Heinrich Federer
Spitzbube über Spitzbube
Heinrich Federer

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3

Bis unter die Museggtürme von Luzern ging alles gut. Die Empfehlungsbriefe Sigismunds bei österreichischen Freunden verschafften dem Gesandten ohne Schwierigkeit Gratisquartiere und sehr oft auch Gratisgeleite über unsichere Straßen.

Am ersten und zweiten Abend, als Simon in seine Herbergskammer trat, kam es ihm merkwürdig vor, daß er ohne das Gutnacht! seiner Frau und ohne die Rechnungsstunde mit Ira einschlafen sollte. Auch auf langen Wegstrecken, so über den schläfrigen Nachmittag, wenn er nichts als den Hufschlag im Ohr und das Einerlei der Straßenpfähle im Auge hatte, mußte er oft ans Daheim denken. So ein eingerosteter Gewohnheitsmensch, wie er geworden war, konnte Herr Quicker sich zuerst in all das Neue fast nicht schicken. Überall fehlte sein Dreibeinstuhl, sein Tisch von anbequemter Höhe, seine geblumte Tasse, sein weiter Hauskittel, die Pantoffeln am Ofensöller, fehlte das laute, arglose Gelächter Iras, und vor allem das schneeige, leise, weise Gesichtlein seiner Gertrud. Erst jetzt merkte er, daß ihr vierzehnjähriges Schweigen und Stillesitzen und ihn gütig Anschauen und mit den weichen Augensternen so rührend Umflattern für ihn nicht nur etwas Gewohntes, nein, etwas Liebgewohntes, beinahe Unentbehrliches geworden war, fast wie Essen, Rechnen und Schlafen.

Aber dann ward das Reisen von Tag zu Tag kurzweiliger. Es gab so viel zu hören, zu sehen und sich hinter die Ohren zu schreiben für diesen Stubenhocker; Wirt und Weggesell ließen ihn so selten allein, und seine seit zwanzig Jahren verschlafene Neugier erwachte jetzt so knabenhaft und hungerte und sättigte sich auch so bübisch, daß die häuslichen Andenken, je tiefer die österreichischen Länder hinter seinem Pferdeschwanz verschwanden, um so blasser und unscheinbarer wurden und schließlich mit den heimatlichen Höhen am östlichen Horizont zu erlöschen schienen.

Zwar die Landschaft selbst und ihre Menschen, wo man von Gau zu Gau ganz anders redete und kochte und wohnte, interessierte ihn wenig. Er war im Gegenteil enttäuscht, daß diese Bauern nicht einen Nacken wie Ochsen und Fäuste wie Ambosse besaßen. Auch wie sie sangen, sannen und arbeiteten, ließ ihn kalt. Aber das kunterbunte Geld, das da durch die Hände rann, die Straßen- und Brückenzölle, die Marchschillinge, Ohmgelder, Passierscheine und die Verordnungen wegen Waffen, Werbung, Sold, hier so und fünf Wegstunden weiter ganz anders, das gab ihm reichlich zu studieren. Es trat nun immer kräftiger sein hoffnungsvolles Geschäft in Sicht. Sehr bald bemerkte er, wie allerorts in Stadt und Dorf ein Überschuß von Rauflust vorhanden war und sich jetzt unter Freunden wehtat, da man sich nicht gegen Feinde austoben konnte. Den Franzosen war man nicht grün, weil man zu deutlich spürte, wie gerne der glatte Ludwig, nachdem die Eidgenossen ihm den Todfeind Karl von Burgund zerschmettert hatten, die Überflüssigen und Unbequemen nun irgendwo in eine sichere Rumpelkammer würfe. Sie aber wollten rumpeln, nicht Gerümpel sein. Aber auch über die Mailänder war man vielerorts gallig geworden, da sie immer wieder den Tessin heraufzogen und den frierenden Schweizern ihr Stücklein Mittag ennet dem Gotthard stehlen wollten. Vergnügt kraute sich Herr Quicker die Brauen, daß der letzte Schreibstubenstaub herausstob; das paßte ja prächtig dem Werber Österreichs, da sein Land ganz ebenso mit Welsch im Süd und Welsch im West nicht mehr geheuer stand.

Quicker hatte sich in Zug erzählen lassen, daß nicht weniger als vier Schlägereien in diesem kleinen Stadtnest während zwei Monaten unter feiernden Soldaten ausgeprügelt wurden. Mit seiner wunderbaren Arithmetik wußte er daraus einen wohltuenden Schluß zu ziehen, wie viele Söldner er allein in dieser Handvoll Zug, wie viele im weit erheblicheren Luzern und gar in Zürich ausheben würde. Der sonst so nüchterne Mann sah sein Gold schon überall wachsen und mit Lenzesgewalt die Deckel seiner Truhe sprengen. Oft zupfte er sich warnend am Ohr: Du phantasierst! Bleib am Boden, bleib am Boden . . .! Aber bald verlor er sich wieder in neue Zahlenmärchen. Vielleicht hatte die ungewohnte und so erfrischende Bewegung der Reise bald zu Roß, bald am Stecken sein verhocktes Blut in Wallung gebracht; vielleicht war es auch der schwere Lombardenwein, den man hier aus großem Henkelgeschirr trank, während er daheim zu Mittag nur ein dünnes Stiefelchen Meraner mit Zuschuß von Wasser genippt hatte. Meist war er pressiert, dem Wirte mochte er nichts schenken, und so stürzte er in einer halben Stunde hinunter, woran er in Innsbruck eine Woche lang läppelte. Aber es hob ihn. Er fühlte sich jünger und kühner. Und noch tapferer wirkte letzlich diese schneegesalzene, herbe Luft der innern Schweiz auf ihn, der bisher seinen Atem fast nur aus dem Tintenhafen gezogen hatte.

In Luzern kehrte der Kanzler nach Sigismunds Weisung bei der tiefschwarz gekleideten Witwe Göldli ein. Das war ein schweres, graues, feuchtes Haus mit Schildern und Wappen, in dessen Fenster auf der Abendseite die gewaltige Reuß, gegen Morgen der unendlich geschwätzige Luzernermarkt hineinsprach. Aber das Gemäuer war so dick und die Scheiben waren so fest verrahmt, daß trotzdem in ganzen Teilen des Hauses eine Totenstille herrschte.

Es wohnten da mit Christofa Göldli, einer gebornen Durrer aus Obwalden, nur die beiden Kinder Eimil und Mareili, er ein vierzehn-, sie ein neunjähriges Jünkerlein, und zwei alte Mägde, die hier wohl das Gnadenbrot aßen und zwischen dem großen hurtigen Wittib beinahe wie Statuen oder doch ganz langsame Schattenbilder aussahen.

Als Simon durch die modrige Dämmerung emporstieg und mehrmals laut hustete, beugte sich endlich oben Frau Christofa übers Geländer und rief erregt: »Der Pfarrer Götti kommt, Eimil!« und sprang ihm flink entgegen. »Ah,« sagte sie mit weinerlicher, heftiger Stimme, »Vergebung, wir meinten, unser lieber Pfaff Imgrund sei's . . . Der gemeldete Kanzellarius aus Innsbruck? nicht? Seid auch Ihr willkommen. Ihr habt den Vorsprung. Wer uns zuerst segnet, segnet uns am besten.«

Simon verbeugte sich und ging hinter der rasch redenden Frau, die er nicht recht verstand, zögernd zur großen Stube hinein.

Da lag ihr Knabe auf einem Pelz am Boden. Er war lang und steif wie eine Bohnenstange, an der ein gelbes, müdes, häßliches Gesichtlein mit breiter Nase und verschwollenem Munde wie eine kranke Frucht hing. Das Haar klebte in langen, feuchten Fetzen um Stirne und Ohren. Schön waren nur die großen Augen, die silbergrau und gereizt aus den Höhlen funkelten, wie das Eisen aus einer dunklen Schmiede. Das Mädchen Mareili hingegen kollerte rund und rot wie eine Rübe um den eckigen Bruder. Die Mägde lehnten wie Gemälde an der Wand.

Beide Kinder grüßten neugierig den Österreicher. Mareili hielt sich gleich zutraulich an seinem Arm fest, während der Bub sich wieder würdevoll über sein Bärenfell ausstreckte. Indessen die Mutter mit den Mägden in der Küche herumkesselte, wurde der Gesandte mit Fragen wie mit einem Besen abgefegt. So steif der Junker dabei auch tat, seine Füße scharrten doch beständig im Pelz, und wie ein Alter rümpfte er die Stirne. Er schien nicht krank, noch weniger gesund, sondern wie von innern Hitzen verzehrt.

Wie sieht Euer Sigismund jetzt aus? Kann er gut bogenschießen? Gewinnt er immer im Turnier? Ist es wahr, daß alle Eure Habsburger Herren statt der Nase . . . entschuldigt, einen Chriesihaggen haben . . .?

»Einen Chriesihaggen,« lächelte und plapperte das Mareili dem Quicker harmlos ins Gesicht.

Der Bub machte ein überaus ernstes Gesicht, zog die Brauen zusammen und fuhr fort: »Habt Ihr auch so einen Berg wie unsern Pilatus da drüben? Was macht der Kaiser den ganzen Tag? Wie alt ist er? Hat er auch Buben und Meitschi? Tragen sie das Krönlein nur am Sonntag oder nehmen sie's sogar ins Bett mit? Und ist ganz von Gold des Kaisers Mantel, und sind seine Schuhe aus Silberglas? Hat er wirklich einen Dolch aus Diamant, mit dem man jeden Panzer wie Papier durchlöchern kann? Wer wird Kaiser, wenn der Alte stirbt? Ist's ein Bub noch? Wo lernt er das Kaisersein? Er muß niemand folgen, oder? Sapra, der hat's schön!«

Bei jeder Antwort öffneten und schlossen sich Eimils breite Nasenlöcher, als atme er davon. Aber er lachte nie, auch als Quicker den Spaß des Hofnarren Burlibur erzählte, der bei großer Tafel lebendige Mäuse, aber freilich ganz junge, essen müsse und dafür jedesmal ein gesatteltes Pferd bekomme, von weißen Mäusen einen Schimmel, von den andern einen Rappen; daher er prahle, er sei stärker als der Kaiser und fast so stark wie unser Herrgott; denn er könne machen, daß Mäuse Pferde würfen . . . »So lach doch nicht so dumm,« verwies Eimil das Schwesterchen. »Das ist eine Fabula etwan aus Ovids . . . Metamorphosen . . .«

»Ich muß jetzt unsern würdigen Gast auf sein Zimmer führen, daß er sich etwas ausruhen mag,« sagte Christofa zur Türe herein wie entschuldigend zum Buben, und zwinkerte dem Gast zu.

»So macht schnell!« befahl der Junker.

Im Zimmer setzte sich die große Frau mit dem langgezogenen, wetterbraunen Gesicht, den kleinen, unendlich besorgten, schwarzen Augen und einem Munde, der sich auch beim Schweigen immer leise bewegte gegenüber dem Legaten ans Kredenztischchen in der Fensternische, bot ihm eine stich- und hiebfeste Luzernersuppe aus Zwiebel, Mehlklößen und Käsbrocken und dazu ein feines kleines Venezianerglas voll Wein und Brotschnitten vom eigenen Ofen. Sie zeigte auf ein Bild an der Bettwand: »Das ist mein Gatte selig. Ihr habt ihn gekannt?«

»Nein, beste Frau; aber der Erzherzog redete oft und mit Verehrung von ihm . . .« Er war ein Vielverbrauch und Luftschlößler gewesen, hatte indessen ungewöhnlich viel vom Bauwesen verstanden. Doch ohne es an die feinen Finger kommen zu lassen, trieb er es mehr als Spielerei und hatte dem Herzog auch für die Brennerstraße, die gerade im Umbau lag, ein hübsches Modell geschaffen. Ziemlich verschuldet war er vor zwei Jahren gestorben. Soviel wußte Simon Quicker.

»Er war doch öfter in Innsbruck. Wie konntet Ihr ihn übersehen!« staunte Christofa mit ihrer raschen, klagenden Stimme. »Wo er hinkam, hat man nur ihn gesehen.« Andächtig haftete sie am Bilde, das indessen genau die wüste, breitlöcherige Nase, den hochgeschürzten Mund und die spitzen Backenknochen seines Jungen zeigte, freilich auch dieses eisig glänzende, großartige Auge.

Sie grübelte mit den großen, verschafften Händen im Schoß herum und fuhr fort: »Wie wenig hat er vom Leben gehabt! Gelitten, gestritten und mit achtunddreißig gestorben!« Ihre fleischlosen Finger klemmten das seidene Schultertuch zusammen, das bei ihren heftigen Armbewegungen immer auseinanderflog und ein schlechtgeschnürtes und schlechtgeflicktes Brusthemdchen aus dunkelblauer Seide zeigte.

Simon Quicker hatte großen Hunger und aß und trank ohne Unterbruch, hörte dabei höflich zu und nickte öfter, aber sah nicht recht in die Sache.

»Mein Einziger ist nicht eigentlich krank,« widersprach Christofa, als hätte er das Gegenteil behauptet. »Davon darf man ja nicht reden. Wäre er krank, so könnte ihn der Arzt kurieren. Aber es ist etwas in den Nerven, im Blut, ich weiß nicht, eine Hitze und eine Schwäche, ganz wie mein Seliger. Sie essen, sie trinken, sie atmen kräftig, husten selten und tut ihnen nirgends was weh. Im Bett ist ihnen übler als draußen. Und doch ist mein Gemahl daran gestorben . . .«

»Ich habe auch,« tröstete der Kanzler mit einem tiefen Schluck ins Glas, »seit vierzehn Jahren meine Frau krank in den Kissen . . . Was wollen wir? Gott . . .«

»Und Ihr geht fort . . . und so weit über Land!« schalt Christofa erregt und packte ihn heftig am Arm. »Wie konntet Ihr?«

Simon versuchte zu lächeln: »Sie selbst hat mich geschickt. Geh, geh, hurtig, sagte sie.«

»O wie oft schreit das mein Bub! Aber ich wage mich kaum eine stille Messe lang außer Haus. Nein, nein! Ist doch mein Mann gestorben, daß ich es kaum merkte! Nein, nein!«

Zum erstenmal seit dem Abschied fiel dem Gesandten wieder ein, daß unter allen Soldaten- und Dukatengeschäften er doch auch noch ein heiligeres Traktandum besorgen möchte, Hilfe, irgendeine ihm unerklärliche Hilfe für sein krankes Weib.

»Sie sagte,« entschuldigte er sich, einen endlosen Käsfaden geschickt um den Löffel spindelnd, »ich müsse ihr ein Wunder bringen . . . sie meinte vom Bruder im Ranft . . . darum . . .«

»O!« rief Christofa wie entrückt und faltete die Hände. »Wie fass' ich mich, wie sag ich's? Ist das nicht schon wie ein Wunder, dieses Zusammentreffen . . .? So höret, das war es gerade auch, was ich vom Imgrund . . . nein, von Euch fordern wollte. Bringt mir ein Wunder! Es geht in einem. O ja,« jubelte sie, und ihr langes Gesicht schien um zwanzig Jahre jünger, »in der rechten Hand für Euch, in der linken für mich soll's blühen. So kehret aus dem Ranft und beschenket arme Frauen! Schaut, lieber guter Freund,« sie hielt ihn wie in Zwingen an den Handknöcheln, beängstigte ihn wahrhaft mit ihren vor Schwärze glühenden Augen und bettelte unendlich heißen Tones: »Schaut, darum wollte ich Euch einen Augenblick allein haben. Vor dem Bub kann ich's nicht frank herausschütten. Bruderklaus kennt uns. Er hat in diesem Hause mehrmals übernachtet. Er weiß nur nicht, wie das Elend mit dem Knaben gewachsen ist, sonst hätte er längst schon etwas Mächtiges für uns getan . . .«

Simon krümmte die Brauen. Da gingen ihn Gebote an, Pflichten, Rätsel, von denen er nicht Maß und Gewicht und noch viel weniger einen Ausgang kannte Solche Mathematik hatte er nie probiert. All das beengte ihn.

»Das, lieber Herr Kanzler, bringt ihm,« sagte Frau Göldli und lächelte verführerisch, indem sie mit unendlicher Heimlichtuerei eine Rolle von zwölf Goldstücken aus der Lendentasche zog. »Versteckt es rasch; saget, es sei der Heller der armen Witwe. Erzählet, wie Eimil leben möchte, o Gott, wie er durchaus leben muß. 's ist ja der Einzige. Er wird uns Göldli wieder hoch und hehr machen . . .«

Simon steckte die Rolle instinktiv in den Gurt.

»Ich wußte, daß mir heute ein Glücksbote ins Haus kommt. Aber ich meinte den Staufer Pfarrer, den Imgrund, Eimils Taufgötti. Er hat gestern im Hof gepredigt und will morgen nach Sachseln. Da wollt' ich ihm was in den Ranft mitgeben, denn er ist Bruderklausens Herzblatt. Nun seid Ihr im Vorsprung. Da soll man nicht warten. Ihr suchet das Gleiche, Ihr fordert ein Wunder. Da marktet Gott nicht. Ob für einen oder zwanzig, die's brauchen, das Wunder wird nicht an der Elle abgemessen. Wie Sonn' und Regen segnen sie einen, segnen sie alle, nicht wahr, lieber Herr Kanzler?«

Sie zitterte am ganzen Leibe, redete hastig und überlaut wie in schmerzlicher Verzückung, sah den Gast gar nicht an, sondern hoch über ihn hinaus zum Porträt des Toten. »Er muß uns helfen! Mein Hochseliger hat dem Bruderklaus und den Obwaldnern viel Liebes getan, als der große Streit war . . . o, da sind die Plaggeister schon wieder . . . Bruderklaus darf gar nicht nein sagen.«

Die Türe war sozusagen höflich aufgegangen. Die Kinder guckten neugierig herein.

»Unterwegs,« fuhr die wohlbeschlagene Frau ablenkend fort, »seht Ihr den Nüßelerhof. Er liegt am Kernsersträßchen, kurz, eh' Ihr in den Kernwald geratet. Den grüßet uns. Ich bin dort gebor . . .«

»Von dem schweig, Mutter,« herrschte der Junge und reckte sich bis zum Türbalken. »Den hab ich längst vergessen.«

»Ganz gut, Eimil,« begütigte Frau Christofa, »aber doch die Großmutter grüßen, wenn der Herr Kanzler sie zufällig am Fenster sieht . . .«

»Nichts, gar nichts . . . Wir sind nur noch Göldli, basta!«

»Aber Eimil, sei lieb . . .«

»Nichts von den Obwaldnern,« brauste das Jünkerlein auf, »die uns die Stadt brennen und ausmorden wollten. Nicht soviel will ich mit ihnen zu tun haben.« Er zeigte den kleinen schwarzen Fingernagel.

»Aber das war doch nur der Amstalden und der Kunegger und etliche andre . . .«

»Wenn der Heinzel, dein Vetter, jetzt da wär' und mir noch so Feines erzählte vom Strut und vom Drach und . . .«

»Still, still . . . was ereiferst dich . . .!«

»Und noch so hübsch die Hellebard schwäng', er ist auch so ein Falscher, ich küßt' ihn nicht mehr, pfui, ich biss' ihn . . .«

»Bub, wie bös du bist! Was muß der Herr Kanzler denken . . .? Vettersleut' von mir,« erklärte Christofa zu Simon, »und ob der Alte schuldig ist, weiß niemand, der Junge, der Heinzel, war damals ein Bub . . . und . . .«

»Ich küßt' ihn nicht mehr,« beharrte der Trotzkopf.

»Und so unschuldig wie das Mareili da . . .«

»Müetti, Müetti, lass'! das verstehst du nicht,« widersprach der Junge. »Der Vater hat gesagt, Obwalden möchte uns verbauern . . . Ja das, verbauern . . . verknechten, und gerade deine Vettern waren voran die Böcke.«

Mareili lachte und streifte die Ärmel bis zu den Ellbogen zurück und schwang aus und ein, als mähte es. »Verbauern,« sprach es nach, »so in der Sonne hui, hei . . . hui hei . . . wie heiß . . . schwitzen . . .« Und das Kind mähte weiter in die Luft und lachte und kollerte wie ein übermütiges Kücken.

»Hör auf!« begehrte der Bruder. »Das ist kein Spaß.«

»Oder so . . . auf und ab . . . auf und ab . . .« Das spöttlerische Göflein umgriff jetzt etwas Unsichtbares mit geknotetem rechtem und linkem Händchen. »Eimi, siehst du,« lockte es, »dicke, gute Milch, trink . . .« Es war augenscheinlich, das Hexlein molk. Aber vor Lachen mußte es innehalten. Solche Komödie liebte es.

Die sind alle nicht richtig im Kopfe, dachte Simon.

»Pfui,« zürnte Eimil und wandte den Rücken beinahe mit Ekel. »Gehen wir lieber in die Stube hinunter. Der Herr Österreicher muß uns vom Türk erzählen.«

Simon kramte das wenige aus, was er vom zweiten Muhamed und von Skanderbeg wußte. Er schämte sich, daß in den Fragen des Jungen mehr Wissen lag als in seinen Antworten. Er wolle vor dem Zubettgehen noch einiges erzählen, versprach er und machte dann einen vorsichtigen Spaziergang zur Hofkirche und zur getürmten Musegg hinauf, wo er seufzend über den abendlich geröteten See südwärts in die ferne obwaldnerische Bergöffnung nach dem vermutlichen Kernserberg suchte. Als er ins Göldlihaus zurückkam, beriet er sogleich mit Frau Christofa, wie er wohl die Wallfahrt morgens am besten einrichte, um schon andern Tags wieder in Luzern zu sein. Frau Göldli erklärte ein weniges, aber sichtlich ungern, und deutete gleich zu den Mägden, obwohl sie den Weg sehr gut, nur zu gut kannte. Aber sie wollte nicht verraten, wie oft sie von ihrem Sommersitz, dem Nüßelerhof, umsonst zu Bruderklaus gepilgert war und ihn für ihren siechen Knaben ums Knie angefleht, aber statt des wunderbaren: »Steh auf! Dein Sohn ist geheilt,« nur immer harte Sprüche bekommen hatte, wie etwa: »Säubere und ordne zuerst deine Seele! Lehre das Kind gehorchen, und du, Weib, lerne regieren! Groß und stark genug schuf dich Gott, damit du die Mutterkrone hoch hebest, nicht unter die Füße eines kleinen Trotzkopfes beugest! Es sei eine gesunde und würdige Liebe zwischen euch und nicht diese blinde und unmäßige Gier, als gäbe es nur einen Menschen, wie es nur einen Gott gibt . . .« So stach's und brannte es unlöschlich in ihre Seele. Nein, daran mochte sie jetzt nicht denken.

Da mischten sich nun die Mägde gerne ein; sie kannten beide den Ranftweg gut, besonders Barbara Rohrer, selbst eine Sachslerin, und empfahlen, schon am Vormittag mit einem Boot nach Stansstaad zu rudern. So erreiche man bis Vesper gemächlich die Höhen gegen Kerns hinein und steige dann am Abhang des Berges zur Schluchthöhe von Niklausen hinauf. Das sei ein winziger Hock Häuser mit dem Heidenturm und dem Kirchlein daneben, und hänge sozusagen über dem Ranft wie in lauterer Luft, so daß man die neue Kapelle und die angebaute Zelle des Heiligen fast gerade unter sich zwischen Tannen und weißem Flußgeschäume wie kleine Tupfen und vielleicht den Mächtigen selbst ameisengroß am Wasser auf und ab wandeln sehe. Beim ersten Tagesgrauen steige der Herr dann hinunter zur Messe, aber achte gut auf den Tritt im abschüssigen Geröll und treffe den Klausner so im ersten frommen Morgenhumor, wo er selbst dem fettesten Sünder nichts abschlagen könne. So wenigstens habe ihnen ein Schläuling geraten; »'s war ein Toggenburger,« flickte die andre Magd bei. »Nein, auf Ehre, ein Äbtischer von St. Gallen,« schwor die andre, kurz, einer, der schon lustig den Abgrund heraufklomm, da sie erst schluchtab kletterten. Na, sie hatten solche Finten nicht nötig, ihr Gewissen hielt auch den Mittag aus. Sie rieten dem Gast, noch tüchtige Nägel in die Schuhe schlagen zu lassen, und packten ihm Brot und Speck ins Felleisen. Zum Boot würde ihn niemand begleiten, meinte die Herrin. Es fiele auf. Ihm paßte das, denn er konnte so besser am Fahrlohn markten.

Eimil und Mareili horchten in einer Nische mit stummer Erregung, nickten sich zu und schwiegen wie kleine Verschwörer. Als sie zu Bette gegangen, bat Frau Christofa ihren Pilgrim, dem Eremiten doch ja zu erzählen, daß sich seit des Ratsherrn Jost Tod vieles im Hause geändert habe, daß Eimil recht bescheiden und botmäßig geworden sei, daß die Mutter nun den Kopf recke und regiere, daß also nichts mehr vonnöten wäre als ein körperliches Weh wegzublasen. Wenn er das wolle wegsegnen, ihre Augen schworen feierlich: er kann es ja! o dann würde Eimil noch ein heiliger Ritter wie Sankt Georg oder ein Bischof wie Sankt Leodegar. Denn ihm steckt etwas Großes im Blute.

Indem kam die Magd und berichtete, der Bub könne oder wolle einfach nicht schlafen. Der Herr Gast müsse ihm absolut noch etwas Hübsches erzählen. Mit sauersüßem Gesicht setzte sich Simon ans Bett. Ihm wurde nachgerade schwül in diesem Hause. Fiebrig heiß zerrte ihn der Bursche an der Hand und forderte und horchte. Aber dem Quicker wollte nichts Grünes und Blühendes in den Sinn kommen. Da fing das Junkerlein an: »Euer Erzherzog will unsre Soldaten gegen die Türken haben?«

»Ja, Herr Eimil, das ist eine glorreiche Arbeit.«

»Seid ihr nicht Manns genug?«

»Der Türken sind zu viele, Hunderttausende. Schlagen sie uns, dann bald auch euch. Wir müssen zusammenhalten.«

»Wohin muß man gegen sie reiten?«

»Durch Hungaria hinunter der Donau nach. 's ist weit und mühsam.«

»Ha, Ihr sagt, es gingen auch Junge von dreizehn, vierzehn Jahren . . .?«

»Nicht viele eben,« schwächte Simon behutsam ab, »die größten nur . . .«

Eimil streckte sich, daß oben und unten das Bett krachte: »Und ich?«

»Es gibt dort Sümpfe und dann wieder Wüsten; aber auch Berge, die ganz kahl und heiß sind wie Öfen und kein Wasser geben . . . nicht wie hier in den gesegneten Waldstätten. Man muß sehr gesund sein. Mehr Männer sterben am Fieber als am Säbel . . .« Hier stutzte er. Solches Malen ging eigentlich gegen seine Mission. Nun, beim Knaben da wird es wohl nicht gefährlich sein.

Aber was machte der? Er warf sich auf den Bauch, begrub seine häßliche Nase und die wunderbaren Augen ins Kissen und schwieg. Doch das Bett zitterte wie unter einem Erdbeben. Der Wildling weinte entsetzlich und wollte doch nicht, daß man ihn höre. Aber er behielt Simons Rechte wie eine Katze umkrallt, und die Erschütterung des Jungen schwang und schwoll in die Glieder des Quicker hinüber. Er zitterte und bebte mit vor etwas Fremden, aber wie er wohl fühlte, vor etwas Wahrem, wovor er eigentlich niederknien und sich schämen müßte.

Immer ungemütlicher ward ihm. Wie log er diese Unschuld hier an. Wie glühte der selig unselige Knabe von einer Lüge des Krämers, des elenden Menschenkrämers Sigismund . . . oder des noch elendern Unterkrämers Simon Quicker! Nein, er konnte dem Buben nicht weiter ins Gesicht fabeln.

»Lieber Herr Junker,« bat er, »weinet nicht! Sobald Ihr . . . Euer . . .«

»Geht, geht, gar nicht weine ich. Was soll ich weinen?« zürnte der Junge und kehrte sich gegen die Wand . . . »Sind Eure Schuhe jetzt gut genagelt . . .? Wisset, der Weg ist sehr übel . . . Gute Nacht!«

Aber kaum war der Kanzler aus der Kammer geschlichen, so rief der Knabe: »Marei! Marei!« und im langen, noch die Füße versteckenden Hemd huschte sofort das drollige Schwesterchen, das augenscheinlich nur auf diesen Ruf gewartet hatte, aus dem Nebenzimmer herein. »Such mir jetzt die Schuhe . . . du weißt schon . . . 's kommt niemand mehr.«

Mareili pustete und puffte den Atem aus und krumselte in den Ecken eines tiefen Gerümpelkastens. Endlich kam sie frohlockend ans Bett gesprungen: »Die hast du auf die Kernseralp getragen.« Es waren grobe Holzböden mit Nägeln und Lederriemen über das Rist, wie man sie in Obwalden klatschend und klotternd durchs Ländlein trägt. »Lass' mich greifen! Ja, die sind es. Die Nägel sind noch ordentlich spitzig. So geht es famos zur Melchaa hinab. Ich werd' ihm weit voraus sein. Also pass' gut auf wie ein Hundli . . . gut' Nacht!« Er warf sich glücklich auf den Rücken, Mareili ging langsam weg, stand in der Mitte des Zimmers still und wartete und kehrte sich halb . . .

»Komm noch, Mareili!« gebot er weicher.

Sie hüpfte zu ihm, er schlug die Arme im Bogen über ihren Kopf, riß das Gesicht des Geschwisters, das runde, weiche, zu sich nieder, preßte Wange auf Wange, küßte es wild und sagte schmeichlerisch: »Liebes, liebes Mägdli! schau, wenn Er mich gesund macht und ich nach Hungaria reite, so schicke ich dir alle Schleier und goldenen Kettlein und Reifen der Heidenweiber. Diese Schleier sind dünn und durchsichtig wie Luft, und die Gürtel blenden vor Edelsteinen . . . roten, dem Rubin . . . grünen, dem . . . dem . . . gelben, dem . . . Karfu . . .« Und vom Glanze dieses fremden Geschmeides bestrahlt, schliefen die Kinder in schneeweißen Hemdchen und schneeweißer Unschuld ein.

Möglichst früh und unbemerkt suchte Simon am Morgen zu entwischen. Aber das Hundli wachte gut, lief überall hintendrein, und als es gefährlich wurde und Eimil noch nicht aufrückte, riß es den Gast am Mantel und bellte und schrie aus Leibeskräften: »Eimil, er geht! Eimil, Eimil!« Im gleichen Schuß flog der Knabe herein, erst einen Holzschuh und den unrechten angeriemt und das Lederkoller noch ungeschnürt. Wie ein wilder Vogel flog er herzu, verhackte sich in den Pilgermantel Simons, wütete und spuckte und rief überlaut: »Meiner Seel', Muetti, ich muß, ich muß mit oder ich sterb auf der Stell'. Sonst ging ich ja mit dem Götti. Ich will zum Bruder, ich will ihn zwingen, ich will . . :« Er erstickte fast vor Eifer, sein gelbes Gesicht war jetzt wie dunkles Blut.

»Allweg,« schrie auch Mareili und zerrte mit am fadenscheinigen Mantel, daß es ritsch ratsch durch den halben Rücken krachte. »Eimil muß zum Bruderklaus gehen und gesund werden. Er ist dann stark. Er wird hundert Türken totschlagen in einer Stund' . . . nicht wahr du? bloß in einer Stund'! Herr Österreicher, laßt ihn mit! Ich geb Euch sieben Küßchen dafür . . .« Und im gleichen Atem sprang sie auf den Stuhl, und der lederne Legat fühlte sich von zwei dicken kleinen Armen duftigwarm umschlungen, roch ein wunderbares Kinderschnäufchen und fühlte eine kirschengroße frische Lippe auf seinem ausgetrockneten Munde. Er verlor völlig den Kopf. Aber die Mutter, die solche Auftritte kannte, beruhigte ihn sogleich mit einem bedeutsamen Seitenblick. Zum Knaben sagte sie lustig: »Du Steckkopf, so hab den Willen. Gewiß soll unser Klaus dich gesund machen. Zieh dich fertig an, Marei hilft ihn gürten und knöpfen!«

»Lieber Junker,« entschlüpfte es da mehr dumm als bösartig dem Gesandten, »der Bruderklaus ist doch auch ein Obwaldner, und von einem Obwaldner wolltest du doch . . .«

Er verstummte, so plötzlich ward der Knabe bleich, starr und ließ die Arme steif sinken. Aus einem Vulkan schien ein Gletscher geworden.

»Ist der Bruderklaus wirklich ein Obwaldner?« fragte Mareili verwundert und sprang verlegen vom Stuhle herunter. »Er ist doch . . . warte . . . er ist . . . nein . . . doch, ein Heiliger!«

»Ja, Kinder,« begann jetzt die Mutter und richtete sich hoch und schützend zwischen Simon und den Kindern auf, »der Bruderklaus ist viel zu groß, um nur ein Obwaldner zu sein. Er ist zu groß sogar für einen Eidgenossen. Er ist größer als der Tell und der Winkelried. Er gehört der ganzen Welt . . . Geht, geht, rüstet euch!«

»Das war nicht gut,« flüsterte sie zum Gesandten mit einem schwachen, strafenden Lächeln. »Aber Ihr kennet eben den Eimil nicht. Ihr werdet sehen, der Knabe ist für heute wieder ein zerbrochen Ding. O Jesus,« seufzte sie und horchte au der Türe.

Wirklich kam das Dirnchen schon zurückgerannt: »Geht nur allein, böser Mann! Der Eimi ist schon müd geworden.« Sie fanden denn auch den Jungen erst halb geknöpft und geschnürt auf dem Bette liegen, außer Atem, blaß, in zornigen Tränen erglänzend, aber unfähig zu reden. Er zuckte nur hilflos mit den magern Achseln und rümpfte die Stirne.

»Siehst du jetzt, Büebli, wie ungeschickt es wäre, wenn du mit dem Herrn Kanzler gingest,« tadelte Christofa mit einer unendlich tröstlichen Stimme und winkte zugleich dem Mareili, zum Bruder zu sitzen und ihn auf ihre drolligliebe Art zu liebkosen. »Plötzlich an den Niklausener Schroffen ginge dir der Schnauf aus. An einem Fels oder Schneehaufen müßte man dich liegen lassen. Viel gescheiter ist, unser Freund erzählt dem Heiligen recht viel von dir, was dir fehle, was du von ihm haben möchtest und wie du eben jetzt dich abgemüht hast, um auch mitzukommen. Zeigt ihm diese Holzschuhe,« wandte sie sich lächelnd zu Simon, »einen verkehrt am Fuß, den andern noch in der Hand! Nicht wahr, Herr Kanzler,« fuhr sie nun sehr ernst fort, »das wollet Ihr für uns tun. Und dann ladet den Ehrwürdigen dringend ein, wenn er am Gallustag, und der ist bald, nach Einsiedeln geht, gütigst bei uns abzusteigen. Dann, Eimil, siehst du den großen Mann hier in der Stube. Er sitzt zu dir, nimmt dich zwischen die Knie und erzählt dir ganz Wunderbares. Und wenn du nicht schon gesund bist, so merkst du, was alle berichten, wie etwas Allmächtiges von ihm zu dir hinüberfließt, wie Eisen und Feuer, so daß du gar nie mehr müde werden kannst und bis nach Konstantinopel dem Türken nachspringst und ihn gehörig verprügeln und seinen güldenen Halbmond in hunderttausend Scherben zerschlagen kannst, du mein Goldbüebli und Türkenklopfer du!«

Eimil hatte ein paar Sätze angehört, und ein bitteres Lächeln überflog sein elendes Gesicht. Nun aber tuschelte ihm Mareili etwas ins Ohr, worauf sich seine gelbe Stirne allmählich entrunzelte. Er nickte, lächelte noch einmal überaus ernst und war bald auf dem runden Ärmchen Mareilis unter Streicheln und Küßchen als auf dem besten Kissen der Welt eingeschlafen. Ja so, sein Götti . . . der Imgrund . . . das ist ein Kühner . . . Schlauer wollen sie's machen . . . morgen . . . ihn zum Dienstagschiff begleiten . . . im letzten Nu hineinspringen . . . mit! mit . . .! Ranft . . . schöner Bruderklausenbart . . . milde, kühle Hand . . . steh auf, Bübel, dir fehlt nichts mehr . . .

Indessen richtete sich die Hausfrau verabschiedend zu Simon. Ihr Lächeln war gestorben. Mit einem Blicke, der den Kanzler erschaudern machte, sagte sie fast flüsternd: »Da seht, so steht es. Verliert keinen Augenblick. Bringt das Wunder!« Und sogleich hörte er ganz von ferne eine andere, ebenso leise und rührende Stimme wiederholen: bring uns das Wunder, das Wunder heim! Sang's fern aus dem Tirol oder noch ferner vom Himmel oder am allerfernsten . . . aus seiner eigenen Seele . . .?

Er wußte kaum, wie er auf die Gasse kam; nur daß er pressieren mußte, bevor dieser tolle Göldlibub, dieser Herrengüggel erwache, aufkrähe und ihm noch einmal ins Haar fliege, ward ihm genügend klar. Sorglich glättete er den zerknüllten Mantel und fuhr entsetzt in einen langen Riß hinein. Herrgott, so was! Aber rasch sammelte er sich. Dieser Mantel wird ihn beim armen Klausner nur empfehlen. Und . . . Jawohl, er tastete und griff im Gürtel noch die zwölf Goldgulden der Witwe . . . einen davon darf er sich wohl als Schadengeld erlauben, einen oder zwei! Der gemusterte flämische Taffet hat seit den Burgunderkriegen ums Doppelte aufgeschlagen.


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