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VII.

So war der Winter hingeschwunden.

Der Schnee schmolz. Frühlingsstürme bogen und peitschten die Pappeln der Landstraße, in allen Lachen spiegelte sich blendender Sonnenschein, an den Birkenbüschen begann es grün zu schimmern, und an einem frischen Morgen vernahm Hedwig, die barhäuptig auf dem Hof stand, rauschenden Flügelschlag vor ihren Ohren, so daß sie danach ausschauen mußte.

Mit lautem Gezirp umkreisten die Hausschwalben das Dach und suchten ihr Nest.

Das Mädchen, das ganz sonnenüberglänzt dastand, legte die Hand vor die Augen und blickte hinauf. Ja, es wurde wahr, der Frühling zog wieder ins Land. Sie wohnte nun bald ein Jahr in diesem Gehöft.

Und noch immer war Else nicht zurückgekehrt.

Von Woche zu Woche zog es sich hin. Immer trat wieder etwas dazwischen, Monate wurden daraus. Wenn Hedwig dem Pächter nicht noch einmal von ihrem Erbteil vorgestreckt hätte, er hätte die Pension der letzten Wochen nicht bestreiten können. Zumal er jetzt alles Vorhandene zur Saatzeit brauchte. Das zog ihm die Stirn oft sorgenvoll in Falten, aber Hedwig hatte ihm die Summe aufgedrängt, ungeduldig, stürmisch. Da hatte er sie genommen. Sie gehörten ja zusammen, das Gedächtnis an Else wurde jetzt seltener. Zwar langten wöchentlich Briefe von der Kranken an, die von einer immer fortschreitenden Besserung berichteten, doch diese Mahnungen hatten das Schreckhafte verloren und schienen aus unbestimmter Ferne zu stammen. Elses Gestalt wurde ihnen allmählich unpersönlich und verfloß.

Dafür hatten sie sich gegenseitig immer enger aneinander angeschlossen. Wilms blickte auf die stillen Wintertage als auf die glücklichsten seines Lebens zurück. Ja, er hatte wieder ein Heim, in das er beseeligt zurückeilte. Alles war wieder fest, gemütlich, geordnet. Auch hatte er die Wintermußestunden benutzt, um von ihr zu lernen. Da hatten sie zusammen unter der großen Stehlampe gesessen und die modernen Bücher gelesen, die Hedwig kommen ließ. Selbst seine politischen Ansichten wurden durch sie geklärt. Und allmählich begann er mit anderen Augen auf Nahes und Fernes zu blicken. Die sklavische Gottesfurcht, die in dem Höchsten einen Schergen sieht, einen kleinlichen Späher und Topfgucker, entschwand ihm, erst zaghaft und scheu, bald aber sicherer fing er an, nach dem Muster der Geliebten für sich selbst Gutes und Böses zu unterscheiden. Der schüchterne Mann erwachte, er erhob sich wie aus einer Gruft und sah sich erstaunt in der Welt um. Frische Luft wehte überall, dem Starken gehörte überall auch das Recht.

Ja, der Krankendunst war aus seinem Heim herausgezogen.

Und Hedwig liebte ihren Schüler. In dem reichen Geben und sich Mitteilen vergaß sie, daß sie sich nach ihm sehnte. Ihre verschwenderische Natur fand Befriedigung.

Oft auch kam Besuch zu ihnen. Einmal die Förstersleute mit ihren Eleven, dann Pastor Schirmer mit seiner Tochter, zuweilen auch der Inspektor von Boltenhagen, sehr oft der schmeerbäuchige Kreisphysikus aus Grimmen. Nur die Frau Pastorin hielt sich zurück. Hedwig fragte nicht nach ihr und suchte nach keinem Grunde.

Dann wurde musiziert und gesungen, häufig auch getanzt oder ernsthafte Gespräche geführt, und alle fühlten sich von dem klugen, liebenswürdigen Mädchen angeregt. Wilms wurde allmählich stolz auf sie.

Ihr Widersacher, der taube Krischan, war vom Hofe entfernt worden. Das hatte sich jedoch nicht so glatt abgewickelt und war jetzt die Ursache zu vielem Verdruß.

»Wat soll ick?« hatte der Greis gefragt, als Wilms ihm seinen Entschluß ein wenig zögernd eröffnete. »Wo soll ick hen?« Dabei hob er das taube Ohr empor und wackelte kraftlos mit dem Kopfe.

»Ins Altenheim. Da wirst du's gut haben.«

»Ne,« hauchte der Alte und kaute widerwärtig mit dem stoppelbewachsenen Kinn: »Ick bünn nu all' fifuntwintig Johr up dit Flag. – De Fru hett mi verspraken, dat ick hier starwen künn.«

Wilms wurde ungeduldig. »Meine Frau is aber jetzt fort,« rief er heftig.

»Sei ward äwer wedderkamen,« grinste der Alte und lachte kauend.

Das war dem Landmann zuviel. Hedwig hatte auch darin recht. Es wurde dem Tauben kurz und entschieden ein Termin zum Abzug gestellt.

Gelassen hörte der Greis die Entscheidung an.

Aber als der Tag herangekommen war, war der Alte nirgends zu finden. Knechte und Mägde suchten ihn im ganzen Hause vergeblich, auch seine Schlafstelle war leer, schon munkelten die Leute, daß der Alte, den niemand leiden konnte, in den Teich gesprungen sei. Da entdeckte Dörthe, die Obermagd, ein Zeichen. Sie hörte über sich krächzendes Rabengeschrei, und als sie aufblickte, sah sie, wie der zerzauste Vogel des Vermißten in die offene Luke des Heubodens flog.

Da fanden sie ihn. In dem tiefsten Winkel, verborgen im warmen Heu, lag er und wehrte sich halb blödsinnig gegen die Knechte. Ein Gensdarm brachte ihn und seine Habseligkeiten endlich vom Hof herunter und lieferte beides im Altenheim ab. Dort wurde er krank und man dachte an seinen Tod. Allein in wenigen Tagen erholte er sich bei der guten Pflege und unter der Obhut der Ärzte. Und bald sah man ihn täglich die Landstraße hinunterschlottern, bis nach Wilmshus, wo er sich auf einen Grabenstein setzte und ins Gehöft hineinstarrte.

Das konnte ihm niemand verwehren, die Straße war frei. Wenn Hedwig vorüberkam, schüttelte er sich und grinste in sich hinein.

»Er wird mir noch mal das Haus über dem Kopf anstecken,« murmelte Wilms einmal ingrimmig.

Hedwig redete ihm das aus.

Auf dem Schlosse zu Boltenhagen war in der Zwischenzeit ein großes Fest gefeiert worden. Die Braut des jungen Herrn hatte dem alten Grafen einen Besuch abgestattet. Hedwig sah sie vorüberfahren, und der Bräutigam, der neben der Erwählten saß, hatte sie ernst und ehrerbietig gegrüßt. Er wandte sich noch einmal nach ihr um. Am Abend sprühte ein prächtiges Feuerwerk herüber. Leuchtkugeln und Raketen zischten durch die winterstille Luft, und Wilms, der neben Hedwig am Fenster lehnte, kehrte sich ihr beklommen zu, wie wenn er ihre Augen ergründen wollte. Aber sie lächelte wehmütig und sah ihn groß und ehrlich an. Da beruhigte sich der Ängstliche wieder.

Wer nach langer Armut Reichtum erlangt, wird ein Geizhals und fürchtet das Gewonnene wieder zu verlieren.

Das Schönste aber, was Hedwig dem öden Besitztum gewonnen hatte, war der Garten hinter dem Hause. Zur Saatzeit, wo Wilms meistenteils auf seinen Feldern weilte, hatte sie mit Dörthe von der jahrelangen Verwilderung Besitz ergriffen. Beete wurden gegraben, mit heimischen, wie ausländischen Blumensaaten bepflanzt, Gänge abgesteckt, Rasenteppiche angelegt. Der riesige Apfelbaum in der Mitte ward beschnitten, die verwilderten Johannis- und Stachelbeerhecken zu ordentlichen Grenzen gerundet, das schwierigste aber mit den zerstreuten Fliederbäumchen vorgenommen. Hedwig ließ eine dünne Laube zurechtschlagen und die Stämmchen rings herumsetzen. Der gute Gärtner im Himmel gab seinen Segen dazu, er ließ seinerseits in linden Nächten warmen Regen träufeln, und als die Störche auf dem Schindeldach des Pachthauses erschienen, da hatten sich die Zweige zusammengeschlossen, da bildeten weiße und blaue Fliederbüsche ein duftendes Dach, und an hellen Mondscheinabenden sahen die Zugeflogenen den Pächter und seine junge Begleiterin in der Laube sitzen und hörten, wie sie beide zusammen heitere und traurige Weisen sangen.

Solche Töne waren hier selten vernommen worden.

Der Flieder streute seine Blüten über sie, und vom blühenden Apfelbaum quoll ein wundervoller Duft herüber, der Storchvater klapperte im Traum leise dazwischen. Den beiden Menschenkindern aber unten klopfte das Herz heiß und voll und sie schwiegen noch immer.

§§§

Es war an einem Maienabend. Wilms, Hedwig und der kleine Pastor Schirmer saßen in der Fliederlaube und schwatzten über dies und das. Ein Windlicht leuchtete auf dem Tisch. Die Luft ging so sacht, daß selbst der winzige geistliche Herr mit seinen spärlichen Silberlocken barhäuptig saß.

Da knirschte ein starker Schritt den Gang entlang. Ein paar Zweige wurden zurückgeschoben, die mächtige Gestalt des Försters wurde sichtbar.

»'n Abend meine Herrschaften,« rief er fröhlich und schüttelte allen die Hand. »Sie haben hier ein schönes Plätzchen – wahrhaftig. – 'n Abend Fräulein Hedwig, Ihnen bring' ich was ganz Besonderes mit –« er schnalzte mit der Zunge – »hier.«

Dabei reichte er dem Mädchen ein starkes Bündel grüner Kräuter herüber. Die strömten einen würzigen Duft aus.

»Waldmeister?« sprach Hedwig überrascht.

»Richtig – meine Frau hat ihn selbst gepflückt. Er blüht in diesem Jahr so prächtig, daß – –«

»Daß man ihn nicht umkommen lassen darf,« ergänzte die junge Wirtin anmutig, »wie wär's, Herr Forstmeister, wenn wir gleich eine Bowle zusammen brauten? Sie haben doch nichts dagegen?«

»Dagegen?« schrie der Weidmann und sah sich so triumphierend um, als hätte er eben ein gutes Werk zustande gebracht. »Deshalb habe ich ihn ja gerade zu mir gesteckt. Und mit Ihnen in der Küche, Fräulein Hedwig? – Herrje, wenn meine Frau das wüßte, daß ich mich jetzt noch mit Kochen abgebe. Aber das soll auch ein Schlückchen werden, passen Sie mal auf, Herr Pastor, was da rauskommt.«

Die andern riefen Beifall. Und nach kurzer Zeit erschien Hedwig wieder mit einer großen Terrine, hinter ihr der Förster, der noch eine Flasche Rheinwein unter dem Arm trug. »Wenn's zu dünn sein sollte,« erklärte er augenblinzelnd.

Aber es war nicht zu dünn.

Sie ließen die Gläser klingen, rötlich spiegelte sich das Windlicht in dem gelben Naß, fein läutete der silberne Ton in die Maiennacht hinaus.

»Schön,« rief der Förster und legte sich befriedigt die Hände auf den Leib, »sehr schön.«

»Ich dank' dir, Heting,« sprach Wilms mit einem langen bewundernden Blick und hob das Glas.

Und der kleine Pastor leckte sich die Lippen und nickte nachdenklich lächelnd: »Die Bibel hat einen Trinkspruch dafür, meine Freunde,« sagte er vor sich hin und faltete die Hände um das Glas. »Psalm 65 – 11, 12 und 14.«

»Jawohl,« sagte der Förster beifällig, »sehr schön.« Er hielt bereits beim dritten Becher und man wußte nicht, ob er den passenden Vers oder Hedwigs gelungene Bowle so sehr bewundere. Dann zog er ein Päckchen der Stralsunder Fabrik hervor und sprach halb bittend, halb verschämt: »Ein Skätchen?«

Und ohne abzuwarten fuhr er fort: »Wilms gibt.«

Lächelnd griffen die Herren zu den Karten, die Zigarren wurden entzündet, und bald fielen die bekannten Worte:

»Tourné? – Solo? – Pastor, zeigen Sie mir Ihre Karten nicht.«

Hedwig schritt leise aus der Laube hinaus. Langsam wandelte sie im Garten herum, der Mond stand voll am Himmel und beleuchtete die schmalen Pfade. An einem blühenden Rotdorn wandte sich das Mädchen und blickte in die helle Laube zurück. Da saßen die drei unter den weißen und blauen Fliederbüschen, schlürften den guten Wein und spielten munter fort.

Es nahm sich aus wie ein Bild der Behaglichkeit.

»Und das hast du geschaffen,« wollte es in Hedwig auftönen, aber sie sprach es nicht aus, nur ein Gefühl der Ruhe und des Stolzes überkam sie.

Unhörbar öffnete sie die Gartentür, ging leise über den schweigenden Hof, bis sie die Einfahrt an der Landstraße erreicht hatte.

Hier war sie vor einem Jahr zuerst eingefahren. Vieles hatte sich seitdem geändert.

Ausruhend blickte sie die Landstraße hinunter. Dort atmete alles tiefste Stille, zwischen den Stämmen der Pappeln spann sich blaugraue Dämmerung, nur die Grillen in dem Graben zirpten ohne Unterlaß.

Da tönte ein fernes Rollen dazwischen. Es wurde wieder still, aber dann – von einer Biegung der Chaussee hörte man deutlich Peitschenklang und das Nahen eines Wagens. Ein paar Laternen blitzten auf.

Hedwig trat zurück. Kam das Gefährt nicht aus Boltenhagen? Wohin ging so spät noch eine Equipage? Sollte in der gräflichen Familie jemand krank geworden sein?

Die Chaise hielt an, gerade vor der Einfahrt des Gehöftes, wo das Mädchen stand.

Hedwig begann das Herz zu schlagen.

Aus dem Lederverschlag streckte sich ein unförmlicher Kopf heraus und eine belegte Stimme rief: »Fräulein Schröder? Sind Sie's, Fräulein Schröder? Ich bin's, Rosenblüt aus Grimmen, Sie wissen schon, ein guter Freund von Ihrem Herrn Vater.«

Hedwig trat an den Schlag heran und reichte dem Geschäftsmann die Hand. Verwundert fragte sie, ob er denn aus der Stadt eine Bestellung an sie hätte.

Der Händler wiegte den Kopf: »Wissen Sie's denn noch nicht? Das heißt wieso sollen Sie's wissen?« wiederholte er sich selbst. »Da hab' ich heut den Kreisarzt getroffen, Rumpf – behandelt mir auch wegen mein Steinleiden, macht ümmer faule Witze, sagt ümmer 'Se müssen's aushalten Herr Rosenblüt, Sie sind eben 'n steinreicher Mann.'«

»Ja, aber Herr Rosenblüt – –«

Der Händler besann sich: »Da hat mir der Kreisarzt aufgetragen, Ihnen 'ne Überraschung zu machen. Nu, wissen Sie's noch immer nicht? Ihre Frau Schwester ist zurück – bei Ihrem Herrn Vater – und morgen wird sie hier ankommen.«

»Wer ist zurück?« fragte Hedwig ganz leise.

»Nu, die Frau Wilms. Und aussehen soll se, ich sag' Ihnen, so gesund, wie Sie und ich. Kann mir denken. Es ist ne große Freude für Sie. Na, grüßen Sie mir den Herrn Wilms – ich lass' ihm gratulieren. – Gute Nacht, Fräulein Schröder.«

»Ich danke Ihnen auch bestens,« sagte Hedwig und reichte ihm die Hand.

Der Wagen rollte weiter.

»E seltsam ruhiges Mädchen,« dachte der Händler, während er sich in die Kissen zurückdrückte. »Sie bleibt sich immer gleich – in Freud und Leid.«

Hedwig ging langsam über den Hof zurück und betrat wieder den Garten. Lange stand sie hinter der erleuchteten Laube und zupfte gedankenlos einen Zweig des weißen Flieders ab. Drinnen hatten die Herren die Karten zusammengeschoben, sie stießen noch einmal zum Abschied mit den Gläsern an und der Förster reckte sich, strich das gewonnene Geld ein und summte vor sich hin:

»Im Wald und auf der Heide,
Da such ich meine Freude.
Ich bin ein Jägersmann,
Ich bin ein Jägersmann.«

Fröhlich klang die Weise in die Nacht hinaus. Und der kleine Pastor, der nicht viel vertragen konnte, schob seinen Arm unter den des Sängers und murmelte undeutlich:

»Lieber Freund – Sie – Sie begleiten mich nach Hause, nicht wahr?«

»Natürlich – wird besorgt werden, Herr Pastor,« lachte der Förster mit einem Seitenblick, »wird alles pünktlich abgeliefert. Gute Nacht, Wilms, grüß die kleine Hedwig. Ein famoses Ding. Donnerwetter, wenn ich jung wär – wenn ich jung wär –«

»Gute Nacht.«

Die beiden Herren zogen ab, Wilms gab ihnen bis zur Einfahrt das Geleit, und noch auf der Chaussee konnte man den Förster das Jägerlied singen hören.

Heiter begab sich Wilms in den Garten zurück. Als er in die Laube trat, fand er Hedwig dort, die am Tisch saß und den Kopf in die Hand stützte.

Er stockte.

»Heting, du? – Ich glaubte, du wärst schon zu Bett gegangen?«

»Nein, Wilms, ich wollte dich noch erwarten.«

»Wirklich? – Das ist schön. – Na, da komm, Heting, wir trinken noch ein letztes Glas zusammen. – Wir haben ja heut noch gar nicht zusammen angestoßen. – Willst du?«

Er setzte sich ihr gegenüber und schob ein volles Glas vor sie hin, aber sie verhielt sich so regungslos, sie hatte das Haupt so trübe gesenkt, daß Wilms sie befremdet anstarrte.

»Heting, du bist doch nicht etwa krank?« stotterte er.

»Nein, nein, Schwager –« sie richtete sich auf und lächelte ein wenig. »Ich habe dir sogar etwas sehr Gutes mitzuteilen.«

»Sehr Gutes? – Und dabei siehst du so traurig aus?«

»Traurig?« entgegnete sie verwirrt, und plötzlich überzog eine tiefe Blässe ihr Gesicht. Wilms sah, wie ihre Hände sich zitternd bewegten. »Die Frühlingsluft wohl – ich habe Kopfschmerzen – ich freue mich auch so sehr – Wilms, Else ist nach Grimmen zurückgekommen und morgen trifft sie hier ein.«

Der Landmann ließ sein Glas niedersinken und tat einen tiefen Atemzug.

Da erzählte sie ihm alles. »Und,« schloß sie unsicher, »sie soll ganz hergestellt sein. – Gottlob.« Aber sie vermied es, ihn anzublicken.

Wilms regte sich. »Gottlob,« murmelte er mechanisch. Dann reckte er sich, legte sich die Hand vor die Stirn und schritt wortlos in den Garten hinein. Seine Gestalt bückte sich dabei, als ob er etwas trüge.

Nach einiger Zeit kehrte er langsam zurück. In seinem Gesicht zuckte es, wie er seinen Platz ihr gegenüber wieder einnahm. Die gutmütigen blauen Augen schienen ganz überbuscht. Er reckte die Hand aus und ergriff die ihrige.

»Ich dank' dir auch für alles, Heting, was du an mir getan hast,« sprach er mit zitternder Stimme und umklammerte krampfhaft ihre Finger, »auch dafür, Heting, daß du wieder ein bißchen Zufriedenheit in mein Haus gebracht hast. – Ich hab' mich so wohl gefühlt –« murmelte er leise und aus seinem Auge drang ein großer, schwerer Tropfen hervor: »Gott geb's, daß alles so bleibt.«

Da senkte Hedwig ihr Haupt auf seine Hand hernieder und blieb unbewegt so liegen, daß er ihre goldbraunen Flechten im flüchtigen Glanz des Windlichtes schimmern sah. Ihre Stirn brannte auf seiner Haut.

Die Brust des Mannes hob sich immer mühsamer. Sanft zog er seine Hand zurück.

»Wollen's uns nich noch schwerer machen, Heting,« sagte er mit Aufbietung aller Kräfte. »Es is ja so nich leicht. – Komm, Heting, wollen darauf anstoßen, daß wir immer gute Freunde bleiben, so wie heut.«

Langsam erhob sie sich. Schlank und aufrecht stand sie vor ihm, als sie das Glas ergriff, aber ihre Augen hingen an den seinen, so dringend, so unabwendbar, so gewaltig ernst, daß er beinahe davor erschrak.

Die Bibel hat ein Wort für diese Liebe: »Feurig, wie die Flamme des Herrn und stark, wie der Tod.«

Die Gläser klangen zusammen, sie sahen sich noch einmal in die Augen, dann reichten sie sich die Hände und gingen schweigend in das Pachthaus zurück.


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