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Illustration: Theophile Schuler

XVIII

Die Nachricht über diese Ereignisse verbreitete sich noch am selben Abend in Hüneburg, und die ganze Stadt staunte. Jeder sagte zu sich: »Wie kann Herr Kobus, dieser reiche, angesehene Mann, erst fünfzehn Jahre lang so viele schöne Partien ausschlagen und dann ein einfaches Landmädchen heiraten, die Tochter seines Bauern?«

Mitten auf der Straße erzählte man sich diese seltsame Neuigkeit und sprach darüber an den Haustüren, in den Stuben und in den Höfen. Die Verwunderung nahm kein Ende.

Ebenso erfuhren auch Hahn, Schulz, Speck und Kobus' andere Freunde die frohe Neuigkeit. Am nächsten Tag saßen sie im Großen Hirschen beisammen, unterhielten sich darüber und sagten:

»So eine Eselei, eine Frau von niedrigerem Stand zu heiraten. Das bringt nur Ärger und Neid aller Art. Besser, man heiratet überhaupt nicht. Schließlich gibt's nicht einen Ehemann, der so zufrieden und lustig ist wie die alten Junggesellen.«

»Ja«, rief Schulz, der sich ärgerte, weil Kobus ihm nichts gesagt hatte, »bald werden wir unseren dicken Fritz nicht mehr sehen, denn er wird in seinem Schneckenhaus leben und seine Fühler einziehen müssen. Da sieht man, wie das Alter den Männern zusetzt. Wenn sie schwach werden, bändigt sie ein einfaches Landmädchen und führt sie an einem rosa Seidenband herum. Bloß die alten Soldaten bleiben fest! Tja, so wird's dem guten Kobus gehen, und wir können ihm Lebewohl, adieu, ruhe in Frieden! sagen wie beim Kehraus der Fasnacht.«

Hahn schaute in Gedanken unter den Tisch und leerte die Asche seiner dicken Pfeife zwischen den Knien aus. Als aber schließlich eine Atempause eintrat, sagte er:

»Die Ehe ist das Ende der Glückseligkeit, und ich für meinen Teil würde lieber den Kopf in ein Bündel Nadeln rennen, als mir diesen Strick um den Hals zu legen. Allerdings – obwohl unser lieber Kobus vom rechten Glauben abgefallen ist – Muss man doch zugeben, dass sein Suselchen durchaus würdig war, dieses Wunder zu bewirken. An Herzlichkeit, Geist und Vernunft kenne ich nur eine Frau, die sich mit ihr vergleichen kann oder sogar noch höher steht, denn sie ist die Schönste im ganzen Land – es ist die Tochter des Bürgermeisters von Bischheim, die wunderbare Frau, mit der ich beim Dreierleins getanzt habe.«

Da schrie Schulz, dass weder Susel noch die Tochter des Bürgermeisters von Bischheim würdig sei, der kleinen Rothaarigen die Schuhbänder zu lösen, die er ausgewählt hatte.

Das Gespräch ging immer lebhafter weiter, bis um Mitternacht der Wachtmann kam und den Herren mitteilte, dass die Konferenz bis auf weiteres unterbrochen sei.

Am selben Tag wurde bei Fritz der Ehevertrag aufgesetzt. Als der Notarassessor Münz Kobus' Vermögenswerte aufgelistet und Susel in den Haushalt nichts weiter als den Zauber der Jugend und der Liebe einzubringen hatte, beugte sich der alte David über den Notar und sagte zu ihm:

»Schreiben Sie, dass der Rebbe David Sichel der Braut als Mitgift die drei Morgen Weingarten am Sonneberg schenkt, die den besten Wein im Land geben. Schreiben Sie das, Münz.«

Fritz hatte sich überrascht aufgerichtet, denn die drei Morgen gehörten ihm. Da hob der alte Rebbe den Finger und sagte lächelnd:

»Erinnere dich, Kobus, erinnere dich an unser Streitgespräch über die Ehe in diesem Raum vor drei Monaten, am Ende des Festessens!«

Da fiel Fritz die Wette ein.

»Das stimmt«, sagte er und wurde rot, »diese drei Morgen Rebland stehen David zu, denn er hat sie mir abgewonnen. Da er sie nun Susel schenkt, nehme ich sie für sie an. Nur schreiben Sie bitte, dass der Rebbe sich den Nießbrauch vorbehält, denn ich möchte, dass er den Wein bis ins hohe Alter seines Großvaters Methusalem trinken kann, sonst fehlt mir etwas an meinem Glück. Schreiben Sie auch, Münz, dass Susel als Mitgift das Landgut im Meisental einbringt, das ich ihr zum Zeichen der Liebe schenke. Christel und Orschel können's für ihre Enkel bestellen, und das wird ihnen die Arbeit versüßen.«

So wurde der Ehevertrag aufgesetzt.

Was das übrige betrifft – wie Josef Almani, Bockel und Andres fünfzehn Meilen weit herbeieilten, um ihrem Freund Kobus zur Hochzeit aufzuspielen; den Festschmaus, den die alte Katel nach allen Regeln ihrer Kunst mit der Unterstützung der Köchin vom Roten Ochsen ausrichtete; Susels naive Anmut, Fritz' Jubel und Hahns und Schulz' würdevoller Auftritt als Trauzeugen; Herrn Pastor Diemers schöne Ansprache beim großen Ball, den der alte Rebbe David selbst mit Susel inmitten des allgemeinen Beifalls eröffnete; Josefs künstlerischen Schwung, mit dem er so herrlich fiedelte, dass halb Hüneburg bis zwei Uhr morgens auf dem Akazienplatz blieb, um ihm zuzuhören – das alles wäre eine Geschichte, die noch einmal so lang ginge.

Es sei nur gesagt, dass Fritz etwa zwei Wochen nach der Hochzeit alle seine Freunde zum Essen einlud. In demselben Raum, in dem Susel drei Monate zuvor mitten unter ihnen gesessen hatte, erklärte er laut, der alte Rebbe habe recht damit, dass ohne Liebe alles sinnlos sei, dass es nichts Vergleichbares gebe und dass die Ehe mit der geliebten Frau das Paradies auf Erden sei.

Da sprach David Sichel andächtig einen Satz aus, den er in einem hebräischen Buch gelesen hatte und den er für unübertroffen hielt, obwohl er nicht aus dem Alten Testament stammte Das hatte der Rabbi im Neuen Testament gefunden: 1 Joh 4, 7-8.:

»Liebe Brüder, lasst uns einander lieben. Wer liebt, kennt Gott. Wer nicht liebt, kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe.«

 

ENDE


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