Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Aslauga's Ritter
Friedrich Baron de la Motte Fouqué

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Elftes Kapitel.

Frode fühlte seinen Arm matt werden und das warme Blut aus zwei Schulterwunden herabrinnen. Da wollte er so erliegen, daß er vor der hohen Herrin, welcher er diente, mit Ehren aufsteigen könne aus dem blutigen Grabe, warf seinen Schild rückwärts, faßte den Schwertgriff zu beiden Händen und drang mit lautem Feldruf wilder in den erschreckten Feind. Alsbald hörte er Einige schreien: »es ist die nordische Kämpferwuth, die ihn faßt! die Berserkerwuth!« – Und scheu prellte die Schaar auseinander, und der ermattete Held blieb mit seinen Wunden im Dunkel allein.

Da leuchtete wieder Aslaugens Goldhaar in den Erlenschatten, und Frode, sich müde auf sein Schwert stützend, sagte: ich meine eben nicht zum Tode wund zu sein, aber wenn es dahin kommt, o liebe Herrin, dann erscheinst du mir doch noch gewiß in all' deiner Lieblichkeit und Pracht?« – Ein leises »Ja« hauchte an seinen Wangen hin, und das Goldlicht verschwand.

Aber halb ohnmächtig wankte Hildegardis aus den Gebüschen und sagte leise: »Drinnen das furchtbar schöne Nordlandsgespenst, draußen die Schlacht! O lieber Gott, wo soll ich hin?«

Da trat ihr Frode beruhigend entgegen und wollte der Staunenden manches freundliche Wort sagen und sie nach Edwald fragen, als man das Wiederkommen der Sorbenkrieger aus ihrem Waffenrasseln und wilden Gerufe vernahm. Eilig leitete Frode die Jungfrau in den Nachen, stieß vom Ufer und ruderte mit Anstrengung seiner letzten Kräfte nach dem Bergeiland hinüber, welches sich ihm schon vorhin in der Mitte des Stroms kund gethan hatte. Aber die Verfolger hatten Fackeln angezündet, schwenkten diese sprühend hin und her und entdeckten bei deren Lichte bald die Schiffenden, auch daß der gefürchtete Dänenritter blute, und faßten einen frischen Räubermuth daraus. Noch ehe Frode den Nachen an der Insel angelegt hatte, vernahm er schon, wie jenseits ein Sorbe mit einem Fahrzeug herbei kam und bald darauf der größte Theil der Feinde sich einschiffte und ihm nachzurudern begann.

»In die Waldung hinein, schöne Jungfrau;« flüsterte er, sobald er Hildegarden an's Land geholfen hatte. »Verbergt Euch dorten, derweil ich trachte, den Räubern hier das Aussteigen zu verwehren.« – Aber sich fest an seinen Arm haltend, flüsterte Hildegardis zurück: habe ich Euch nicht blutesroth gesehen und bleich? Und wollt Ihr, daß ich vor Entsetzen umkomme in diesen einsamen, nächtigen Hügelgewinden? Ach und wenn dann Euer nordisches goldhaariges Frauengespenst wieder erschiene und setzte sich neben mich hin, – oder glaubt Ihr etwa, ich sehe nicht, wie es dorten schon wieder durch die Büsche leuchtet?« – »Sie leuchtet!« wiederholte Frode, und neue Kraft und Hoffnung rann durch seine Adern. Er stieg bergan, dem holden Schimmer nach, und wie auch Hildegardis vor diesem zitterte, folgte sie doch ihrem Führer willig und sagte nur bisweilen leise: »ach Herr, mein hoher, wundersamer Herr, nicht laßt mich hier allein. Es wäre mein Tod.« – Der Ritter, sie freundlich tröstend, schritt immer eiliger in Thal und Walddunkel hinein, denn schon vernahm er das Geräusch der landenden Sorben am Ufer der Insel.

Unversehens stand er vor einer Höhle, dicht von Gebüschen verdeckt, und der Schimmer verschwand. »Hier also!« flüsterte er, bemüht, die Zweige auseinander zu halten und Hildegarden den Eingang zu erleichtern. Sie stutzte einen Augenblick und sagte: »wenn Ihr so hinter mir die Zweige wieder zuschlagen ließet, und in der Höhle blieb' ich mit Nachtgespenstern allein! – Herr Gott! – Aber, Frode, Ihr folgt mir zitterndem, gejagtem Kinde gewiß. Nicht wahr?« – Vertrauend schritt sie durch das Gezweig, und der Ritter, der als Wächter hatte draußen bleiben wollen, folgte. Angestrengt horchte er durch die Stille der Nacht, Hildegardis wagte kaum Athem zu holen. Da rasselten die Fußtritte eines Bewaffneten heran, näher und immer näher, ganz dicht nun vor der Höhle, und Frode war vergeblich bemüht, sich von der zitternden Jungfrau loszumachen. Schon knisterten und brachen die Zweige des Einganges; schwer seufzte Frode: »so soll ich denn fallen, wie ein versteckter Flüchtling, von Weiberschleiern umwallt! Herr Gott, es ist ein schlimmes Ende. Aber darf ich denn dies halbohnmächtige Bild von mir drängen auf den dunkeln, harten Boden hin? Vielleicht einen Abgrund hinunter? Nun, geschehe denn, was da soll! Du, Herrin Aslauga, weißt es, ich sterbe in Ehren!«

»Frode! Hildegardis!« tönte eine sanfte, wohlbekannte Stimme am Eingang. Und Edwald erkennend, trug ihm Frode die Herrin entgegen an das Sternenlicht, sprechend: »sie vergeht uns vor Angst in dem Höhlenschlunde. Ist der Feind nahe?« – »Die liegen meist Alle am Strande todt oder schwimmen blutig auf den Wellen;« sagte Edwald. »Seid nur ohne Sorge und ruht euch. Bist du wund, lieber Frode?« – Er gab dem Staunenden nur die kurze Auskunft, wie er sich in der Dunkelheit mit als ein Sorbenkrieger in das Schiff gedrängt habe; da sei es ihm bei'm Anlanden leichtes Spiel gewesen, die Räuber, die sich aus ihrer eignen Schaar heraus von ihm angegriffen gesehen und für verhext gehalten, vollends zu verwirren. – »Sie hieben zuletzt Einer auf den Andern los,« endete er seinen Bericht, »und wir brauchen jetzt nur den Morgen zu erwarten, um das Fräulein heim zu geleiten. Denn was von dem Eulengeschwader noch herumstreift, muß sich ja vor dem Tageslicht ohnehin verstecken.« – Während dessen hatte er für Hildegardis ein Lager von Reisig und Moos gar sorgsam und artig bereitet, und als die Ermattete mit einigen lieblich dankenden Worten eingeschlummert war, hub er an, seines Freundes Wunden, so gut es die Dunkelheit erlauben wollte, zu verbinden.

Während des ernsten Geschäftes, von den hohen dunkeln Bäumen überrauscht, fern heran der Wellengang des Stromes klingend, gab Frode seinem Waffenbruder mit leiser Stimme Kunde, welcher Herrin er eigentlich diene. Edwald hörte sehr nachdenklich zu, endlich aber sagte er freundlich: »Glaube mir nur, die hohe Fürstin Aslauga zürnt dir dennoch wohl nicht, wenn du dich dieser holden Erdenschönen in treuer Liebe verbündest. Ach, gewiß jetzt eben leuchtest du in Hildegardens Träumen, du vielbegabter, glücklicher Held. Ich werde dir nicht im Wege sein mit meinen thörichten Wünschen; ist es ja doch offenbar genug, daß sie mich nun und nimmer lieben kann. Da will ich denn dieser Tage nach dem Kriege aufbrechen, den so viele tapfere deutsche Ritter im heidnischen Preußenlande führen, und das schwarze Kreuz, mit welchem sie sich zu geistlichen Herren erklären, als das beste Heilmittel heften auf mein schlagendes Herz. Und du, lieber Frode, nimm die schöne Hand, die du dir erfochten hast, an, und führe ein ganz ausnehmend glückliches und vergnügtes Leben.«

»Edwald,« sagte Frode sehr ernst, »das ist das erste Mal, daß ich ein Wort aus deinem Munde höre, welches ein biedrer Rittersmann nicht zur That machen soll. Thue du wegen der schönen, stolzen Hildegardis nach deinem Gefallen, aber Aslauga bleibt meine Herrin, und keiner Andern begehr' ich in Leben oder Tod.«

Der Jüngling schwieg vor dieser strengen Antwort etwas verschüchtert still, und beide durchwachten, ohne weiter zu reden, im ernsten Sinnen die Nacht.

 


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