Karl Emil Franzos
Leib Weihnachtskuchen und sein Kind
Karl Emil Franzos

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IX

Dort aber hatte sich inzwischen eine seltsame Szene begeben.

In den Morgenstunden des Sonntags, während des Gottesdienstes und bis nach der Messe, bleibt die Schenke immer leer. Einmal deshalb, weil die Popen darauf achten, ferner aber, weil die Bauern gerne ihren Rausch vom Abend vorher ausschlafen, bis die Kirchenglocken sie zur Andacht rufen. Und so kam's, daß die Kasia volle zwei Stunden, von sieben bis neun, keine Menschenseele fand, der sie ihre Entdeckung hätte mitteilen können, daß Leib und Chane nach Halicz gegangen, um dort ihre Tochter mit dem Alten aus der Dampfsäge zu verloben. Denn daß sie aus keinem geringeren Grunde beide ihr Haus verlassen haben würden, bezweifelte sie keinen Augenblick, dafür kannte sie sie zu genau.

Keine Seele, oder doch keine gläubige. Denn der Miriam teilte es die Goje mit, aber das Mädchen lachte nur laut auf. »Du bist verrückt«, sagte sie, »davon müßt ich ja auch etwas wissen!«

»Aber bei euch wird ja ein Mädchen nie gefragt!« rief die Kasia.

»Vielleicht!« erwiderte die Miriam. »Aber mich würden meine Eltern fragen . . . Oder doch mein Vater«, fügte sie nach einem Augenblick des Nachdenkens hinzu. »Er ist ja so gut! Er würde mich nicht zwingen, ein Kleid zu tragen, das mir nicht gefällt – und nun gar einen so alten Mann zu nehmen!«

»Dein Vater!« sagte die Kasia verächtlich. »Der trägt ja hier im Haus den Unterrock und die Mutter die Hosen! Die Mutter hat's eben befohlen, daß er schweigt.«

»Pfui!« rief das Mädchen heftig, und ihre Augen blitzten. »Daß ich das nie wieder höre! . . . Aber über deine Reden darf man sich gar nicht ereifern«, fügte sie wieder lachend hinzu. »Du bist eben ein Schwatzmaul!« Und sie ging trällernd an die Arbeit.

Die Kasia trat vor die Haustüre; vielleicht gelang es doch, irgend jemand zu ergattern. Aber die Dorfstraße lag noch immer verödet, obwohl die Sonnenuhr am Pfarrhause fast schon auf neun wies. Ihre einzige Genugtuung war, daß sie die Miriam plötzlich im Hofe singen hörte:

»Janko, komm nicht wieder her,
Meine Mutter leid's nicht mehr.
Und mein Vater warnt – –«

Da brach sie plötzlich ab. »Aha!« rief die Kasia triumphierend und eilte auf den Hof. »Was hast du da gesungen?« fragte sie.

Ihr Jubel wuchs, als das Mädchen darüber sichtlich verlegen wurde. »Was? Ein Lied . . .«, erwiderte sie unsicher. »Du kennst es ja!«

»Das Lied vom lieben Janko!« rief die Kasia höhnisch, änderte jedoch flugs die Tonart. »Miriam«, bat sie, »vertraue dich mir doch an! Ich habe ja auch einmal geliebt! Und er hat auch Janko geheißen.«

Da lachte Miriam wieder. »Unsinn! – Ich hab nichts zu gestehen!« Aber es klang doch nicht so ganz unbefangen, und das entging der Kasia nicht.

»So?« fragte sie. »Warum bist du dann plötzlich verstummt? Weil dir eingefallen ist, daß ich dich hören kann?«

»Nein!« beteuerte Miriam, und da log sie wahrlich nicht. Bei der Stelle von der Warnung des Vaters stand ihr plötzlich die Szene vom Montag in Erinnerung und wie ihr der Vater im Mondlicht den Schwur abgenommen, nie wieder solche Lieder zu singen. Aber so ehrlich dies »Nein!« war, ganz unbefangen blieb sie dabei nicht, und als die Kasia sie scharf anblickte, schlug sie den Blick nieder und wurde rot. Dann plötzlich überkam sie – sie wußte selbst nicht wie – der Gedanke, ob der Vater etwa deshalb so dagegen gewesen, weil in dem Liede von einem Janko die Rede war, der nicht wiederkommen dürfe . . .

»Nein!« äffte ihr die Kasia nach. »Und wird dabei rot wie ein Hahnenkamm! . . . Hahaha! . . .« Und sie lief wieder auf ihren Posten, vor die Türe.

Nun eilten bereits die Leute zur Kirche vorüber; aber es war die höchste Zeit, den Beginn der Messe nicht zu versäumen: der Gruß der Kasia wurde kurz erwidert, aber zum Plaudern war niemand bereit. Unter den letzten kam auch der dicke Schmied herangehastet, etwas unsicheren Schritts und mit schlaftrunkenen Augen. Das ist der Rechte, dachte die Kasia erfreut und rief ihm schon von weitem entgegen: »Meister! – auf ein Wort!«

»Nach der Messe!« wehrte er ab, blieb dann aber doch stehen. »Was gibt's?« fragte er neugierig, als sie mit erregtem Gesicht auf ihn zueilte. »Waren die beiden etwa auch heute nacht . . .«

Die Kasia schlug schämig den Blick zu Boden und tat, als ob sie erröte. »Aber Meister«, wehrte sie ab, »warum fragt Ihr, da ich doch nicht antworten kann?! . . . Ich habe ja geschworen! Auch haben diese Juden mich gestern abend so lange angefleht, bis ich ihnen doch versprochen habe, es noch einmal mit ihnen zu versuchen . . . Nun, und da muß ich bis heute mittag aushalten, denn sie sind ja beide fort, nach Halicz! . . . Beide, Meister! – zu einem dringenden Geschäft. ›Es hängt für uns alles davon ab‹, sagen sie, ›und du bist gut, Kasia‹, sagen sie, ›und du bist verschwiegen, Kasia‹, sagen sie, ›und darum wirst du bleiben, bis wir dies wichtige Geschäft erledigt haben!‹ Und fort sind sie, und ich kann nun dieser verdammten Juden wegen nicht einmal zur heiligen Messe gehen.«

»Was Teufel!« rief er erstaunt. »Dann verkuppeln sie das Mädel doch an den Alten – was?«

»Ich habe geschworen«, sagte die Kasia hastig. »Aber denkt Euch nur, Meister, jetzt, in der Stunde, wo sie den Hochzeitstag bestimmen, weiß das Mädel noch immer nichts davon!«

»Und der Janko auch nicht?«

»Nein, gewiß nicht!«

»Schade, daß man ihn nicht mit der Nachricht erfreuen kann«, lachte der Schmied. »Aber der Pope – ich fange mit dem Popen nichts an!«

Er ging zur Kirche; den anderen wollte er die Neuigkeit sagen, daß die kleine Jüdin nun doch verlobt sei, dem Janko nicht. Aber da fügte es der Zufall, daß er an der Kirchentür just mit seinem Gegner zusammentraf; auch der junge Bauer hatte sich verspätet, wie fast immer; er pflegte den Sonntagmorgen zu einem Gang über seine Felder zu benützen.

Und als der dicke Onufrij gewahrte, wie finster ihn der Janko aus seinen schief geschlitzten Lidern anschielte, da juckte es ihn, ihm einen Possen zu spielen. Warum auch sollte er es ihm nicht sagen?! Der Pope hatte verboten, den häßlichen Menschen wegen seiner Liebe zur jungen Jüdin zu hänseln, aber warum sollte er ihm die Nachricht von ihrer Verlobung nicht mitteilen dürfen?! Im Gegenteil, das konnte Hilarion doch nur billigen; damit war eben die sündige Leidenschaft zu Ende. »Guten Morgen, lieber Janko«, sagte er freundlich. »Was sagst denn du zu der Neuigkeit?!«

Das gelbe Mongolengesicht wurde um einen Schatten fahler. »Laß mich zufrieden!« Und er hob die Faust. »Ich . . . ich . . .«

Der Schmied zog eine gekränkte Miene. »Und ich wollte dir eine Freude machen!« sagte er. »Du gönnst ja dem Leib und seiner Tochter gewiß was Gutes. Verdient wenigstens haben sie's um dich!«

Der Janko war nun vollends bleich wie die Wand, an der er lehnte. »Laß sie aus dem Spiel«, murmelte er. »Ich rate dir gut!«

»Bestie!« murmelte Onufrij und trat in die Kirchentür. Zwei Schritte, und er war in Sicherheit..

»Willst du ihr wirklich nicht Glück wünschen?!« fragte er nun vorwurfsvoll. »Sie ist ja Braut, in drei Tagen heiratet sie den alten Juden in der Dampfsäge!«

Und er trollte sich in die Kirche.

Aber es hätte der Flucht nicht bedurft; eine Weile war er vor dem Janko sicher, und wenn er dicht neben ihn getreten wäre. Denn die Nachricht traf den jungen Bauer wie ein betäubender Schlag aufs Haupt, die Knie knickten ein, die zitternden Hände tasteten an der Mauer, wie um sich zu halten, in das Haupt, das sich vorn überneigte, schoß das Blut, daß es die Augen blendete und die Stirnadern dick anschwollen. Dann fiel der Körper in die Ecke der Türe, das Haupt sank zurück, das Antlitz wurde aschenfahl, die Augen schlossen sich, der Atem ging keuchend aus und ein. Das währte lange, bis er sich endlich aufrichtete und mit verstörten Augen um sich blickte.

»Wer?!« stieß er gellend hervor. »Der alte David?!«

Niemand antwortete. Nur der Herbstwind rauschte im welkenden Laub der Linden an der Kirchenpforte. Von drinnen klang das Gemurmel der Beter. Er war allein . . .

»Der alte David?!« wiederholte er halblaut und strich sich über die Stirne. »Hund, du lügst!« stieß er dann wieder schrill hervor und wollte in die Kirche.

Da hob sich drinnen Chorgesang; er wich zurück.

»Wozu?« murmelte er. »Es mag ein junger Jude sein, aber verlobt ist sie, da hat der Hund nicht gelogen.« Er legte abermals die Hand an die Stirne und suchte nachzudenken. Im Hirn stach es ihn, als wären da glühende Drähte eingebohrt, und vor den Augen flimmerte es, aber was bedurfte es da erst des Nachdenkens?! Am Montag hatte es ihm Leib selbst gesagt, daß er deshalb zur Stadt gehe, und seither hatte er die Schenke nicht betreten dürfen. Das also war der wahre Grund . . .

»Oh-h!« Ein Wehlaut brach aus seiner Brust, dumpf, langgezogen, es klang fast wie das Heulen eines gequälten Tieres. Die Finger tasteten nach dem Halse, den Kragen zu lüften, dann rissen sie den Kittel, das Hemde auf und bohrten sich in die braune, zottige Brust so krampfhaft fest, daß das Blut unter den Nägeln hervorspritzte.

»Oh-h! . . . Oh-h!« – immer wieder brach der Klagelaut aus dem entfärbten, halbgeöffneten Munde. Es war schauerlich anzuhören; ein Hund, der des Weges kam, blieb stehen, winselte kurz auf und lief dann mit eingeklemmtem Schweif, sich ängstlich umblickend, davon.

So stand der Unglückliche einige Minuten lang. Dann wandelte sich der Ausdruck der Züge, die Lippen schlossen sich fest aufeinander, in den starren, glasigen Augen lohte es düster auf. »Ich hab's dir gesagt, Alter«, murmelte er drohend, »es ist nicht meine Schuld, daß du mir nicht glauben wolltest . . .«

Und er schritt langsam, aber festen Schrittes die Dorfstraße hinab, der Schenke zu. Nur einmal noch blieb er stehen. Es fiel ihm ein, daß er keine Waffe habe. Aber dann schüttelte er den Kopf. »Wozu?« murmelte er. »Das findet sich – und vielleicht . . .« Wieder lohte es in den düsteren Augen auf, diesmal hell und wild, und über das Antlitz flog eine heiße, jähe Röte. »Vielleicht kommt sie mit mir!« dachte er. Aber der tröstliche Gedanke verflog so rasch, wie er gekommen. »Nein!« flüsterte er. »Nun – dann ein . . .« Er sprach das entsetzliche Wort nicht aus, aber er ging weiter, langsam, jedoch festen Schritts, unaufhaltsam, bis das Wirtshaus vor ihm lag.

Die Kasia hielt noch immer am Torweg aus; nur hatte sie sich's, weil der nächste Mensch, dem sie die Neuigkeit anvertrauen konnte, gar so lange auf sich warten ließ, auf dem Bänkchen neben dem Tor bequem gemacht. Als sie den Janko herankommen sah, das Haupt vorgeneigt, im düstern, drohenden Antlitz keinen Blutstropfen, sprang sie entsetzt auf. Der Schmied hat's ihm vorgehalten, dachte sie, er kommt, mich für die Verleumdung zu züchtigen! Einen Augenblick lähmte sie die Angst, dann rannte sie ins Haus und durch Schenkstube und Küche in den Hof, wo die Miriam noch immer lustig trällernd das Geschirr wusch. »Der Janko!« stöhnte sie und hob die gefalteten Hände flehend zu dem Mädchen empor. »Schütze mich – er wird mich töten!«

»Der Janko?« fragte Miriam freudig überrascht. – »Erbarmen!« schrie die Kasia mit angstverzerrten Zügen und umklammerte das Mädchen. »Ich habe ja nichts gesagt!«

Die Miriam machte sich los. »Bist du verrückt? Warum sollte dir der Janko was antun?!«

»Weil der Onufrij . . . Jesus Maria!« schrie sie schrill auf – da stand der junge Bauer schon im Hofe. Wieder stand die Magd einen Augenblick wie gelähmt; nur die Augen flogen blinzelnd in der Runde, ein Versteck zu erspähen. »Der Onufrij hat gelogen«, schrie sie ihm dann zu, streckte die Arme abwehrend vor, stürzte nach der Türe des Kellers und verschwand in der dunklen Öffnung.

Verblüfft starrte ihr das Mädchen nach und dann auf den Janko. »Was soll das heißen?« fragte sie. »Was hat dir der Onufrij – –Barmherziger Gott!« unterbrach sie sich. »Wie siehst du aus!« Der Ausruf war nur allzu berechtigt. Haupt und Hände vorgestreckt, das Antlitz verzerrt, wilde Glut in den Augen – so stand er da und starrte sie an. Sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück – war er betrunken? Aber im nächsten Augenblick trat sie auf ihn zu und faßte seine Hand. »Was hast du?« rief sie. »Wieder ein Streit mit dem Onufrij? Du warst doch sonst so vernünftig!« Er umklammerte ihre Hand mit der Linken und hob die Rechte, als wollte er ihren Leib umfassen. Wie Espenlaub zitterte sein Körper vor jähem Begehren, und die halbgeschlossenen Augen verglasten sich. In ihr Antlitz schlugen die Flammen bis ans Stirnhaar. »Janko!« schrie sie abwehrend auf und riß ihre Hand aus der seinen.

Da wich auch er zurück. »Verzeih!« stammelte er und stieß dann bebend hervor: »Schwöre mir! – schwöre mir bei Gott und allen Heiligen – ist es wahr?«

»Bei allen Heiligen« – das gab ihr die Fassung wieder. »Davon hättest du nichts«, erwiderte sie und versuchte zu lächeln, »aber die Wahrheit will ich dir natürlich sagen, wie immer!«

»Bist du . . . bist du verlobt?« Er konnte es nur heiser flüstern.

»Das also war's!« rief sie. »Nein, ich bin noch zu haben!« Ihr war eigentlich gar nicht scherzhaft zumute, aber ihr Instinkt ließ sie diese Tonart wählen. »Wer sollte mich auch wollen? Der Greis in der Sägemühle? Im Alter würde ich ja zu ihm passen, aber er denkt leider gar nicht dran! . . . Das also hat die Kasia dem Onufrij erzählt und der Onufrij dir?! Es ist alles Lüge!«

Er taumelte, aus seiner gepreßten Brust rang sich ein Schrei, ein Schrei der Erlösung: »Lüge?!«

»Lüge, Janko! Auf Ehre!«

Wieder schrie er auf, diesmal leiser, weil ihm die aufsteigenden Tränen die Kehle zuschnürten. Und im nächsten Augenblick überströmten die Tränen sein Gesicht – unaufhaltsam, wie ein Quell brachen sie hervor, und er stand vorgebeugt da und ließ sie fließen, und zwischendurch lachte er und wiederholte immer wieder: »Lüge! . . . Lüge!«

»Aber Janko!« rief sie mahnend. »Was soll . . .« Weiter kam sie nicht. Plötzlich, wie ein Blitz, überkam sie die Erkenntnis, was dies heißen solle. Ohne die Reden der Kasia wäre sie wohl auch nun noch nicht darauf gekommen – so aber wußte sie es jetzt. Wieder tauchte sich Antlitz und Nacken in Purpurglut, und ein leises Zittern überflog den jungen, schwellenden Leib . . .

Barmherziger Gott, dachte sie, er hat wirklich die Liebe zu mir bekommen. Der arme Mensch – es kann ja nichts daraus werden – er ist ja ein Christ! Das war aber auch der einzige trennende Grund, der ihr beifiel; daß er ein Bauer war, daß ihn die anderen einen häßlichen Tölpel schalten, daran dachte sie nicht – ihr war er weder häßlich noch ein Tölpel, sondern eben der arme, gute Janko, der keine andere Freude hatte als das Geplauder mit ihr, wie sie keinen anderen Freund. Und wie er so in einem Atemzuge lachend und weinend vor ihr dastand, außer sich vor Entzücken, daß sie noch keinem anderen angehöre, da übermannte sie, ebenso urplötzlich wie vorhin die Erkenntnis seiner Liebe, eine andere Empfindung, die sie bisher nie gekannt . . .

Ihr Herz pochte wie ein Hammer, und sie wandte sich unwillkürlich ab, ihm die Glut im Antlitz zu verbergen. So standen die beiden lange nebeneinander und sprachen kein Wort; nur sein Schluchzen war noch zuweilen hörbar, oder das Mädchen atmete tief auf.

Der Zufall fügte es, daß Miriam dabei den Blick auf die Kellertür geheftet hielt. So gewahrte sie es sofort, als sich der Kopf der Kasia vorsichtig aus der dunklen Öffnung hob. Der angstvolle Ausdruck wich schnell einem listigen Lächeln, als sie die beiden jungen Menschenkinder so stumm und glühend nebeneinander stehen sah.

Dunkler konnten sich die runden Wangen des Mädchens auch darüber nicht mehr färben, aber in den braunen Augen wich der Ausdruck scheuer Träumerei blitzschnell dem des Zornes. »Komm nur hervor«, rief sie, »und hör zu, welche Geheimnisse wir miteinander zu bereden haben!«

Zögernd stieg die Kasia aus ihrem Versteck hervor. »Ich habe ja nichts gesagt!« beteuerte sie. »Und werde nichts sagen! Keinem Menschen! Vor mir könnt ihr offen reden!«

»Schönen Dank!« sagte Miriam scharf. »Aber wir haben nichts zu verschweigen! Nicht wahr, Janko?« Aber der stand noch immer wortlos und schaute sie nur mit glückselig strahlenden Augen an. Das machte die Miriam verlegen. »Erzähle doch! Wie steht's in deiner Wirtschaft? Hat deine schwarze Kuh gekalbt?«

»Die schwarze Kuh?!« Er fuhr sich über die Stirne. »Ich weiß nicht . . . Doch, ja, sie hat gekalbt . . .« Er seufzte tief auf. »Mein Kopf ist jetzt so schwach!«

»Es scheint so!« sagte die Miriam unwillig. »Wenn du kein sorgsamer Wirt mehr bist, was bleibt dann sonst Gutes an dir?! Schäm dich!«

»Ach! wenn du wüßtest! . . .« Aber so verwirrt er war, die Anwesenheit der Kasia ließ ihn doch verstummen. Er suchte sich zu fassen. Und selbst wenn das blöde Weibsbild nicht dabei wäre, dachte er, dürfte ich ihr doch nichts sagen. Ich habe ja dem Leibko versprochen, daß ihr kein Wort, kein Blick verraten soll, was in mir vorgeht, wenn ich sie nur täglich sehen darf. Kann sie ihm erzählen, wie vernünftig ich heute war, so erlaubt er mir vielleicht doch wiederzukommen. Und er wollte erzählen, wie es der schwarzen Kuh ergangen und daß auf den Feldern gegen Halicz die Wintersaat nun ganz bestellt sei. Aber kaum daß er damit begonnen, klangen wieder die Kirchenglocken. Die Messe war zu Ende.

»Du mußt nun gehen!« befahl Miriam. »Du weißt, es kann uns bei dem Polen schaden, wenn dich die Leute hier sehen.«

»Bei dem Polen?« fragte er erstaunt.

»Das weißt du ja!« erwiderte sie und wiederholte, was ihr die Mutter erzählt. Er sah sie sprachlos an. »Ist das die Wahrheit?« fragte er. »Mir haben sie . . .« Aber so unbehilflich er war, so erkannte er doch noch rechtzeitig, daß er den Grund, den Leib ihm angegeben, nicht mitteilen dürfe, ohne sich dies Haus für immer zu verschließen. »Wo sind deine Eltern?« fragte er dann.

»Die Mutter in Halicz«, erwiderte sie, »der Vater in Jezupol.«

»Die Mutter in Halicz?«

»Und der Vater in Jezupol«, erwiderte sie mit starker Betonung. »Du weißt, ich sage immer und in allem die Wahrheit. Und nun geh. Mit Gott, Janko . . . Komm, Kasia.«

Die Magd folgte zögernd; dann, als das Mädchen im Hause verschwunden war, trat sie auf den jungen Bauer zu, der noch immer wie angewurzelt dastand, und flüsterte ihm ins Ohr:

»Sie liebt dich! Wie verrückt ist sie nach dir! Bei allen Heiligen, so ist es. Und ich will euch beistehen . . .«

»Was? . . . Was?« schrie er auf und faßte ihre Hand so eisernen Griffs, daß sie aufschrie. Da ließ er sie los.

Als die Kasia nach einer Weile einen Blick auf den Hof warf, ging Janko eben erst taumelnden Schrittes davon.

»Das hat bei dem Tölpel gezündet!« murmelte sie befriedigt vor sich hin. »Und ich habe vielleicht nicht einmal gelogen!«


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