Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Aslauga's Ritter
Friedrich Baron de la Motte Fouqué

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Neuntes Kapitel.

Die beiden Ritter waren im tiefem Schweigen nach ihren Gemächern heimgekehrt. Dort angekommen, ließ sich Edwald sogleich entwappnen und legte all' die Stücke des schönen, glänzenden Rüstzeuges sorgfältig zusammen, mit einer recht liebevollen Genauigkeit, beinah, als ob er einen theuern Gestorbenen bestatte. Dann winkte er die Knappen aus dem Zimmer, nahm seine Laute in den Arm und sang folgendes Liedchen zu ihren Tönen:

»Wen legst in's Grab du
So leis' und stille? –
Das ist mein kühner,
Mein froher Wille.
Schlaf ruhig, du Todter im Kämmerlein!
Mein Hoffen bettet sich mit hinein.«

»Du wirst mich noch böse machen auf deine Laute,« sagte Frode, »es sei dann, daß du ihr wieder fröhlichere Liederchen angewöhnst. Zur Grabesglocke ist sie viel zu gut und du vollends für einen solchen Glöckner. Ich sage dir, mein junger Held, es wird noch Alles sehr herrlich.«

Edwald sahe ihm eine Weile erstaunt in die Augen; dann entgegnete er freundlich: nein, lieber Frode, wenn es dir mißfällt, will ich auch gewiß nicht wieder singen.« – Aber einige wehmüthige Akkorde griff er, die klangen unendlich lieb und zart. Da faßte ihn der Norderheld sehr bewegt in seine Arme und sagte: »liebes Edchen, sing' und sprich und thu', was dir gefällt; das soll auch mir immer recht erfreulich sein. Aber glauben kannst du es doch auch wohl, wenn ich dir aus nicht unbegabten Sinnen verkünde: dein Leid muß sich wenden; ob zum Tod oder Leben, weiß ich noch nicht, aber große, überschwängliche Freude kommt dir gewiß.« – Fest und heiter stand Edwald vom Sessel auf, faßte kräftig seines Genossen Arm und schritt mit ihm durch blühende Gartengehäge in die duftige Abendkühle hinaus. –

Zu eben dieser Stunde führte man eine alte Frau, in viele Tücher vermummt, heimlich nach Fräulein Hildegardens Gemach. Die Fremde, braun und wunderlich anzusehen, hatte mit mancherlei Kunststücken einen Theil des vom Turnier heimgehenden Volkes eine Zeitlang um sich versammelt gehalten, endlich aber Alle im wilden Entsetzen auseinander gesprengt. Noch bevor dieses letztere geschah, war die Gürtelmagd Hildegardens zu ihrer Herrin geeilt, um sie von den seltsamen und lustigen Streichen der braungelben Frau zu unterhalten, und die Fräulein des Gefolges, den Trübsinn der tief bewegten Dame zu verscheuchen bemüht, geboten der Erzählerin, die Alte herbei zu rufen. Hildegardis ließ es geschehen, hoffend, die Aufmerksamkeit ihrer Dienerinnen von sich abzuwenden und tiefer und achtsamer die wechselnden Gestalten beschauen zu können, welche ihr den Sinn bewegten.

Die Botin fand den Platz schon geleert und die fremde Alte in Mitten desselben ganz allein, unmäßig lachend. Sie verhehlte ihr auf Befragen nicht, wie sie sich mit einem Male in die Gestalt einer ungeheuern Eule verstellt habe, den Zuschauern mit schnarrenden Worten weiß machend, sie seie der Teufel, und wie davor Jedermann schreiend nach Haus gelaufen sei.

Der Gürtelmagd ward bange vor dem häßlichen Scherz, und dennoch getraute sie sich nicht, Hildegarden, deren Unmuth sie bemerkt hatte, auf's neue nach ihren Befehlen zu fragen. Sie begnügte sich daher, der Fremden unter vielen Drohungen und Verheißungen einzuschärfen, daß sie sich ja fein sittig in der Burg betragen solle, und sie dann auf recht geheimen Wegen hineinzubringen, damit Niemand der durch sie Erschreckten diese Bestellung wahrnehme.

Die Alte stand nun vor Hildegarden und winkte ihr mitten in der tiefen demüthigen Verbeugung auf eine seltsam vertrauliche Weise zu, als hätten sie Beide ein Geheimniß mit einander. Die Herrin fuhr davor unwillkührlich zusammen und konnte ihren Blick von den Zügen des häßlichen Antlitzes, so widrig ihr dieses auch vorkam, gar nicht wieder losmachen. Die Andern schienen die Neugier, mit welcher sie dem fremden Weibe entgegen gesehen hatten, auf keine Weise befriedigt zu finden; auch machte sie nur ganz alltägliche Kunststückchen und erzählte längst bekannte Mährlein, davor es selbst der Gürtelmagd leer und gleichgültig zu Sinne ward und sie sich ihrer Empfehlung sehr schämte. Sie schlich sich daher unbemerkt davon, und einige Fräulein folgten ihrem Beispiele, bei deren jedesmaliger Entfernung die Alte ihren Mund zum Lächeln verzog und jenen häßlich vertraulichen Wink gegen die Herrin wiederholte. Hildegardis konnte nicht begreifen, was in den Späßen und Geschichten des braungelben Weibes Anziehendes für sie liege; aber es war nun einmal so; in ihrem ganzen Leben hatte sie nie Jemand so achtsam die Worte vom Munde genommen. Die Alte erzählte immer fort und fort, und schon dunkelte die Nacht draußen vor den Fenstern, aber die Fräulein, die sich noch um Hildegardis befanden, waren in tiefen Schlaf gesunken und hatten keine der Wachskerzen im Gemache angezündet.

Da, in der schauerlichen Dämmerung, erhub sich die finstere Alte von der kleinen Bank, die bisher ihr Platz gewesen war, recht, als fühle sie sich nun wohl und heimathlich, schritt auf die von Schauern wie betäubte Hildegardis zu, setzte sich neben sie auf den purpurnen Hochsitz, umfaßte sie, häßlich liebkosend, mit den langen, dürren Armen und sagte ihr einige Worte in's Ohr. Der Herrin ward es, als nenne man Frode's und Edwalds Namen zugleich, und daraus werde ein Flötenklang, der, in so hellsilbernen Schwingungen er sich auch vernehmen ließ, sie dennoch einwiegte, wie in einen Schlaf; zwar konnte sie dabei ihre Glieder regen, aber doch nur um dem Klange zu folgen, welcher als mit Silbernetzen die häßliche Bildung der Alten verhüllend umwob. Und diese schritt aus den Kammern und Hildegardis ihr nach, durch alle ihre schlafenden Jungfrauen hin, wobei sie immer leise, leise sang: »Ihr Fräulein, Ihr Fräulein, ich wandle zu Nacht.«

Draußen hielt mit Knappen und Knechten der riesige Sorbenritter. Der legte der Alten einen schweren Geldsack auf die Schultern, daß sie davon halb winselnd, halb lachend zu Boden sank, hub die träumende Hildegardis auf sein Pferd und trabte schweigend mit ihr in die immer tiefer dunkelnde Nacht hinein.

 


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