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Der Einfluß der Bodenbeschaffenheit

Die Beziehungen der Bodenbeschaffenheit zur Tierverbreitung stellen ein noch wenig erforschtes, aber lohnendes und reizvolles Arbeitsgebiet dar. Daß die Schneckenwelt sich am reichsten auf kalkhaltigem Boden oder im Gefels der Kalkgebirge entwickelt, ist ja allgemein bekannt; denn diese Tiere bedürfen des Kalkes zum Aufbau ihrer Schalen. Warum aber der in Deutschland leider im Aussterben begriffene Steinsperling nur im Muschelkalkgebiet Thüringens vorkommt und auch früher nur auf kalkreichem Gelände zu finden war, weiß wohl niemand zu sagen. Unter unseren Bäumen ist die Buche eine ausgesprochene Kalkfreundin, und deshalb sind es mittelbar auch die im Buchenwald wohnenden Tiere. Gehörnträger brauchen auch viel Kalk zur Gehörnbildung, und jeder Jäger weiß, daß z. B. die Rehböcke der kalkreichen Schwäbischen Alb im Durchschnitt weit stärkere Gehörne haben als die im kalkarmen Schwarzwald. Es gibt eine ganze Reihe von Tieren, die nur auf stark salzhaltigem Gebiete vorkommen, wie sich dies am besten an den Salzpfannen Afrikas und in den Salzsteppen Innerasiens beobachten läßt. Die berühmten Karakulschafe erhalten ihr glänzendes und gekräuseltes Pelzwerk in voller Schönheit nur da, wo ihnen Weideflächen mit Salzpflanzen zur Verfügung stehen, während sie sehr rasch entarten, wenn dies nicht der Fall ist, weshalb auch Zuchtversuche mit ihnen in salzarmen Gegenden Deutschlands von vornherein zum Mißlingen verurteilt waren. In der Vogelwelt konnte ich namentlich bei Steppenhühnern, Sandflughühnern und Stelzenläufern eine große Vorliebe für Salzboden feststellen, und die hübschen Brachschwalben habe ich stets nur mit schärfster Umgrenzung auf natronhaltigem Boden angetroffen. Zwei unserer gewöhnlichsten Singvögel unterscheiden sich, obwohl der gleichen Gattung angehörig, in bezug auf die Bodenwahl doch recht scharf. Die plumpe Grauammer läßt ihr schlichtes Strumpfwirkerliedchen nur in fettem Gelände mit gutem Weizenboden erschallen, die zierlichere und hübscher gefärbte Gartenammer dagegen siedelt sich nur in Landstrichen mit schlechtem, sandigem Boden an, hat deshalb auch eine vielfach unterbrochene, sozusagen inselartige Verbreitung.

Abb. 3. Verbreitung des Hamsters in Europa
Nach R. F. Scharff

Man beachte die aus der östlichen Heimat zungenartig nach Westen vorgestreckte Verbreitung, wobei felsige und gebirgige Gegenden streng vermieden werden, aber auch solche mit reinem Sande oder tonigem Lehmboden, während Strecken mit dem milden Lehmboden stark angebauter Gegenden dicht besiedelt sind.

Die großen und schweren Pflanzenfresser brauchen zur vollen Entfaltung ihrer Beweglichkeit und Schnelligkeit einen harten und festen Boden, der ihren federnden Hufen bei raschem Lauf einen gewissen Widerstand entgegensetzt, und einen solchen finden sie ja auch in den Lehmsteppen Mittelasiens, in den weiten Grasfluren Ostafrikas, in den Pampas von Süd- und in den Prärien von Nordamerika. Die hüpfenden Kleinsäuger wie Springmäuse und dgl. finden wir dagegen hauptsächlich auf Sandboden, und die Gehwerkzeuge des Dromedars sind diesem derart angepaßt, daß die gebuckelten Riesentiere etwa auf vom Regen glitschrig gewordenen Lehm sich ebenso ängstlich und unbeholfen benehmen wie ein menschliches Muttersöhnchen, das Schlittschuhlaufen lernen soll. Bei meinen Reisen in Südmarokko mußten wir für die Kamele immer erst aus Sand eine Art Übergangsbrücke herstellen, wenn wir an einen Graben mit feuchten und glitschrigen Rändern kamen; anders waren die schwerfälligen und ungeschickten Tiere nicht hinüberzubringen. Und unter den feurigen Rossen des Emirs von Buchara sah ich manchen herrlichen Hengst edelster Abstammung, dem aber leider die Hufe zu unförmlichen Schuhen ausgewachsen waren, weil man sie längere Zeit hindurch nur im Sumpfgelände oder nur in der Sandwüste gebraucht hatte. Grabtiere wie Kaninchen und Hamster brauchen einen lockeren, aber nicht rein sandigen Boden, da in diesem ihre Gänge zu rasch wieder verfallen würden, während im tonigen Lehmboden das Graben zu viel Mühe kostet (Abb. 3). Nicht wenige Tiere ziehen felsigen Boden jedem anderen vor und sind dann entweder hervorragende und durchaus schwindelfreie Springer wie die Gemsen, Steinböcke und Wildschafe, oder sie sind wie Klippschiefer und Geckos mit besonderen Haftvorrichtungen versehen, die es ihnen ermöglichen, auch die steilsten Stellen zu erklimmen. Unter den Vögeln treffen wir besonders viele Felsenfreunde an. Nicht nur die aasfressenden Geier, sondern auch die stolzesten Räuber der Lüfte, Adler und Edelfalken, errichten ihre trotzige Knüppelburg am liebsten an steilen Felswänden. Rauch- und Mehlschwalbe, Segler und Hausrotschwanz waren ursprünglich Felsennister und sind es in weniger kultivierten Ländern vielfach auch heute noch. Die Steinwüstenei der Großstadt mit ihren ragenden Türmen und Hochbauten, den schmalen Gassenschluchten und engen Höfen mochte ihnen dann aus der Vogelperspektive wohl vorkommen, wie ein recht zerklüftetes Felsgebirge, also ganz nach ihrem Geschmack, und da es hier auch Nahrung im Überflüsse gab, trugen sie kein Bedenken, sich an solchen Stätten anzusiedeln, ohne sich viel um das unten herumwimmelnde Menschenvolk zu kümmern. In Ländern, wo der tierfreundliche Islam herrscht, machen es selbst die Raubvögel nicht anders. In den zerbröckelnden Ringmauern sowie auf den Kuppeln der Moscheen und Badehäuser aller Städte und Städtchen Marokkos fand ich unzählige Turmfalken, Rötelfalken, Weihen horstend vor, und wahrscheinlich wäre es auch bei uns nicht anders, wenn die leidige Schießlust des Europäers nicht wäre. Nur Dohle und Schleiereule vermochten sich stellenweise die Kirchtürme zu erobern.


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