Anselm Feuerbach
Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach
Anselm Feuerbach

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Selbstkritik

»In meiner Kunst war es bis jetzt zu einfach, wie ich jetzt wohl einsehe. Daran ist die fortwährende Stilübung schuld, das Unwesentliche fortzulassen; dann die Einsamkeit in Italien, wo nur Himmel und Meer glänzen und die Seidenmanufakturen in zweiter Linie stehen; endlich die Gegenstände meiner Bilder selbst, bei welchen die menschliche Form wichtiger erschien als die besten Schneiderkünste.

Abgesehen hiervon, könnte aber doch hier und da etwas, wie man mit dem Kunstausdruck sagt, virtuoser sein, ohne daß die große Fassung darunter leiden würde. Das läßt sich ändern, weshalb auch nicht?

Die Wahrheit zu sagen, war ich nie so heiter und fröhlich wie jetzt. Was habe ich mich zu sorgen? Glück und Gelingen liegen in meiner Hand; Talent und Stellung habe ich. Diese Woche geht es an die Arbeit. Die Weltausstellung besuche ich nicht mehr; meine Welt ist anderswo. Die Schüler sind bei mir gewesen; wir freuen uns alle auf den Beginn des Semesters. Mit den Professoren allen stehe ich auf herzlichem Fuße, wie sich dies von selbst versteht.

Einige Abende in der Woche treffe ich einen Kreis, der so ziemlich alles einschließt, was sich auf dem geistigen Tummelplatz der großen Stadt umtreibt: Gelehrte, Literaten und Journalisten, Musiker, Dichter, Schauspieler. Was andern Tages die Wiener Blätter füllt, wird hier besprochen und oft auch niedergeschrieben. Das ist etwas Neues für mich und interessiert mich. Die Herren von der Neuen Freien Presse sind mit dabei.

Ich fange an, hier eine Art von leisem Heimatsgefühl zu spüren; indessen da das Wetter rauh ist und ich in Wien genug Salzstängerl, Autodafenspätzerl, Kaiserschmarren und Scheiterhaufenküchel genossen habe, so komme ich höchst wahrscheinlich Montag Nachmittag ins engere Vaterland zurück. Sonstiges mündlich.«


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