Egid von Filek
Fresken
Egid von Filek

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Der Fischer.

Auf einer Insel mitten im Meer stand seine kleine Hütte. Seine Nahrung bot ihm das Meer, das vor seinen Augen lag, unendlich, in den Fernen im Nebel verdämmernd, groß, ewig. Von den Gaben des unermeßlich reichen Herrn fielen Brosamen ab für ihn, den Armen. Das Meer war sein Gott; er hatte keinen andern. Er bat das Meer, wenn er frühmorgens ausfuhr, um Nahrung. Nie hatte es seine Bitte unerfüllt gelassen. Er betete zum Meere ein Dankgebet, wenn er heimkam. Er zitterte vor ihm, wenn es seine Sturmfluten gegen ihn schleuderte, wenn ihn die Sturzwellen anbrüllten. Er freute sich, wenn Sonnenschein darüber lag, wenn die kleinen Wellen flüsternd den Strand hinaufliefen, wenn das Wasser sich süß und sanft hob und senkte, wie ein Mädchenbusen im Schlaf. 70

Oft brachte ihm das Meer Geschenke. Er nahm sie dankbar und freute sich darüber. Bald waren es Muscheln, zart und fein und rosig, wie von Künstlerhand gearbeitet. Bald waren es Stämme duftenden Holzes, bald Zweige mit blühenden Blumen. Die dufteten noch viel süßer. Ein zauberisches Gefühl rann durch ihn hinab, wenn er den Duft einsog. Wo war das Land, das solche Gaben spendete? Im Westen mußte es liegen. Von daher kamen alle die kostbaren Geschenke. So stand er oft und starrte der sinkenden Sonne nach – mit weiten, großen, stillen, sehnenden Augen. Nach Westen – nach der Ferne – nach dem Unbekannten.

Einst brachte das Meer einen Vogel mit strahlendem Gefieder, glänzend in Gold und Purpur und Silber. Wo hatte der wohl gesungen? Jetzt schwieg er. Er war tot. Er sang ja nur im fernen, unbekannten Land – wenn er das verließ, mußte er sterben.

Und einmal brachte der Gott, der gute, milde, spendende, zürnende, brüllende Gott einen Leichnam. Die Arme hingen schlaff herab. Das dunkle, blauschwarze Haar legte seine nassen Flechten wie eine Krone um die hellbraune Stirn. Es floß über den zarten Busen, es ringelte sich bis zu den Knieen. Das Mädchen war herrlich schön. Nackt, völlig nackt war der braune Leib. 71 Aber kein Geschmeide wäre fähig gewesen, ihn schöner zu machen.

Der Fischer trug den Leichnam in die Hütte. Dort warf er sich vor ihm nieder und drückte ihn an sich, fest, fest. Noch einen, noch einen Kuß auf die Lippen . . . .

Wo war das Land, wo solche Wesen wohnen? Er trat ans Ufer und legte die Hand vors Auge. Dort, wo die Sonne sinkt, wo das Wasser so golden leuchtet, dort liegt das Land – das heilige, das einzige Land . . . . Und wieder starrte er hinaus – mit großen, weiten, sehnenden Augen.

Am Morgen bestieg er sein Schiff. Er verließ die Hütte, die ihm Obdach gab, die Quelle, die ihm kühlen Trunk spendete. Er fuhr nach dem Westen . . . . auf immer . . . .

Der Wind trug ihn sanft hinüber. Mitten auf dem Schiffe stand er aufrecht, die Hand am Steuer. Sein Ohr hörte süßen Vogellaut, sein Auge sah die herrlichsten Blumen, ihre Düfte umschmeichelten ihn. Die Meereswellen spielten sanft um die Bretter des Fahrzeugs. Der Gott lächelte.

Unverwandt blickte er nach Westen. Er sah nicht, wie sich hinter ihm finstere Wolken aus dem Meere hoben, schwarzblau wie das Haar jenes Leichnams, mit weißen, leuchtenden Rändern. 72 Er hörte nicht das leise Murren, das durch die zitternde Luft ging.

In unermeßlicher Ferne dehnte sich die Wasserfläche. Er aber stand aufrecht, die Hand am Steuer. Vor seiner Seele stand das Bild des braunen Mädchens.

 


 


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