Man wäre jetzt ruhiger, verständiger, einsichtsvoller, gerechter, und zwar auf beiden Seiten, und brächte so alles, ohne Ketten und Kopfab, auf den rechten Weg. Der Verwundete lag mit verbundenen Augen auf dem Rücken und sagte wenig oder nichts.

Karl Kröger machte die Tür leise wieder zu, schüttelte den Kopf und ging zu den geretteten Norwegern, und sah ihnen zu. Er hatte besonders an einem von ihnen Freude, der die merkwürdige Fähigkeit hatte, die Zunge wie eine Eidechse aus dem Mund springen zu lassen und immer wieder richtig aufzufangen. Er versuchte es auf alle Weise, Tag und Nacht, und an jedem Ort, nachzumachen, aber er konnte es nicht.

Einige Tage später machte Kaptän Bosselmann sich eines Morgens an ihn, da er am Ruder stand, sah ihn neugierig und begehrlich an und sagte: »Was macht sich der Guldt, dein Freund, mit dem Kranken zu schaffen? Ist es wirklich eine alte Freundschaft?«

Karl Kröger erzählte breit und unendlich lebendig die Geschichte von der Blankeneser Brücke und vom Sand: »Und nun will er ihn bekehren.«

»So,« sagte Kaptän Bosselmann, der etwas an Neugier litt, und mit Eifer und Behagen zugehört hatte. »Ist der Guldt denn fromm?«

Karl Kröger schüttelte verwundert den Kopf. »Fromm?« sagte er unsicher. »Das weiß ich nicht. Eine Bibel hat er nicht bei sich. Fromm? Das weiß ich nicht. Es mag wohl sein.«

Kaptän Bosselmann schüttelte den Kopf: »Merkwürdiger Heiliger,« sagte er.

Karl Kröger sagte etwas verletzt: »Wieso, Kaptän? War er nicht neulich der erste im Boot? Er ist bloß ein bißchen hitziger auf Recht und Ordnung als wir.«

Der Kaptän zog die Augenbrauen hoch und stach mit allen steifen Fingern gegen seine Brust: »Auch als ich?« sagte er.

Karl Kröger sagte: »Natürlich, Kaptän; denn sonst würden Sie sich nicht über ihn wundern.«

Kaptän Bosselmann kehrte sich ab und sagte: »Was man doch von so 'nem jungen Snösel lernen kann!« Dann kehrte er sich noch einmal wieder zu ihm und sagte nachdrücklich und mit großen runden Augen, und die Finger gegen die Brust: »Ich will dir mal was sagen: Ich verbinde diesem Menschen, diesem Grien, jeden Morgen die Augen; ich sehe ihm jeden Morgen in die Augen. Ich allein! Ich allein habe seine Augen gesehn, soviel man davon sehen kann; denn sie sind noch ziemlich verschwollen. Genug: der Mensch hat schlechte Augen!«

Karl Kröger sah nach dem Kompaß, rückte das Ruder ein bißchen zurecht und sagte gleichmütig: »Ich kümmere mich nie um die Augen von Mannsleuten, sondern bloß um die Augen von Mädchen; aber wenn Sie sagen, daß seine Augen schlecht sind, glaube ich es ohne weiteres; und dann ist es eine schlimme Sache. Denn die Augen sind ein Schlitz in der Haut und zeigen, was drin ist; und es kann kein Mensch aus seiner Haut.«

Kaptän Bosselmann schüttelte wieder den Kopf über diesen wunderlichen Satz und trat zu dem alten weißhaarigen Kapitän des Norwegers und versuchte, ihm von seinem Matrosen zu erzählen: dem da, dem schmucken, mit dem rotblonden Haar und der Hakennase, der in allem so ein hitziger Mensch wäre und besonders heiß auf Recht und Ordnung. Mit vieler Mühe gelang es ihm, dem Alten die Sache klarzumachen. Als er es aber begriff, drückte er Kapitän Bosselmann die Hand und schüttelte sie heftig.

Als Karl Kröger am andern Tag allein an der Logiswand stand und in aller Gemächlichkeit an Blankenese und was da herum liegt, dachte, trat Jan Guldt zu ihm und sagte mit seinem kühnen, hochmütigen Kopfrecken: »Nun ist er soweit! Er hat mir gestern gesagt, daß ihm die Geschichte von damals, von der Brücke, sehr leid tut. Er kann nicht begreifen, sagt er, wie er so hat sein können, da ich ihm doch nie, auch nur das geringste, zuleide getan habe. Siehst du? Wenn man nur will!«

Karl Kröger hob die Schulter und sagte bedenklich: »Wenn es nur wahr ist, Jan Guldt! Der Alte ist der einzige, der seine Augen gesehen hat; und der sagt: sie sind nicht gut. Wenn die Sache man nicht am Ende schief geht und der Alte zuletzt seinen dummen Schnack anbringen kann, den er immer im Mund führt: Hatt' ich mir just so gedacht!«

Aber Jan Guldt schüttelte hochmütig den Kopf und sagte: »Der? ...« so als wenn Kapitän Bosselmann in solchen Sachen nicht bis drei zählen könnte.

Als sie nun in Sidney ankamen, gingen die Norweger von Bord. Der alte weißhaarige Kapitän, sein Neues Testament in der Seitentasche seines blauen Jacketts, ging bei der ganzen Mannschaft herum und gab allen die Hand. Als er zu seinen fünf Rettern kam, strich er ihnen über die Hände und sagte, er wäre bei seinem Alter ja freilich reif und fertig für die andere Seite; aber seine alte Frau würde sich doch sehr freuen, daß er wiederkäme.

Sie lachten alle fünf und sagten: »Hallo, Kaptän! Fahren Sie man ruhig wieder los! Wir holen Sie wieder heraus.«

Er schüttelte lächelnd den weißen Kopf über ihren gutmütigen Übermut. Dann sah er Jan Guldt an und sagte ernst-gütig und mit großem Nachdruck: »Du mußt noch lernen, genau hinzusehn, mein Sohn, wie die Welt ist. Sieh, es gibt drei davon: eine in unserem Kopf, die uns gehört, und eine draußen um uns, die den Menschen gehört, und eine, noch wieder ganz andere, die Gott gehört. Du denkst und lebst nur die deine; du mußt mehr auf die beiden andern achten!«

Aber Jan Guldt war viel zu sieghaft und glücklich; er hörte gar nicht, was der alte Mann sagte. Er lachte und sagte hochmütig-sicher: »Ich finde mich schon zurecht, durch alle drei, Kaptän.«

Da ging der Alte kopfschüttelnd und bekümmert von Bord.

Nach einer Weile kam der Lazarettwagen, um den Verwundeten zu holen. Er wurde von einigen Leuten, die sich wunderten, daß er so gut marschieren konnte, über den Steg und an Land geführt. Als er drüben, an Land, an der Tür des blauen Wagens stand, lüftete er die Binde und sah suchend, mit zwinkernden Augen, nach dem Schiff hinüber. Als er Jan Guldt, der von dem ganzen Transport nichts gemerkt hatte, an der Luke entdeckte, lachte er laut und grell, genau so, wie er vor vier Jahren auf der Blankeneser Brücke gelacht hatte, und rief laut hinüber: »He ... Du! Jan Guldt ... He ... Du Narr?! ...«

Jan Guldt hörte endlich, hob sich, und wandte sich zu ihm und weitete die Augen.

»Mensch!« schrie der andere. »Bist du dumm!« Und lachte, und schlug sich den Schenkel, und schmiß die Tür des Wagens zu, und lief davon.

Kapitän Bosselmann schrie in hohem, juhendem Ton vom Achterdeck herab: »Hatt' ich mir just so gedacht!« Karl Kröger sprang den Steg entlang, um die Jagd auf den Schurken zu versuchen. Zwei andere schrien, indem sie schon vorwärtsliefen: »Er klopfte sich auf die Tasche, Jan Guldt! Sieh nach deiner Kiste, Mensch! Wir sahen heute morgen, wie er darin kramte.« Und machten sich über dem Laufsteg, Karl Kröger nach, auf die Jagd.

Jan Guldt griff sich mit den Händen in sein rotblondes Haar und ging dann wie ein Nachtwandler, die Hände voraus, nach der Lazarettkammer, öffnete seine Kiste, und suchte und suchte. Er fand von all dem Geld, das er sich übergespart hatte, nicht einen Pfennig mehr.

Er stand wieder auf und wollte an die Tür treten und sagte mehrmals mit eintöniger Stimme, wie starr vor Verwunderung, leise, wie zu sich selbst: »Das gibt es ja gar nicht! Das gibt es ja gar nicht!« Dann aber schrie er plötzlich in rasendem Zorn auf und schlug mit den Fäusten gegen die Tür und fluchte in wilden Worten. Kapitän Bosselmann schrie und juhte: »Viel zu hitzig! Sachte! Sachte!«

Aber er hörte es nicht; er war zusammengesunken und stöhnte und schrie.

Karl Kröger, der zurückgesprungen war, als er das wilde Schreien hörte, stand totenbleich da und sagte leise mit zitternder Stimme, während das Stöhnen des Unglücklichen um sie klang: »Er jammert nicht um sein Geld, Kaptän, sondern weil ihm das mit dem Menschen mißglückt ist. Ich sagte Ihnen: er ist so wild nach dem, was er für Recht hält. Er kann es nicht vertragen, daß ihm dies schief gegangen ist.«


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