Anselm Feuerbach
Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach
Anselm Feuerbach

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Antwerpen

Nach einigen ruhigen Monaten zu Hause und nachdem die Konskriptions-Kommission in Freiburg mich zum höchsten Erstaunen eines preußischen Militärarztes gnädig hatte durchschlüpfen lassen, wurde nach einem stillen friedlichen Familienrat der belgische Plan wieder aufgenommen. Ich ging im Frühling 1850 nach Antwerpen, um meinen akademischen Kurs von neuem zu beginnen. Ich war dort mit einigen Düsseldorfer Freunden zusammen heiter und fleißig, sowohl in der Schule als in meinem eigenen Atelier, das ich mir von vornherein gemietet hatte.

Ein Studienkopf aus der Antwerpener Zeit, ein betender Mönch, welcher, dank meinem Modell, einem prächtigen alten Zigeuner, ganz ohne mein Wissen und Wollen die größte Ähnlichkeit mit dem längst verstorbenen Domkapitular von Hirscher in Freiburg erhielt, befindet sich als eine von mir gestiftete Verehrung in dem Heidelberger Kunstverein. Wodurch derselbe eine solche Aufmerksamkeit von meiner Seite verdient hat, ist meinem Gedächtnis entschwunden. Zwei andere Bilder, ein Kirchenraub und eine junge Hexe auf dem Wege zum Scheiterhaufen, sind im Sturme der Zeiten verweht worden.

Die Erinnerung an Antwerpen ist in mir ziemlich verblaßt. Außer dem Seeleben an der Scheide fiel mir nichts auf, was großartige Eindrücke hätte hinterlassen können. Es hat mich dort nichts überrascht, auch wurden keine außergewöhnlichen Leistungen hervorgebracht, nur war es ein reges praktisches Naturstreben, entfernt von aller Schwindelei, welches wohltätig wirkte; für mich eine Brücke, die mir von leichtsinniger Phantasterei zu wirklichem Studium den Weg zeigte, die richtige Vorbereitung für Paris.

Da der Akademiedirektor Wappers uns zumutete, die anatomischen Vorlesungen in flämischer Sprache zu hören, die wir nicht verstanden, verabschiedeten wir Deutsche uns in corpore.

Die Rede des Direktors zum Abschied war sehr brillant. Jeden neuen Satz begann er mit einem schnarrenden »Or Messieurs«.

Mein Aufenthalt in Antwerpen dauerte etwas über ein Jahr. Im Frühling 1851 ging ich direkt von Antwerpen nach Paris, wo ich, meines Wissens der erste von den jungen Deutschen, allmählich die anderen Studiengenossen nachzog.

Briefauszüge

Antwerpen, 13. Februar 1850

»Endlich bin ich in Ordnung und dadurch auch imstande, nebst den herzlichsten Grüßen, Euch den Lauf der Dinge für die nächsten Monate mit einiger Klarheit bestimmen zu können.

Ich besuche die Schule, in welcher regelrecht unterrichtet und gelehrt und der Phantasie nur wenig Spielraum vergönnt wird, was für mich vielleicht von Nutzen sein kann; so hüpfe ich denn für einige Zeit ganz ehrbar mit gestutzten Flügeln herum. Außerdem habe ich ein ganz kleines Atelier zugunsten meiner allerdringendsten poetischen Bedürfnisse, die doch nicht geradezu Hungers sterben sollen.

Einstweilen beschäftigt mich ein altes, wunderschönes Modell. Ich male streng nach der Natur einen steinalten Mönch, wie er vor einem mit vertrocknetem Efeu bekränzten Heiland im Gebete versunken ist. Lebensgröße, zottige Kutte, effektvolle Beleuchtung. Der Kopf ist beinahe vollendet, recht ins kleine ausgeführt. Daß das Bild nicht sentimental wird, dafür ist gesorgt} denn mein Modell ist ein lustiger alter Zigeuner, der im Atelier herum kauderwelscht und allen möglichen Unsinn treibt, sowie ich ihn von seinem Sitz freilasse.

Ich muß ehrlich gestehen, daß mich die Natur in dieser Modellstudie zum erstenmal im Innersten ergriffen hat, und ich denke, daß dies an der gewissenhaften Sorgfalt liegt, mit der ich daran halte. Ich sehe jeden Morgen mit Spannung der Arbeit entgegen.«

Juli 1850

»Meine beiden kleinen Bilder, »die junge Hexe auf dem Weg zum Scheiterhaufen« und »Kirchenräuber«, gehen in diesen Tagen an Euch ab. Ich habe sorgfältig und angestrengt gearbeitet, und man wird mir nichts Unfertiges vorwerfen können. Was das Studium betrifft, so heißt es hier in Antwerpen immer »Natur«, gleichviel ob schön ob häßlich, und »frappante Effekte«. Das alles kann ich ja brauchen.

Wenn ich müde bin, erfrischt mich die wilde Scheide vor meinem Fenster mächtig. Das großartige Schiffsleben bietet immer Neues und Interessantes. Ich habe aber leider, wie ich glaube, etwas Heimweh; nach was, weiß ich selbst nicht so recht, vielleicht nach mir selber; und als ich neulich nach sehr langer Zeit einen Spaziergang vors Tor machte und plötzlich den vollen Sommer um mich sah, ward es mir eigen zumute. Macht Euch aber keine Sorgen und laßt mich laufen. Ich finde schon meinen Weg.«


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