Johann Gottlieb Fichte
Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten
Johann Gottlieb Fichte

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Vierte Vorlesung.

Von der Rechtschaffenheit im Studiren.

Soll jemand ein wahrer Gelehrter werden, also dass die göttliche Idee von der Welt in ihm theils diejenige Klarheit, theils denjenigen Einfluss auf die ihn umgebende Welt gewinne, die sie unter diesen Umständen gewinnen kann, so muss diese Idee selber durch ihre eigene innere Kraft ihn ergreifen und ihn unaufhaltsam forttreiben zum Ziel.

Nun stehen wir in unserer Beschreibung des Wesens des wahren Gelehrten bei der Schilderung des angehenden Gelehrten oder des Studirenden.

Ist dieser schon wirklich von der Idee ergriffen, oder, was dasselbe heisst, hat er Genie und wahrhaftes Talent, so ist er über alle unsere Vorschriften erhaben: ohne unser, ja ohne sein eigenes Zuthun wird dieses Talent seine Bestimmung in ihm erreichen; auch haben wir, was in diesem Falle zu sagen ist, in der letzten Vorlesung erschöpft.

Aber, wie wir gleichfalls in derselben Lehrstunde eingesehen haben; der angehende Gelehrte kann nie entscheiden, ob er in dem von uns angegebenen Sinne des Wortes Talent habe, oder nicht, noch kann es ein anderer statt seiner, und in seine Seele hinein entscheiden. Es bleibt ihm daher nichts übrig, als mit inniger und vollkommener Rechtschaffenheit also zu handeln, als ob Talent in ihm verborgen wäre, das doch endlich einmal zum Vorschein kommen müsse. Selbst das wirkliche Talent, wo es vorhanden ist, äussert sich gerade so, wie jene Rechtschaffenheit im Studiren; beide fallen in der Erscheinung wiederum zusammen, und kommen vollkommen überein.

Von jenem in Beziehung auf den angehenden Gelehrten wenigstens unerforschlichen Merkmale des Talentes absehend, haben wir nur die Aeusserungen der Rechtschaffenheit im Studiren vollständig zu erschöpfen, und wir sind sicher, das bestimmte Bild dessen, der auf die rechte Weise studirt, aufgestellt zu haben. Der rechtschaffene Studirende ist für uns der wahre Studirende überhaupt, und beide Begriffe gehen in einander auf.

Die Rechtschaffenheit überhaupt, wie wir gleichfalls damals bemerkten, ist selbst eine göttliche Idee und es ist die göttliche Idee in ihrer allgemeinsten Gestalt, in der sie alle Menschen in Anspruch nimmt. Sie wirkt daher, so wie die Idee überhaupt, mit ihrer eigenen inneren Kraft; ohne Zuthun der persönlichen Liebe des Individuums, ja, vernichtend, so viel sie soll, diese persönliche Selbstliebe, bildet auch sie, ebenso wie wir es bisher vom Genie gesagt haben, sich im Menschen aus zu einem eigenen Leben, ihn unwiderstehlich forttreibend, und umfassend alles sein Denken und alles sein Thun. – Sein Thun, habe ich gesagt; die Rechtschaffenheit als Idee ist nemlich eine unmittelbar praktische, ein äusseres, scheinbar freies Handeln des Menschen bestimmende Idee; dagegen das Genie zunächst innerlich und auf die Einsicht wirkt. Wer wirklich Talent hat, der wird mit glücklichem Erfolge studiren, und es wird allenthalben Licht und Klarheit aus den durchdachten Gegenständen ihm entgegenquellen: wer Rechtschaffenheit hat im Studiren, dem lässt dieses Glück sich nicht sicher versprechen, aber es wird wenigstens an ihm nicht liegen, dass er es nicht hat, und er wird nichts, was in seinem Vermögen steht, verabsäumen, um dasselbe sich zu erwerben; selbst wenn er des glücklichen Erfolges nicht theilhaftig würde, so hat er sich doch seiner würdig gemacht.

Die Rechtschaffenheit, als lebendige und herrschend gewordene Ansicht, geht auf die individuelle Person dessen, den sie ergriffen hat, und betrachtet diese als stehend unter einer bestimmten Gesetzgebung, als existirend lediglich um einer gewissen Bestimmung willen, und als Mittel für einen höheren Zweck. Der Mensch soll etwas seyn und thun, sein zeitliches Leben soll ein unvergängliches und ewiges Resultat hinterlassen in der Geisterwelt; jedes besonderen Individuums Leben ein besonderes, ihm allein zukommendes und von ihm allein gefordertes Resultat: so sieht der Rechtschaffene alles persönliche Leben der Menschen in der Zeit an, und so besonders dasjenige Leben, welches ihm am nächsten liegt, sein eigenes; und auf eine andere Weise vermag derjenige, in welchem diese Rechtschaffenheit lebendige Idee geworden ist, das menschliche Leben sich nicht zu denken. Von dieser Ansicht geht er aus, auf sie kommt er stets wieder zurück, nach ihr richten, sich alle seine übrigen Ansichten. Nur inwiefern er jenem Gesetze gehorcht und jene Bestimmung, die er für die seinige erkennt, erfüllet, mag er sich selber dulden und tragen; alles in ihm, was nicht auf jenen höheren Zweck gerichtet ist, und nicht als Mittel für desselben Erreichung einleuchtet, verachtet er, hasset er, wünscht er vernichtet. Er betrachtet seine individuelle Person selbst als einen Gedanken der Gottheit, und so eben, wie die Gottheit ihn gedacht, ist seine Bestimmung und der Zweck seines Daseyns. Dies ist mit einem Zuge die Idee der Rechtschaffenheit, ob nun der Rechtschaffene sich gerade dieser oder anderer Worte bediene.

Zwar lässt sich, wie soeben erinnert worden, der blossen Rechtschaffenheit, als solcher, nicht mit Sicherheit versprechen, dass sie, im Studiren insbesondere, oder für irgend einen äusseren Zweck, den sie sich im Allgemeinen setzt, einen glücklichen Erfolg haben werde; darin aber äussert auch sie die selbstständige und sicher zu ihrem Ziel fortschreitende Kraft der Idee, und mit Sicherheit lässt sich dem Rechtschaffenen versprechen, dass er in der Rechtschaffenheit selber, ihrer Befestigung und ihrer Erhöhung, einen glücklichen Erfolg haben werde. Er wird im Fortgange auf dem Wege der Rechtlichkeit immer weniger nöthig haben, sich zu ermahnen und zu ermuntern, und zu kämpfen gegen die wiederkehrende böse Lust, sondern die recht- und gesetzmässige Denkart und Ansicht wird ihm von selbst kommen, und bei ihm herrschend und zur zweiten Natur werden. Treibe mit Rechtschaffenheit, was du treibst, z. B. dein Studiren, falls du studirst; ob es dir nun mit dem, was du treibst, wie hier mit dem Studiren, gelingen werde, das überlasse Gott; und du überlässest es ihm gewiss, so gewiss du mit Rechtschaffenheit an das Werk gegangen bist; mit der Erlangung der Rechtschaffenheit selber, und noch obendrein der unerschütterlichen Ruhe, der inneren Freudigkeit und eines unbefleckten Gewissens wird es dir unfehlbar gelingen.

Wie gesagt, der Rechtschaffene überhaupt betrachtet sein persönliches freies Leben als unabänderlich bestimmt durch den ewigen Gedanken der Gottheit; der studirende Rechtschaffene insbesondere betrachtet sich selbst, als durch diesen Gedanken der Gottheit dazu bestimmt, dass die göttliche Idee von der Beschaffenheit der Welt ihn ergreife, und in ihm eine bestimmte Klarheit und einen bestimmten Einfluss auf die ihn umgebende Welt erhalte. So fasst er seine Bestimmung auf; denn darin besteht das Wesen des Gelehrten; und so gewiss er mit Rechtschaffenheit, d. h. mit der Voraussetzung, dass die Gottheit mit seinem Leben eine Absicht habe, und dass er alles sein freies Handeln nach dieser Absicht einrichten müsse, an das Studiren gegangen ist, so gewiss hat er vorausgesetzt: es sey der göttliche Wille, dass er ein Gelehrter werde. Es kommt hiebei nicht darauf an, ob wir selbst mit Freiheit und Besonnenheit uns diesen Stand erwählt haben, oder ob andere statt unser ihn gewählt, uns in die Wege der Vorbereitung dazu gebracht, und jeden anderen Stand für uns verschlossen haben. Wie könnte jemand in den jugendlichen Jahren, in denen die Wahl des Standes gewöhnlich geschieht und in den meisten Fällen geschehen muss, die Reife und Besonnenheit haben, um selbst zu entscheiden, ob er, der noch nicht versuchte und entwickelte, Fähigkeit zu den Wissenschaften habe? So wie wir zur Besinnung kommen, ist die Wahl des Standes schon gemacht, sie ist gemacht ohne unser Zuthun, weil wir damals nichts dabei zu thun vermochten, jetzt können wir nicht mehr zurück; diese Nothwendigkeit gilt den unabänderlichen Bedingungen, in die unsere Freiheit sich versetzt findet, mithin dem göttlichen Willen an uns, völlig gleich. Wäre in der gemachten Wahl durch andere gefehlt worden, so wäre das nicht unser Fehler; wir können nicht entscheiden, ob gefehlt worden, und dürfen es nicht voraussetzen: wäre gefehlt worden, so wäre es unsere Sache, den Fehler, so viel an uns liegt, wieder gut zu machen. Auf alle Fälle ist es der göttliche Wille, dass jeder in der Lage, in die die Nothwendigkeit ihn gesetzt hat, alles thue, was in derselben geschehen soll. Wir sind in die Lage gekommen, zu studiren; es ist daher ganz sicher der göttliche Wille, dass wir uns betrachten als angehende Gelehrte, und als alles dasjenige, was in diesem Begriffe liegt.

Dieser Gedanke nun mit seiner unerschütterlichen Gewissheit ergreift und erfüllet die Seele jedes rechtschaffenen Studirenden: – der Gedanke: Ich, wie ich nun heissen mag, diese bestimmte und ausdrücklich bestimmte Person, bin dazu da und deswegen in das Daseyn gekommen, damit in mir Gottes ewiger Rathschluss über die Welt, von einer anderen, bis jetzt völlig verborgenen Seite in der Zeit gedacht werde und Klarheit gewinne, und in. die Welt eingreife, so dass er nie wieder ausgetilgt werden könne; nur diese Eine, an meine Persönlichkeit geknüpfte Seite des göttlichen Rathschlusses ist das wahrhaft Seyende an mir; alles übrige, was ich mir noch beimesse, ist Traum, Schatten, Nichts: nur sie ist das unvergängliche und ewige an mir, alles übrige wird verschwinden in das Nichts, aus welchem es nur scheinbar, nie aber nach der Wahrheit, hervorgegangen ist. Dieser Gedanke erfüllt seine ganze Seele; ob er nun selbst deutlich gedacht und ausgesprochen werde, oder nicht; – alles andere, was da deutlich gedacht, ausgesprochen, gewünscht, gewollt wird, lässt auf ihn sich zurückführen, als seine höchste Prämisse, lässt nur aus ihm sich erklären, und nur unter seiner Voraussetzung sich als möglich denken.

Durch dieses Urprincip alles seines Denkens wird er sich selber, und wird der Gegenstand seiner Thätigkeit, die Wissenschaft, ihm über alles ehrwürdig und heilig. – Er selber wird sich ehrwürdig und heilig. Nicht etwa, dass er hochmüthig auf die Vorzüglichkeit seiner Bestimmung, den göttlichen Rathschluss zum Theil mit zu denken, und ihn einzuführen in die Welt, vor anderen unscheinbareren Bestimmungen, ruhe, diese sich betrachtend auseinandersetze, und darum seine Person für etwas besseres achte, als andere Personen. Er scheint die eine Art der menschlichen Bestimmung uns vorzüglicher, als eine andere, so ist das nicht deswegen, weil die Erhabenheit der Individuen, sondern darum, weil die Erhabenheit der göttlichen Idee in der ersten klarer heraustritt. Der Mensch hat gar keinen eigenen Werth, ausser dem, dass er mit Treue seine Bestimmung, von welcher Art dieselbe seyn möge, erfülle; und hier können, ganz unabhängig von der Art der Bestimmungen, alle einander gleichkommen. Ueber dieses weiss ja der angehende Gelehrte noch nicht, ob er den eigentlichen Zweck seines Studirens, den Besitz der Idee, erreichen werde, sonach, ob jene erhabene Bestimmung die seinige sey; sondern er ist nur verbunden, die Möglichkeit davon vorauszusetzen. Zwar kann der vollendete Gelehrte, von dem wir hier zunächst nicht reden, nachdem er den Erfolg in der Hand hat, seine Bestimmung factisch erkennen; aber auch für ihn dauern die Anforderungen der von ihm ergriffenen Idee auf Ausführbarkeit und Ausführung fort, und sie werden fortdauern bis an das Ende seines Lebens, und so wird er nie Zeit erhalten, über die Vorzüglichkeit seiner Bestimmung Betrachtungen anzustellen, wenn auch nicht schon an sich dergleichen Betrachtungen nichtig wären. Aller Hochmuth gründet sich auf das, was man zu seyn glaubt, – zu seyn, im ruhenden und vollendeten Seyn, und der Hochmuth ist eben darum in sich selbst nichtig und widersprechend; denn gerade dasjenige, was man ist, und wobei das ewige Werden anhält, ist man wahrhaftig – nicht. Unser wahrhaftiges und unmittelbares Seyn in der göttlichen Idee kommt unablässig vor als Anforderung eines Werdens, demnach als Misbilligung unseres jedesmaligen stehenden Seyns; und so macht die Idee uns wahrhaft bescheiden, und beugt vor ihrer Majestät uns nieder in den Staub. Der Hochmüthige beweiset durch den Hochmuth selbst, dass er der Demuth mehr, denn irgend ein anderer bedürfte; denn indem er etwas zu seyn glaubt, zeigt er dadurch, dass er wahrhaftig gar nichts ist.

Der Studirende daher wird durch den aufgestellten Gedanken sich selber heilig und über alles ehrwürdig, nicht in Rücksieht dessen, was er ist, sondern in Rücksicht dessen, was er werden soll, und immerfort sollen wird. Das eigentliche sich selbst Wegwerfen des Menschen besteht darin, wenn er sich zum Mittel macht für ein Zeitliches und Vergängliches, und Sorge und Mühe an etwas Anderes zu wenden würdiget, als an das Unvergängliche und Ewige. In dieser Rücksicht soll jeder sich selber ehrwürdig und heilig seyn, und so auch der Studirende. Zu welchem Zwecke denn, o studirender Jüngling, wendest du diesen Fleiss, welcher, so gross oder gering er sey, doch immer einige Mühe kostet, auf die Wissenschaften? strengest du deine Aufmerksamkeit an, wenn du weit lieber deine Gedanken herumschweifen liessest, versagest dir so manchen Genuss, wozu dir die Lust gar nicht fehlt? Antwortest du: damit ich nicht einst darben müsse; damit ich eine gute Versorgung, ein gemächliches Auskommen erhalte, wovon ich mir gütlich thun könne; damit meine Mitbürger mich ehren, und ich leichter sie zur Erfüllung meiner Wünsche zu bewegen vermöge: – ich frage, wer ist denn dieser Du, für dessen einstige Pflege und Wohlseyn du dich so lebhaft interessirest, und für denselben dich schon jetzt abarbeitest und aufopferst? Es ist noch sehr ungewiss, ob es je zu der gehofften Pflege kommen wird; gesetzt aber, es käme dazu, und du pflegtest dieses Du eine gute Reihe von Jahren hindurch: was wird zuletzt das Ende seyn von dem allen? Alle Pflege wird ein Ende haben, und der gepflegte Körper hinsinken, und sich in einen Aschenhaufen verwandeln. Und dafür willst du das einförmige, stets in derselben Gestalt wiederkehrende und oft verdriessliche Geschäft des Lebens beginnen, und dir es noch mit Bedacht, über die Last, die es schon an sich bei sich hat, beschwerlich machen? Ich wenigstens finge unter dieser Bedingung den Roman gleich bei dem Ende an, und ginge noch heute in mein Grab, in welches ich über kurz oder lang doch gehen muss. – Oder antwortest du, mit löblicherem Anscheine, nur nicht gründlicher, also: Ich will meinen Nebenmenschen nützlich werden und ihr Wohlseyn befördern; so frage ich: Wozu wird denn nun wieder deine Nützlichkeit nützen? Nach einer Reihe von Jahren wird von allen, denen du nützen willst, und wie ich dir das freiwillig zugebe, nützen wirst, kein einziger mehr da seyn, noch den mindesten weiteren Nutzen von deiner Nützlichkeit ziehen. Du hast deine Mühe an das Vergängliche gewendet; sie vergehet und du vergehest mit ihr, und es kommt eine Zeit, wo jede Spur deines Daseyns ausgetilgt seyn wird. – So nicht der würdig Studirende, wenn er auch nur mit dem Princip der Rechtschaffenheit an sein Geschäft gegangen ist. Ich bin, sagt er zu sich; aber so gewiss ich bin, bin ich da durch einen Gedanken der Gottheit, denn nur sie ist die Quelle des Daseyns, und ausser ihr ist kein Daseyn. Was ich durch und in diesem Gedanken bin, das bin ich vor aller Zeit und bleibe es unabhängig von aller Zeit und dem Wechsel derselben. Dies zu erkennen, will ich streben; an dessen Herausarbeitung will ich meine ganze Kraft wenden; dann ist sie an das Ewige verwendet, und ihr Resultat bleibt am Ewigen. Ich bin ewig, und es ist unter der Würde des Ewigen, dass er sich selbst an die Vergänglichkeit verschwende.

Bei demselben Princip wird dem Studirenden auch der Gegenstand seiner Thätigkeit, die Wissenschaft, ehrwürdig. Es kommt dem angehenden Gelehrten bei seinem Eintritte in das Gebiet der Wissenschaften so manches entgegen, was ihm als sonderbar und willkürlich, als geringfügig, als unscheinbar sich darstellt; den Grund seiner Nothwendigkeit, seinen Einfluss auf das gesammte Gebiet der Wissenschaften, welches er selbst noch nicht überschaut, vermag er nicht zu begreifen. Was wäre es überhaupt, das der Anfänger, der erst nur die Theile des Ganzen zusammensetzen soll, aus dem Ganzen, das er noch nicht hat, sich zu erklären vermöchte? Indem hiebei der Eine das ihm unbegreifliche vernachlässigt und verachtet, und so unwissend bleibt; ein Anderer auf blinden Glauben, und in der Hoffnung, dass es schon zu irgend einem Geschäfte im Leben nützlich seyn werde, es mechanisch lernt: fasset der Rechtschaffene, würdig und edel, es auf in der allgemeinen Idee, die er von der Wissenschaft hat. Was ihm auch vorkomme, in jedem Falle gehört es zum Umfange desjenigen, von welchem aus die göttliche Idee ihn zu ergreifen bestimmt ist, und zu dem Stoffe, in welchem das Ewige in ihm sich herausbilden und eine Gestalt gewinnen soll. Erscheint demjenigen, dem es an beiden, an Talent wie an Rechtschaffenheit, gebricht, die Wissenschaft als blosses Mittel, gewisse irdische Zwecke zu erreichen; so erscheint sie demjenigen, der auch nur mit rechtschaffenem Herzen sich ihr weihete, nicht nur in ihren höchsten und das Göttliche unmittelbar berührenden Zweigen, sondern herunter bis auf die unscheinbarsten Vorbereitungskenntnisse, als etwas in der ewigen Idee der Gottheit selbst Gedachtes und Beschlossenes und ausdrücklich für ihn und in Beziehung auf ihn Gedachtes, damit sie dadurch ihr Werk an ihm, und vermittelst seiner in dem ganzen ewigen Weltsysteme, vollende.

Und so heiliget sich ihm denn immer mehr seine Person durch die Heiligkeit der Wissenschaft, und wiederum die Wissenschaft durch die Heiligkeit seiner Person. Sein ganzes Leben, so unbedeutend es auch äusserlich erscheine, hat innerlich einen ganz anderen Sinn und eine neue Bedeutung erhalten. Was aus diesem seinem Leben auch erfolgen, oder nicht erfolgen möge, immer ist es ein göttliches Leben. Und um dieses Lebens theilhaftig zu werden, bedarf es weder beim Studirenden, noch bei irgend einem menschlichen Geschäfte besonderer Talente, sondern nur des lebendigen guten Willens, welchem Willen der Gedanke unserer höheren Bestimmung und unserer Unterordnung unter ein ewiges Gesetz, sammt allem, was daraus folgt, schon von selbst aufgehen wird. –


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