Wilhelm Fischer
Frühlingsleid
Wilhelm Fischer

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VIII.

Das that ihm am andern Morgen leid, aber da war es zu spät. Das Bewußtsein einer Schuld drückte ihn. Wenn er sie nur sehen könnte, er würde es gerne wieder gut machen, dachte er; aber er sah sie nicht. Auch zu Ploni kam sie nicht in den folgenden Tagen, wie sie es so oft gern gethan hatte, und er dachte sich, daß sie um seinetwillen nicht komme. Darüber wurde das Leid immer schwerer, das er mit sich herum trug. Er konnte es endlich nicht länger verwinden, und als er sie einmal durch das Gitterthor im Hofe weilen sah, faßte er einen raschen Entschluß und ging hinüber.

Sie sah ihn mit ruhiger Miene an, als er ihr seinen guten Tag, Rene, sagte. »Ich bin gekommen,« fügte er hinzu, »dich zu fragen, wie es mit dem Kindertheater ist, und ob ich das, was der Prinz zu sprechen hat, bald von dir bekomme. Ich muß es doch auswendig lernen. Und dann, glaub' ich, probiert man das 141 einigemal mit allen zusammen. So macht man es im wirklichen Theater auch.«

Das kleine Mädchen sah an ihm vorbei.

»Nun, was ist es, Rene, willst du nicht antworten?« fragte er noch einmal.

»O ja«, erwiderte sie. »Ich will dir schon antworten.«

Sie setzte sich auf eine Bank, die in der Nähe war, an das eine Ende. »Du kannst dort sitzen, Balder, wenn du willst;« und sie wies ihm das andere Ende an.

Er that so, wie sie ihm geheißen.

Sie blickte vor sich hin in den Sand und sagte: »Weil du mich fragst, so will ich dir antworten, daß du nicht den Prinzen spielen wirst. Das haben wir uns anders überlegt, Mama und ich. Irg taugt doch besser dazu, meinen wir beide, Mama und ich, als du.«

»Rene,« sagte er, »willst du das thun?«

»Ja, das muß ich thun. Weißt du, Balder, ich kann mich nicht immer von dir ärgern lassen. Du bist einer, dem man nichts recht machen kann, das hab' ich jetzt heraus bekommen. Du willst 142 alles schöner haben, als es ist. Und es ist nicht. Was du vor dir siehst, das magst du nicht, und wenn es noch so hübsch ist. Du mußt weiter gehen, und was du dann findest, das hast du ja letzthin gemerkt. Das war dir auch nicht recht, leer zurück zu kommen, und du hast alle andern geärgert. Dann warst du sehr fröhlich, das ist wahr, aber mich hast du immer noch geärgert, und zuletzt alle andern wieder. Ich hab' es gut gemeint mit dir, daß du den Prinzen spielen sollst; aber wenn dir dann auf einmal etwas nicht gefällt, bist du imstande, uns das ganze Spiel zu verderben und mich zu beleidigen. Das will Mama und ich nicht. Hast du doch schon einmal gerade heraus gesagt, daß dir mein goldenes Kleid, das ich als Goldfee tragen muß, nicht gefällt.«

»Rene, da hab' ich mich bald wieder auf das Richtige besonnen und dir gesagt, daß es mir doch gefällt.«

»So? Und du hast es noch gar nicht gesehen. Es ist nicht von Gold, sondern sieht nur so aus, als ob es wäre. Aber Irg hat es so 143 gefallen, daß er meinte, er habe noch nie etwas schöneres gesehen. Ob es dir gefallen würde, das ist noch eine Frage.«

»Was dem Irg gefällt, das gefällt mir noch lange nicht«, erwiderte er nun trotzig.

»Siehst du? Deshalb ist es besser, daß Irg den Prinzen spielt, denn ihm gefällt alles gerade wie es ist, und dir nicht. Jetzt hast du die Antwort. Bist du damit zufrieden?« Und sie blickte ihn mit aller Würde an, die ihrer Kindlichkeit zu Gebote stand und die auf ihrem lieblichen Gesichtchen zum Ausdruck kommen konnte.

»Wenn du damit zufrieden bist, Rene, bin ich es auch«, erwiderte er leidvoll und trotzig.

»Dann ist ja so alles in Ordnung, wenn du damit zufrieden bist, Balder. Ich bin es.«

Das kleine Mädchen erhob sich, und Balder folgte ihrem Beispiele. Sie wartete noch auf ein Wort von ihm. Vielleicht wird er bitten, dachte sie sich. Wer weiß, ob sie sich nicht noch dann anders besinnen würde. Aber Balder konnte nicht bitten, das lag nicht in seiner Art.

»Dann will ich gehen, Rene«, sagte er. »Leb' 144 wohl!« Und er ging, ohne den Kopf nach ihr umzuwenden, die ihm lange nachblickte und dann eine kleine Empfindung von Reue mit den Worten dämpfte: »Er ist doch nicht gescheit. Mag er gehen!«



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