Gustav Theodor Fechner
Einige Ideen zur Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte der Organismen
Gustav Theodor Fechner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III. Prinzip der Tendenz zur StabilitätFür gewisse sehr allgemeine Voraussetzungen hat schon Zöllner mittels sinnreicher Betrachtungen ein Prinzip abgeleitet, was wesentlich in das oben aufgestellte hineintritt und zwar nicht dessen volle Allgemeinheit teilt, daher auch nicht gleich weite Aussichten eröffnet, aber dafür einer schärfern Fassung, Begründung und selbst mathematischen Formulierung genießt, in welchen Beziehungen ich gern seine Priorität wie seinen Vorteil anerkenne. Hauptsächlich hat Zöllner sein Prinzip zur Erklärung der Periodizität der Sonnenflecken aufgestellt und angewandt, aber auch auf die viel weitergehende Tragweite desselben nach andern Beziehungen hingewiesen. Vergl. darüber seine Abhandlungen in den Berichten der math.-phys. Cl. der sächs. Soc. d. Wiss. 1870 338, 1871 100 und eine kurze Notiz darüber in seiner Schrift über die Natur der Kometen 371..

Der Kürze halber nenne ich in regelmäßiger Periode, d. i. aufeinanderfolgenden gleichen Zeitabschnitten, wiederkehrende Lagen- und Bewegungsverhältnisse der Teilchen eines materiellen Systems oder der Schwerpunkte ganzer Massen (wofür kurz Massen), die man zu einem größeren System vereinigt denken kann, stabile Verhältnisse, worunter der Ruhezustand der Teilchen oder Massen bezüglich einander nur als der Grenzfall inbegriffen ist, wo dieselben Verhältnisse immerfort bestehen, ein Grenzfall, den wir als absolute Stabilität bezeichnen, indes eine Zerstreuung der Teilchen oder Massen ins Unendliche in divergenten Richtungen den andern Grenzfall, den der absoluten Instabilität bildet.

Nicht mehr als absolute, aber doch noch als volle Stabilität werden wir den Fall bezeichnen, wo zwar Bewegungen stattfinden, diese aber in genau gleichen Zeitabschnitten immer zu denselben Verhältnissen der Teilchen oder Massen, nicht nur nach ihrer Lage, sondern auch Geschwindigkeit, Richtung und Änderung der Geschwindigkeit und Richtung, bezüglich einander zurückführen. Nach Maßgabe der größeren oder geringeren Annäherung an die absolute Stabilität aber werden sich noch Grade der vollen Stabilität unterscheiden lassen. Diese Annäherung wird nämlich um so größer sein, je langsamer die Änderung der Lage der Teilchen oder Massen gegen einander ist und in je kleinern Grenzen sie sich hält, indem man mit Beidem oder auch nur Einem von Beidem bloß bis zur Grenze zu gehen braucht, um die absolute Stabilität zu haben.

Zur absoluten und vollen Stabilität tritt als dritter Fall der Fall einer größeren oder geringeren Annäherung an die volle Stabilität, kurz approximative Stabilität, hinzu. Es kann nämlich sein, daß die Teilchen oder Massen eines Systems nie wieder genau, aber doch annähernd, in gleichen Zeitabschnitten zu den früheren Verhältnissen bezüglich einander zurückkehren, wovon wir ein Beispiel an den Hauptmassen unseres Planetensystems haben, worauf ich unten zurückkommeEs würde erwünscht, ja wichtig sein, für den Approximationsgrad eines Bewegungszustandes an volle Stabilität ein bestimmtes Maß angeben zu können; für die allgemeinen Betrachtungen aber, auf die wir uns hier beschränken werden, reicht es hin, nur überhaupt anzuerkennen, daß größere oder geringere Annäherungen in dieser Beziehung stattfinden können..

Zur Vereinfachung der Betrachtung stabiler Bewegungsverhältnisse kann jedenfalls die Bemerkung dienen, daß die Periodizitätsverhältnisse zwar in Bezug auf Lagen-, Geschwindigkeits-, Richtungs-Verhältnisse der Teilchen eines Systems besonders in’s Auge gefaßt und verfolgt werden können, daß aber in einem isolierten oder unter konstanten Außenverhältnissen befindlichen System jene Verhältnisse so zusammenhängen, daß, wenn die Lagen der Teilchen oder Massen bezüglich einander ganz oder annäherungsweise wiederkehren, auch dieselben Geschwindigkeits- und Richtungsverhältnisse ganz oder annäherungsweise wiederkehren. In Beziehung auf die Geschwindigkeitsverhältnisse ist dies eine direkte Folgerung des Prinzips der Erhaltung der lebendigen Kraft; was die Richtungsverhältnisse anlangt, so wird man unstreitig einen Zusammenhang ihrer Wiederkehr mit den andern Verhältnissen voraussetzen können, obwohl mir nicht erinnerlich ist, daß ein direkter allgemeiner Beweis dafür geführt ist.

Mit Rücksicht auf diese Vorbestimmungen denken wir uns eine beliebige Anzahl materieller Teilchen durch Kräfte irgendwelcher Art auf Bewegungen innerhalb eines begrenzten Raumes beschränkt, und das System äußeren Einflüssen entzögen oder unter konstanten äußeren Einwirkungen befindlich, außerdem ungestört durch Eingriffe geistiger Freiheit, oder solche überhaupt nicht möglich; so werden unter Voraussetzung beliebiger Anfangslagen, Geschwindigkeiten, Richtungen der Teilchen des Systems alle folgenden Zustände desselben von diesen Anfangsbedingungen bestimmt sein. Gibt es nun unter diesen Bedingungen solche, die, wenn sie von vornherein da sind oder im Laufe der Bewegung eingetreten sind, eine Wiederkehr derselben Zustände nach einer gegebenen Zeit zur Folge haben, so werden die anfangs irgendwie in Form und Geschwindigkeit sich ändernd gedachten Bewegungen und damit Lagen der Teilchen, wenn sie nicht die Bedingung der periodischen Wiederkehr unmittelbar mitführen, ihre Änderungen so lange fortsetzen, bis unter allen möglichen Zuständen, die solchergestalt durchlaufen werden können, eben die eingetreten sind, welche die Bedingung der Wiederkehr einschließen, das System bis dahin so zu sagen keine Ruhe haben. Ist aber die Wiederkehr einmal nach einer gegebenen Zeit erfolgt, so muß sie immer von Neuem nach derselben Zeit eintreten, weil ja eben dieselben Bedingungen wieder dazu da sind. Und da diese Bedingungen maßgebend für den ganzen Verlauf der Bewegung von einer bis zur nächsten Wiederkehr sind, so muß auch der ganze Bewegungsverlauf sich wiederholen, d. h. in jeder gleichen Phase der Periode sich ein gleicher Bewegungszustand vorfinden. Hiermit aber ist volle Stabilität des Systems eingetreten, wonach eine Änderung, ein Verlassen der einmal erreichten Stabilität selbstverständlich nur noch vermöge Änderungen der äußern Einwirkungen eintreten kann, unter deren voraussetzlicher Konstanz die Stabilität zu Stande kam.

Dieses Prinzip scheint zunächst ein rein aprioristisches zu sein; doch darf man die dabei gemachte Voraussetzung nicht übersehen, daß unter den Bedingungen der Bewegung überhaupt solche sind, welche zu ihrer eigenen Wiederkehr zurückführen, was nichts weniger als selbstverständlich ist, indes allerdings selbstverständlich bleibt, daß ein System so lange fortfahren muß, sich zu ändern, und nur so lange fortfahren kann, sich zu ändern, bis die Bedingungen der vollen Stabilität erreicht sind, falls sie überhaupt erreichbar ist, und daß eine einmal erreichte volle Stabilität durch die eigene Wirkung des Systems nicht wieder rückgängig gemacht werden kannVielleicht könnte man den vollen Apriorismus des Prinzips dadurch zu retten versuchen, daß man sagte: unter allen denkbaren Bewegungsweisen der Teilchen eines Systems finden sich natürlicherweise auch solche, wodurch die Teilchen in frühere Verhältnisse zurückgeführt werden, und da die Bewegungsweise der Teilchen sich ins Unbestimmte fort ändern muß, so lange keine solche Bewegungsweise eingetreten ist, so muß eine solche endlich eintreten, da sie unter den unbestimmbar möglichen Bewegungsweisen Platz hat, also irgend einmal getroffen werden muß. Aber es können recht wohl Bewegungsweisen ins Unbestimmte fort sich ändernd gedacht werden, so daß doch gewisse Bewegungsweisen immer dabei ausgeschlossen bleiben; und fragt sich also noch, ob der Eintritt von solchen auch mit der Natur der Kräfte, wovon die Bewegung abhängt, verträglich ist.. Es fragt sich nun, wiefern Rechnung und Erfahrung die Aufstellung eines allgemeineren Prinzips in dieser Hinsicht gestatten.

Bei einem, äußeren Einflüssen entzogenen System aus bloß zwei Teilchen oder Massen, welche durch gegenseitige Anziehung und Nachwirkung eines ursprünglichen ablenkenden Impulses zur Bewegung bezüglich einander bestimmt werden, lehrt die Rechnung unter Ausschluß ins Unendliche gehender Bewegungen, daß der Eintritt voller Stabilität und zwar sofortiger Eintritt ein notwendiger ist; auch für oszillierende Pendel und Saiten läßt sich aus der Natur der sie bewegenden Kräfte berechnen, daß sie bei Wegfall äußerer Widerstände in einem völlig stablen Bewegungszustande verharren würden, indes sie bei Vorhandensein von solchen einem absolut stablen durch einen approximativ stablen hindurch zuschreiten. Das Vermögen der Rechnung geht bisher nicht über solche verhältnismäßig einfache Fälle hinaus; nicht einmal das Problem der drei Körper, geschweige mehrerer Körper, welche unter dem Einflusse ihrer gegenseitigen Anziehung stehen, ist bis jetzt einer allgemeinen Lösung zugänglich, und auf die Berechnung des Erfolges der organischen Molekularkräfte hat die Rechnung überhaupt bisher noch keinen Angriff gefunden.

Ziehen wir aber die Erfahrung zu, so läßt sich nach allgemeinsten Tatsachen derselben allerdings behaupten, daß bei einem sich selbst überlassenen oder unter konstanten Außenbedingungen befindlichen System im Ausgange von beliebigen Zuständen, wenn nicht die volle Stabilität, aber eine größere oder geringere Approximation daran als Endzustand eintritt, von dem an kein Rückschritt der Stabilität durch die Inneren Wirkungen des Systems selbst stattfindet; indem nach Maßgabe als veränderliche äußere Einwirkungen zurücktreten, sich die Tendenz zu approximativ stabeln Zuständen oder die wirkliche Erreichung solcher überall geltend macht, so daß der Hypothese, welche die Unmöglichkeit ganz scharfer Feststellungen in dieser Hinsicht zu ergänzen hat, wenig genug überlassen bleibt, um die Aufstellung folgenden Gesetzes oder Prinzips zu gestatten:

In jedem sich selbst überlassenen oder unter konstanten Außenbedingungen befindlichen System materieller Teile, und mithin auch im materiellen Weltsystem, sofern wir es als ein abgeschlossenes betrachten, findet bei Ausschluß ins Unendliche gehender Bewegungen eine kontinuierliche Fortschreitung von instablern zu stablern Zuständen bis zu einem voll oder approximativ stabeln Endzustande statt.

Die Bewegungen der Massenteilchen unseres Planetensystems mögen in dem Urzustande desselben höchst unregelmäßig gewesen sein. Jetzt haben sie sich in der Hauptsache zu den regelmäßig wiederkehrenden Planetenbewegungen ausgeglichen. Doch können vermöge bestehender Incommensurabilitätsverhältnisse der Umlaufszeiten der Planeten niemals alle zugleich wieder in dieselben relativen Stellungen zu einander gelangen und kehren daher auch niemals genau dieselben Störungsverhältnisse und mithin Bewegungsverhältnisse in der Bahn jedes Planeten insbesondere wieder. Aber eine periodische Wiederkehr angenähert derselben Stellungen je zweier, dreier und selbst aller Planeten zu einander und damit angenäherte Wiederkehr derselben Störungen jeder einzelnen Bahn in kleineren und größeren Perioden, worein man die ganze Bewegung zerlegen kann, findet doch statt, und nachdem dieser Zustand angenäherter Stabilität erreicht ist, findet kein Rückschritt darin statt, mindestens glaubt jeder Astronom an eine Stabilität der Verhältnisse des Planetensystems in diesem Sinne, insofern die Rechnungen, so weit sie sich bisher treiben ließen, keinen Grund enthalten, daran zu zweifelnMan kann bemerken, daß, während die Incommensurabilität der Umlaufszeiten der Planeten eine Abweichung von der vollen Stabilität des Planetensystems in unserm Sinne bedingt, sie doch zugleich die Bedingung der forterhaltenen Approximation daran ist, weil im Falle der Commensurabilität der Umlaufszeiten sich bei den wiederholten Umläufen die Störungen in derselben Richtung summieren würden, statt sich mit kleinen Schwankungen zu kompensieren..

Sollte nun freilich unser so gut als isoliertes Planetensystem plötzlich in die Nähe eines andern versetzt werden, in welchem die Stabilität in gleicher Annäherung erreicht war, so würde die Stabilität in beiden sich durch ihre gegenseitigen Störungen eben so plötzlich mindern; indem nun aber durch die eingetretene Wechselwirkung der Massen beider Systeme aus beiden Systemen eins geworden ist, würde sofort in diesem Systeme ein neuer Fortschritt im Sinne wachsender Stabilität bis zu einem neuen Grenzzustande approximativer Stabilität eintreten.

Nicht bloß die Massen der Planeten bezüglich zu einander, sondern auch die Teilchen der Masse eines jeden in sich sind von, Anfangs unstreitig sehr unregelmäßigen, Bewegungen in der Hauptsache zur Stabilität übergegangen, indem alle Planetenmassen um ihre Achse mit periodisch veränderlicher, hiermit dem Begriffe der Stabilität entsprechender Neigung der Achse gegen ihre Bahnebene rotieren; und wenn unter dem nach Tages- und Jahreszeiten wechselnden Einflusse der Sonne noch sehr instable meteorologische Zustände auf der Erde stattfinden, so würden diese nicht nur bei Wegfall jener wechselnden äußeren Einflüsse bald zur Ruhe kommen, und alle Teile der Oberfläche der Erde sich gleichförmig an der Rotation der Erde beteiligen; sondern es greifen auch durch die Bewegungen, welche wir auf der Erde als Teil des Systems von Erde, Sonne und Mond beobachten, große Perioden von angenäherter Stabilität in Ebbe und Flut, Kreislauf der Gewässer, periodischen Winden, periodischen Änderungen der Temperatur, des Luftdrucks u. s. w. durch, ohne daß wir im Ganzen einen Rückschritt in dieser Approximation bemerken.

Die Organismen sind so zu sagen ganz auf Periodizität ihrer Funktionen, hiermit auf stable Verhältnisse ihres Lebens angelegt. Dabei sehen wir allerdings in Betracht des Stoffwechsels, welchem die Organismen unterliegen, daß es nicht immer dieselben, sondern nur gleichgeltende Teilchen sind, welche periodisch in dieselben Lagen zurückkehren; es hindert aber auch nichts, den Begriff der Stabilität so zu verallgemeinern, daß dieser Fall darunter tritt.

Aus allgemeinem Gesichtspunkte läßt sich glauben, wenn auch bisher nicht streng beweisen, daß die Neigung jedes sich selbst überlassenen materiellen Systems zu einer regelmäßigen inneren Gruppierung der Teilchen und regelmäßigen äußeren Gestalt mit dem Prinzip der Tendenz zur Stabilität zusammenhängt.

Selbst das geistige Gebiet erscheint diesem Prinzip unterworfen. Denn man findet, daß, nach Maßgabe als ein Mensch sich dem veränderlichen Einflusse äußerer Umstände mehr entzieht, sein ganzes Vorstellungs-, Empfindungs-, Gemütsleben sich in immer regelmäßigere Kreisläufe ordnet oder kurz gesagt immer stabler wird; ein Tag wird für ihn bald wie der andere; was man mit der wachsenden Stabilität der materiellen Prozesse, welche dem geistigen Leben unterliegen, in Beziehung denken kann.

Insofern jedes beschränkte System in der Welt als Teil eines größeren Systems schließlich der ganzen Welt gefasst werden kann, werden auch die inneren Stabilitätsverhältnisse eines jeden außer durch die Wirkung der eigenen Teile durch die Außenbedingungen im Sinne der Tendenz des Ganzen zur Stabilität mit bestimmt, und wo die Wirkung der Außenbedingungen nicht verschwindend ist, kann also das Prinzip der Tendenz zur Stabilität nur mit Rücksicht auf diese Mitbestimmung geltend gemacht werden.

Eine besondere Beachtung verdienen hierbei die beiden Fälle, daß ein System, was für sich genommen in einem stabeln Zustande seiner Teile sein würde, diese Bewegung in einem Mittel ausführt, welches ohne die Bewegung des Systems relativ in sich ruhen würde, und daß es sie unter dem Einflusse des stablen Bewegungszustandes eines andern Systems ausfährt. Ein Beispiel des ersten Falles haben wir an einer an zwei festen Punkten befestigten Saite, welche in einer ruhigen Luft schwingt. Zwar können wir die Teilchen der sog. ruhigen Luft wegen ihrer Wärmeschwingungen nicht als absolut, aber doch im Verhältnis zu den Exkursionen der Teile der Saite als ruhend ansehen. Ohne den Widerstand der Luft würde die Schwingung der Saite eine ganz stable gewesen sein; unter dem Einflusse des Widerstandes der Luft, mit welcher sie ein System bildet, geht aber ihre volle Stabilität in eine angenäherte über, indem in auf einander folgenden gleichen Zeitabschnitten nicht mehr genau dieselben Lagen und Geschwindigkeiten wiederkehren, hiermit aber die Saite der absoluten Stabilität sowohl für sich als mit Beziehung zur Luft immer mehr zuschreitet, indem sich die Amplituden der Schwingungen immer mehr bis zur Erreichung des Ruhezustandes verkleinern.

Was den zweiten Fall anlangt, so ist darin, daß zwei Systeme für sich genommen in stablem Bewegungszustande begriffen sein würden, noch nicht eingeschlossen, daß auch das System beider in solchem begriffen ist, wozu vor Allem gehören würde, daß die Perioden beider, welche Teilchen derselben man auch nehmen mag, in commensurabeln Verhältnissen zu einander stehen.

Im Allgemeinen nun weiß man nach dem erfahrungsmäßigen Erfolge, welchen der Huyghens’sche Versuch mit den zwei auf demselben Brette befestigten Uhren bei etwas verschieden langen Pendeln dargeboten hat, so wie den Rechnungserfolgen bezüglich der Mitteilung von Schwingungen an resonierende Körper, daß hierbei wirklich auch die Tendenz zur Herbeiführung stabler Bewegungsverhältnisse zwischen den in Wirkung tretenden Systemen sich geltend macht, ohne daß freilich der Fall schon in voller Allgemeinheit hat behandelt werden können.

Kann man nun hiernach nicht sagen, daß die Stabilitätsverhältnisse, die jedem von zwei Systemen für sich zukommen würden, auch bei Wechselwirkung beider bestehen bleiben, so doch, daß, wenn der approximativ stable Endzustand des Systems beider Systeme eingetreten ist, auch jedes beider Systeme für sich betrachtet wieder zu einem approximativ stabeln Zustande zurückgekehrt ist, weil ja in dem approximativ stabeln Zustande des Ganzen der eines jeden Teiles von selbst inbegriffen ist; nur daß dieser Zustand ein anderer als früher und die Approximation an volle Stabilität möglicherweise größer oder geringer als früher sein kann.

Wir können die mechanischen Bedingungen, Kräfte, Gesetze, nach denen Bewegungen, die im Zusammenhange eines Systems erfolgen, sich allmälig immer mehr zu einer Wiederkehr derselben Verhältnisse in größeren oder kleineren Perioden abgleichen, kurz nach denen sich die Tendenz zur Stabilität vollzieht, nicht in voller Allgemeinheit, ja überhaupt nicht über nahe liegende Grenzen hinaus verfolgen; aber es ist schon wichtig, überhaupt zu wissen, daß überall eine, von gesetzlicher Wirkung der Kräfte abhängige, Tendenz in diesem Sinne besteht, welche zu einem, durch innere Kräfte nicht wieder rückgängig zu machenden, Endzustande mehr oder weniger angenäherter Stabilität führt; und so wie wir im Prinzip der Erhaltung der Kraft oft das Mittel finden, Schlüsse auf das Zustandekommen von Erfolgen zu ergänzen, wozu die Vollständigkeit der spezialen Unterlagen fehlt, können wir auch dem Prinzip der Tendenz zur Stabilität die gleiche Eigenschaft beilegen und um so größere Erfolge von seiner Kombination mit dem Prinzip der Erhaltung der Kraft hoffen.

So liegt es schon im Sinne solcher Kombination, daß kein unbeschränkter Fortschritt der Welt zur absoluten Stabilität, welche in voller Ruhe der Teilchen besteht, stattfinden kann; vielmehr wird der Annäherung daran durch das Prinzip der Erhaltung der Kraft eine Grenze gesetzt. Ja es kann überhaupt durch die Tendenz zur Stabilität die lebendige Kraft in der Welt im Ganzen nicht ihrer Größe, sondern nur der Form, in der sie sich äußert, nach geändert werden.

Nachdem nun das Prinzip der Erhaltung der Kraft schon so schöne Entwicklungen erfahren und so reiche Früchte getragen hat, halte ich es bei der Wichtigkeit, die ich dem Prinzip der Tendenz zur Stabilität gleichsam als qualitativer Ergänzung zu jenem, auf quantitative Verhältnisse bezüglichen Prinzip glaube beilegen zu dürfen, auch für eine wichtige Aufgabe der Zukunft, dies Prinzip, so wie die Prinzipien des Zusammengehörens beider Prinzipe, nicht minder zu bearbeiten und auszubeuten; nur würde dazu mehr mathematische Kenntnis und Fähigkeit gehören, als ich besitze. Auch dürfte eine allgemeinere Behandlung desselben durch die nötige Mitberücksichtigung des Stoffwechsels in der Anwendung auf Organismen nur zu sehr erschwert sein.

Wie dem auch sei, sollte die allgemeinere Behandlung des Prinzips für jetzt noch zu großer Schwierigkeit unterliegen, so dürften sich doch besondere Fälle von Interesse derselben nicht entziehen.

Die Wichtigkeit des Prinzips wird übrigens in um so hellerem Lichte und um so größer erscheinen, wenn zur physikalischen und physiologischen Verwertung desselben, um die es sich hier und im nächsten Abschnitte handelt, die teleologische und psychophysische Verwertung desselben, wovon im 11. Abschnitte, treten wird.


 << zurück weiter >>