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Die Gebirge und ihre Höhengürtel

Ringsum von schroff abfallenden Gebirgszügen eingeschlossene Hochebenen wirken faunistisch gewissermaßen als Inseln, da ihre dem Leben in solcher Höhe eigenartig und weitgehend angepaßte Tierwelt kaum imstande ist, ihre Heimat zu verlassen oder neuen Zuzug von außen zu erhalten. Es liegt also auch hier eine fast vollständige Isolierung vor, die natürlich die Ausbildung neuer Tierarten begünstigt. Das treffendste Beispiel hierfür ist Tibet, wo wir noch in 3600 Meter Höhe ein überraschend reiches Tierleben finden. Nicht weniger als 46 Säugetiere kommen dort vor, und 30 davon bilden eigene Arten. Man muß sich nur wundern, daß z. B. ein so gewaltiges Wildrind wie der bösartige, 4¼ Meter lange und zum Schutz gegen die rasenden Schneestürme in eine dichte Wollmähne gehüllte Jak oder Grunzochse überhaupt in solchen Einöden zu leben vermag, in denen unser verwöhntes Herdenvieh wahrscheinlich elend verhungern würde. Fast noch vollständiger als auf Inseln und Hochebene ist die Absperrung der Tierwelt in Höhlen. Geschöpfe, die dem unterirdischen Höhlenleben durch Farbenverlust und Augenschwund weitgehend angepaßt sind, werden ebensowenig wie ihre Vorfahren und Nachkommen ihre Zufluchtsstätte ungestraft verlassen können.

Abb. 7. Vertikale Verbreitung der Tiere im Alpengebiet

1. Feldhase. 2. Hamster. 3. Rebhuhn. 4. Edelhirsch. 5. Reh. 6. Dachs. 7. Fuchs. 8. Wachtel. 9. Gemse. 10. Steinbock, 11. Alpenhase. 12. Lemming. 13. Flüevogel. 14. Ringdrossel. 15. Birkhuhn. 16. Mauerläufer. 17. Alpendohle. 18. Schneefink. 19. Schneehuhn. 20. Schneemaus. 21. Steinadler. 22. Bartgeier (jetzt ausgestorben)

Ersteigt man ein aus der Ebene oder unmittelbar vom Meeresstrande aus aufstrebendes Hochgebirge, so lernt man unterwegs in den verschiedenen Höhengürteln eine sehr verschiedenartige Tier- und Pflanzenwelt kennen, die uns zugleich in gedrängter Übersicht und in wenigen Vertretern ein Bild der mit der abnehmenden Wärme verarmenden Fauna bietet. Auf unserer Abbildung habe ich diese Verhältnisse für einen typischen Alpenzug zu veranschaulichen gesucht (Abb. 7). Wir begegnen zuerst den Tieren der Kultursteppe und der Obstpflanzungen, dann denen des Laub- und höher hinauf denen des Nadelwaldes, weiter denen des Knieholzes und des Latschengestrüpps, hierauf denen der Alpenmatten, den Bewohnern der nackten Felsen, bis endlich in der Region der Hochgletscher und des ewigen Schnees das Leben allmählich völlig erstirbt. Noch deutlicher und schärfer treten diese Verhältnisse bei tropischen Hochgebirgen zutage, die unmittelbar dem Meere entsteigen. In den südamerikanischen Anden kann man in der Tat, wie der Maler und Vogelforscher Göring sich ausdrückte, in wenigen Tagen »vom tropischen Tiefland zum ewigen Schnee« gelangen und dabei eine entsprechende Tierwelt an sich vorüberziehen lassen. Ähnliches habe ich in Teneriffa erlebt. Die unterste der dortigen Vertikalzonen trägt in der Pflanzenwelt nahezu tropisches Gepräge, das aber bei der höheren Tierwelt nicht zum Ausdruck kommt. Wo der Garten eines reichen Handelsherrn die Sinne durch verschwenderischen Reichtum von Blüten, Farben und Düften entzückt, da schallt uns gewiß der volle Jubelschlag des kanarischen Schwarzplattels entgegen, und auf den Fächerkronen der prachtvoll gewachsenen Dattelpalmen wiegt sich das reizende kanarische Turmfälkchen. Dann folgt ein subtropischer oder mediterraner Gürtel, steil aufsteigend und von einer Unzahl tief eingeschnittener Schluchten zerrissen, in denen Felsentauben und Einfarbsegler ihre Nester haben und über denen majestätisch der schwarzweiße Aasgeier schwebt. Langweilige Kakteenpflanzungen, knorrige Feigen-, melancholische Ölbäume und eine riesige Wolfsmilchart sind die hervorstechendsten Pflanzen. Auf den staubigen Pfaden trippelt der nette Wegpieper, und aus dem Gestrüpp ertönt das schwatzende Lied der lieblichen Brillengrasmücke. Man atmet förmlich auf, wenn man einige hundert Meter höher in den landschaftlich so reizvollen Gürtel der Laubwälder eindringt. Kastanien, Lorbeer und der riesige Til setzen diese hauptsächlich zusammen, und in den Wipfeln dieser Bäume gurrt die prachtvolle Lorbeertaube. Um die Laubwälder herum ziehen sich gewöhnlich in breitem Gürtel dichte Bestände der reizenden Erika, zwischen deren zart rosenweiße Blütenbüschel der Kanarienvogel sein weiß gepolstertes Nestchen birgt. An die sauberen Dörfchen schmiegen sich blühende Mandelhaine, duftende Zitronen- und Orangengärten. Hier probt der Lorbeerfink seinen schmetternden Schlag, singt das Brillantrotkehlchen seine wehmütige Strophe, huschen Teneriffameisen mit leisen Lockrufen durchs Dickicht, beleben Scharen von Kanarienvögeln die Fluren, Steinsperlinge die Ortschaften. Nun folgt der Gürtel der Nadelwälder mit erheblich rauherem Klima, mit frischgrünen Wiesenflächen und urwaldartigen Beständen der Kanarenfichte. Hier ist die ausschließliche Heimat des wunderbar blauen Teydefinken wie auch des kanarischen Buntspechtes. Als letzte folgt schließlich die Hochgebirgszone mit niedrigem Gestrüpp und alpinen Blumen, ganz oben nur kahle Schutt-, Geröll- und Aschendecken darbietend, die bei rauher Witterung ein Schneeteppich mitleidig verhüllt. Als Kennvögel kommen hier fast nur noch Würger und Drosseln vor.


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