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Einbürgerung fremder Tiere

Wohlmeinende und wohlhabende Tierfreunde machen sich bisweilen das Vergnügen, schön gefärbte oder sonstwie besonders anziehende Tierarten mit mehr oder minder Erfolg in unseren Fluren anzusiedeln. Wohl mögen sie ihre helle Freude daran haben, wenn die Sache nach vielen Mühen und manchen Fehlschlägen so weit geglückt ist, daß langgeschwänzte Wellensittiche schwalbenartigen Fluges wie grüne Pfeile zwischen blühenden Apfelbäumen hin und her schießen, wenn kreischende Mönchssittiche ihr großes Familiennest aus trockenem Reisig auf den Wipfeln unserer Parkbäume auftürmen, wenn bunte Sonnenvögel aus dem fernen China im duftenden Fliederstrauch ihre niedliche Kinderwiege erbauen und dabei unermüdlich ihren klangvollen Jubelschlag ertönen lassen. Und dem leidenschaftlichen Weidmann mag wohl das Herz höher schlagen, wenn er das erstemal seine Flinte auf den stattlichen, metallgleißenden Bronzeputer richten darf, den er in seinem Auwald heimisch machte, oder auf das scheue Muffelwild, das er mit unsäglichen Mühen und schweren Geldopfern in seinem Bergrevier ansiedelte. Hatte man doch sogar schon Känguruhs in der Eifel und im Hunsrück eingebürgert, wo sie schließlich nur den Flinten der Wilddiebe an den Futterstellen zum Opfer fielen, und mit südamerikanischen Steißhühnern und nordamerikanischen Schopfwachteln erfolgversprechende Versuche gemacht, die nur an der angeblichen Dummheit dieser Tiere scheiterten. Von den vielen Einbürgerungsversuchen in Mitteleuropa sind nur drei wirklich und für die Dauer geglückt: Damhirsch, der ursprünglich in den Mittelmeerländern zu Hause war, Fasan, der seine Urheimat in den Ländern am Schwarzen Meere hatte, und ganz neuerdings Bisamratte, welch zweifelhafte Bereicherung unserer Tierwelt von Nordamerika herübergeholt wurde. Die Einführung wirklicher Tropentiere ist dagegen noch nie gelungen. Steißhühner wußten sich bei uns nicht zu benehmen, Sonnenvögel brüteten und sangen zwar im Sommer recht fleißig, kamen dann aber in Verlegenheit, als sie eine passende Winterherberge suchten; sie zogen im Herbst ab, fanden aber den Rückweg nicht wieder.

Bedeuten nun aber die wenigen geglückten Einbürgerungsversuche wirklich eine erwünschte Bereicherung der Tierwelt eines Landes? Bei Damwild und Fasan sollte man es vom jagdlichen Standpunkte aus bejahen, aber schon bei der Bisamratte muß man die Frage unbedingt verneinen. Ihr Pelzwerk erfüllt in unserem Klima nicht die darauf gesetzten Hoffnungen, aber dafür hat sie sich als ein arger Teichschädling erwiesen, der durch Unterwühlung von Dämmen und Deichen Veranlassung zu verheerenden Überschwemmungen geben und so zu einer ernsten Gefahr werden kann. Die in Australien ausgesetzten Wildkaninchen und die in Nordamerika angesiedelten Spatzen haben sich zu einer wahren Landplage entwickelt, für deren Beseitigung man schon Unsummen ausgegeben hat, ohne aber die zähe und zudringliche Gesellschaft wieder loszuwerden. Ganz abgesehen von den unabsichtlich durch den Menschen über den großen Erdball verschleppten Mäusen und Ratten, die namentlich auf einsamen Inseln die größten Verheerungen anrichten. Oft ist in solchen Fällen die ganze Tier- und Pflanzenwelt durch die fremden Eindringlinge völlig verändert oder vielmehr verödet worden. So wurden für die Napoleonsinsel St. Helena die eingeführten Ziegen zum Verhängnis. Sie zerstörten durch ihre gefräßige Genäschigkeit die naturgemäße Lebensgemeinschaft des weltentlegenen Eilandes, wie sie sich im Laufe der Jahrtausende herausgebildet hatte. Ebenso schädlich wie auf St. Helena hat die Einfuhr rasch verwildernder Ziegen, Schweine und Hunde auf vielen Südseeinseln gewirkt und die einheimische Tier- und Pflanzenwelt völlig verändert. Selbst unsere lieblichen und harmlosen Stieglitze und Hänflinge, die man mit gutem Erfolg in Neuseeland einbürgerte, fanden dort die besten Wohngebiete schon von einheimischen Arten besetzt, erwiesen sich im Kampfe um den Lebensraum diesen gegenüber als die stärkeren und trugen so ganz wesentlich zur Zurückdrängung und Verminderung der ursprünglichen Vogelwelt bei.

Aber auch ganz abgesehen von solchen praktischen Erwägungen oder den wissenschaftlichen Bedenken gegen jede Art von Fälschung der Tierwelt kommt hier noch der Standpunkt feinfühligen Naturempfindens in Betracht. Der Fasan ist gewiß ein schöner Vogel, aber fügen sich seine schreienden Farben, seine grölende Stimme, sein polterndes Auffliegen ohne weiteres in unser stilles Waldbild, in das mir das heimelige Haselhuhn, das leider in rascher Abnahme begriffen ist, viel eher hineinzugehören scheint? Das Damwild ist gewiß ein liebreizendes Geschöpf, aber das unverkennbar Ziegenartige in seinem fahrigen Wesen will wenigstens nach meinem Gefühl so gar nicht zu unserer sonstigen Natur stimmen. In den deutschen Urwald gehören Wisent und Elch, wenigstens Rothirsch und Schwarzwild, nicht aber das ewig unruhige Damwild, so hübsch es sich auch in wohlgepflegten Parken machen mag. Schon die zur Verbesserung der Geweihbildung versuchte Auffrischung der Rotwildbestände mit Wapitiblut war auf die Dauer kein Segen. Alle solche Einbürgerungen stören mehr oder minder die Harmonie des Naturbildes, die dessen wesentlichste Schönheit ausmacht.


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