Anselm Feuerbach
Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach
Anselm Feuerbach

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Nürnberg

1877

Ich schreibe in Nürnberg, wo wir uns im Sommen 1876 niedergelassen haben, und ich werde mich kurz fassen, um meiner erzwungenen schriftlichen Liebhaberei – arbeiten kann ich nicht – keine Zeit zu gönnen, in Tagebuchseligkeit auszuarten, die ich hasse.

Meine vorjährige Krankheit war, der Hauptsache nach, durch Hilfe eines verständigen Arztes bald überwunden. Die Rekonvaleszenz aber scheint sich auf Monate und Jahre einrichten zu wollen.

Weshalb wir Heidelberg verlassen haben?

Weil ich ein leidenschaftliches und, wie ich glaube, berechtigtes Verlangen empfand, mich in einen andern, meiner Kunst günstigeren Boden zu verpflanzen. Wien und die Professur kann vor der Hand um meiner zerrütteten Gesundheit willen nicht in Rechnung kommen.

Ich strebte nach dem doch immer noch künstlerisch angehauchten Bayern; und da ich aus verschiedenen Gründen nicht nach München wollte, so lag das alte Nürnberg, an das mich liebe Jugenderinnerungen knüpfen, am nächsten. Daß meine Mutter sich dem anschloß, was für meine Kunst das förderlichste erschien, war ihr natürlich.

Leicht wurde uns der Schritt wahrlich nicht. Heidelberg war ein Vierteljahrhundert hindurch unsere Heimat gewesen, und es sind wehmütige Gedanken, die mit den Bildern von Wald, Schloß und Neckar in der Erinnerung auftauchen. Natur, stille Poesie, angeregte Geistesluft und Freunde, wie man sie nur einmal im Leben besitzt!

Haben wir wohl getan, dies alles zu verlassen?

Ich glaube, ja. Noch mehr, ich glaube, wir hätten es früher tun sollen. Baden war leider für mich ein verlorener Boden. Weshalb bleiben? Länger bleiben, weil wir zu lange geblieben waren? Wie dem sei, geschehen ist geschehen, und den Erfolg muß die Zukunft entscheiden.

Meine Rekonvaleszenz wurde im vorigen Sommer nicht gerade gestört, aber doch etwas beunruhigt durch Nachrichten aus München, welche mir verkündeten, daß Amazonen und Gastmahl im dritten Stockwerk des Glaspalastes aufgehängt seien, wie vor sechs Jahren Medea und Urteil in Berlin. Ich wollte die Bilder zurücknehmen; das ging nicht. Ich petitionierte bei hohen Herren und einflußreichen Kunstfreunden; es half nicht. Sie blieben, wo sie waren, und ich reiste den 25. September als »einstweilen beurlaubter« Professor ab – nach Süden – ungewiß, wo ich bleiben sollte. Zunächst ging ich nach dem mir immer lieben Venedig. Ein monumentaler Auftrag der Nürnberger Handelskammer für die Ausschmückung ihres Saales im neuen Justizpalast hat mich in Nürnberg begrüßt, was ehrenvoll und erfreulich ist.


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