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In der Gießerei

In Staub und Asche, in Sand und Lehm,
Auf den Knien meist, nicht allzu bequem, –
Man glaubt es gern, daß die Gießerei
Kein sonderlich säuberlich Handwerk sei.

Nur der kleine Peter, das schwarze Gesicht
In grimmigen Falten, der glaubt es nicht.
Er wird ordentlich zornig und schimpft und flucht,
Wenn man es ihm deutlich zu machen sucht.

»In der stolzesten Halle der ganzen Fabrik,
Dort bin ich zu Hause zu eurem Glück.
Als grüben wir Gold in Ruß und Rauch,
So sieht es drin aus; und das graben wir auch.«

»Was gäb es zu feilen, zu meißeln für euch,
Wär ich nicht Meister in meinem Reich?
Wo nehmt ihr ihn her, euern Sündensold,
Wenn ich nicht formen und gießen wollt'?«

Sie lachen, wenn er sich zur Arbeit kehrt:
»Der kleine Peter fühlt seinen Wert!«
Mit Lehm und Ziegeln, ein stattlich Gewicht,
Verschwindet im Boden sein rußig Gesicht.

Es ist ein Schaffen, wie Knappenwerk,
Hier sinkt eine Grube, dort wächst ein Berg,
Das wühlt und wimmelt, das mauert und klebt,
Bis sich die Form aus dem Grunde erhebt:

Unförmliche Massen, plump und schwer,
Mit Höhlen und Gassen in kreuz und quer:
Was voll ist, wird hohl, und was hohl ist, wird voll,
Nur Peter weiß, was draus werden soll.

Das Stehende hängt, und das Hängende steht,
In des Formers Gehirn ist alles verdreht.
Das ist eine Kunst, die der Himmel schenkt;
Nicht jeder kann denken wie Peter denkt.

Und schlüpft er heraus aus dem greulichen Bau,
Erklärt er voll Eifer dir alles genau,
So glaubst du ihm kaum, daß, was dich verwirrt,
Ein Schiffsmaschinenzylinder wird. – –

Jetzt stockt der Lärm; die Arbeit ruht;
Fast feierlich wird es allen zumut.
Der Meister bietet dir kaum einen Gruß,
Das ist seine Stunde; heut kommt es zum Guß.

Dort hinten im Winkel saust das Gebläs.
Der turmhohe Ofen, in vollem Gefräß,
Schlingt Kohlen und Erze und Kalk in den Leib,
Als fräße er alles zum Zeitvertreib.

Dann speit er mit zornigem Knall und Gekrach
Die Flammengarben über das Dach.
Im knisternden Innern, glühend Weiß,
Rieselt in Bächen der eiserne Schweiß.

Zehn Leute stehen, zur Arbeit bereit,
Um Kessel und Näpfe und warten der Zeit.
Es wird spät. Schon dämmert's im weiten Haus. –
»Jetzt! Achtung, Kameraden! Den Zapfen heraus!«

Und ein Glutstrom bricht aus dem Dunkel grell,
Mit Sprühen und Spritzen, ein wütender Quell.
Es füllen die Kessel sich, groß und klein,
Mit dem weißen, brodelnden Feuerschein.

Gespenstige Krane schwingen sie fort.
Man hört nur Peters Kommandowort. –
Sie steigen, sie senken sich ohne Hast,
Wie wenn Geister trügen die glühende Last.

Jetzt neigt sich der erste. Der blendende Strom
Erleuchtet die Halle bis unter den Dom
Und stürzt, entflammend die schwärmte Nacht,
Die feurige Masse hinab in den Schacht.

Wie der Bau erzittert in plötzlichem Krampf;
Die Form hebt sich im wallenden Dampf'!
Wie es gurgelt und knallt, wie es bläst und saust,
Und aus zwanzig Löchern die Flamme braust.

Er steht auf der Form, vom Feuer umloht,
Wenn sie bricht, ist es sicherer, gräßlicher Tod,
Der kleine Peter, in Donner und Blitz,
Wie der große Napoleon bei Austerlitz! – –

Nun ist es geschehen. Noch einmal zischt
Ein Flackern empor, eh' alles erlischt.
Schwer qualmt es lang aus dem Grunde heraus;
Doch plaudernd gehen die Leute nach Haus.

Sie fragen sich, ob es gelungen sei.
Es kostet noch Tage zwei oder drei,
Dann bricht man, zum Jubel der ganzen Fabrik,
Aus den rauchenden Trümmern ihr Meisterstück. –

Still geht auch Peter; er geht zuletzt,
Ein wenig müde und abgehetzt,
Die Hände verbrannt, das Gesicht verstaubt,
Mit lässigern Gang und gesenktem Haupt.

Er schläft schon fast und sieht, wie im Traum,
Die Leute nicht mehr, die Straße kaum.
Doch sieht er sein Werk, wie es lebt und leibt
Und ein Schiff durch rauschende Wogen treibt.

Durch schimmernde Meere in stolzer Ruh,
Durch Eis und Stürme, den Polen zu,
Mit Wundern beladen, mit Gold und Glück,
Von fernen Gestaden zur Heimat zurück.

Wer sieht es ihm an, wenn er so geht,
Daß er die Welt, so flink sie sich dreht,
Mit all ihrem Reichtum, mit all ihrer Pracht
Wieder um ein Stückchen weiter gebracht?


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