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Durch weise Weiber wird das Haus erbauet;
Eine Närrin aber zerbricht es mit ihrem Tun.
Sprüche Salomonis 14, 1.
Als etwa vor dreißig Jahren in Ludwig Fuldas Lustspiel »Kameraden« eine versnobte Person von »individuellen Möbeln« sprach, wollte sich das Publikum fast ausschütten vor Lachen. Das Scherzwort von damals ist heute kein Witz mehr, sondern etwas Selbstverständliches. Jedermann erhebt jetzt den Anspruch, individuell eingerichtet zu sein, und gibt vor, nichts so zu hassen wie die Schablone. Niemand möchte »geistig in seinem Hause zur Miete wohnen«. Es gilt für den Innenbaumeister beinah als Grundsatz, keine Wohnung einzurichten, ohne die Menschen zu kennen, die sie beherbergen soll, Menschen und Möbel gegeneinander abzustimmen. Sonst – meint man – sind in den stilvollen Einrichtungen nur die Besitzer stillos. Andererseits kann man natürlich ein bedeutsames Bild, einen kostbaren Teppich, einen künstlerisch und historisch wertvollen Gobelin als eine Art Grundthema ansehen, von dem aus sich etwas schaffen läßt, was Geist vom Geiste dieser schönen Dinge ist. So sagte einmal Henry van de Velde, der ein Speisezimmer einrichten wollte und ein wundervolles Stilleben von Renoir vorfand: »Ça chantera dans ma chambre.« In Zimmern mit Kaminen beispielsweise könnte die Ecke am Kamin einen Ausgangspunkt für Möbel und Dekoration bilden. (Nebenbei: wie sich in den französischen Gesellschaftsdramen die Gruppierung um den Kamin vollzieht, so schart sich in deutschen und russischen Volksstücken alles um die Ofenbank.)
Allerdings kann eine große Anzahl Einrichtungen nicht individuell sein, aus dem Grunde, weil sie antik sind; die Neigung für Zimmer einer bestimmten vergangenen Zeitepoche herrscht vor. Die Methode ist bequem, weil sie Nachdenken erspart, den Mangel an persönlichem Geschmack verbirgt und den Erfolg sichert. Die Sache hat ferner den Vorteil, immer richtig zu sein. So ist z. B. ein Louis XVI.-Salon nicht nur ein Salon, es ist der Salon; ein Rokokosalon wird immer der Salon sein; ein vlämisches Eßzimmer wird das reiche, schwere Eßzimmer bleiben, der englische Klubsessel der typische Fauteuil für das Herrenzimmer, usw. Bei einer modernen Einrichtung dagegen setzt man sich allgemeiner Kritik aus; man weiß nie, ob die Erfindung gefällt, ob der Besitzer dauernd Freude an ihr hat. Alle diese Bedenken sind bei einer antiken Einrichtung ausgeschaltet. Vorausgesetzt, daß es sich um historische, echte, gediegene Stücke handelt, denn die alte handwerkliche Kunst daran ist das Wesentliche und macht die Dinge so schätzens- und begehrenswert, – nicht um wertlose Imitationen, die einfach eine Geschmacklosigkeit sind. Jemand, der sich einen Rokoko- oder Louis XVI.-Salon von einem beliebigen Handwerker kopieren läßt, begeht eine völlig unkünstlerische Handlung; er könnte ebensogut seiner Frau falsche Perlen statt echter um den Hals hängen. Allerdings gibt es in Paris dank der unerschütterten Tradition des französischen Möbelhandwerks Nachahmungen, die manchmal sogar Kenner von echten Stücken nicht leicht unterscheiden können; es ist eben immer die Frage, wer die Dinge macht, und die Ausnahme bestätigt hier die Regel.
Vor reiner Nachahmung kann nicht genug gewarnt werden; es kommt zudem nicht darauf an, daß etwas schlecht oder gut nachgemacht wird, es muß vielmehr an die richtige Stelle gesetzt sein. So kann eine schöne Holzdecke ein Zimmer sehr gemütlich gestalten; sie kann aber auch so schwer lasten und wuchten, daß eine einfache, weiß getünchte Decke weit eher am Platze wäre; nicht die seidene Stofftapete allein macht ein Zimmer elegant, sie muß auch der rechte Hintergrund für das Inventar sein und sich mit Geschmack und Schönheit dem Raume einfügen. Auch kann nicht oft genug wiederholt werden, daß ein Landhaus nicht wie ein Stadthaus, sondern ländlich eingerichtet sein muß; einfache Bauernmöbel, glasierte Kachelöfen, luftige Vorhänge werden zweckdienlicher sein und ehrlicher wirken als stilvolle Salons, mit schweren Stoffen ausgepolstert.
Stileinheit kann etwas sehr Schönes sein, wenn man z. B. um einen echten Watteau oder Lancret einen Salon Louis XV. herumbaut; für den Sammler gotischer Plastik könnte ein Salon in gotischem Stil der gegebene Rahmen sein, doch ein Stiltaumel kann in Lächerlichkeit ausarten. Eine mir wohlbekannte junge Frau hat in ihrem Salon Louis XVI. einige wertvolle Bilder der impressionistischen Schule hängen: Monet, Renoir, Liebermann. Plötzlich nimmt sie die Malereien aus den alten zweckvollen Rahmen heraus und steckt sie sämtlich in typische Louis XVI.-Rahmen. Sie ging von der irrigen Ansicht aus, daß die Rahmen zu den Möbeln passen müßten statt zu den Bildern, und übersah, daß nun zwar die Rahmen mit den Möbeln zusammengingen, aber die Bilder nicht mehr mit den Rahmen; während vorher die modernen Meister, dank ihrer malerischen Persönlichkeit, sehr gut im geschlossenen Stilsalon wirkten, schuf der unglückliche Einfall der jungen Frau eine heftige Diskrepanz zwischen moderner Kunst und alten Möbelstücken.
So groß auch die Verlockung der alten Einrichtungen sein mag – fast jeder in den letzten zwanzig Jahren gegründete, bessere Haushalt hat ein Empire- oder Biedermeierzimmer aufzuweisen; derlei Dinge sind so hübsch und so wohlfeil gewesen –, schließlich hat doch nur die Einrichtung kulturvolle Wesensart und Bedeutung, die ihrer Zeit folgt, die dem modernen Künstler Gelegenheit bringt, im Geiste seiner Epoche zu schaffen. Wenn ich mich antik einrichte, so ist für meine Räume das moderne Kunstgewerbe wertlos, sozusagen aufs Trockene gesetzt. »Il faut être de son temps«, sagt Daumier. Unser eigner Wille zur Modernität bietet den Kunstgewerblern unserer Tage Antriebe zur Entwicklung und Höchstleistung. Der arbeitgebende Mensch wird unbewußt die Form des kunstgewerblichen Arbeiters ausbilden. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß man sich durch den Willen zur modernen Einrichtung die Freude an alten, raren Sachen verderben lassen soll; ein schöner Schrank bleibt immer ein schöner Schrank, eine schöne Kommode eine schöne Kommode, usw. Es hat auch lockenden Reiz, sich nicht gleich ganz fertig, sondern erst nach und nach zu installieren. Oder vielleicht ein ganzes Zimmer unmöbliert zu lassen, in der romantischen Hoffnung, daß unsere Sammlertätigkeit es schon allmählich füllen werde. Wer echte Liebe und reines Verständnis für altes Kunsthandwerk hat, soll dies Talent in Ruhe entfalten, soll auf Reisen diesen schönen Trieb befriedigen und seine Entdeckerfähigkeiten schärfen. Und findet er einen interessanten Stuhl, einen gefälligen Tisch oder einen pittoresken Teppich, so soll er sie getrost seinem Inventar einverleiben und glücklich damit sein.
Besonders gut sind die Besitzer ererbter Einrichtungen dran, die aus Tradition beruhen, weil jede wertvolle Rarität, die neu hinzukommt, so in das Ensemble hineinpaßt, als sei sie ewig dort gewesen. Der Besitzer eines solchen, sich auf alten Kulturformen stützenden Heims ging aber nach meiner Meinung doch zu weit, als er mir einmal sagte: »Wer eine Einrichtung hat, in die kein altes, gutes Stück hineinpaßt, der hat überhaupt keine Einrichtung, die mitzählt.«
Immerhin ist, wie gesagt, für den im modernen Leben stehenden und tätigen Menschen das moderne Möbel eigentlich das gegebene, während bei antiken Gegenständen der Einrichtung stets Konzessionen gemacht werden müssen, um sie den praktischen Bedürfnissen des Alltags anzupassen. So fehlt dem antiken Sekretär der Safe, so ist das vlämische Büfett für unser Empfinden nicht richtig ungeordnet und gefügt: es ist kein Platz für Gläser da, der eingebaute Silberkasten wird vermißt und viele moderne Wünsche sonst bleiben unberücksichtigt, weil zu der Zeit, da jene antiken Möbel entstanden und Mode waren, geringere oder besser gesagt andere Bedürfnisse sich geltend machten, die jene Möbel in ihrer Art durchaus erfüllten. Damals, als das vlämische Büfett in Blüte war, stellte man Prunkteller und Krüge darauf, während man heute z. B. Tassen in Vitrinen birgt, das heißt: besitzt man schöne, aber zerbrechliche Dinge, so mag man sich eine Vitrine anschaffen, nicht aber soll man eine Vitrine kaufen, sich erst seine sieben Sachen dafür zusammensuchen, um damit zu protzen … Also: moderne Möbel sind auch deshalb nötig, weil sie aus den Bedürfnissen des neuen Menschen heraus geschaffen werden. Heute muß der Gast kommod sitzen (die Tätigkeit der Menschen ist enervierender als früher, und weit und anstrengend sind die Wege in den Großstädten); es ist ein Gebot der Höflichkeit, den Besucher in den behaglichsten Sessel des Zimmers zu laden. Zu Goethes Zeiten kannte man gleichsam nur spartanische Sitzgelegenheiten. Goethe selbst spazierte, auch mit seinen Gästen, mit Vorliebe im Zimmer umher; er bevorzugte, besonders wenn er arbeitete, sehr einfache Stühle. Eckermann notiert das Wort von ihm: »Eine Umgebung von bequemen, geschmackvollen Möbeln hebt mein Denken auf und versetzt mich in einen behaglichen, passiven Zustand. Ausgenommen, daß man von Jugend auf daran gewöhnt sei, sind prächtige Zimmer und elegantes Hausgerät für Leute, die keine Gedanken haben und haben mögen.«
Auch die Spezialisierung der Zimmer ist weiter gediehen und hat zugenommen. Wir haben besondere Musikzimmer, Spielzimmer, Ankleidezimmer, Dielen usw. Beinah ein noch größerer Wert aber als auf dekorative und hauswirtschaftliche Dispositionen wird auf das hygienische Moment gelegt; das einstige Stiefkind der Wohnung, das so ganz vernachlässigte Schlafzimmer, ist der wichtigste Raum geworden, ebenso das Kinderzimmer. Man hat endlich entdeckt, daß hier das Beste gerade gut genug sei. Die Dienstboten kampieren nicht mehr irgendwo in Nebengelassen oder auf den sogenannten Hängeböden, die mit Hühnerleitern zu erklimmen waren, sondern sind in gesunden Räumen menschenwürdig untergebracht. Durch das Schlafzimmer, durch das Badezimmer hat sich der englische Einfluß die Welt erobert. Hier ist der Sehnsucht nach der Antike halt geboten. Ein Schlafzimmer kann natürlich nur in modernem Stil eingerichtet sein, wenn es die Gesundheit der Menschen schützen soll. Seit Goethes berühmter kleiner Waschschüssel haben wir nicht unbeträchtliche Fortschritte gemacht. Als sich in Frankreich der bessere Bürgerstand noch mit dem »bain portatif« begnügte, das ihm aus der Zentralbadeanstalt des Quartiers fix und fertig ins Haus gebracht wurde, hatten wir lange schon unser hygienisch hoch entwickeltes Badezimmer. Das kleinste Loch von Baderaum, worin die Wanne den meisten Platz beanspruchte, bezeichnete der Franzose stolz mit: salle de bain. Ich war einst Zeugin einer Unterredung, die eine sehr bekannte Pariser Schauspielerin mit ihrem Manne hatte, kurz vor dem Kriege. Sie suchten eine größere Wohnung, mit einem Badezimmer selbstverständlich, auf das die Frau sich kindlich freute. »Du wirst sehen,« sagte sie zu ihrem Mann, »wenn ich erst ein Badezimmer habe, werde ich viel häuslicher sein!« –
Der herrschende Modegeschmack wird sich in dem dekorativen oder ornamentalen Element der Einrichtung wiederfinden und ausdrücken; das Kunstgewerbe macht alle Sprünge der Mode mit. Die modischen Stickereien kehren an Kissen und Vorhängen wieder; werden Spitzen, Perlen oder Fransen an den Kleidern getragen, dann findet man sie auch an Decken, Lampenschirmen, Polsterungen. Spukt der Orientgeschmack im Hirn der Modeschaffenden, so wird ein Boudoir im japanischen Stil die Sehnsucht aller eleganten Frauen sein. Geben sich die Kleider glatt und simpel, so tun es die Vorhänge ebenfalls, und die Mode der Raffungen bringt auch in der angewandten Raumkunst die Draperien wieder. Dabei fällt mir unser alter Tapezierer ein, der an unseren Fenstern die gerafften Stores in glatte umwandeln sollte, als die Mode dies vernünftigerweise verlangte. »Unsinn,« sagte er, »ick raffe.« Und war nicht davon abzubringen. Er raffte ruhig weiter, bis ein Höherer ihn wegraffte.
Es ist auch ein wesentlicher Fortschritt, daß wir die Räume, die wir bewohnen sollen, wirklich bewohnen. Dereinst benutzte man »das gute Zimmer« nur bei besonderen, feierlichen Anlässen; den übrigen Teil des Jahres blieben die roten oder grünen Plüschmöbel mit leinenen Schutzhüllen umkleidet. Wir haben gelernt, daß uns die Gegenstände überdauern. Wozu sie schonen? Was man nicht nützt, ist eine schwere Last. Außerdem soll sich die junge Wirtschaft nach diesem Kriege, da alle Lebensformen auf Konzentration gerichtet sind, mit wenigen, notwendigen Räumen begnügen. Die kalte Pracht eines überflüssigen Salons ist ein Luxus, den wir entbehren können und müssen. Auch bei der praktischen Einteilung der Zimmer walten Grundsätze der Sparsamkeit, und das Wort eines verstorbenen Freundes kommt mir jetzt oft in den Sinn: »Man kann sich in zwei kleinen Stuben niemals so unglücklich und einsam fühlen wie in einem großen Hause.« –
Die letzte Vollkommenheit des Heims aber, sei es nun groß oder klein, wird immer die Frau sein. Sie ist berufen, eine Seele in das Heim zu tragen, das Heim autoritativ herzurichten und einzurichten, weil es wirklich ihr Heim ist, weil sie mehr darin wohnt, intensiver darin lebt als der Mann. Sie wird mit ihrem Wesen die Räume erfüllen und aus häuslicher Empfindung heraus die Umgebung schaffen, die ihr und den Ihrigen gemütliches wie ästhetisches Behagen sichert. Georges Sand empfand so, als sie sagte: »Le style c'est l'homme, la maison c'est la femme.« Meist spürt man schon beim Betreten eines Raumes, wes Geistes die Bewohnerin ist. Die Frau von Geschmack wird nichts Banales und Gleichgültiges oder Schönheitwidriges in ihrer Behausung ertragen – keine kitschigen Nippes, keine überflüssigen oder übertreibenden Ornamente. Sie wird nicht viele, aber kostbare, glücklich verteilte Gegenstände zur Schau stellen und die Dinge des täglichen Gebrauchs mit artistischer Sorgfalt auswählen, denn alle diese Dinge sprechen zu uns, haben Beziehungen zu uns. Manchmal ist man versucht, die Wohnung eines anderen auszuräumen, um nur wenige, künstlerisch erträgliche Sachen hineinzutun. Blumenvasen sollen allein durch Form und Material wirken, nicht aber durch zweckbare Verzierung, durch aufgemalte oder eingepreßte Blumen, Vögel usw. Sie sollen einfach Behälter für Blumen sein – wie die Begleitung nicht den Gesang übertönen darf. Deshalb sind leere Vasen ein so trostloser Anblick.
In all den kleinen Nebensächlichkeiten, die doch so vielsagend sind, äußert sich die Geschicklichkeit und das artistische Anpassungsvermögen des Weibes. Eine charmante Frau wird ein Hotelzimmer, das sie als Passantin bezieht, durch wenige Kleinigkeiten, durch Kissen, ein paar Blumen, ein paar Früchte, durch Gruppierung von Gebrauchgegenständen, die der Reise dienen, durch einige Photographien, kurz, durch knappe, undefinierbare Handgriffe ganz verändern und von seiner Banalität befreien können; dasselbe Hotelzimmer aber wird nicht wiederzuerkennen sein, wenn es eine andere, eine talentlose Frau bewohnt. Die wertvollste Einrichtung wirkt kalt, wenn die Frau ohne Seele ist, wenn sie künstlerisch nichts empfindet, und die einfachste Möblierung wird das Gefühl größter Behaglichkeit wecken können, nur durch jenen unbeschreiblichen Einfluß einer Frau, durch ihre geheime Begabung, einen toten Gegenstand mit Leben zu erfüllen, ihn einzubeziehen in ihres Wesens Wärme. Dieser Einfluß wird auch in ihrer Umgebung rasch erkennbar sein. Schon die Art, wie Dienstboten den Besucher empfangen, wie sie am Telephon Bescheid geben, wie sie gekleidet sind oder wie sie servieren, ob sie artig und zuvorkommend oder ob sie mürrisch und wortkarg sind, läßt berechtigte Schlüsse auf den Charakter der Hausfrau zu, und nicht nur auf ihren Charakter, sondern auch auf ihre soziale Veranlagung. Wie die Wohltätigkeit, so beginnt eigentlich auch der Sozialismus zu Hause. Die Hausfrau darf den Dienstboten niemals den Abstand fühlbar machen, auch in der Verpflegung nicht. Der Diener soll an dem Guten teilhaben, das der Herr sich leistet. Ein schönes Wort des Talmud lautet in der Paraphrase eines deutschen Dichters:
»Verscheuche nicht die wilde Taube;
Laß hinter dir noch Aehren stehn
Und nimm dem Weinstock nicht die letzte Traube!«
Die Hausfrau muß das Talent haben, die Fehler ihrer Angestellten auch einmal zu übersehen oder vielmehr alles zu sehen, doch nicht zu zeigen, daß sie alles sieht und weiß.
Sie soll ihre Angestellten nicht wie ein Luchs beobachten, noch ihr kleines Privatleben verkürzen. Der Angestellte darf eine diskretionäre Freiheit fordern, wenn er die Arbeit getan hat, und muß sie haben, wie jeder unabhängige Arbeiter sie hat. Das »draußen« im Heim pflegt das Echo von »drinnen« zu sein, und erst eine vollkommene Harmonie von draußen und drinnen schafft die Traulichkeit und Behaglichkeit des Hauses. Des Hauses, auf das wir jetzt mehr denn je angewiesen sind.
Das produktive Wirken der Hausfrau hängt natürlich von den allgemeinen Lebensverhältnissen ab; aber ist es denn durchaus nötig, vieles und Kostbares zu bieten? Die geschickte Wirtin weiß sehr wohl, daß alles auf das Wie ankommt. Wie sie ihre Gaben darreicht, wie sie ihren Tee serviert, ihr Obst anbietet usw., kann Kultur des Geschmacks und des Herzens verraten, ohne irgendwie prunkvoll zu sein. Es ist nicht unbedingt nötig, daß die Dienstmädchen teure weiße Häubchen und weiße Handschuhe tragen – es genügt, wenn sie nett und adrett aussehen. Später wird vom gedeckten Tisch ausführlicher die Rede sein. Hier nur dieses. Nicht bloß wenn sie Gäste hat und Feste feiert, auch im täglichen Leben, im engeren Familienkreise wird die Herrin des Hauses ihren Tisch pflegen, ihn mit Blumen schmücken und Sorge tragen, daß alles, was auf die Tafel kommt, hübsch und einladend aussieht. Auch der appetitlich gedeckte Tisch ist ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Heims. »Des Lebens kleine Zierden« sind es, die tausend unauffälligen Nichtigkeiten, die ein Heim so reizvoll und anziehend machen, daß es zu einer wirklichen Heimat werden kann.
Nun gibt es Damen, die ihre Qualifikation zur Hausfrau in einem andauernden, rastlosen, krampfhaften Betätigungsdrange suchen, die durch geschäftige Unruhe den Mann tyrannisieren und die Kinder abschrecken; Frauen, die ewig auf der Jagd nach Arbeit sind und ihre Angestellten beständig in Atem halten; Frauen, die überall Staub und Unreinlichkeit wittern, zum Wohle der Gardinen die strengsten Rauchverbote erlassen, fast ohne Unterbrechung Großreinemachen veranstalten, die Möbel polieren, die Polster klopfen und mit Leidenschaft das Oberste zu unterst kehren. Wenn sie sich dann mit ihren Leuten todmüde zu Bett legen, glauben sie etwas Großes und Anerkennenswertes vollbracht zu haben.
Ich will der fanatischen Hausherrin, die im Grunde nichts anderes als ihre eigene erste Dienstmagd ist, nicht zu nahe treten – aber ich meine doch: die Symptome der wahren Tüchtigkeit zeigen sich bei einer Hausfrau auf ganz andere Art als in der Tatsache, daß nirgends ein Stäubchen zu erblicken ist. Ich muß hier an meine alte Tante Emilie denken, die mir einmal vorphilosophierte: »Die Hauptsache ist, daß meine Kinder glücklich sind. Ob sie's mit zu viel oder zu wenig Reinemachen sind, ist mir völlig gleichgültig.«